Perspektivisches Erzählen (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Eine neue Kunstform

Die durchgängige Erzählerperspektive stellt eine bedeutende Neuerung der höfischen Erzählkunst im Mittelalter dar. [Bumke 2004: Vgl. S. 229] Vorbilder und Beispiele einer stringenten Erzählerpespektive sind die Epen des französischen Dichters Chrétiens de Troyes, darunter auch die Vorlage Li Contes del Graal ou Le roman de Perceval für den Parzival-Roman Wolframs von Eschenbach, und der Roman d'Énéas. [Bumke 2004: Vgl. S. 229] Der Conte du Graal von Chrétiens de Troyes ist monoperspektivisch verfasst. Bei der Verschriftlichung seines Parzival-Romans übernimmt Wolfram von Eschenbach die Schilderung des Geschehens durch eine Erzählerperspektive aus seiner französischen Vorlage. Er fügt dem Erzähler als Erzählinstanz jedoch spezifische Eigenheiten ein und erweitert die Darstellung des Erzählten durch die Perspektive verschiedener Roman-Figuren. Durch diese Aufspaltung der monoperspektivischen Erzählweise von Chrétiens de Troyes in den polyperspektivischen Erzählstil Wolframs von Eschenbach, entsteht in dem deutschen Parzival-Roman ein Netz divergierender und konvergierender Sichtweisen. Auf die Besonderheiten der mehrpespektivischen Erzählstrategie Wolframs von Eschenbach wird in dem folgenden Abschnitt noch einmal ausführlicher eingegeangen werden. Für den Moment ist jedoch festzuhalten, dass das polyperspektivische Erzählen Wolframs von Eschenbach eine beachtliche erzähltechnische Innovation und darstellerische Erweiterung seiner Vorlage von Chrétiens de Troyes verkörpert, sodass Bumke von einer "eigene[n] Kunstform" [Bumke 2004: S. 229] Wolframs von Eschenbach spricht.

Quellennachweise

<HarvardReferences /> [*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36).