Richard Wagners "Tristan und Isolde"
Richard Wagners (22. Mai 1813 - 13. Februar 1883) romantische Oper "Tristan und Isolde" geht auf Gottfried von Straßburgs historische Vorlage zurück.
Entstehungegeschichte
Inhalt
Inhaltsangabe[1]
Erster Akt
Tristan und Isolde fahren auf einem Schiff aus Irland (Isoldes Heimat) nach Kornwall, wo sie Marke, Tristans Onkel, zum Mann nehmen soll. An Bord befinden sich neben Seemännern Kurwenal, Tristans Diener, und Brangäne, Isoldes Zofe. Zunächst trägt Isolde Brangäne auf, Tristan zu ihr zu schicken. Was Isolde genau mit Tristan bereden mag, erfährt man zu diesem Zeitpunkt nicht. Kurwenal weist Brangänes Anliegen aber an Tristans Stelle grob zurück, indem er ihr unterstellt, dass Isolde Tristan deswegen sprechen wolle, weil sie ihn und nicht Marke ehelichen will.
Wer Kornwalls Kron‘ und Englands Erb‘ an Irlands Maid (Isolde) vermacht, der kann der Magd nicht eigen sein, die selbst dem Ohm er schenkt. (V. 194-199)
Man muss hier davon ausgehen, dass sich „vermacht“ hier auf Tristan bezieht, nicht auf Marke, weil ersterer um Isolde geworben hat. Genau genommen vermacht nämlich Marke durch die Eheschließung Kornwall und England Isolde. Zu Isolde zurückgekehrt, berichtet Brangäne von den Schmähungen Kurwenals, worauf sich Isolde bei Brangäne entschuldigt, dass sie an ihrer Stelle die Schmach erfahren musste. Zudem erklärt Isolde, worin diese Schmach gegründet ist.
Erfuhrst du meine Schmach, nun höre, was sie mir schuf. (V. 244-245)
Isolde errettete eins einen verwundeten Jüngling namens Tantris vor dem Tod, indem sie ihn gesund pflegte. Tantris erkannte sie aber nicht sofort als denjenigen, der Morold ermordete und für dessen Mord sie Rache schwor - Morold wurde von Tristan ermordet. Schließlich erkennt Isolde Tristan doch noch an seinem Schwert, dem ein Splitter fehlt, den sie aus dem Kopf des Erschlagenen bergen konnte. Es ergab sich darauffolgend wohl eine Gelegenheit, in der Isolde die Möglichkeit gehabt hätte Tristan zu erschlagen, das Schwert aber fallen ließ. („das Schwert - daß ließ ich fallen:“ V. 286) Anscheinend entließ Isolde Tantris eine gewisse Zeit vom Hof, nachdem „er schwur mit tausend Eiden [ihr] ew‘gen Dank und Treu“ (V. 297 f.), bevor sie ihn, als er zurückkam, um um sie in Markes Namen zu werben, als Tristan erkannte. Die Chronologie in Wagners Text ist nicht eindeutig. Fest steht nur, dass Isoldes Wut dreierlei Schuld auf Tristan projiziert. Erstens wirft sie ihm den Mord an Morold vor. Zweitens nimmt sie ihm die Täuschung übel, als er sich für Tantris ausgab, um Isolde hinters Licht zu führen und sie so dazu bewegen konnte, ihn zu heilen. Der dritten Punkt, welcher gleichwohl am schwersten wiegt, ist, dass Tristan eidbrüchig wurde, als er zurückkam, um in Markes Namen um ihre Hand anzuhalten. Er schwor ihr „ew‘gen Dank und Treue“, handelt aber hier nicht in ihrem, sondern in Markes Sinne. Was sicherlich im dritten Punkt mitschwingt ist, dass Isolde „Irlands Erbin“ (V. 307) sich „für Kornwalls müden König“ (V. 309) zudem zu schade ist. Mit den emphatischen Ausrufen
Fluch dir, Verruchter! Fluch deinem Haupt! Rache, Tod! Tod uns beiden! (V. 259-263)
schließt Isolde ihren Monolog. Ihre Schmach, ihre verlorene Ehre beschließt sie durch einen Doppelmord an Tristan und sich selbst zu sühnen. Brangäne teilt Isoldes Meinung über Marke nicht. Sie verteidigt Tristans Vorgehen, indem sie Marke erhöht.
Von edler Art und mildem Mut, wer gliche dem Mann an Macht und Glanz? (V. 389-392)
Isolde entgegnet ihr, dass sie es nicht ertragen wird, ohne vorangehenden Minnedienst Gattin Markes zu sein. Sie befürchtet sogar nicht von ihm geliebt zu werden.
Ungeminnt den hehrsten Mann stets mir nah zu sehen, - wie könnt‘ ich die Qual bestehen. (V. 397-400)
Nun bringt Brangäne den Liebestrank ins Spiel, mit dem sie Isoldes Befürchtungen zerstreuen will. Der Trank soll im schlimmsten Falle Marke an Isolde binden. Zu diesem Zwecke gab Isoldes Mutter Brangäne den Trank auf die Reise mit. Isolde lässt Brangäne nun den Schrein holen, indem der Trank aufbewahrt ist. Brangäne holt den Trank heraus und zeigt Isolde die Flasche. „Den hehrsten Trank, ich halt‘ ihn hier.“ (V. 435 f.) Isolde meint es aber besser zu wissen: Was Brangäne in den Händen hält, ist der Trank mit dem Isolde den Doppelmord vollziehen will - der „Todestrank“ (V. 441). Isolde hat das Fläschchen entsprechend markiert. „Du irrst, ich kenn ihn besser; ein starkes Zeichen schnitt ich ein: -“ (V. 437-439). Es werden erste Rufe von außerhalb laut, dass Land in Sicht ist. Kurwenal betritt die Kajüte der Frauen und will Isolde abholen, um sie für die Ankunft in Kornwall und das Treffen mit Marke auf Deck zu holen. Isolde weigert sich:
Sollt‘ ich zur Seit‘ ihm gehen, vor König Marke zu stehen, nicht möcht‘ es nach Zucht und Fug geschehn, empfing‘ ich Sühne nicht zuvor für ungesühnte Schuld: drum such‘ er meine Huld. (V. 467-474)
Isolde möchte nicht eher mit Tristan vor Marke treten, bevor Tristan sich nicht bei ihr für seine Vergehen entschuldigt hat. Kurwenal soll ihn zu ihr bringen, damit er dies tue. Kurwenal gibt nach anfänglichem Widerwillen nach und verlässt des Raum, um Tristan zu holen. Indessen verabschiedet sich Isolde von Brangäne - ein Abschied auf Dauer. Isolde ist gewillt mit Tristan zusammen den Todestrank zu trinken. Das gemeinsame Trinken, so wird sie Tristan sagen, wird ihn entsühnen. Entsetzt will Brangäne Isolde noch von ihrem Vorhaben abbringen, als Isolde ihr entgegnet, dass ihre Mutter von vornherein den Todestrank mit auf die Reise gab, dass er dafür verwendet werde, als „Gegen-Gift: für tiefstes Weh, für höchstes Leid“ (V. 527-530) zu fungieren. Tristan tritt ein. Isolde hält ihm offen vor, dass es Mord an Morold war, welchen er verübte und dass diese „Blut-Schuld“ (V. 573) noch gesühnt werden müsse.
Isolde Blut-Schuld schwebt zwischen uns. Tristan Die ward gesühnt. Isolde Nicht zwischen uns. Tristan Im offenen Feld vor allem Volk ward Ur-Fehde geschworen. (V. 573-579)
Tristan sieht die Schuld folglich bereits als abgeleistet an, da Morold im Duell auf Leben und Tod starb, folglich kein Mord statt fand. Isolde offenbart ihm darauf, dass sie Rache für Morolds Tod schwor, weil sich kein Mann fand, der es an ihrer Stelle geschworen hätte.
Da er gefallen, fiel meine Ehr‘; in des Herzens Schwere schwur ich den Eid, würd‘ ein Mann den Mord nicht sühnen, wollt ich Magd mich dess‘ erkühnen.- (V. 606-611)
Tristan ist Isoldes Verhalten und ihr Bestehen auf Rache für Morolds Tod unverständlich, bis sie ihm erzählt, dass Morold ihr Verlobter war.
Angelobt war er mir, der hehre Irenheld; (V. 602 f.)
Auf für den Rezipienten wird nun Isoldes Grimm verständlicher. Isolde bietet Tristan nun an, anstatt ihn zu töten, was sie Marke verhasst machen würde, einfach auf Freundschaft, auf Sühne zu trinken und den Zwist so beizulegen.
was würde König Marke sagen, erschlüg‘ ich ihm den besten Knecht, (V. 630-633)
und
das Schwert - da ließ ich‘s sinken. Nun laß uns Sühne trinken. (V. 652 f.)
Währenddessen legt das Schiff am Hafen an. Tristan äußert düster:
fass‘ ich was sie verschwieg, verschwieg‘ ich was sie nicht faßt. (V. 664 f.)
Daraus lässt sich schließen, dass Tristan vermutet, dass es sich nicht um gewöhnlichen Wein handelt. Auch sein folgender Monolog lässt den Verdacht zu. Er verhöhnt Isolde, zählt auf welche Schmach er ihr zugefügt hat und bezweifelt, dass ein einfaches Miteinander-Trinken das alles aus der Welt schaffen könnte. Auch ein Nachäffen lässt sich vermuten, denn Tristan zitiert hier eine imaginäre Äußerung Isoldes. Folgendes Zitat muss zudem mit leisem Hohn (Regieanweisung S. 36) gelesen werden:
So guter Gaben holden Dank schuf mir ein süßer Sühne-Trank: den bot mir ihre Huld, zu büßen alle Schuld.“ (V. 695-700)
Indessen hat Brangäne Isolde den bereiteten Trank gereicht. Tristan sagt anschließend ganz offen, dass er in der Flüssigkeit Zauberkräfte vermutet, entreißt Isolde den Becher und trinkt trotzig daraus, sich ganz bewusst, dass der Trank ihn töten kann.
Wohl kenn‘ ich Irlands Königin, und ihre Künste Wunderkraft: den Balsam nützt‘ ich, den sie bot; den Becher nehm‘ ich nun, daß ganz ich heut genese! Und achte auch des Sühne-Eids, den ich zum Dank dir sage. - Tristans Ehre - höchste Treu‘: Tristans Elend - kühnster Trotz. (V. 706-720)
Isolde sieht sich um ihren Tod betrogen, entreißt Tristan wiederum den Becher und trinkt auch. Kaum ausgetrunken erblicken sich die beiden und erbrennen in Liebe zueinander. Sie vergessen alles um sich herum und sind sich der Konsequenz nicht bewusst. Nur Brangäne erkennt die Lage. Mittlerweile sind sind schon Dockarbeiter an Bord gekommen, um die Fracht zu löschen. Das xxx VonBordGehen kommt immer näher, die Zeit wird knapp und die Gefahr gesehen zu werden umso akuter. Als Tristan und Isolde verstehen, dass sie den Liebestrank und nicht den Todestrank zu sich genommen haben, also noch am Leben sind, ist bereits die Brücke ausgelegt und die Zeit sich Marke zu stellen gekommen. Unklar bleibt, ob Brangäne den vermeintlichen Todestrank reichte und sich Isolde geirrt hat, oder ob Brangäne den Liebestrank doch noch fand (o.ä.) und es sich somit um zwei Tränke handelt.
Zweiter Akt
Brangäne und Isolde befinden sich im Garten vor Isoldes Gemach. Isolde ist voll gespannter Vorfreude bis Marke endlich mit seiner Jagdgesellschaft aufgebrochen ist und die Jagdhörner verklungen sind, was sie zum Anlass nehmen will, ihr Licht zu löschen. Dies wiederum ist das Zeichen für Tristan, dass Isolde ungestört ist und er ohne Gefahr zu ihr kommen kann. Doch Brangäne warnt Isolde davor, nicht vor Liebe blind für alle Gefahr zu werden.
Der deiner harrt - o hör mein Warnen! - dess‘ harren Späher zur Nacht. Weil du erblindet, wähnst du den Blick der Welt erblödet für euch? - (V. 830-835)
Zudem traut Brangäne Melot, ein Freund Tristans und Höfling, nicht, der sowohl die List der Jagd, also die Abwesenheit Markes, erdacht und iniziiert hat, sondern auch die, mit dem Löschen des Lichtes.
Tückisch lauschend treff‘ ich ihn oft: der heimlich euch umgarnt, vor Melot seid gewarnt. (V. 854-857)
und
Von Tristan zu Marke ist Melots Weg; dort sät er üble Saat. (V. 866-868)
Schließlich löscht Isolde das Licht und gibt Tristan so das verabredete Zeichen. Bald kommt Tristan und die beiden schwören sich ihre Liebe.
Mein und dein! Immer ein! Ewig, ewig ein! (V. 1003-1005)
Doch anscheinend stehen immer noch offene Fragen zwischen Tristan und Isolde. So fragt Isolde Tristan warum er sie, wo er doch immer ihre Gunst gehabt hätte, Marke gegeben hat und sie somit betrog.
War sie nicht dein, die dich erkor, was log der böse Tag dir vor, daß, die für dich beschieden, die Traute du verrietest? (V. 1079-1084)
Tristan gibt an, dass er nur seine Ehre und Ruhm im Kopf gehabt habe, dass ihn der Glanz dessen blind gemacht habe für Isolde. So fuhr er also zurück nach Irland, Isolde für Marke zu gewinnen und seine eigene Ehre zu vermehren, bzw. seinen Ruhm gegenüber den Neidern und Missgünstigen in Kornwall zu rechtfertigen.
der Mißgunst, die mir Ehren und Ruhm begann zu schweren, denen bot ich Trotz, und treu beschloß, um Ehr‘ und Ruhm zu wahren, nach Irland ich zu fahren. (V. 1123-1128)
Isolde gesteht nun die Mordabsicht auf dem Schiff:
mit mir - dich im Verein wollt‘ ich dem Tode weihn. (V. 1162 f.)
Was er aber schon wusste:
In deiner Hand den süßen Tod, als ich ihn erkannt den sie mir bot; (V. 1164-1167)
So räumen sich die Liebenden nach und nach alle Unklarheiten aus dem Weg und gehen ganz in ihrer Liebe auf - bis die Falle Melots zuschnappt und Marke früher, im Morgengrauen von der Jagd heimkehrt und die beiden in flagranti beim Liebesduett (wörtlich gemeint) erwischt. Marke ist bestürzt über die Entdeckung, es scheint, dass er Melot nicht bedingungslos geglaubt hat.
Mir - dies? Dies -, Tristan, -mir? - (V. 1493 f.)
Desweiteren versteht er nicht, wie Tristan ihn nach all dem Guten, was zwischen ihnen war, derartig betrügen und entehren konnte. Zumal er nur auf Anraten Tristans erneut heiratete, weil er seine erste Frau so liebte und kinderlos, wie er ist, Tristan als Erben einsetzen wollte.
Dünkte zu wenig dich sein Dank, daß was du erworben, Ruhm und Reich, er zu Erb‘ und Eigen dir gab? Dem kinderlos einst schwand sein Weib, so liebt‘ er dich, daß nie aufs Neu‘ sich Marke wollt‘ vermählen. (V. 1517-1526)
Marke ist also keinesfalls Unmensch, oder bösartig - im Gegensatz zu Melot, der aus Machtgier, seinen Freund ans Messer liefert. Tristan kann nur kurz antworten auf die Verzweiflung Markes: „O König, das - kann ich dir nicht sagen;“ (V. 1599 f.). Schließlich entsteht ein Kampf, worin Tristan von Melot schwer verwundet wird, aber nicht getötet - Marke lässt Melot Tristan nicht töten.
Dritter Akt
Tristan liegt schwer verwundet in der Ruine der Burg Karneol, die einst Tristans Vätern gehörte; wir befinden uns in Tristans Heimat. Kurwenal hat ihn wohl aus dem Garten gerettet und ihn per Schiff an den Schauplatz gebracht, wo er jetzt Wache hält und auf ein Schiff wartet, auf dem sich Isolde befinden soll, nach der er durch einen Diener schicken lies. Ein Hirte im Hintergrund gibt Kurwenal ständig Informationen darüber, ob ein Schiff naht. Tristan ist schwach und desorientiert, so dass Kurwenal ihm die gesamte Lage erklären muss. Kurwenal versucht Tristan aufzumuntern.
im echten Land, im Heimat-Land, auf eigner Weid‘ und Wonne, im Schein der alten Sonne, darin von Tod und Wunden du selig sollst gesunden. (V. 1737-1742)
Doch Tristan kann dies „gesunden“ nicht beruhigen:
Dünkt dich das, - ich weiß es anders, doch kann ich‘s dir nicht sagen. (V. 1743-1745)
Der weitere Szenenverlauf ist recht simpel. Kurwenal wird immer ungeduldiger, während Tristans Kräfte zusehends schwinden. Dabei fällt Tristan immer mehr in ein Delirium, er singt im Wahn von Erlebtem und von seiner Liebe zu Isolde. Schließlich wird ein Schiff sichtbar, dessen Flagge gute Nachricht verheißt.
Tristan Die Flagge? Die Flagge? Kurwenal Der Freude Flagge am Wimpel lustig und hell. (V. 2085-20879)
Dass Tristan von nach der Flagge fragt, lässt darauf schließen, dass es gängig war, entsprechende Flaggen zu hissen um positive oder negative Nachrichten anzudeuten. Hier naht aber „der Freude Flagge.“ Isolde ist an Bord, gekommen um Tristan zu heilen. Tristan schickt Kurwenal zum Hafen, damit er Isolde den Hügel zur Burg hinaufträgt, um sie vor dem beschwerlichen Weg zu bewahren. Tristan bleibt allein zurück, kämpft sich auf die Beine und schwankt dorthin, wo Isolde auftauchen wird. Als Isolde naht, werden ihre Rufe nach Tristan laut; kaum angekommen fällt Tristan ihr tot in die Arme. Alle Versuche ihn zu retten sind vergebens. Und Isolde klagt darüber, dass Tristan nicht auf sie gewartet hat, damit sie zusammen sterben können.
Nicht an der Wunde, an der Wunde stirb mir nicht! Uns beide vereint erlösche das Lebenslicht! - (V. 2195-2198)
Plötzlich naht ein zweites Schiff. Marke ist mit Melot und Brangäne Isolde nachgereist. Kurwenal und seine Gefolgschaft versuchen den Eingang zur Burg zu barrikadieren, doch die Feinde durchbrechen den Widerstand, wobei Melot von Kurwenal tödlich verwundet wird und Tristan um Verzeihung bittend stirbt.
Wehe mir! - Tristan! (V. 2250)
Im Zweikampf gegen Marke unterliegt Kurwenal - auch er stirbt. Die Kämpfe sind beendet. Marke wird dem toten Tristan gewahr und trauert um ihn; er hat ihm schon für seine Vergehen verziehen!
Tot denn alles! Alles tot? Mein Held! Mein Tristan! Trautester Freund! Auch heute noch mußt du den Freund verraten? Heut, wo er kommt dir höchste Treu‘ zu bewähren?(V. 2276-2283)
Brangäne erklärt im Folgenden Isolde Markes Sinneswandel. Brangäne hatte in Abwesenheit Tristans und Isoldes Marke alles über den Zaubertrank erzählt und somit dem Liebespaar die Schuld genommen.
Ihre blinde Schuld hat sie gesühnt; als du verschwunden, schnell fand sie den König: des Trankes Geheimnis erfuhr er kaum als mit sorgender Eil‘ in See er stach, dich zu erreichen, dir zu entsagen, dir zu entsagen, dich zuzuführen dem Freund. (V. 2293-2303)
Nachdem Isolde von Marke verziehen wurde besingt sie ihren toten Geliebten.
Mild und leise wie er lächelt, wie das Auge hold er öffnet: sehr ihr, Freunde, säht ihr‘s nicht? Immer lichter wie er leuchtet, wie er minnig immer mächt‘ger, Stern-umstrahlet hoch sich hebt: seht ihr, Freunde, säh‘t ihr‘s nicht? Wie das Herz ihm mutig schwillt, voll und hehr im Busen quillt; wie den Lippen wonnig mild süßer Atem sanft entweht: - Freunde, seht - fühlt und seht ihr‘s nicht? - Höre ich nur diese Weise, die so wunder- voll und leise, Wonne klagend alles sagend, mild versöhnend aus ihm tönend, auf sich schwingt, in mich dringt, hold erhallend um mich klingt? Heller schallend, mich umwallend, sind es Wellen sanfter Lüfte? Sind es Wogen wonniger Düfte? Wie sie schwellen, mich umrauschen, soll ich atmen, soll ich lauschen? Soll ich schlürfen, untertauchen, süß in Düften mich verhauchen? In des Wonnemeeres wogendem Schwall, in der Duft-Wellen tönendem Schall, in des Welt-Atems wehendem All - ertrinken - versinken - unbewußt - höchste Lust! (V. 2322-2381)
Isolde sinkt kraftlos in Brangänes Arme. Der Vorhang fällt während der letzten Fermate.
Abweichungen von der Vorlage[2]
Vorgeschichte
Die erste Besonderheit des Wagner‘schen Tristan-Stoffes ist, dass die Handlung erst dort einsetzt, wo Tristan Isolde bereits für Marke gewonnen hat und sich mit ihr auf der Seereise nach Kornwall befindet. Tristans Jugend wird überhaupt nicht erzählt, seine Eltern nur wenig beschrieben. Man erfährt mehr oder weniger konkret nur von den jüngsten Ereignissen. Isolde schildert in ihrem Rachemonolog des ersten Aktes der Oper (V. 242-362) die Pflege des verwundeten Tantris, von dessen Abwesenheit vom irischen Hof nach seiner Genesung, der Rückkehr Tantris‘ und davon, wie Isolde ihn als Tristan erkennt, der Morold getötet hat. Auch dass sie ihn nicht umbringt, obwohl sie es geschwören hat Rache zu nehmen für Morolds Tod, bedauert sie. Desweiteren erfährt man von der bevorstehenden Hochzeit mit Marke und dass Tristan nur nach Irland zurückkam, um für Marke um Isolde zu werben. Im letzten Akt erfahren wir von Kurwenal, der den verwundeten Tristan auf eine Burg gebracht hat, dass ebendiese Burg Tristans Heimat ist - Kareol. Im Original „Kanoel“ (V. 1643, 1647). Dass Tristan aus Parmenien stammt erfahren wir nicht.
Tristans Eltern und Geburt
Bei Wagner werden Tristans Eltern nicht namentlich erwähnt; lediglich Tristans Geburt wird im zweiten Akt beschrieben. Tristan spricht hier darüber, dass ihm durch die Entdeckung der Affäre mit Isolde der Tod bevorsteht.
Dem Land, das Tristan meint, der Sonne Licht nicht scheint: es ist das dunkel mächt‘ge Land, daraus die Mutter einst mich sandt‘ als, den im Tode sie empfangen, im Tode sie ließ zum Licht gelangen. (V. 1604-1614)
Aus der Empfängnis im Tode lässt sich schließen, dass Riwalin, Tristans Vater (bei Gottfried) nach der Zeugung Tristans, oder währenddessen, verschieden sein muss. Bei Gottfried findet die Zeugung Tristans auf dem Krankenlager Riwalins statt, wo er anschließend durch Gottes Hilfe wieder genest.
dar nâch sô was vil harte unlanc, unz daz ir beider wille ergienc und daz vil süeze wîp enpfienc ein kint von sînem lîbe. ouch was er von dem wîbe und von der minne vil nâch tôt; wan daz im got half ûz der nôt, sône kunde er niemer sîn genesen: sus genas er, wan ez solte wesen. (V. 1322-1330)
Was wiederum Gottfrieds Vorlage entspricht ist, dass Blanscheflur (Tristans Mutter) bei der Geburt stirbt und Tristan so „im Tode [...] zum Licht gelangen“ ließ.
si want sich unde brach îr lîp sus unde sô, her unde dar und treip daz an, sî gebar ein sünelîn mit maneger nôt. seht, daz genas und lac si tôt. (V. 1746-1750)
Morold
Wagner erhebt in seinem Libretto Morold zum Verlobten Isoldes:
Angelobt war er mir, der hehre Irenheld; (V. 602 f.)
Bei Gottfried ist Morold nichts mehr als Isoldes Onkel.
diu künegîn sîn swester, der leit was aber noch vester, ir jâmer unde ir clagenôt. sî unde ir tohter Îsôt die quelten manege wîs ir lîp. (V. 7165-7169)
Bei Gottfried reicht diese Verwandschaftsbeziehung als dramaturgisches Mittel; Wagner braucht aber ein stärkeres Zeichen, um Isoldes Gram rechtfertigen zu können. (mehr dazu s.a. Dramaturgische Besonderheiten)
Der Trank
In beiden Fassungen wird Brangäne von Isoldes Mutter ein Liebestrank auf die Reise mitgegeben, der die Liebe Markes zu Isolde sichern soll, um so Isolde mögliche Schmach zu ersparen. Bei Wagner ist Isolde aber über die Existenz des Trankes informiert und sie ist überzeugt davon, dass sich im Fläschchen, das Brangäne ihr zeigt und den Liebestrank vermutet, ein Todestrank enthalten ist.
Isolde Du irrst, ich kenn‘ ihn besser; ein starkes Zeichen schnitt ich ein: - der Trank ist‘s, der mir frommt. Brangäne Der Todestrank! (V. 436-441)
Isolde selbst hat das Fläschchen markiert, nachdem ihr die Mutter den Trank gegeben hat. Isolde muss also schon vor der Abreise von ihrer Mutter auch über die Absicht des Tranks informiert worden sein - nicht jedoch darüber, was es für ein Trank ist! Brangäne und - wie man später feststellen wird - auch Isoldes Mutter sehen in der Liebe die Lösung für bevorstehende Schmach. Isolde jedoch sieht die Entsühnung im Tod. Zwei Weltanschauungen klaffen hier auseinander. Isolde sagt:
Für Weh und Wunden gab sie Balsam; für böse Gifte Gegen-Gift: für tiefstes Weh, für höchstes Leid - gab sie den Todes-Trank. Der Tod nun sag‘ ihr Dank! (V. 523-530)
Klar ist, dass Isolde den Plan ihrer Mutter falsch interpretiert. Anstatt dem Tod wartet die Liebe auf sie. Isoldes Mutter muss wiederum Brangäne aufgeklärt haben darüber, dass es sich um einen Liebestrank handelt, denn Brangäne erklärt Isolde, die befürchtet, dass Marke sie nicht lieben wird und ihr Ehrverlust bevorsteht:
Doch, der dir erkoren, wär‘ er so kalt, zög‘ ihn von dir ein Zauber ab, den bösen wüßt‘ ich bald zu binden; ihn bannte der Minne Macht. (V. 408-414)
Brangäne spricht also vom Einsatz des Liebestranks. Es gibt nun zwei Ansätze, warum Isolde den Todestrank überhaupt für notwendig und vorhanden hält: Entweder sie hat den Doppelmord an sich und Tristan schon lange geplant (sie will sich an Tristan rächen und sich gleichzeitig für den Mord an ihm durch ihren eigenen Tod entsühnen; näheres im Kapitel Inhalt), oder sie nahm den Trank mit, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein und ihn schlimmsten Fall, also in dem Fall des Ehrverlusts, anzuwenden. Isolde sieht darin Sterben; ihre Mutter den Zwang der Liebe. Brangäne bleibt nichts anderes übrig, als Isolde zu glauben, dass es sich um einen Todestrank handelt, schließlich ist Isolde die Alchemistin. Das Isolde nun den Doppelmord vollziehen will ist bei Wagner natürlich neu und somit den Trank ganz bewusst nutzt. Nicht jedoch das Motiv des Sühnetrinkens. Bei Gottfried handelt es sich beim Einsatz des Tranks allerdings um ein versehen, denn Isolde ist sich der Existenz des Trankes nicht bewusst. Dieser ist nur Teil des Notfallplans Brangänes und Isoldes Mutter, falls Marke Isolde nicht lieben sollte. Auch ist bei Gottfried nie von einem Todestrank die Rede.
Kurwenal und Brangäne
Melot und Marjodo
Bei Wagner entfällt die Figur des Marjodo, jedoch nicht seine Funktion. Marjodo und Melot scheinen ein und die selbe Person zu sein. Wo Marjodo bei Gottfried die Funktion des Freundes Tristans anheim fällt, desjenigen, der das Verhältnis zwischen Tristan und Isolde zuerst entdeckt und der dann Markes Verdacht erweckt, kommen alle diese Funktionen bei Wagner Melot zu. Bei Gottfried stellt Melot „nur“ die zweite Instanz dar und wird als bösartiger Zwerg erst dann relevant, als Marjodos und Markes Listen erfolglos bleiben und Melots finstere Schläue notwendig wird. Melot ist bei Wagner also Tristans vermeintlich bester Freund an Markes Hofe, der ihn aber an Marke verrät und somit entscheidende dramaturgische Funktion im zweiten Akt inne hat. Brangäne, die Melot durchschaut, bleibt nichts anders übrig als die vor Liebe blinde Isolde zu warnen und machtlos Melots Intrigen zuzuschauen.
Tückisch lauschend treff‘ ich ihn oft: der heimlich euch umgarnt, vor Melot seid gewarnt. (V. 854-857)
und
Von Tristan zu Marke ist Melots Weg; dort sät er üble Saat. (V. 866-868)
Isolde glaubt Brangäne nicht: „Ist er nicht Tristans treuster Freund?“ (V. 860 f.)
List und Entdeckung
Melot stellt zudem ein Bindeglied zwischen Liebenden und Feinden dar. Das besondere daran ist, dass er Tristan und Isolde falsch rät und somit eine aktivere Rolle spielt als bei Gottfried: Melot erdenkt sich mehrere Listen, die in ihrem Zusammenhang das Schicksal des Paares entscheiden. Isolde empfiehlt er als Zeichen dafür, dass Tristan sie gefahrlos besuchen könne, einfach nachts das Licht zu löschen. Nun fädelt er eine Jagdgesellschaft ein. Tristan und Isolde sagt er, dass er Marke und den Hofstaat auf eine längere Jagd geschickt hat, damit sie ungestört seien. Doch der Schein trügt. Melot handelt im Sinne Markes und kaum ist das Licht gelöscht stehen Marke und Melot in Isoldes Garten und erwischen das Paar in Zweisamkeit. Bei Gottfried sind alle Listen Markes und dessen Berater sehr einseitig. Es werden Fallen gelegt, aufgelauert, versucht mit Worten und Fangfragen die Liebenden zu überführen. Einen destruktiven Berater Tristans oder Isoldes gibt es nicht. Bei Gottfried lässt sich das Liebespaar ausschließlich von Kurwenal und Brangäne beraten, welche treu ergeben sind und in alle Geheimnisse der Liebschaft eingeweiht - auch in den Zusammenhang mit dem Trank. Diese Art von ambivalenter Haltung ist neu bei Wagner. Sobald nämlich Marjodo (bei Gottfried)seinen Freund Tristan entdeckt hat, ist die Freundschaft dahin, es findet überhaupt kein Austausch mehr statt; weder freundschaftlicher noch verräterischer Art. Eine weitere Besonderheit bei Wagner: Es gibt eine einzige List, die das Verhältnis des Liebespaares entlarvt - auf Anhieb, in flagranti. Es bleibt kein Zweifel offen. Gottfried spinnt List um List, jede raffinierter als die vorhergehende. Und alle bleiben sie erfolglos oder lassen Zweifel zu, weil Isolde und Brangäne (Tristan spielt hierbei eine untergeordnete Rolle) klug genug sind, um Marke und die seinen zu täuschen und es immer wieder schaffen - mit mehr oder weniger großem Aufwand - sich aus der Affäre zu ziehen.
Das Ende
Die Flagge
Das Libretto
Dramaturgische Besonderheiten
Figuren
Isolde
Tristan
Orte
Musikästhetischer Ansatz
Die Romantik
Wirkungsästhetische Motive
Quellen
- ↑ Zitationen in diesem Kapitel aus: Wagner, Richard; Voss, Egon (Hrsg.); Tristan und Isolde; Textbuch mit Varianten der Partitur; Reclam; Stuttgart; 2003.
- ↑ mhd. Zitationen dieses Kapitels beziehen sich auf: Gottfried von Straßburg; Ranke, Friedrich (Übers.); Tristan, Band 1 und 2; Reclam; Stuttgart; 2007. Alle übrigen siehe unter Fußnote 1