Belacane (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Die zentrale Frauenfigur des ersten Buches des Parzivalromans in Wolfram von Eschenbach ist die Mohrenkönigin Belacane von Zazamanc. Der Ritter Gahmuret trifft durch einen Sturm geleitet in ihrer Stadt ein während diese gerade schwer belagert wird. Ihre Feinde sind zahlreich und aus verschiedensten Gruppen zusammengestellt, das Motiv für die Belagerung ist Rache für den verstorbenen Helden Isenhart, welcher angeblich durch die Schuld der Belacane getötet wurde. In ihrer Not engagiert sich die junge Königin sehr für die Hilfe des berühmten Ritters Gahmuret. Durch seine unglaubliche Kampfesstärke können die wichtigsten ihrer Feinde geschlagen und die Belagerung somit beendet werden. Aus Dank dafür wird Gahmuret zum König von Zazamanc und wird der Ehemann der heidnischen Belacane und Nachfolger des Isenhart. Nach einer gewissen Zeit in ihrem Reich zieht es ihn jedoch wieder hinaus in die Ferne, um Abenteuer und Kämpfe zu erleben und so verlässt er Belacane heimlich. In einem Abschiedsbrief schiebt er ihre heidnische Herkunft und Religion als Gründe vor, die ihn bis dahin jedoch nicht gestört hatten. Belacane war zu diesen Zeitpunkt bereits schwanger und erwartete ihr gemeinsames Kind, den elsterngleichen Halbbruder Parzivals, Feirefiz.
Beschreibung bei Wolfram
Auftreten und Aussehen
Wolfram beschreibt Belacane obgleich sie Schwarz und Heidnisch ist, also sicherlich nicht dem Schönheitsideal der Zeit Wolframs entspricht, als sehr schön. Er hebt ihre Hautfarbe sogar positiv hervor und erhebt sie über viele andere Frauen.* Sie wird vom Auftreten her stets als "große Königin" und dergleichen beschrieben, ihre Handlungen sind am Anfang sehr Zielgerichtet. Sie nutzt ihre Schönheit und Keuschheit um Gahmuret für ihre Zwecke zu gewinnen und hat damit auch Erfolg.* Später verliert sie sich immer mehr in ihrer Zuneigung zu Gahmuret und verliert dadurch einen Teil ihrer Selbstsicherheit.*
Reaktionen der Umwelt
Belacane selbst hat Zweifel ob Gahmuret sie wegen ihrer Hautfarbe nicht abstoßend finden würde und andererseits ob ihre Vasallen Gahmuret als möglichen neuen Herren akzeptieren würden (22,8-14), dadurch zeigt sie auf, dass diverse Differenzen durchaus existent sind. Jedoch zerschlagen sich beide Bedenken sehr schnell, Gahmuret fühlt sich zugleich zu ihr Hingezogen und auch ihre eigene Umgebung reagiert nicht negativ auf die unterschiedlichen Hautfarben, ganz im Gegenteil erwählen ihre Fürsten Gahmuret sogar schnell zu ihrem Hauptmann. Auch im späteren Verlauf der Belagerung, als Gahmuret eine Aussöhnung herbeiführt, wird sie von den weißen, christlichen Königen und Fürsten genauso behandelt wie eine der ihrigen und Küsst und versöhnt sich so mit ihren Angreifern.
Belacanes Beziehung zu Isenhart
Vorgeschichte
Vor dem Eintreffen Gahmurets hat Belacane bereits eine bewegende Geschichte hinter sich, diese wird im 1. Buch des Romans durch Belacane und ihre Leute selbst erläutert. Sie berichtet von ihrem geliebten Isenhart, dem König von Azagouc, der um sie geworben hatte und viele ritterliche Taten in ihrem Namen vollbracht hatte. Doch in ihrer mädchenhaften Scham hatte Belacane sich ihm nicht so bald hingeben gewollt und so hatte sie ihn vor immer weitere Questen gestellt, um seine Mühen aber auch ihre Leiden der Sehnsucht weiter zu verlängern. (27,9-10)
nu hât mîn schamndiu wîpheit | Nun hat meine mädchenhafte Scham |
sîn lôner erlenget und mîn leit. | die Zeit bis zur Belohnung immerfort gesteckt und auch meine Leiden. |
In diese Questen hatte sich Isenhart immer weiter hineingesteigert, bis es ihn Schlussendlich sein Leben gekostet hatte:
(27,11-28,5)
dem helde erwarp mîn magetuom | So brachte meine Jungfernschaft, |
an rîterschefte manegen ruom. | dem Helden viel Ehre ein in Ritterkämpfen. |
do versuocht i'n, ober kunde sîn | Da stellte ich ihn dann auf die Probe, ob er |
ein friunt. daz wart vil balde schîn. | mein Geliebter sein könne. Das wurde schnell offenbar: |
er gap durh mich sîn harnas | Seine Rüstung schenkte er, um mir zu gefallen |
enwec, daz als ein palas | weg, und alles Kriegsgerät, auch das, was |
dort stêt (daz ist ein hôch gezelt: | dort steht wie eine Burg, es ist ein hohes Zelt: |
daz brâhten Schotten ûf diz velt). | Die Schotten brachten es auf dieses Feld. |
dô daz der helt âne wart, | Als der Held nun ohne Rüstung war, |
sin lîp dô wênic wart gespart. | so wurde erst recht der Leib nicht viel geschont. |
das lebens in dâ nâch verdrôz, | Das Leben war ihm da fast widerwärtig, |
mange âventiure suohter blôz. | vielen Abenteuern bot er die bloße Brust. |
dô ditz alsô was, | Als dies so war, |
ein fürste (Prôthizilas | da ritt einmal ein Fürst- Prothizilas |
der hiez) mîn massenîe, | hieß der, mein Lehensmann, |
vor zageheit der vrîe, | er kannte keine Feigheit - |
ûz durch âventiure reit, hinaus auf Abenteuer: | hinaus auf Abenteuer: |
dâ grôz schade in niht vermeit. | Da gab ein schlimmes Unglück,das verfehlte ihn nicht. |
zem fôrest in Azagouc | Im Wald von Azagouc |
ein tjost im sterben niht erlouc, | log diese Tjost nicht, die ihm vom Sterben sprach. |
die er tet ûf einem küenen man, | Die zielte er auf einen kühnen Mann, |
der ouch sîn ende aldâ gewann. | Der auch an diesem Ort sein Ende fand, |
daz was mîn friunt Isenhart. | das war mein Geliebter Isenhart. |
ir ieweder innen wart | Jeder von den beiden mußte |
Durch seine Liebe zu Belacane war der König Isenhart also umgekommen und wegen ihrer indirekten Beteiligung an seinem Tod hatten seine Verwandten und Vasallen sie belagert gehabt. Belacane selbst hat ein sehr schlechtes Gewissen deshalb, zwar streitet sie die Schuld an Isenharts Tod im Sinne der Angreifer ab, jedoch bereut sie ihre vermeintliche Dummheit sein Werben überhaupt zugelassen zu haben, welches ihnen beiden so wenig Glück gebracht hatte (26,26-28).
Schuldfrage
Isenharts Rächer werfen Belacane vor, sie habe den Tod ihres Geliebten hervorgerufen und verdiene deswegen die Rache, Belacane selbst streitet ihre Schuld jedoch ab. Auch wenn im Roman gar nicht weiter danach gefragt wird ob Belacane nun Schuld am Tod des Isenhart trägt oder nicht scheint, diese Frage doch interessant. Einerseits muss klar gesehen werden, dass der konkrete Auslöser seines Todes war das unberüstete Kämpfen in den Wäldern von Azagouc gewesen war. Diese Kämpfe hatte er als Minnedienst für seine Erwählte Belacane angetreten. Seine Rüstung hatte er dabei abgelegt gehabt, weil sie immer mehr und mehr Prüfungen von ihm gefordert hatte und ein normales Tjosttieren deswegen nicht mehr genug war um weiter Ehre zugewinnen, auch dieser Fakt ist demnach ausschließlich Belacane zuzuordnen. Den tödlichen Tjost hatte Prôthizilas, ein Vasall der Belacane, geführt, jedoch nicht in ihrem Auftrag oder Namen sondern lediglich da er selbst danach aus war, Kämpfe zu Bestehen und Ehre zu gewinnen. Der Kampf war also von beiden Kontrahenten hervorgerufen gewesen, auch wenn sie Isenhart dazu gebracht hatte die Kämpfe generell zu suchen. Ihre Aktivitäten bei Isenharts Tod waren also das Zulassen seines Minnestreben, auch wenn dies ihn in Gefahr gebracht hatte, und die endlosen Prüfungen, über dem übliche Ausmaße im Sinne der Länge und Intensität einer Minnewerbung, gewesen. An seinem direkten Tod war sie nur durch diese beiden Fakten beteiligt gewesen, da sie Prôthizilas keinen Auftrag oder ähnliches gegeben hatte. Erläuternd muss aber hinzugefügt werden, dass kämpfen um Minne zu gewinnen, auch mit dem möglichen eigenen Tod, in der Parzivalswelt durchaus nicht sehr ungewöhnlich sind und die Ritter dieses Risiko eigenständig suchen, wenn sie sich den Konventionen ihrer Werbung anschließen. Abschließend kann also gesagt sein, dass Isenhart seinen Tod selbst herbeigeführt hat in dem er sich diesem Strudel der Herausforderungen hingegeben hat. Belacane hatte keine Intention ihn in den Tod zu schicken, wie sie es selbst schon gesagt hatte, war es wie ein Unfall, ungewollt*. Sie war also an Isenharts Tod, durch die Intensivierung ihrer Prüfungen, beteiligt, hat ihn aber weder direkt herbeigeführt noch gewollt. Die Anschuldigungen der Angreifer sind also nicht haltbar. Verantwortlich für den Tod des Isenharts sind viel mehr die Art und Weise um Minne zu Werben die ihm sein Stand vorgegeben hat, seine eigene Ergebenheit bis in den Tod und Belacanes mädchenhafte Scham.
Belacanes Beziehung zu Gahmuret
Handlungsverlauf
Gahmures Handlungen in Zazamanc sind hier hervorragend erläutert. Seine Beziehung zu Belacane nimmt während seiner Befreiung der Stadt einen starken und gefühlsintensiven Verlauf der den beiden eine erfüllte aber kurze Ehe verschafft. Besonders gut werden Belacanes Gefühle bereits beschrieben als sie Gahmuret das erste mal sieht: (23,22-28)
der küneginne rîche | Der Königin, der großen Dame, |
ir ougen fuogten hôhen pîn, | brachten ihre Augen hohen Schmerz, |
dô si gesach den Anschevîn. | als sie den Anschevîn erblickte. |
der was sô minneclîche gevar, | Man mußte ihn lieben, wenn man ihn sah |
daz er entslôz ir herze gar, | und also schloß er ihr Herz ganz auf - |
es waere ir liep oder leit: | ob es ihr süß war oder weh, sie konnte nicht anders. |
daz beslôz dâ vor ir wîpheit. | Früher hatte mädchenhafte Schüchternheit es immer verschlossen gehalten. |
Parallelen zu Isenhart
Belacanes letzter Geliebter war der König Isenhart, wie Gahmuret war auch er ein herausragender Vertreter der Ritterschaft und ein großer Kämpfer. Da Gahmuret so aufällig alle Aspekte des Isenhart übernimmt und ihn so weit Beerbt könnte man nach Parallelen, im Verhältnis zu Belacane, zwischen den zwei Recken suchen. Jedoch zeigt hier bereits ein kurzer Blick, dass eine Vergleichbarkeit kaum besteht. Isenhart scheitert an den immensen Prüfungen der Belacane, wohl aufgrund dieser schlechten Erfahrungen lässt sie bei Gahmuret alles sehr schnell geschehen und verlangt nach ihrer Rettung keine weiteren Prüfungen. Zwar scheint die emotionale Grundlage die selbe zu sein, sie hat beide Kämpen ausgesprochen gern, jedoch bestehen auch viele der weiteren Besonderheiten zu ihrer Beziehung mit Gahmuret bei Isenhart nicht, allem voran die unterschiedlichen Hautfarben und Religionen.
Trennung
Nach einer gewissen Zeit bei Belacane sehnt sich Gahmuret wieder so sehr nach Abenteuern, dass er kurzerhand heimlich flieht. Er hinterlässt seiner Frau einen Brief, in dem die Begründung angegeben ist er könne nicht bei ihr bleiben da sie keine Christin sei.* Dieser Grund ist jedoch offensichtlich vorgeschoben und er hält seine Sehnsucht nach Abenteuern einfach nicht mehr aus. Eine genaue Analyse des Briefes und der Gründe dazu findet sich hier.
Vergleichbarkeit mit Herzeloyde
Eine mögliche Vergleichbarkeit der Liebesbeziehungen ist hier sehr gut dargestellt. Das Fazit daraus jedoch ist dass Herzeloyde und Belacane in ihrer Beziehung zu Gahmuret zwar grundsätzlich Vergleichbar sind und auch einige offensichtliche Gemeinsamkeiten haben, dass jedoch die Beziehung selbst eine stark andere ist. Herzeloyde klagt sich Gahmurets Liebe und Ehe geradezu ein obwohl er sie gar nicht wirklich möchte, sie führen eine zwar als glücklich beschriebene Ehe, jedoch wird nicht weiter auf Liebe eingegangen.* Mit Belacane hat Gahmuret jedoch eine geradezu romantische Beziehung, sie ist zwar nur von kurzer Dauer, in dieser Zeit wird sie jedoch als sehr intensiv beschrieben und auch nach Gahmurets fluchtartiger Abreise lässt ihn die Zeit mit Belacane nicht so schnell los.*
Feirefiz
Das Erbe der Belacane
Feirefiz ist der Sohn der Belacane und des Gahmuret. Gahmuret wusste bei seiner Flucht nichts von Belacanes Schwangerschaft und bekam seinen Sohn und Nachfolger als König von Zazamanc und Azagouc auch nie zu sehen. Seine Existenz wird zuerst von Belacanes Tante Ebuka erwähnt.* Dass Feirefiz als Gegner, Freund und Bruder des Parzival eine wichtige Rolle im folgenden Roman spielt ist eine weitere Begründung für die ausführliche Beschreibung der Belacane und des Gahmurets im 1. Buch.
Literaturangaben
Alle Textbelege aus: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.