Der Schluss (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Dieser Artikel untersucht den Schluss des Parzival von Wolfram von Eschenbach und dessen Funktion im Hinblick auf das gesamte Werk. Dabei geht es nicht nur um den Epilog, sondern auch den Schluss der Handlung und dessen Bedeutung für das Werk. Zu klären ist zunächst, was unter "Schluss" zu verstehen ist und welcher Teilbereich des Werkes sich diesem Thema unterordnen lässt. Dieser Bereich wird dann zur genaueren Analyse in Einzelaspekte eingeteilt und untersucht werden.
Zur Theorie des Schlusses
Besonders in der früheren Forschung zum Schluss in mittelhochdeutschen Werken wurde häufig nur der Epilog oder ähnliche Abschlussformen metanarrativer Natur untersucht.[1] In neueren Aufsätzen zu diesem Thema wird der Komplex um den Abschluss der Handlung erweitert, was durchaus Sinn macht, da es zusätzlichen Raum für Interpretationen schafft. Um den Schluss im Parzival untersuchen zu können, muss erst einmal geklärt werden, was unter einem Schluss zu verstehen ist.
Generell kann in einem Werk zwischen etischen und emischen Merkmalen unterschieden werden, die auf das Ende verweisen. Etische Merkmale sind außerhalb des Textes zu suchen, weniger werdende verbleibende Seitenzahlen und Kapitel lassen sich dieser Kategorie zuordnen. Emische Merkmale hingegen sind textimmanent und inhaltlicher, formaler und sprachstilistischer Natur: "Nicht-narrative Passagen z.B. begünstigen [..] den Eindruck der Abgeschlossenheit eines Werks."[Metzler 2008: S.645] Weitere abschlussfördernde Techniken sind Zusammenfassungen, Blicke in die Zukunft, aber auch konventionelle Ereignisse wie Hochzeit und Tod.[Metzler 2008: S.645] Da ein Schluss selbstverständlich nicht immer aus schließenden Elementen besteht, muss er nicht zwingend abschließenden Charakter besitzen.
Für Biesterfeld, die in ihrem Aufsatz einen Forschungsbericht zum Schluss in mittelhochdeutschen Werken geschaffen hat, ist dieser deutlich mit dem restlichen Textkorpus verknüpft: "[In] jedem Fall ist der Erzählschluß gleichsam eine Art Fluchtpunkt, den der Betrachter bei der Interpretation bewusst oder unbewusst in sein Urteil miteinbeziehen wird".[Biesterfeld 1995: S. 57] Auch Brunner, einer der Autoren, der sich mit dem Schluss im Parzival auseinandersetzt, hebt die Wichtigkeit einer Verbindung hervor: Es ist Aufgabe jeden Autors, "Handlungen und Problemstellung der Texteinheit 'Mitte' einem sinnvollen und überzeugenden Ziel zuzuführen."[Brunner 1991: S. 369] Dies macht deutlich, warum der Epilog, angeschlossen an das Ende der Handlung, nicht alleiniger Schlussbildner sein kann: Er ist aufgrund seiner metanarrativen Natur deutlich von der restlichen Handlung abgehoben, was der Idee des nahtlosen Übergangs zwischen Mitte und Schluss zweifelsohne widerspricht.
Der Schluss im Parzival
Die Erkenntnis des fließenden Übergangs zwischen Mitte und Ende der Erzählung ist wichtig für eine Aufweitung des traditionellen Schlussverständnisses gewesen, schafft dafür aber neue Probleme, da nicht mehr zweifelsfrei geklärt werden kann, welche Teile dem Schluss zugerechnet werden können und welche nicht. Schu fasst treffend zusammen: "Es ist offensichtlich schwierig, den Werkschluß mittels allgemeingültiger Kriterien als objektivierbare Texteinheit zu definieren".[Schu 2002: S.401] Dies lässt sich auch in der Forschungsliteratur zum Parzival erkennen: Für Brunner beginnt der Schluss an der Stelle, an der Chrétiens Roman abbricht. Seiner Meinung nach stand Wolfram vor der Aufgabe, seinem bis an diese Stelle verfassten Werk "einen befriedigenden und überzeugenden Schluß" zu geben.[Brunner 1991: S. 369] Den Beginn des "eigentlichen Schlußteils"[Brunner 1991: S. 374] sieht er, wie auch Schu, im Anfang des 15. Buches, der ein deutlicher Einschnitt in der Handlung ist:
Vil liute des hât verdrozzen, | Viele Leute sind verstimmt, | |
den diz mær was vor beslozzen: | weil sie nicht wußten, wie es ausgeht, | |
genuoge kundenz nie ervarn. | viele kamen nicht dahinter. | |
nu wil ich daz niht langer sparn, | Nun schieb ich das nicht länger auf, | |
ich tuonz iu kunt mit rehter sage | ich erzähl es euch korrekt, | |
wande ich in dem munde trage | denn ich trag in meinem Munde | |
daz slôz dirre âventiure, | Schluß und Schloß dieser histoire: | |
wie der süeze unt der gehiure | Wie der liebenswerte, schöne | |
Anfortas wart wol gesunt. | Anfortas seine Heilung fand. (734, 1f.)[2] |
Bumke hingegen sieht den Anfang des Schlusses zwar ebenfalls im 15. Buch, allerdings an einer anderen Stelle und mit einer anderen Begründung: "Parzivals Berufung zum Gral leitet den Schluß der Dichtung ein. Was Wolfram jetzt noch von ihm erzählt, ist alles schon einmal dagewesen".[Bumke 1991: S. 237] Bumke sucht nach handlungsbezogenen Gründen und findet sie in der Doppelung der Ereignisse, die Parzival in den letzten Büchern ereilen. Was den Schluss der Parzivalhandlung zu etwas Besonderem macht, wird bei einem Vergleich mit anderen mittelhochdeutschen Werken deutlich. ----
Abgeschlossene Handlungsstränge
Offene Handlunsgstränge
Der Epilog
Fazit
Interessant: Bumke: sowohl HAppyEnd für die, die nicht genauer hinschauen als auch leisere, undeutlichere Zwischentöne!
Anmerkungen
<HarvardReferences />
Bibliographie
- [*Biesterfeld 1995] Corinna Biesterfeld: Werkschlüsse in der höfischen Epik des Mittelalters. Ein Forschungsbericht. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. Jahrgang 25, Heft 99, hg. von Helmut Kreuzer, Stuttgart 1995.
- [*Brunner 1991] Horst Brunner: Von Munsalvaesche wart gesant/ der den der swane brahte. Überlegungen zur Gestaltung des Schlusses von Wolframs Parzival. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift, Neue Folge Band 41, hg. von Conrad Wiedemann, Heidelberg 1991.
- [Bumke 1991] Joachim Bumke: Parzival und Feirefiz - Priester Johannes - Loherangrin. Der offene Schluß des Parzival von Wolfram von Eschenbach. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Band 65, hg. von Richard Brinkmann, Gerhart von Graevenitz, Walter Haug, Stuttgart 1991.
- [*Bumke 2004] Joachim Bumke: Wolfram von Eschenbach. 8., völlig neu bearb. Aufl., Stuttgart; Weimar 2004.
- [*Metzler 2008] Ansgar Nünning (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Stuttgart 2008.
- [*Schu 2002] Cornelia Schu: Vom erzählten Abenteuer zum Abenteuer des Erzählens. Überlegungen zur Romanhaftigkeit von Wolframs Parzival. Frank a. M., Berlin, Bern, Bruxelles et al. 2002.