Tristans Schwertleite (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Die Schwertleite bedeutet im Mittelalter das Erwachsenwerden junger Männer, das heißt, sie werden selbst zu Rittern.

Inhalt

Tristan hat mittlerweile von Rual li Foitenant erfahren, dass seine Eltern nicht er und Floraete sind, sondern Riwalin und Blanscheflur, womit Marke sein Onkel ist, bei dem er sich am Hof aufhält. Dort benimmt er sich sehr vornehm und zeigt seine höfische Gesinnung, dass er dort auch seine Schwertleite empfangen soll. Mit Tristan werden noch dreisig weitere jungen Männer in den Ritterstand aufgenommen, die ihm als Gefolge dienen werden. Nach der Schwertleite, die Tristan von Marke empfängt findet noch ein Turnier mit verschiedenen Wettkämpfen statt, bei dem sich die einzelnen Ritter hervortunkönnen und somit Ruhm und Ehre erlangen.


Die Bestandteile der Schwertleite

Um die Schwertleite angemessen begehen zu können benötigt der zum Ritter werdende eine Rüstung und vornehme Kleider, die seiner neuen Stellung angemessen sind. Der Überlieferung nach, wie Gottfried von Starßburg anführt, sind die Gewänder geschmückt mit Hochstimmung, Reichtum, Klugheit und höfischer Gesinnung:

"daz eine was hôher muot;
daz ander was volles guot;
daz dritte was bescheidenheit,
diu disiu zwei zesamene sneit;
daz vierde daz was höfischer sin,
der naete disen allen drin." (V.4567-4572)

Dies sind die Tugenden, die ein junger Mann mitbringen muss, um zum Ritter werden zu können, der hohes Ansehen und Ehre gewinnen kann, die Güter, die ein Ritter zur Schwertleite besitzen sollte. Das sind die Merkmale, mit denen sich ein Ritter "kleiden" muss, um vortefflich zu erscheinen und sich seinem Stand angemessen zu verhlaten. Mit diesen Tugenden erscheinen die Ritter so prächtig, dass sie, vereint mit anderen Merkmalen eines Ritters, wie "baniere und covertiure" (V.4580), erscheinen, als würde ein König zum Ritter geschlagen. Im "Tristan" dauert das Beschaffen der Kleider und Rüstungen der Ritter dreißig Tage, für jeden Ritter, der mit Tristan die Schwertleite empfangen soll also einen. Nachdem alle Ritter mit den nötigen Bestandteilen ausgerüstet sind, um die Schwertleite zu empfangen, kann diese vollzogen werden. Der nächste Schritt führt sie in die Messe, um den Segen von Gott zu empfangen, der auch auf das Schwert übertagen wird. Von den neuen Rittern wird als erstes Tristan von Marke zum Ritter geschlagen, indem er ihm das Schwert umgürtet und die Sporen anlegt. Von diesem Moment an ist Tristan ein Ritter. Ihm steht es nun auch zu, seine zukünftigen Gefährten mit ihren Waffen auszustatten, da er ihr Anführer sein wird und sie ihm als Gefolge dienen werden, also gesellschaftlich unter ihm stehen. Den Abschluss der Schwertleite bilden Wettkämpfe, in denen sich die neuen Ritter hervortun können und somit ihr Ansehehn und ihren Ruhm mehren und unter Beweis stellen können.


Die Tugenden eines guten Ritters

Die Schwertleite empfangen können nur junge Männer mit den Tugenden, die Gottfried aufzählt, nämlich Hochstimmung, Reichtum, Klugheit und höfische Gesinnung. Das muss ein Ritter von vorne herein mitbringen, aber genauso wichtig ist es, sich auch danach angemessen zu verhalten, wie Marke Tristan einschärft. Dabei muss der Ritter darauf achten, seiner Herkunft gemäß zu handeln und sich nicht ungebührend zu verhalten, was bedeutet, gegenüber den Mächtigen seine eigene Stellung zu wahren und sich ihnen stolz zu päsentieren, aber auch gütig zu den anderen Edlen zu sein, auch wenn diese weniger mächtig sind, als man selbst. Des weitern sind Bescheidenheit, Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit und Wohlerzogenheit von großer Bedeutung. Dies alles resultiert aus den Tugenden, die ein Ritter mitbringen muss, vor allem seine höfische Gesinnung, die die anderen Tugenden in sich vereint. Wenn man also so lebt, wie Marke es Tristan aufträgt, führt man ein gutes und einem Ritter angemessenes Leben. Dieser darf sich nämlich nicht auf seinem Reichtum und seiner Macht ausruhen, sondern muss verlässlich, treu und freigebig sein. Diese Ratschläge gibt auch Tristan an sein Gefolge weiter, denn nur so können sie ihr Ansehen mehren und das Wohlwollen anderer Ritter und des Volkes gewinnen:

"diemüete, triuwe, milte
die leite er iegelîches kür
mit bescheidenlîcher lêre vür" (V.5050-5052)

Tristan erfüllt diese Tugenden schon so gut, dass es Gottfried selbst schwer fällt, seine Schwertleite in ihm angemessener Weise zu schildern, um die Vortrefflichkeit Tristans herauszustellen, die dieser bereits besitzt. Deshalb hat er auch nur eine besondere Schilderung derer verdient, um zu verdeutlichen, welch höfische Gesinnung er bereits vor seienm Ritterschlag besitzt.


Gottfrieds Unfähigkeitsbeteuerung

Gottfried selbst beginnt die eigentliche Erzählung der Schwertleite Tristans mit einer Unfähigkeitsbeteuerung seinerseits, da er sich auserstande sieht, eine angemessene Darstellung der Ereignisse liefern zu können, die seine Erzählung bereichern kann. Vor allem die Beschreibung der "ritterlîchiu zierheit" (V.4616) bereitet ihm Sorgen, beruft er sich doch darauf, dass diese bereits von vielen anderen Dichtern in großartiger Weise beschrieben worden ist, wie Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Bligger von Steinach, Heinrich von Veldeke, Reinmar von Hagenau und Walther von der Vogelweide. Diese Dichter schreiben seiner Meinung nach viel besser und dem höfischen Leben angemessener. Die Schwierigkeit dabei ist für ihn vor allem das Problem, Tristan in einer angemessenen Weise darstellen zu können, die seinen Tugenden gerecht wird und die seine Schwertleite herausstechen lässt, als etwas besonderes. Er will Tristan dabei so darstellen, dass er neben den Figuren der anderen Dichter bestehen kann und seine Vortrefflichkeit ihnen in keiner Weise nachsteht, sondern gut zur Geltung kommt. Gottfried will dabei seinen eigenen Charakter in ein besonders gutes Licht stellen, das er seiner Meinung nach auch verdient, da er von der gleichen hoefescheit ist, wie andere mittelalterliche Helden. Um dies verwirklichen zu können bittet er sogar den griechischen Gott Apollo um Hilfe, der als Quell für Sprache und Verstand gilt. Auch die Kamönen bittet Gottfried um Hilfe, um vortrefflich dichten zu können. Allerdings gibt er selbst zu, dass selbst eine Dichtkunst, die von diesen Göttern gewährt ist nicht ausreicht, um das zu beschreiben, das er sich ausgewählt hat. Denn selbst mit der Hilfe der Musen wird es ihm nicht besser gelingen, Tristan zu beschreiben als seine Gefährten. Des weiteren sagt er, dass zwar Vulkan die Rüstung für den Ritter geschmiedet und Kassandra sein Gewand genäht hat, was darauf schließen lässt, dass es sich bei beiden Dingen um eine so hervorragende Arbeit handelt, die man wahrscheinlich nirgends sonst findet. Obwohl genau das durch seine Beschreibungen ausgedrückt wird, schreibt Gottfried zum wiederholten Mal, dass er nicht in der Lage ist, Tristan angemaessen zu beschreiben, wie es ihm zusteht. Somit wertet der Dichter seinen Charakter noch mehr auf, indem er sagt, dass er ihn nicht passend genug beschreiben kann. Der Leser macht sich auf diese Weise ein sehr positives Bild von Tristan, der als so vortrefflich erscheint, dass es schwer fällt, es in Worte fassen zu können. In Gottfrieds Augen vereinigen sich durch die Rüstung Vulkans und die Gewänder Kassandras wiederum die Tugenden, die er schon zuvor aufgeführt hat, mit denen sich ein Ritter schmücken muss:

"mag ich die volge von iu hân,
sô ist mîn wân alsô getân,
und weiz daz wol: muot unde guot,
swer zuo den zwein geraeten tuot
bescheidenheit und höfschen sin,
diu vieriu würkent under in
als wol es ieman ander." (V.4965-4971)

Somit hat Gottfried, auch wenn er es so hat aussehen lassen, als könnte er Tristan nicht in der diesem gebührenden Weise beschreiben, bewiesen, dass er genau das tut, indem er es eigentlich nicht tut. So hat der Leser in der Tat den Eindruck, dass Tristan etwas so besonderes und seine Schwertleite so ausergewöhnlich ist, dass es nicht in Worte gefasst werden kann. Dennoch wird deutlich, wie herausragend Tristan doch eigentlich ist.