Gahmuret als Ritter (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Dieser Artikel beschäftigt sich mit Gahmuret. Im Vordergrund sollen hierbei seine Abenteuer und sein Dasein als Ritter stehen. Gahmuret ist der Vater von Parzival, dem Protagonisten der gleichnamigen Erzählung von Wolfram von Eschenbach. Die Handlung rund um Gahmuret erstreckt sich über die ersten zwei Bücher des Parzival und ist als eine Vorgeschichte der eigentlichen Handlung zu verstehen. Als sehr wahrscheinlich gilt die Annahme, dass die Geschichte vom Vater Parzivals sowie die Geburt von Parzival selbst ohne direkte Vorlage gestaltet wurde. [Dallapiazza 2009: vgl. S.34]
Der Tod des Vaters und der Abschied aus der Heimat(4,10 - 13,17)[1]
Gahmuret ist der Sohn von Gandîn, dem König von Anschouwe. Nach dessen Tod soll Galoes, Gahmurets älterer Bruder, alles vom Vater erben. Er soll ihn nicht nur als König beerben, sondern auch seine gesamten Besitztümer bekommen und seinen jüngeren Bruder Gahmuret als Vasall am Hof behalten. [Dallapiazza 2009: vgl. S. 34] Da dieser Umstand den Fürsten des Landes nicht gerecht erscheint, drängen sie darauf, dass Galoes Gahmuret aus Brudertreue eine Herrschaft in seinem Land überlässt. Der neue König willigt in diesen Vorschlag ein, aber Gahmuret ist daran nicht interessiert. Vielmehr drängt es ihn hinaus in die Welt um Abenteuer und Rittertaten zu bestehen und zu Ruhm und Ehre zu kommen. Er will mit seinen sechzehn Knappen losziehen und verlangt dazu noch vier adelige Kinder. Galoes ist mit Allem einverstanden und gibt ihm dazu noch fünf ausgesuchte Schlachtrosse, teures Tischgeschirr, Gold in Klumpen und viele Edelsteine. Seine Mutter, die voller Trauer über den Abschied ist, schenkt ihrem Sohn Seide und andere teure Stoffe. Hier wird zum ersten Mal deutlich, wie wichtig für Gahmuret das Erlangen von Ruhm ist. Er will Rittertaten vollbringen, die ihn bekannt machen in der Welt und verlässt dafür seinen Bruder und seine tiefgekränkte Mutter.
Gahmurets Abenteuer und ritterliche Taten(13,18 - 108,28)
Im Dienst des Baruc (13,18 - 15,30)
Zu Beginn seiner Reise führt es Gahmuret nach Baldac zum dort herrschenden Baruc. [Bumke 2004: Vgl. S. 46] Dieser wird auch der Kalif von Bagdad genannt und ist an Macht und Herrlichkeit kaum zu überstrahlen. Der abenteuerlustige Held will sich beim Baruc bewähren und sich so einen Namen als großer Kämpfer machen. Unter dem Dienst des Kalifen ist er ständig auf der Suche nach mehr Ruhm und Ehre und durchstreift aus diesem Grund viele Länder. Überall, wo sich ihm Rittertaten bieten, kämpft er und so reist er durch den Orient um sich immer wieder mit anderen Kämpfern zu messen und somit zu noch mehr Ansehen zu gelangen. Gahmuret ist derart geschickt im Umgang mit dem Schwert und der Lanze, dass er nach einiger Zeit höchsten Respekt bei seinen Freunden und Feinden erlangt hat. Niemand will es mehr mit ihm aufnehmen. Doch seinem Naturell entsprechend ist er nicht daran interessiert sich auf seinen Heldentaten auszuruhen, vielmehr drängt es ihn zu noch mehr Kämpfen und Bewährungen. So verschlägt es ihn in Richtung Afrika.
Im Königreich Zazamanc (16,1 - 58,26)
Gahmuret zieht Richtung Afrika und dort in das Königreich Zazamanc. Dort weinen die Menschen um Isenhart, einen großen Kämpfer. Er hat sein Leben in einer Tjost verloren (27, 25 - 28, 5). Verantwortlich dafür wird Belacane gemacht, die Königin des Landes. Isenhart ist in ihren Diensten gefallen (27, 13-17) und seine Verwandten tragen nun einen Rachefeldzug gegen Belacane aus. Genau zu diesem Zeitpunkt greift Gahmuret ins Geschehen ein. Er segelt in den Hafen vor dem Palast der Königin. Sie wohnt in der Burg Pâtelamunt und nachdem er seine Boten hineingeschickt hat, berichten sie ihm, dass das Königreich seine Hilfe dringend benötigt. Gahmuret wittert die Möglichkeit weitere Heldentaten zu vollbringen und bietet seinen Dienst für Geld an. (17, 9-12) Er betritt den Stadtkern, um sich der Königin vorzustellen. Als Belacane von seinen Heldentaten hört, bittet sie ihn zu sich. Zwar ist sie anfangs besorgt über ihre Hautfarbe und seine Reaktion darüber, dennoch ist ihre Not zu groß um sich weitere Gedanken darüber zu machen. So kommt es, dass der edle Ritter mit seiner Gefolgschaft zum Palast hinaufreitet und sich der Königin vorstellt. Sie erzählt ihm von ihrer Notlage und Gahmuret, wie es sich für einen wahren Ritter und Helden gehört, bietet ihr seine Hilfe an. Der herbeigesehnte Retter reitet hinaus um sich die Umgebung mit den Kampfschauplätzen anzusehen. Ihm wird von einem Ritter erzählt, der ohne Maß in seinem Ehrgeiz ist und keinen Tag ohne Tjost vorübergehen lässt. Dessen Name sei Hiutegêr und er habe schon viele Ritter der Königin vom Pferd geworfen. Doch auch Gahmuret kann es kaum erwarten raus in den Kampf zu ziehen. Seinem Wesen entsprechend, will er es mit Hiutegêr aufnehmen um sich in einer Tjost mit ihm zu messen. Früh am nächsten Morgen zieht der Sohn von Gandîn hinaus und trifft bald auf seinen Rivalen. Beide reiten mit voller Wucht aufeinander zu und lassen keinen Zweifel an ihrer Stärke. Beide Lanzen treffen den Leib des Anderen, doch nur Hiutegêr fällt hinter dem Pferd ins Gras. Gahmurets Lanze steckt in seinem Leib und somit ist Hiutegêr geschlagen. Er gibt Gahmuret sein Ehrenwort und erweist ihm dadurch Ehre und Respekt. Die nächste Tjost lässt nicht lange auf sich warten. Ein Ritter namens Gaschier will sich mit Gahmuret duellieren. Doch auch dieser verliert den Kampf gegen den Helden und wird nun ebenfalls gezwungen ihm sein Ehrenwort zu geben. Der Sohn von Gandin befiehlt ihm zum Heer der Schotten zu reiten, um ihnen das Niederlegen ihrer Waffen nahezulegen.
nu rîtet gein der Schotten her, | Reitet jetzt zum Herr der Schotten |
und bitet si daz si uns verbrenn mit strîte, op si des wellen gern: | und bittet sie, daß sie nicht weiter gegen uns kämpfen, wenn sie sich dazu entschließen können |
und kommt nach mir in die stat. | und dann kommt mir nach in die Stadt |
39, 4-7
Der Verlierer einer Tjost gibt seinem Bezwinger aus Respekt und Achtung sein Ehrenwort. Darüber hinaus spricht gerade Gahmuret noch Befehle aus und erwartet deren Befolgung. Im weiteren Verlauf der Erzählung taucht König Kaylet auf. Gegen diesen will Gahmuret nicht kämpfen, da er erkennt, dass er mit ihm verwandt ist. Kaylet reagiert darauf sehr verwundert und gereizt, er erkennt die Verwandtschaft erst später. Gahmuret kämpft anschließend gegen andere weiter und gewinnt noch so manche Tjost an diesem Tag. Sein Ehrgeiz und seine Gier nach Ruhm und Ehre führen ihn zu Razalîc einem Fürsten, der sich in der Kunst der Tjost bestens auskennt. Doch auch er kann dem Gahmuret nicht die Stirn bieten. Da der besiegte der Herr über "alle Mohren" ist und diese den Menschen und der Königin "so viel Schlimmes" angetan haben, sind auch diese Kämpfe mit der Niederlage des Razalîc vorbei. Der Herr hat sich vor seinen eigenen Leuten blamiert und seine Niederlage ist gleichzusetzen mit der Aufgabe der Belagerungstruppen. Gahmuret hat es durch seinen Mut und seine besonderen kämpferischen Fähigkeiten geschafft, die Königin und ihr Volk von den Belagerern zu befreien. Darüber hinaus gehorchen ihm nun viele starke und tapfere Männer, die er in seinen Kämpfen vom Pferd gestoßen hat. Durch seine Heldentaten erlangt Gahmuret die Gunst der Königin und wird zum König von Zazamanc und durch seinen Zieg über Isenharts gefolgsmann Razalîc erhält er das Königreich Azangouc. Er zeugt mit der Königin ein Kind, dessen Name ist Feirefiz. Doch wie bereits viele Male zuvor, zieht es ihn weiter zu anderen Taten und Kämpfen und so lässt er seine Frau und sein ungeborenes Kind zurück, um sich neuen Aufgaben zu stellen. Er schreibt seiner Ehefrau einen Brief, in dem er seine Abreise begründet. Er schreibt, dass er aufgrund der Tatsache, dass sie eine Heidin sei, fortgehe. Dies ist allerdings nur eine Ausflüchte Gahmurets. [Bumke 2004: vgl. S.48]
Gahmuret bei Herzeloyde (58,27 - 102,19)
Gahmurets Dasein als Ritter ist gekennzeichnet durch einen dauernden Drang nach Kämpfen, Abenteuern und der Suche nach Ruhm und Ehre. So zieht er in Richtung Europa um an einem Turnier in Kanvelois teilzunehmen und sich die Gunst von der Königin Herzeloyde zu erkämpfen. Schon vor dem Turnier spricht man von ihm und so ist auch der Königin zu Ohren gekommen, welch tapferer und heldenhafter Mann zum Turnier antreten wird. Schon von Beginn an zeigt die Königin, dass sie Interesse an Gahmuret hat. Von sich aus erklärt sie ihn zum Sieger des Turniers, noch bevor die Kämpfe des Vorturniers zu Ende gebracht wurden. Der Preis für den siegreichen Kämpfer ist die Königin selbst, die Gahmuret nun heiraten soll. [Bumke 2004: vgl. S.50] Nachdem sie seiner Bedingung, ihn nicht an weiteren Turnierteilnahmen zu hindern, zustimmt, willigt er, nach anfänglicher Abweisung, ein. Auf seinen Fahrten trägt er immer ein seidenes Hemd seiner Frau, welches sie nach seiner Rückkehr von einem Kampf wieder anzieht. Dieses Ritual dient als Zeichen für die eheliche Liebe. [Bumke 2004: vgl. S.50] Seine Gier nach Ruhm und Ehre treiben ihn im Folgenden wieder einmal fort von einer Ehefrau. Die Geburt des Parzival, den er mit Herzeloyde zeugt, erlebt Gahmuret nicht mehr.
Der Tod im Dienste des Bâruc (102,20 - 108,28)
Gahmuret stellt sich wieder einmal in die Dienste des Baruc. Diesen trifft er inmitten einer Zeit des Krieges an und wie es Gahmuret schon sein ganzes Leben lang gemacht hat, stellt er sich dem Kampf und will dem Bâruc im Krieg zur Seite stehen. Durch eine "heidnische List" (105,17) wird der Held zur Strecke gebracht: Ein Ritter nimmt Bocksblut, gießt es in ein Glas und schlägt es auf dem Helm des Gahmuret entzwei. Dadurch wird dieser weich wie ein Schwamm. In der Schlacht wird Gahmuret von Ipomidôn eine Lanze durch sein Haupt gestochen. Der tapfere Held stirbt kurz darauf und wird in Baldac beerdigt. Man scheut keine Kosten, um den großen und mächtigen Kämpfer zu ehren und zu würdigen.
Fazit
Gahmuret wird als ein überaus edler und ruhmreicher Mann dargestellt, der kein Abenteuer und keinen Kampf auslässt. Sein Streben nach Ruhm und Ehre rühren nicht von einer Gier nach Geld und Herrschaft, vielmehr ist er um sein ritterliches Ansehen bemüht. Viele seiner Eigenschaften zeigen sich auch später bei Parzival. Die Vorgeschichte des Epos ist wichtig, um zu verstehen, wie Parzival zu dem jungen Mann geworden ist, den es in die Welt hinausführt, um Abenteuern zu trotzen. Die Parallelen der ersten beiden Bücher sind klar herauszulesen. In beiden erlangt Gahmuret durch seinen Mut und seine kämpferischen Fähigkeiten die Gunst einer Frau. Belacane und Herzeloyde sind beide in Not und der Held kommt im richtigen Moment, um den Damen zu helfen. In beiden Büchern sind seine Rittertaten als selten und ruhmreich zu bezeichnen. Auch die Tatsache, dass er seine Frauen und seine Familie für die unbändige Sehnsucht nach Ruhm, Ehre und Kämpfen verlässt, sticht heraus. Dabei fällt auch auf, dass er keine Scheu vor anderen Religionen, Sitten und Hautfarben hat. Dies ist, neben seiner Abenteuerlust, einer seiner entscheidenden Charaktereigenschaften. Den Ort seines Todes hätte Gahmuret selbst nicht besser wählen können. Seine Leidenschaft bestand aus Kämpfen und Abenteuern und so ist es nur logisch, dass er auch auf dem Schlachtfeld als Held stirbt.
Bedeutung für den Roman
Die Geschichte rund um Gahmuret, gehört genau genommen nicht zum Handlungsverlauf des Parzival und stellt dennoch für Wolfram von Eschenbach ein wichtiges Element dar. Es scheint, dass die Einführung als eine Hilfestellung für das Gesamtverständnis zu verstehen ist. Die Beziehung zwischen Feirefiz und Parzival steht zum Ende des Buches im Vordergrund. In welchen Verhältnis die Beiden zueinander stehen, wird schon in den Büchern I und II deutlich. Sie sind trotz ihrer verschiedenen Hautfarben Brüder, und dies wird in der Vorgeschichte genauer erläutert. Beim Aufeinandertreffen der Beiden, weiß der Leser bereits genauestens bescheid über ihre Abstammung und ihr Verwandtschaftsverhältnis zueinander. Dies erleichtert das Textverständnis und es erhöht die Spannung, weil de Leser mehr weiß, als die Protagonisten selbst.
Quellennachweise
<HarvardReferences />
[*Dallapiazza 2009] Dallapiazza, Michael: Wolfram von Eschenbach: Parzival, Berlin 2009
[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004.
- ↑ Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.