Vermittlungsinstanzen in "Vita Nova" (Dante Alighieri, Vita Nova)

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Vermittlung: Allgemeine Definition

Zunächst einmal muss geklärt werden, was der Begriff "Vermittlungsinstanzen", bzw. "vermitteln" überhaupt bedeutet. Der Duden bringt zahlreiche Synonyme für das Verb zur Auswahl: Zustande bringen, herbeiführen; dafür sorgen, dass jmd. etw., was er anstrebt, bekommt; jmdm. verständlich machen, mitteilen, zeigen.[1] Inweiweit lässt sich dieser Begriff nun aber auf das "Vita Nova" und auf die literaturwissenschaftliche Untersuchung anwenden?

Vermittlung im literarischen Fokus

Vermittlung in der Liteatur findet immer dann statt, wenn das Medium Buch seinem Leser etwas mitteilen möchte. Dies geschieht in der einfachsten Form durch eine Instanz, die sich Erzähler nennt. Dieser Erzähler kann ganz spezielle Eigenschaften haben, zum Beispiel die Perspektive des Erzählens. In Dantes Vita Nova haben wir es mit einem Ich-Erzähler zu tun. Dieser Ich-Erzähler vermittelt dem Leser das im Buch Geschilderte.
Das Verhältnis Erzähler-Leser ist eine Form von Vermittlung in der Literatur. Eine andere liegt in der erzählten Welt selbst: Welche Vermittlungsinstanzen gibt es in der Diegese? Dafür muss in einem nächsten Schritt das Werk genauer betrachtet werden.

Vermittlung in Dantes Vita Nova

In der literaturwissenschaftlichen Definition von "Vermittlung" ging es hauptsächlich um den Aspekt des Mitteilens. Die anderen oben aufgeführten Synonyme wurden vernachlässigt. Sie finden sich vor allem in dem zu untersuchenden Werk wieder:

  • Zustande bringen, herbeiführen: Durch eine bislang noch undefinierte Instanz wird etwas Neues herbeigeführt. Was entsteht in Dantes Vita Nova neu und ist gleichzeitig von einer Instanz geleitet? Die Antwort ist auf der einen Seite leicht: Die Liebe. Auf der anderen Seite zeigt sich aber die Problematik: Zwar entsteht die Liebe in Vita Nova neu, der Titel des Werks verweist bereits darauf, das Problem besteht jedoch darin, dass die Liebe keine "normale" Entwicklung durchlebt, sondern von Anfang an perfekt u sein scheint und schließlich durch die Instanz zerstört wird. Kann Dante dieses Bild damit bezweckt haben? Die Antwort hierauf soll im Folgenden gegeben werden.
  • Dafür sorgen, dass jmd. etw., was er anstrebt, bekommt: Dieser Punkt knüpft unweigerlich an den vorherigen an. Der hier genannte "Jmd." ist der Ich-Erzähler der Vita Nova, der die hohe Liebe zu seiner Beatrice anstrebt. Im dritten Kapitel scheint Dante bereits das zu bekommen, was sich jeder andere vor ihm vom ganzen Herzen erwünscht, die meisten aber nie bekommen haben: Der Gruß ihrer angebeteten Dame[2]. Hier fehlt nun aber die Vermittlungsinstanz. Diesen erscheint erst nach dem Gruß, im Traum Dantes[3] und zwingt dort Beatrice das dessen Herz zu essen. Im Anschluss daran benutzt Dante mehrere Frauen als Vorwand, verschleiert seine wahre Liebe zu Beatrice und zerstört damit das perfekte, zu Beginn bestehende Ideal. Amor erscheint noch öfters in Dantes Träumen und Visionen. Er scheint damit eine wichtige Vermittlungsinstanz der Liebe zu sein.
  • Jmdm. verständlich machen, mitteilen, zeigen: Auch unter diesem Punkt kann Amor angefügt werden. Er vermittelt Dante quasi die Vorstellungen der idealen, göttlichen Liebe. Außerdem sind hier die Sonette und Kanzonen zu nennen. Dante verfasst die meisten seiner in den Prosatext eingebundenen Stücke nach einem Treffen mit Beatrice nund nach seinen Träumen und Visionen um seine Gefühle anderen zu vermitteln.

Es haben sich nun aus den Synonymen drei wichtige Vermittlungsinstanzen in Dantes Vita Nova ergeben, die im Folgenden genauer untersucht werden sollen: Amor, Lieder, Beatrice. Das ein Entwicklungsprozess in der Liebe stattfindet, wurde bereits erwähnt. Dieser Prozess wird allerdings im Weiteren nur am Rande erwähnt und soll nicht signifikanter Bestandteil dieses Artikels sein (siehe dazu den Artikel Entwicklung des Liebesbegriffs in "Vita Nova" (Dante Alighieri, Vita Nova)).


Primärliteratur

Alighieri, Dante (1293 (Erstdruck 1576)): Das neue Leben. Vita Nova, Zürich: Manesse. (Aus dem Italienischen übersetzt von Hannelise Hinderberger).


Forschungsliteratur

Auerbach, Erich (1969): Dante als Dichter der irdischen Welt. Berlin: de Gruyter.
Beck, Friedrich (1925): "Über die Wesensähnlichkeit zwischen Beatrice und er 'Donna Gentile' nach Dante's Vita Nova und Convivio". In: Daffner, Hugo (Hrsg.): Deutsches Dante-Jahrbuch. Neunter Band, Weimar: Verlag der Deutschen Dante-Gesellschaft, 68-97.
——— (1927): "Die rätselhaften Worte in Dante's Vita Nova". In: Hilka, Alfons (Hrsg.): Zeitschrift für Romanische Philologie 47, Tübingen: Niemeyer, 1-27.
Hollander, Robert (1980): "Vita Nuova. Dante's Perceptions of Beatrice", in: Studies in Dante. Ravenna, 11-30.
Klemp, Paul J. (1984): "The women in the middle. Layers of love in Dante’s Vita Nuova", in: Italica 61. O.A., 185-194.


Einzelnachweise

  1. Vgl. Duden. Deutsches Universalwörterbuch (Mannheim, 72011), S. 1895.
  2. Dieser Gruß gilt als Höchstes Gut der ursprünglichen Trobadorlyrik. Er symbolisiert die "merces", die Gnade der angebeteten Dame. Diese erteilt die Gnade aber nie sofort. Sie steht aufgrund ihrer sozial-hierarchischen Stellung in einem Balanceakt aus "superbia", also Abweisung oder Hochmut, und "merces".
  3. An dieser Stelle verwende ich den Namen des Autors äquivalent zum Namen des Ich-Erzählers. Auf die Frage, ob die beiden gleichzusetzen sind oder nicht, wird später eingegangen.