Genres: Brief (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)
Im „Frauendienst“ Ulrich von Liechtensteins sind neben Liedern und Büchlein sieben Briefe als Genres inkorporiert, die auch in der „Autobiographie“ als solche bezeichnet werden. Von einem zusätzlichen Brief wird berichtet, doch dieses Schreiben ist dem Leser nicht als Text verfügbar. Von den vorhandenen sind fünf in Reimversen und zwei in Prosa geschrieben, einer davon ist als ein offener Brief anzusehen. Die Schreiben werden von Frauen verfasst, bis auf den offenen Brief, der allerdings von Ulrich im Namen einer Dame (Venus) formuliert wird. Dieses Genre ist nur auf den ersten Teil des Romans und somit lediglich auf den ersten Frauendienst des Protagonisten Ulrich konzentriert.
Definition
Die Bezeichnung „Brief“ geht etymologisch auf das vulgärlateinische „brevis (libellus)“ für kurzes Schreiben zurück und ist als raum- und zeitüberwindendes Mittel der Nachrichtenübermittlung wohl fast so alt wie die Schrift selbst.[Gruber 2003: Sp. 648] Mit dem mittelhochdeutschen Wort „brief“ konnte nahezu alles Schriftliche gemeint sein von „Brief“ über „Urkunde“ sowie „Schuldschein“ bis „Beweis“.[Henning 2001: S. 45] Im Lauf der Sprachgeschichte hat sich neben dem amtlichen „verbrieft“ der „Brief“ in der Bedeutung des Interaktionsmediums erhalten. Die Schriftlichkeit war die Voraussetzung für die Ausdifferenzierung von Speicher- und Funktionsgedächtnis[Assmann 2009: S. 170], sie besitzt universelle Gültigkeit, da materiell fixiert, und steht für die „prinzipielle Zeitlosigkeit des Da-Seins“[Simmel 1992: S. 430]. Der Brief gilt im kulturwissenschaftlichen Paradigma als das Modell der Mündlichkeit im Medium der Schrift[Baasner 2008: S. 59] - als „halbiertes Zwiegespräch“[Bultmann 1927]; er bedeutet eine Veränderung der Kommunikation, indem er theoretisch den Empfang der Nachricht garantiert[Baasner 2008: S. 61]. Das Schreiben als Prozess bedeutet die Mediatisierung des Subjekts und wird so als Objekt der Forschung zugänglich. Die Gattung „Brief“ wäre wohl der pragmatischen Schriftlichkeit zuzurechnen, weil er sowohl in der nichtfiktionalen Realität, als auch in der Literatur Handlungen auslösen kann. Der Grund für die schriftliche Kommunikation im Frauendienst ist die soziale Konstellation, weswegen „die körperlichen Leistungen, die der Ritter Ulrich im Minnedienst vollbringt, seiner abwesenden Dame sprachlich vermittelt werden müssen und [weil] der Dichter/Sänger Ulrich für die sprachlich geformte Werbung ebenfalls Kommunikationskanäle benötigt.“[Kellermann 2009: S. 210]
Genremerkmale
In der Nicht-Fiktionalität benötigt der Brief als Genre eine explizit benannte oder angeredete Person, außerdem ist der vorrangige Zweck dessen Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Parteien. Er ist meistens nicht für die Öffentlichkeit bzw. Publikation bestimmt, es sei, es handelt sich um einen offenen Brief. Jedoch können solche pragmatische Textsorten einen historischen Konventionswandel erfahren und durch „Herausnahme aus dem urprünglichen pragmatischen Kontext können Briefe den Status literarischer Texte erhalten“[Golz 2007: S. 251], somit hat der Brief von seinem Ursprung an den Doppelcharakter als historisch-biographisches Dokument und literarische Gattung, der bereits in der antiken Brieftheorie diskutiert wurde[Golz 2007: S. 251]. Briefe wurden seit dem 12. Jahrhundert, zuerst in Italien, nach der gattungsbezogenen Lehre der Ars dictaminis zunehmend formalisiert. Der theoretische Teil sah folgendes Schema vor: „salutatio (Gruß), captatio benevolentiae (Einstimmung auf den Gegenstand, Bemühen um die Adressatengunst), narratio (Mitteilung), petitio (Bitte), conclusio (Schluß: formal als guter Wunsch, meist „vale“; inhaltlich als Schlußfolgerung, Zusammenfassung u. ä.)“[Wand-Wittkowski 2000: S. 32]. Die mittelalterlichen Regel- und Musterbücher der Ars dictaminis, die nach den Vorschriften der antiken Rhetorik als schriftliche oratio konzipiert wurden, waren wohl erst nach 1255 in europäischen Volkssprachen verbreitet, was der Grund dafür sein könnte, warum in den Briefen im Frauendienst kaum strukturelle Gemeinsamkeiten zu beobachten sind. Auch ist das Briefwesen im Mittelalter nur in Ansätzen entwickelt: Der erste überlieferte deutsche Privatbrief stammt aus dem Jahr 1305[Golz 2007: S. 252].
Karina Kellermann nennt Merkmale des Briefwechsels im höfischen Roman seit dem 12. Jh.[Kellermann 2009: S. 217], die eine Form der medialen Vermittlung von Botschaften darstellen: Briefe
- verbinden verschiedene Handlungsstränge und Schauplätze miteinander
- charakterisieren zusätzlich die Romanfiguren
- lösen Handlungen aus
- steigern den Komplexitätsgrad der Erzählwelt
- fungieren als unmittelbare vis-à-vis-Kommunikation (Sprechen in der 1. Ps. Sg.)
Medialität der Briefe
Der Briefverkehr gehört den Formen der Kommunikation an und diese ist in der Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas „als in Sprache gründendes und durch sie koordiniertes Interagieren von sprach- und handlungsfähigen Subjekten“ konzipiert, „durch das gesellschaftlicher Konsens ermöglicht wird.“[Depkat 2003: S. 12] Seine Definition von Kommunikation ist „ die durch Sprache koordinierte, auch nicht-sprachliche Elemente einbeziehende Interaktion von wenigstens zwei Individuen, durch die Handlungspläne und Zwecktätigkeiten auf der Grundlage einer gemeinsam ausgehandelten Situationsdefinition aufeinander abgestimmt werden.“[Depkat 2003: S. 13] Dabei legt er folgendes Schema eines Bezugssystems, durch das Verständigung möglich ist, zu Grunde[Depkat 2003: S. 13-14]:
- Verständigungsschema Habermas.jpg
Somit dient kommunikatives Handeln[Depkat 2003: S. 17]:
- der Verständigung, wodurch die Gültigkeit kulturellen Wissens festgelegt und ordnungsstiftende Sinnzusammenhänge tradiert, reproduziert und transformiert werden (Kultur)
- der Handlungsorientierung, in der soziale Interaktion die soziale Integration und Gruppensolidarität herstellt (Gesellschaft)
- der individuellen Sozialisation, in der personale Identität ausgebildet wird (Person)
Für alle Briefe im „Frauendienst“ gilt: Ulrich hat einen Schreiber, der für ihn heimlich schreibt und ihm vorliest (FD 169), weswegen davon ausgegangen wird, dass der Minnende seinen Brief mündlich produziert und aufschreiben lässt und alle Briefe der Damen auditiv rezipiert. Vor jedem Brieftext gilt den Rezipienten des Romans wiederum die Aufforderung zum Zuhören des Inhalts. Da Ulrich jeden Brief der Dame rezipiert, ist er als indirekter Adressat aller Botschaften anzusehen, auch wenn die meisten nicht an ihn gerichtet sind.
Prosabrief A
Antwortschreiben der Dame1 an Ulrichs Nichte. Schreiberin wolle die Empfängerin sehen und auf ihre schriftlich gestellte Frage mündlich antworten, Ulrich dürfe dazu kommen, denn sie wolle das Resultat seiner Mundoperation sehen, aber auch nur das. Die Herrin schreibt in der 1. Ps. Sg. und redet die Nichte in der 2. Ps. Sg. an. Die salutatio lautet: „Min huld und ouch den dienest/ min enbiut ich dir vil willeclichen und/ tun dir kunt [...]“(FD Brief A, nach 114). Der Brief wird Ulrich vorgelesen.
Höchstwahrscheinlich handelt es sich um das Ich der Dame1, da sie sich auf das vorhergehende, an sie adressierte Schreiben, bezieht. Die Welt der Schreiberin ist eine soziale, in der es Normen zu beachten gibt, z. B. die der höfischen Standards oder die der Ars dictamini im Schriftverkehr, die sich in der salutatio ausdrücken und ihre Aussage als normativ richtig ausweisen. Die Sprache ist das Medium der Übermittlung, denn es löst eine Handlung aus: Das Zusammentreffen der Dame1 mit der Nichte und Ulrich, was die sozialen Handlungsbegriffe als (durch die Sprache) normenreguliert betrachten lässt. Die Funktion dieser brieflichen Kommunikation sind also Verständigung und Handlungsorientierung.
Reimversbrief a
Dame1 ist Schreiberin, und es ist unklar, ob die Nichte oder Ulrich als Adressat fungiert. Es wird Kritik an einem namentlich nicht genannten Mann zum Ausdruck gebracht, der meine, dass ihn sein Herz nicht lehren könne, so dass er durch fremde Dinge seine Erkenntnis zu gewinnen strebe. Der Vorwurf wird von der dreifachen Formel intensiviert: „swer moutet des er niht ensol,/ der hat im selb versaget wol.“(FD Brief a, nach 171) Es kommt kein Ich vor und und die Rede ist allgemein-philosophisch gehalten. Der eigentliche Brief ist ein Kommentar in Ulrichs Büchlein 1.; der Minnende muss zehn Tage auf seinen Schreiber warten, bis ihm der Brief vorgelesen wird (169, 172).
Der Text ist eigentlich nicht als Brief anzusehen, da keine Personalpronomen vorkommen und es einen Kommentar am Ende des Büchleins 1 darstellt. Die Schreiberin könnte sich in einer objektiven Welt befinden, weswegen ihre allgemeine Aussage als wahr einzustufen ist. Die Sprache dient hierbei wohl als Instrument, das Einfluss auf Ulrichs Entscheidungen, seinen Minnedienst fortzusetzen, nimmt und die Handlung der Dame als eine strategische Handlung ausweist. Die Funktion dieser Botschaft ist somit die Handlungsorientierung, die Dame nicht mehr zu belästigen. Diese schriftliche Botschaft deutet Ulrich anders und nimmt beim Turnier zu Friesach teil, um und Erfolge im Minnedienst zu erzielen.
Reimversbrief b
Ulrichs Verwandte schreibt an Dame1 in der 1. Ps. Sg. mit der salutatio: „Ich enbiut iu vrowe minen grouz/ und dienst als ich von rehte muoz/miner lieben vrowen.“ Die Botschaft preist Verdienste ihres Neffen beim Turnier in Friesach, weist diese als sein Minnedienst an der Dame aus und beteuert die Wahrheit der Worte mit ihrem Herz: „Er hat in da gedient so,/ daz ich sin bin worden vro,/ er dient iu mit triuwen,/ er chan den dienst niuwen/ gegen iu mit (ritterlicher) tat;/ sin herze iuch immer liep hat,/ vil herzenliebiu min./ des sol min saelde pfant sin.“ (vor 321). Die Sendung erfolgt mit einem Lied Ulrichs, das auf dem Turnier bereits vorgetragen und Beifall geerntet hat. Die Herrin liest den Brief selbst in ihren privaten Gemächern und „swaz ihr des briefes schrift da saget,/ daz wart von ir vil wol verdaget“ (FD 321). Die Verfasserin dieses Schreibens benutzt die Sprache in ihrem Brief als Instrument, ihre Handlung ist somit teleologisch gerichtet: Die Gunst der Dame1 Ulrich gegenüber soll gesteigert werden. Seine Leistungen beim physischer Minnedienst auf dem Turnier sollen durch den kulturellen Minnedienst (das Lied) intensiviert werden. Ihre subjektiven Erlebnisse vermittelt die Nichte als wahrhaftige Aussagen. Die Funktion dieser Interaktion ist einerseits die Verständigung durch die Gültigkeit kulturellen Wissens (das Lied), andererseits Handlungsorientierung für Dame1.
Reimversbrief c
Antwortschreiben der Herrin an die Nichte in der 1. Ps. Sg., in dem die Schreiberin von Brief b kritisiert wird, dass sie Ulrich nur auf Grund ihrer Verwandschaft zu sehr lobt: „Du lobest mir vaste den neven din,/ daz mac wol von der sippe sin,/ mir lobent sin aber die vremden niht,/ da von ist din lop gar erwiht; und will du mirn ze hohe loben,/ ich zihe dich du wellest loben.“ Außerdem wird durch den Boten eine mündliche Nachricht übermittelt, dass die Nichte Unwahres berichtet hätte. Die Herrin schreibt selbst (321), ihr Brief wird Ulrich vorgelesen (324).
Auch diese Aussagen sind als wahrhaftig aus der Perspektive der Herrin1 anzusehen, da sie subjektiv empfunden werden. Auffallend ist, dass auf höfliche Grußformeln verzichtet wird, was den Ärger der Dame versinnbildlicht. Möglicherweise sieht sie in dem vorangegangenen Brief auch eine Normverletzung in der Standeshierarchie. Die Sprache dient hierbei als Instrument der Kritik, was teleologisch ausgerichtet ist, die Nichte dazu zu bewegen die Mittlertätigkeit zu unterlassen. Der Brief ist als handlungsorientierend für die Nichte und für Ulrich zu bewerten.
Prosabrief B
Ulrich richtet im Namen der Königin Venus einen offenen Brief an alle Ritter in der Umgebung und bietet ihnen als Liebesgöttin einen Unterricht in der Minne an: „sie/ durch/ ir liebe zou in varn wil, und wil wi leren,/ mit wiegetanen dingen sie werden vrowen/ minne verdienen oder erwerben suln.“ (6-8). Es wird ein Fahrplan vorgegeben und jeder Ritter ist aufgefordert der Königin Venus entgegen zu reiten, um gegen sie mit dem Speer zu kämpfen. Im Falle eines Sieges bekommt der Ritter einen goldenen Zauberring, den er seiner Geliebten schenken soll und der eine Frau immer schöner und dem Schenkenden gegenüber treuer werden lässt. Wenn ein Ritter der Aufforderung nicht nachkomme, den verdamme sie und versage ihnen die Achtung der Minne und der edlen Frauen. Der Brief wird (von Ulrichs Schreiber?) verfasst (479), den Empfängern durch einen Boten vorgelesen (478), in den entsprechenden Ländern wird der Brief bekannt gemacht (480), woraufhin die Ritter anfangen sich zu rüsten (481).
In diesem offenen Brief wird auf die Regeln der Ars dictaminis ganz verzichtet. Die wahre Identität des Verfassers ist den direkten Rezipienten (den Rittern) nicht bekannt, da das Schreiben die Venusfahrt sowie die Konditionen der Kämpfe in der dritten Person beschreibt. Daher wird eine objektive Welt des Senders angenommen und seine Aussagen sind als wahr einzustufen. Der Rezipient des Romans weiß jedoch, um welchen Verfasser es geht und erkennt, dass Ulrich hier die Sprache als Medium der Selbstinszenierung verwendet und somit seine Handlung als dramaturgisch zu betrachten ist. Diese Interaktion könnte der Sozialisation von Ulrich dienen, die personale Identität der Venus auszubilden. Das Schreiben in der 3. Ps. Sg. verdeutlicht die Distanz zwischen dem eigenen Empfinden und der formalen höfischen Selbstkontrolle.[Schubert 1999: S. 42]
Reimversbrief d
Eine anonyme Person lobt Venus/Ulrich für die Minnefahrt, weil diese alle Frauen ehre; achtet die Rolle der Venus als Kämpferin in Frauenkleidern, markiert aber den Inszenierungscharakter, hinter dem ein Mann stehe: „iuch suln alle vrowen wizen danc,/ daz ir durch unser werdicheit/ habt vrowen chleit an iuch geleit/ und damit eret elliu wip“ (vor 605). Die Regeln der salutatio und der conlusio werden vorbildlich eingehalten: „Venus, vil edeliu kunigin,/ gruoz und al den dienest min/ enbiut ich iu gar sunder wanc“ und „got müeze iu libes und eren pflegen/ uf iwern ritterlichen wegen!/ mit triuwen gib ich iu den segen.“ Der/die Unbekannte will wg. ihres hohen Ansehens anonym bleiben. Mit dem Brief zusammen werden durch eine edle Frau kostbare Geschenke übergeben sowie ein „heftelin“ (577,8) und zwar werden sie unter die Kleider der Venus in der Wäscherei eingeschmuggelt. Ulrich findet diesen Brief in den geschenkten Kleidern und Schmuck (603) und ist beunruhigt. Der Protagonist bietet ihm den in der 1. Ps. Sg. verfassten Brief vorzulesen (604).
Die Unbekannte ist auf Normen des Standeshierarchie angewiesen, da sie in diesem Kommunikationsprozess ihre Identität nicht preisgeben darf. Deswegen ist ihr Wunsch unerkannt zu bleiben als richtig anzusehen. Die Sprache dient hier der Übermittlung der Information (ihrer Bewunderung), die Handlung ist normenreguliert, was durch die Beachtung von Regeln der Ars dictaminis intensiviert wird. Diese Botschaft dient der Verständigung zwischen der Unbekannten und Ulrich und produziert ordnungsstiftende Sinnzüge (den Lob für die Handlungen des Minnenden), was Ulrich jedoch irritiert. Möglicherweise sieht er den Genderkodex bzgl. des Minnedienstes verletzt.
Reimversbrief e
Die anonyme Person lobt Ulrich wiederholt in der 1. Ps. Sg. für seine Venusfahrt; will wg. ihres hohen Ansehens weiterhin unbekannt bleiben, was Ulrich traurig stimmt (747). Die salutatio lautet: „Chunde ich mit worten süezen/ iuch, vrowe, wol gegrüezen,/ daz taet ich uf die triwe min.“ Am Schluss findet sich eine Segensformel: „mit triwen ich des wünschen wil/ mit herzen und mit munde;/ von getriwes hertzen grunde/ wünsche ich, daz ir wol gevart/ uf iwer ere bernden vart.“ (32-36). Ein fremder Diener bringt kostbare Kleider und Schmuck samt Brief (731-732) zu Ulrich ins Bad und streut Rosen über ihn (735-736), worüber Ulrich zornig wird. Er bietet ihm den Brief vorzulesen (746). Die anonyme Schreiberin wird von Ulrich als eine Frau ausgewiesen: „Si ist liht so gefriunt ein wip“ (740,1) und „mir tet herzelichen we,/ daz sie sich mir niht het genant“ (747, 3-4).
Die kommunikativen Umstände sind mit jenen im Brief d zu vergleichen, nur dass die für den Protagonisten irritierende Weise der Briefübermittlung bei dieser Sendung weiter verstärkt wurde. Karina Kellermann beobachtet drei Verstöße der anonymen Dame in der brieflichen Kommunikation: „Zum einen durchbricht die Dame die ,Assymetrie des Schenkens', die Frau Venus in ihrem herrschaftlichen Aufruf zur Venusfahrt regelrecht fortgeschrieben hat, zum andren ist sie in eine besonders prekäre Intimsphäre eingedrungen, als sie sich unbemerkt an den Kleidern von Frau Venus, singa translata von Ulrichs Venusidentität, zu schaffen machte. Sie nutzt die weibliche Kleidung über ihre semiotische Funktion der signa translata hinaus als Briefkuvert. Damit gelingt ihr das doppelte Verbergen: Das geschenkte röckel ist unter den Venuskleidern versteckt, und der Brief versteckt sich im röckel. Drittens kann der Adressierte sich nicht kommunikativ wehren: Anonymität und Botenlosigkeit der Sendung verbieten jede Interaktion mit der Absenderin.“[Kellermann 2009: S. 220] Die Funktion der letzten beiden Briefe ist, in Distanz und Anonymität das Gespräch zu ermöglichen [Kellermann 2009: S. 222].
Fazit
Anmerkungen
Bibliographie
Primärliteratur
Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst. Hg. v. Viktor Spechtler. Göppingen 1987 (zitiert als FD).
Sekundärliteratur
<HarvardReferences />
- [*Assmann 2009] Assmann, Aleida: Archive im Wandel der Mediengeschichte. In: Ebeling, Knut/ Günzel, Stephan (Hgg.): Archivologie. Theorien des Archivs in Wissenschaft, Medien und Künsten. Berlin 2009.
- [*Baasner 2008] Baasner, Rainer: Schrift oder Stimme? In: Schöttker, Detlev (Hg.): Adressat: Nachwelt. Briefkultur und Ruhmbildung. München 2008.
- [*Bultmann 1927] Bultmann, D.: „Brief“. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handbuch für Theologie und Religionswissenschaft 2. Aufl. Tübingen 1927.
- [*Golz 2007] Golz, Jochen: „Brief“. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 1. Berlin/ New York 2007
- [*Depkat 2003], Depkat, Volker: Kommunikationsgeschichte zwischen Mediengeschichte und der Geschichte sozialer Kommunikation. Versuch einer konzeptionellen Klärung. In: Spieß, Karl-Heinz (Hg.): Medien der Kommunikation im Mittelalter. (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte hg. v. Bernd Sösemann. Bd. 15.) Stuttgart 2003.
- [*Gruber 2003] Gruber, Joachim: „Brief“. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. II. München 2003.
- [*Henning 2001] Henning, Beate: „brief, brieb“. In: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch. 4. Aufl. Tübingen 2001.
- [*Kellermann 2009] Kellermann, Karin: Kommunikation und Medialität. In: Linden, Sandra/ Young, Christopher (Hgg.): Ulrich von Liechtenstein. Leben – Zeit – Werk – Forschung. Cambridge/ Tübingen 2009.
- [*Schubert 1999], Schubert, Martin: Ich bin ein brief unde ein bode: The Relation of Written and Oral Love-Messages in Medieval German Literature. In: Hartmann, Sieglende/ Müller, Ulrich (Hgg.): Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft Bd. 11. Frankfurt a. M. 1999.
- [*Simmel 1992] Simmel, Georg: Exkurs über den schriftlichen Verkehr. In: Soziologie. Untersuchungen über Formen der Vergesellschaftung. Hg. v. Ottheim Rammstedt. Frankfurt a. M. 1992.
- [*Wand-Wittkowski 2000], Wand-Wittkowski, Christine: Briefe im Mittelalter. Der deutschsprachige Brief als weltliche und religiöse Literatur. Herne 2000.