Die Figur Dante (Dante Alighieri, Vita Nova)
Dieser Artikel ist in Bearbeitung.
Einleitung
Dieser Artikel befasst sich mit autofiktiven und autobiographischen Aspekten in Dante Alighieris "Vita Nova". Es soll geklärt werden, welche Position(en)der Autor selbst in seinem Werk einnimmt, welche Bezüge zwischen Autor und dem Ich hergestellt werden können und welcher Wirklichkeitsanspruch gestellt wird. Um Verwirrungen zu umgehen, sollen literarische Figuren (Dante, Beatrice etc.) im Vergleich zu ihren eventuellen historischen Pendants in Anführungszeichen gesetzt werden. Im ersten Schritt sollen Begrifflichkeiten geklärt werden.
Wichtige Begriffe
- Referenz: Sobald von dem behandelten Text ein Bezug zu außersprachlichen, lokalen oder historischen Gegebenheiten hergestellt werden kann, oder sich dieser Text an andere Texte anlehnt, kann von einer Referenz gesprochen werden. Diese Bezüge kommen häufig in historischen Romanen mit historischen Tatsachenbehauptungen vor.
- Fiktion: Als fiktional kann ein Text, dessen beschriebene Handlungen, Lokalitäten, Personen, etc. (teilweise) erdacht wurden, bezeichnet werden. Es besteht der Modus der Möglichkeit. So kann ein fiktionaler Text etwa eine erfundene Person, in ein Ereignis einbetten, welches sich tatsächlich ereignet hat. Also kann festgestellt werden, dass ein fiktionaler Text auf Tatsachen referiert. Im Gegensatz zur Fiktionalität ist bei der Fiktion das Verhältnis zwischen real und erfunden skalierbar. Die Frage, ob es der Fall sein könnte, ist hier stellbar. Träume oder Zukunfstvisionen, erfundene Personen in einem historischen Kontext sind Beispiel für Fiktion.
- Fiktionalität: Texte, welche dieser Sparte zugeortnet werden, weisen keine Referenz auf und erheben keinerlei Anspruch darauf wahr zu sein. Das Verhältnis zwischen real und erfundenn ist hier nicht skalierbar. Außerdem ist die Frage, ob es der Fall sein könnte, erst gar nicht stellbar.
Die autobiographische Lesart
Belege für die Historizität "Dantes" in der "Vita nova" sind vor allem mithilfe des Begriffs der Referenz findbar. In Kapitel 3 des Werks erhält "Dante" Antwortsonette auf seine eigene Dichtung: "Auf dieses Sonett wurde von vielen, und mit unterschiedlichen Meinungen geantwortet; unter den Antwortenden war auch der, den ich den erten meiner Freunde nenne, und er dichtete damals ein Sonett, das anfängt: Vedeste, als mio parere, omne valore. Und dies war gleichsam der Beginn der Freundschaft zwischen ihm und mir, als er erfuhr, daß ich derjenige war, der ihm dies gesandt hatte." (VN, 3 [1] )
Die spirituell-religiöse Lesart
Neben der autobiographischen Deutungsweise des Werks "Vita nova" gibt es Forschungen, die die Schrift in die spirituell-religiöse Sparte einzuordnen versuchen. Vor allem die Figur der "Beatrice" dient oftmals als Anhaltspunkt dieser Behauptungen. Ist "Beatrice" mit einer realen Frau jener Zeit gleichzusetzen oder handelt es sich bei ihr um eine Spiritualisierung? Angeblich soll eine Beatrice Portinari existiert haben, die als Jugendliebe Dantes sein Schaffen maßgeblich beeinflusste.[2] Allerdings ist ihre Existenz stark umstritten. Auch Evi Zemanek sieht den Realitätsgehalt der "Beatrice" äußerst problematisch: "Dante sieht Beatrice im Verlauf seiner Dichtung zuerst als schöne, unerreichbare Dame, dann als gottgesandte Christusfigur und zuletzt als liebende Frau, die ihm von der Jungfrau Maria geschickt wurde, um seine Seele (und seine Dichtung) zu retten." [Zemanek 2010: 85] "Beatrice" wird in vielen Forschungsarbeiten als allegorische Figur verstanden, zugleich aber auch als "reale, historische Person identifiziert, nämlich als die Florentinerin Beatrice Portinari, Tochter des Folco Portinari, der in denselben sozialen Kreisen verkehrte wie Dante." [Zemanek 2010: 85] Zemanek merkt außerdem an, dass Dante "Beatrice" als reale Frau verstanden wissen will. Aber welche Bedeutung hat diese Aussage noch, wenn sie ausschließlich auf der Ebene der Fiktion geäußert wird? Lösung für dieses Problem könnte, so Zemanek, sein, dass die allegorische Eigenschaft "Beatrices" ihren historischen Hintergrund nicht zwangsläufig in Frage stellen muss. Tatsächlich könnte die mittelalterliche Exegese sogar den Wirklichkeitsbezug der Figuren verlangen.[3] Die spirituelle Wirkung des Werks wird dagegen auch durch zahlenmystische Verbindungen (das häufige, symbolische Auftreten der Zahl "9"), Träume und Visionen geprägt. Auch das Auftauchen des Liebesgottes Amors innerhalb einer solchen Vision kräftigt diese Anschauung.
"Divina Commedia" als Beleg für Autofiktion
Die "Divina Commedia" (dt.Göttliche Komödie) wird oft als Forsetzung des Werks "Vita nova" gehandelt, welches als Grundlage für die "Divina Commedia" gilt. Auch in der Göttlichen Komödie tritt "Beatrice" auf, allerdings als in den Himmel entrückte Geliebte "Dantes". "Dante" fühlt sich berufen, sie dort wiederzusehen und berichtet, "wie e[r] einst auf dem Weg durch die Hölle einem dunklen Wald von Verfehlungen entkam, wie e[r] auf dem Gipfel des Fegefeuers letztlich versöhnliche Aufnahme durch Beatrice erfuhr, bevor e[r] schließlich im Paradies Gottes ansichtig wurde." [Schwarze 2011: 2]
Primärliteratur
- Alighieri, Dante: Vita Nova - Das Neue Leben. Übersetzt und kommentiert von Anna Coseriu und Ulrike Kunkel, München, 1988
Einzelnachweise aus der Forschungsliteratur
<HarvardReferences /> [*Schwarze 2011]Schwarze, Michael: Dantes Poetik des Ich, in: Bartoli Kuchner, Simona (Hg.): Das Subjekt in Literatur und Kunst. Festschrift für Peter V. Zima, Tübingen 2011, S. 1-26
[*Zemanek 2010]Zemanek, Evi: Das Gesicht im Gedicht: Studien zum poetischen Porträt, Köln, Weimar, Wien 2010