Truchseß (der angebliche Drachentöter) (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Der Truchseß lebt in Irland und dient der Königin Isolde. Er behauptet, Drachentöter zu sein, wird aber des Betrugs überführt.


Der Truchseß

Datei:Tristan and Isolde 23.jpg
Holzschnitt aus dem Jahr 1484 von Anton Sorg aus Augsbourg

Er taucht zum ersten Mal in Vers 8949[1] auf.

Er wird als schurkisch bezeichnet (der leide truhsaeze (V. 9142), der veige (V. 11251)), als Betrüger (der valsche (V. 11275 u. 11283)), die ältere Isolde bezeichnet ihn als grässlichen Mann (den unsaeligen man (V. 10303)), er wird der Aufschneiderei bezichtigt („an disem lantschalle / ist lützel êren bejaget.“ (V. 11266f.)) und als armselig beschrieben (der arme truhsaeze (V. 11360)). Die Ritterschaft, die bei dem Gerichtstag anwesend ist, hält den Truchseß für einen glücklosen, armseligen Mann ([...] disem unsaeligen man, / der nie saelde gewan (V. 9785f.)).

Der Truchseß wird als feige und ängstlich beschrieben (erschrocken unde herzelôs (V. 9119)), ist aber auch zu kluger Berechnung fähig (daz liez er niuwan durch den list (V. 9171)).

Tomasek schreibt, der „eher lächerlich wirkende irische Truchsess“ werde „von Tristan souverän ausgeschaltet“. Der Truchseß habe „selbst ein Auge auf Isolde geworfen“, würde aber „aus Feigheit die offene Auseinandersetzung scheuen“.[2] Seine Liebe zu Isolde ist das Motiv, das ihn dazu bringt, zu allen Kampfhandlungen mitzureiten und sich immer zu zeigen (ùnd alse ie man ze velde reit / durch gelücke und durch manheit, / sô was ouch der truhsaeze dâ / eteswenne und eteswâ / durch niht, wan daz man jaehe, / daz man ouch in dâ saehe, / dâ man nâch âventiure rite (V.8953-8959)).

Inhalt

Der Truchseß behauptet, den Drachen, der im Tal Anferginan lebt, getötet zu haben und fordert daraufhin das Recht des Drachentöters ein, die Tochter des Königs von Irland, Isolde zur Frau nehmen zu dürfen, worauf er schon seit langem hofft.

Den Drachen hat allerdings ein anderer getötet: Tristan. Dieser schneidet dem Drachen auch die Zunge aus dem Maul. Der Truchseß sticht lediglich auf den schon toten Drachen ein, schlägt ihm den Kopf ab und rammt zu guter Letzt dem toten Drachen das Vorderende seines Speers in den Rachen (daz vorder stucke daz stach er / dem trachen zuo dem gorgen în, / als ez ein tjoste sollte sîn. (V. 9118-9120)).

Der Truchseß reitet mit folgendem Schlachtruf auf den bereits toten Drachen zu: schevalier damoysêle! / ma blunde Îsôt, ma bêle! (V. 9165 f.). Krohn sagt dazu: "Mit dem Kampfruf gaben die Streiter sich zu erkennen; meist riefen sie den Namen ihres Herrn oder ihres Landes, Hertz (S. 526) weist darauf hin, daß es nach deutscher Anschauung ein grober Verstoß gegen die Anstandsregeln des Frauendienstes war, den Namen der Dame zu nennen" (Vgl. Kommentar Krohn, S.156). Dies und die Erwähnung, dass der Truchseß den Speer beim Stoß aus der Hand verliert, nutzt Gottfried dazu, die Figur des vrouwen ritter (V. 9905) in lächerlicher Weise darzustellen.

Der Truchseß wähnt den wahren Drachentöter tot, da er Tristan nirgends entdecken kann. Dieser liegt aber in einem Tümpel, durch die Zunge des Drachen geschwächt und entkräftet. Dies nutzt der Truchseß zu seinem Vorteil aus und gibt sich selbst als der Drachentöter aus. Die beiden Isolden aber misstrauen dem Truchseß und machen sich auf die Suche nach dem wahren Töter des Drachen, da sie einen anderen vermuten als den Truchseß ("ei wie sicher ich es bin, / der truhsaeze daz er in / ie getorste bestân! / (...) / dirre man sî lebende oder tôt, / mich anet sêre, daz er sî / verborgen eteswâ hie bî" (V.9349-9356). Auf der Suche nach Tristan entdeckt die junge Isolde diesen schließlich in dem Tümpel liegend und anhand der Drachenzunge erkennen sie in ihm auch den wahren Drachentöter. Diesen nehmen sie dann auch in ihre Obhut und wollen mit Hilfe von Tristan den Truchseß der Lüge überführen. Es kommt zur Gerichtshandlung, wobei der Truchseß sein angebliches Recht auf Isolde geltend macht. Als die ältere Isolde am Gerichtstag behauptet, den wahren Drachentöter zu kennen, fordert der Truchseß einen Zweikampf ein: „hant wider hende, / ê ich den vuoz gewende!“ (V. 9963f.); „Mann gegen Mann, / ehe ich zurückstehe!“. Der Kampf wird auf den dritten Tag angesetzt.

Am anberaumten zweiten Gerichtstag führt der Truchseß als angeblichen Beweis den Drachenkopf an („diz houbet, seht, daz brâhte ich dan.“ (V. 11232)). Da der Kopf aber keine Zunge mehr enthält, ist der Truchseß des Betrugs überführt. Trotzdem fordert der Truchseß noch einmal den Zweikampf ein. Tristan lässt sich darauf ein. Die Verwandten des Truchseß raten diesem jedoch, von den Forderungen Abstand zu nehmen („dâ râte wir dir kurze zuo. / [...] / diese vorderunge varen lân.“ (V.11344-11347)). Der Truchseß wird daraufhin verhöhnt und ist dem Spott der Anwesenden ausgesetzt (si triben in mit spotte / umbe und umbe als einen bal. (V. 11362f.)).

Die Meinung der Isolden

Sowohl die junge als auch die ältere Isolde, bekräftigen mehrmals, dass sie dem Truchseß gegenüber nicht wohlwollend gesinnt sind. Vor der versammelten Ritterschaft erklärt Isolde dem Truchseß: „[...] ich war Euch niemals liebend gewogen / und werde es auch gewißlich niemals sein.“ (V. 9864f.). Die ältere Isolde erklärt gegenüber dem Truchseß, dass weder sie noch ihre Tochter ihn jemals mochten (ich selbe enwart dir ouch nie holt. / ich weiz wol, alse entout Îsolt (V. 9934f.)). Mutter und Tochter Isolde verdächtigen den Truchseß außerdem des Mordes an Tristan (der truhsaeze der hât in / mortlîche ermordet unde erslagen (V. 9396f.)). Auch traut Isoldes Mutter Isolde dem Truchseß nicht zu, mit dem Drachen gekämpft zu haben („ei wie sicher ich es bin, / der truhsaeze daz er in / ie getorste bestân!“ (V. 9349-9351)).

Der Rede des Truchseß

Bei der Ratsversammlung des Königs hält der eigentlich recht plumpe und zuvor wenig scharfsinnig erscheinende Truchseß eine 41 Verse umfassenden Rede, die der Verhöhnung Isoldes dienen soll. (V. 9856-9896) Die Rede beinhaltet nicht nur eine tiefsinnige Analyse des Wesens der Frauen (diu art ist an iu allen starc V.9872), sondern der Truchseß behauptet in seiner Rede im Hinblick auf die Frau auch: ir minnet, daz iuccch hazzet; ir hazzet, daz iucch minnet. (V. 9880-9881) Die ältere Königin Isolde nennt diese Erkenntnis des Truchseß eine vrouwen site (V. 9912), da dieser diese Eigenschaft selbst leben würde, indem er Isolde begehre, die ihn verachte. Sie meint, dem Truchseß sei die Männlichkeit abhanden gekommen (ez hât dir der manne art benomen. (V. 9908)).

Reaktionen auf des Truchseß Forderung

Als Isolde erfährt, dass der Truchseß um ihre Hand verlangt, erklärt sie, lieber Selbstmord begehen zu wollen (ê ich’s gevolge, sô stich ich / rehte in mîn herze ein mezzer ê. / ê sîn wille an mir ergê, / ich nim mir selber ê den lîp. (V. 9286-9289)). Isoldes Mutter bezeichnet die Möglichkeit, dass der Truchseß seinen angeblichen Anspruch auf die junge Isolde wahr machen könnte als „unendlich tiefen Schmerz“ (die grundelôsen herzenôt (V. 9363)). Sie sagt außerdem, ihr Ansehen und Glück würden von dem Anspruch des Truchseß abhängen (mîn êre und al mîn saelekeit (V. 9569)). Die ältere Isolde hofft, dass Gott beide vor dem Anspruch des Truchseß behüten werde (ouch sol uns got dar vor bewarn (V. 9278)). Gegenüber Tristan gesteht die ältere Isolde: „daß, wenn diese Ungeheuerlichkeiten eintreten sollten, / wir beide, Isolde und ich, / auf ewig bei lebendigem Leibe tot wären.“ (V. 9590-9592). Gurmun, Vater der Isolde, wiederum behauptet, die Angelegenheit bedrücke ihn schwerer als der Tod („mir ist disiu rede swaere alse der tôt.“ (V. 9729)).

Anmerkungen

  1. Die Zitierung einfacher Versangaben im Folgenden (abgekürzt mit 'V.') bezieht sich innerhalb dieses Artikels auf: Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke. Hrsg. v. Rüdiger Krohn. Bd. 1/2. Stuttgart 1993/1994 (RUB 4471/4472).
  2. [Tomas Tomasek: Gottfried von Straßburg, Stuttgart 2007, S. 101.]


Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke. Hrsg. v. Rüdiger Krohn. Bd. 1/2. Stuttgart 1993/1994 (RUB 4471/4472).

Sekundärliteratur

Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg, Stuttgart 2007.