Begriff der "edelen herzen" (Gottfried von Straßburg, Tristan)
Die "edelen herzen" sind ein zentraler Begriff in Gottfrieds 'Tristan'. Dort wird die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs "edel"[1] erstmals auf das geistige Gebiet übertragen.[Vogt 1908: 10][2]
Herkunft
Die Forschung vertritt verschiedene Position, woher sich der Begriff der "edelen herzen" ableiten könnte. In der französischen Vorlage von Thomas von Britanje, die Gottfried für seinen 'Tristan' verwendet, taucht ein ähnlicher Begriff nicht auf.[Vogt 1908: 12]
Mystik
Nach dieser These, geprägt durch Friedrich Vogts Rektoratsrede, steht "edelez herze" synonym zu dem Begriff der "edelen sêle"[Spiewok 1973: 335], wie er später im 18. Jahrhundert in der mystischen Literatur zu finden ist.[Vogt 1908: 11] Bereits in der Bibelexegese des 11. Jahrhunderts wird "edele sêle" verwendet, um zum Beispiel die wahren Frauen von Salomo gegenüber den Kebsweibern zu unterscheiden.[Vogt 1908: 12] Die Kritik von Olive Sayce, diese These weise erhebliche zeitliche Differenzen auf,[Spiewok 1973: 335] lässt sich somit entkräftigen. Charakteristisch für innere Vorgänge und Empfindungen wird "edele sêle" jedoch tatsächlich erst in der Mystik des 18. Jahrhunderts.[Lüers 1926: 58]
Katharer
Gottfried Weber sieht in der Wendung des "edelen herzen" eine Analogie zu den "boni homines"[3], die, wie die "edelen herzen" Gottfrieds, eine "Auslese einiger Weniger" darstellten.[Weber 1948/50: 385] Der Begriff wird hier zur Untermauerung der These, Gottfried sei ein Ketzer, ausgelegt [Spiewok 1973: 335].
Weitere
Die Forschung sieht außerdem die Möglichkeit, der Begriff "edele herzen" sei an den lyrischen Begriff "gentil ceur" der Troubadours angelehnt, [Spiewok 1973: 335] der jedoch nicht die exakt gleiche Bedeutung ausdrückt.[Vogt 1908: 12] Eine Parallele zu den Amalrikanern sieht Weber, denn nach deren Überzeugung kann in der Liebe keine Sünde begangen werden.[Weber 1948/50: 383]
Vorkommen und Bedeutung
Anmerkungen
- ↑ Ursprünglich wurde "edel" nur im ständischen Sinne zur Bezeichnung des Geburtsadels gebraucht (nhd. adlig)[Weber 1962: 67]. Es handelt sich dabei um eine "respektvolle Standesbezeichnung", die mit Verhalten und Gesinnung der Personen nichts zu tun hat.[Vogt 1908: 8f]
- ↑ Weber verweist jedoch auf das 'Annolied', in dem bereits der Begriff "edile gemut" vorkommt und "edel" somit nicht-ständisch verwendet wird.[Weber 1962: 68]
- ↑ Die "boni homines" gehören zu den Katharern und zeichnen sich durch "Verzicht auf gemeinen Genuß"[Weber 1948/50: 384] aus.
Literatur
<harvardreferences />
- [*Lüers 1926] Lüers, Grete: Die Sprache der deutschen Mystik des Mittelalters im Werke der Mechthild von Magdeburg. München 1926.
- [*Spiewok 1973] Spiewok, Wolfgang: Zum Begriff "edelez herze" bei Gottfried von Straßburg. In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. von Alois Wolf. Darmstadt 1973.
- [*Vogt 1908] Vogt, Friedrich: Der Bedeutungswandel des Wortes edel. Rede beim Antritt des Rektorats. Marburg 1908.
- [*Weber 1948/50] Weber, Gottfried: Gottfrieds Tristan in der Krise des Weltbildes um 1200. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Wiesbaden 1948/50.
- [*Weber 1962] Weber, Gottfried und Hoffmann, Werner: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 19624.