Der Literaturexkurs (Gottfried von Straßburg, Tristan)
Der Literaturexkurs ist einer der vier großen Exkurse in Gottfrieds von Straßburg „Tristan“. Er gilt als die erste kritische Dichterschau in deutscher Sprache und ist deshalb einer der meistdiskutierten Stellen des Romans.[Tomasek 2007: 140]
Einordnung in den Handlungsverlauf
Der Literaturexkurs ist der zweite große Exkurs im Tristan. Nachdem Tristan von seinen Entführern in Cornwall ausgesetzt worden war, trifft er im Wald zuerst zwei Pilger und im Anschluss königliche Jäger. Um sich zu schützen gibt er sich als Kaufmann aus Parmenien aus, der sich auf einer Bildungsreise befindet. Durch seine Vorführung, das Wild zu zerlegen, beeindruckt er die Jäger so sehr, dass sie ihn Marke vorstellen. Auch dieser bewundert die Fähigkeiten des jungen „Kaufmanns“ und so wird Tristan bald der Günstling Markes. Währenddessen sucht Rual nach seinem Ziehsohn. Nach dreieinhalb Jahren gelangt er nach Cornwall und hört dort von dem außergewöhnlichen jungen Mann. Auch er gibt sich als Kaufmann aus und gelangt an den Hof Markes. Tristan und Rual finden einander wieder und Rual berichtet Tristan daraufhin, wer er wirklich sei. Marke ist hocherfreut über den neu gefundenen Neffen und man beschließt, Tristan zum Ritter zu schlagen. Tristan ist an dem vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere angekommen.[Huber 2000: 61] Kurz nach Beginn der Beschreibung der Zeremonien zur Schwertleite setzt Gottfried den Literaturexkurs.
Aufbau und Inhalt
Tomas Tomasek gliedert den Exkurs in zehn Teile.[Tomasek 2007: 141f.] Mazzadi betont den Aufbau nach Schema einer lateinischen Sermo. Daher gliedert sie den Exkurs nach Lob, Darstellung, Tadel, Belehrung.[Mazzadi 2000: 137] Huber wiederum beschreibt den Teil der Dichterschau als Triptychon. [Huber 2000: 61f.]. Der folgende Aufbau richtet sich nach Tomasek.
Aus mout, gout, bescheidenheit und höfschem sin gebildete Kleider (V. 4555-4588)
Gottfried unterbricht die kurz zuvor begonnene Beschreibung der Schwertleite mit einem für die Exkurse in seinem Romans typischen Mittel: Er richtet sein Wort an den Leser und leitet dadurch den Exkurs ein:
- Swer mich nu vrâget umbe ir cleit,
- und umbe ir cleider rîcheit,,
- wie diu zesamene wurden brâht,,
- des bin ich kurze bedâht,,
- dem sage ich, als daz maere giht.,
- Swer mich nu vrâget umbe ir cleit,
Die Kleidung der Ritter und Tristans für die Schwertleite beschreibt Gottfried allegorisch. Sie bestehen aus mout, gout, bescheidenheit und höfschem sin, die zusammen prächtig wirken.
Erster Unfähigkeitstopos (V. 4589-4620)
Nach der Darstellung der Kleider müsste Gottfried nun über die ritterlichen Prunk berichten. Doch dazu fehlen ihm die Worte: Wie gevahe ich nu min sprechen an. Er erklärt, schon so viel sei über ritterlichen Prunk geschrieben worden, das er zetriben (4618) worden ist. Er, der Tradition der lateinischen Rethorik folgend,[Müller-Kleinmann 1990: 8] könne den Beschreibungen nichts mehr hinzufügen, was besser sei, was seinem Bericht einen Gewinn bringen könne. Mit der Unfähigkeitsbehauptung greift Gottfried ein Mittel auf, welches in der geistigen Dichtung der Zeit geläufig war.[1] Außerdem stellt er damit die Kraft des Wortes infrage, etwa in der deutschen Dichtung und ihrem literarischen Selbstverständnis zu nie zuvor Dagewesenem. [Huber 2000: 61]
Dichterschau
Nach seiner Unfähigkeitsbeteuerung beginnt Gottfried nun mit der berühmten Dichterschau, die wie bereits erwähnt, nach dem Schema eine Sermo aufgebaut ist.
Lob Hartmanns von Aue (V. 4621-4637)
Als erstes steht das Lob:
Hartman der Ouwaere, âhî, wie der diu maere beide ûzen unde innen mit worten und mit sinnen.[2]
Harmans Worte sind lûter und reine (4628), mit seiner Sprache formt er den Sinn seiner Erzählung so gut, dass swer guote rede ze guote und ouch ze rehte kan verstân, der muoz dem Ouwaere lân sîn schapel und sîn lôrzwî.
Hartmann ist als laut Gottfried der Standard des Dichters,[Tomasek 2007: 144] weil er das Ideal der Klarheit erfüllt.[Mazzadi 2000: 145ff.].
Tadel eines Unbekannten (V. 4638-4690)
Dem Lob folgt der Tadel durch eine Darstellung vin vindaere wilder maere (4665) die eben nicht dieses Ideal verkörpern, sondern uf der wortheide hôchsprünge[n] und wîtweide[n] mit bickelworten. Gottfried
Lob Bliggers von Steinach und Heinrichs von Veldeke (V. 4691-4750)
Lob Reinmars von Hagenau und Walthers von der Vogelweide
Zweiter Unfähigkeitstopos (V. 4821-4858)
Anruf der Musen (V. 4859-4907)
Keine üblichen Beschreibungsklischees im Falle einer Inspiration (V. 4908-4928)
Alles läuft auf die vier Grundwerte muot, gout, bescheidenheit und höfischer sinn hinaus (V. 4929-4974)
Der Literaturexkurs und der Prolog
Anmerkungen
Literatur
<HarvardReferences />
- [*Fromm 1967]Fromm, Hans: Tristans Schwertleite. In: DVjs 41 (1967), S. 333ff.
- [*Hahn 1973] Hahn, Ingrid: Zu Gottfrieds von Straßburg Literaturschau. In: Gottfried von Strassburg. Hrsg. von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (Wege der Forschung 320), S. 147 -181.
- [*Huber 2000] Huber, Christoph: Gottfried von Straßburg. Tristan und Isolde. Eine Einführung. Berlin 2000.
- [*Mazzadi 2000] Mazzadi, Patrizia: Autorreflexion zur Rezeption: Prolog und Exkurse in Goffrieds “Tristan“. Trieste 2000 (Quaderni di Hesperides. Serie Saggi 2).
- [*Müller-Kleimann 1990] Müller-Kleimann, Sigrid: Gottfreids Urteil über den zeitgenössischen deutschen Roman. Ein Kommentar zu den Tristanversen 4619-4748. Stuttgart 1990 (Helfant Studien 6).
- [*Tomasek 2007] Tomasek, Thomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007.