Handlungsverklammernde Motive und Strukturen (Gottfried von Straßburg, Tristan)
Der Tristan-Stoff im Allgemeinen, und Gottfrieds Tristan im Speziellen, steckt voller Strukturen und Motive, welche durch ihr gedoppeltes, oder wiederholtes Auftreten, Handlungsabschnitte umklammern. Der aufmerksame Leser wird bei genauer Betrachtung mehr wiederkehrende Motive und Strukturen erkennen, als auf den ersten Blick ersichtlich sind. Bei Gottfried werden diese Motivvervielfältigungen von einem „feinem Geflecht rekurrenter Motive und Bilder unterstützt, von denen die Handlung geradezu durchwoben wird“[1]. Dieser Artikel soll einige und die wichtigsten davon aufzeigen und versucht ihre Bedeutung im Gesamtzusammenhang zu erfassen.
Neben den durchgängigen Leitthemen wie der triuwe- oder ere-Thematik und den unzähligen Exkursen gibt es eine große Anzahl Dopplungen, die im Folgenden aufgeführt werden.
Vorgeschichte (245-1790)
Die Vorgeschichte um Riwalin und Blancheflurs Liebe ist nicht nur durch den Verwandtschaftsgrad mit Tristans Schicksal und den Geschehnissen der Haupthandlung verbunden. „Die Liebe zwischen Tristans Eltern entbehrt bereits der Billigung des Markeshofes; ein verschlüsseltes Liebessignal geht auch hier zuerst von der Frau aus; Riwalin und Blancheflurs Minne ist wie die Tristans und Isoldes von großer Kraft und erzeugt ein Wechselbad von Freude und Leid, das in bitterem Tod – zuerst des Mannes – endet.“[2] So wird mit der Elternvorgeschichte bereits die Haupthandlung und deren Verlauf eingeleitet. Außerdem besteht ein Motivzusammenhang zwischen dem Maifest der Vorgeschichte und der paradiesischen Szenarie der Minnegrotte.
Die zwei böswilligen Trouchsessen (8948, 13451)
„Der Trouchseß gehört zu den höchsten Hofbeamten; ihm unterstand die gesamte Küchen- und Wirtschaftsverwaltung. Herz (S. 525) weist darauf hin, daß die Trouchsessen in der mittelalterlichen Literatur zumeist die Rolle der Intriganten und Schurken spielen.“[3] darauf weist Rüdiger Krohn in seinem Stellenkommentar hin und so spielen auch die Trouchsessen in Gottfrieds Tristan keine sehr ruhmreiche Rolle. Der erste Trouchsess, der den Ruhm des von Tristan besiegten Drachen gerne für sich ernten würde, stiehlt den Drachenkopf um Isolde zu beeindrucken. Nur zu gerne hätte er sie zur Frau. Seine Verehrung für Isolde teilt er mit dem später auftauchenden Trouchseß Marjodo, der gegen die Liebenden intrigiert, als er ihr Verhältnis zueinander entdeckt. Der klassische Bösewicht taucht also schon sehr früh im Geschehen auf um den Helden Steine in den Weg zu legen und seine spätere Dopplung dient dem weiteren Verlauf der Intrigen. Die intriganten Trouchsessen verschmelzen zu einem Bösewicht, den die Liebenden am Ende so zweimal besiegen. Übrigens scheint Gottfried die Dopplung des Trouchseß selbst eingeführt zu haben. Während bei Eilhart die Episode ganz fehlt, so ist in der „Saga“ nur die Rede von einem Ratsherren.[4]
Zwei Helfer: Brangäne und Curvenal (2259; 12435)
„Unter den Tristan und Isolde freundlich gesonnenen Gestalten stehen die Heldenfiguren […] Curvenal und Brangäne im Vordergrund. Sie unterstützen die Protagonisten nach Kräften und verkörpern jene positiven Werte, die den Gegnern abgesprochen werden“[5] Die beiden sind tugendhaft und treu ihrem jeweiligen Schützling gegenüber, allerdings unterlaufen beide schwerwiegende Fehler bei der Sorge um ihren Schutzbefohlenen. Curvenals Unaufmerksamkeit bei Tristans Entführung bildet eine Parallele zu Brangänes Nachlässigkeit in der Minnetrankszene, die ebenfalls an Bord eines gelandeten Schiffes versäumt, ihrem Auftrag nachzukommen. So stehen die beiden helfenden Figuren nicht nur für höfische Tugenden, Freundschaft und Treue, sondern stellen zugleich auch beide Tristan und Isoldes Schwachstellen dar.
Zwei bemerkenswerte Hunde (15765, 16646)
Petitcrü ist der wundersame Zauberhund, der eigentlich kein Hund, vielmehr ein Wesen aus einer anderen Welt zu sein scheint. Anfangs gehört er dem Herzog Gilan aus Swales, der das Wundertier von einer Göttin aus Avalon erhalten hat. Der Hund vermag, in Zusammenspiel mit seinem magischen Glöckchen, welches er um den Hals trägt, jeglichen Kummer von einer Person nehmen, welche den lieblichen Glockenklang zu hören bekommt. Tristan fordert Petitcrü als Lohn, für seinen Sieg über den Riesen Urgan und schickt das Tier an Isolde, die bei Marke den selben Liebeskummer erleidet wie Tristan selbst. Isolde jedoch, bricht das magische Glöckchen vom Halsband des Hundes, da sie ohne Tristan keine Freude empfinden möchte. Der zweite Hund, der besondere Erwähnung findet ist ein Jagdhund Tristans namens Hiudan. Die beiden Liebenden entscheiden, ihn mit sich zu nehmen, als Marke sie in die Verbannung schickt. Der Hund wird als schoen und clein beschrieben und für Tristan scheint er von Bedeutung zu sein da er ihn selbe an sîne hant nimmt. Auch wird noch einmal sehr deutlich erwähnt das die beiden Hiudan, nicht Petitcrü mit sich nehmen (Hiudanen, niht Petitcreiu., 16659). Rüdiger Krohn schreibt dazu: „16649 Der Name des Hundes erscheint (in unterschiedlichen Formen) in allen Bearbeitungen des Stoffes; nur die „Saga“ nennt ihn nicht, erwähnt jedoch den „Lieblingshund“ Tristans. Das Detail zählt also zum ältesten Bestand der Sage. Im „Sir Tristrem“ leckt der Hund Hodain den Becher mit dem Liebestrank aus und weicht dem Liebespaar seitdem nicht mehr von der Seite.[...]“ „16659 im „Sir Tristrem“ wird betont, daß der Held beide Hunde mitnimmt. In der „Saga“ steht davon nichts. Gottfried distanziert sich hier von seiner Quelle [...]“[6]
Zwei Hirsche (2759,17293)
Die Jagd an sich wird oft mit dem Liebesmotiv verknüpft und bekommt so an vielen Stellen einen zweideutigen Sinn. Vielleicht lässt sich damit auch die Dopplung des Hirschen erklären. Er taucht das erste Mal bei der Jagdszene auf, als der junge Tristan Markes Männern erklärt wie diese ihre Beute korrekt zerlegen müssen. Hier ist die Jagd und der erlegte Hirsch ein Zeichen für Tristans gute, höfische Erziehung und seine zahlreichen, bewundernswerten Talente und Eigenschaften. Wieder ist es Markes Jagdgesellschaft, die hinter dem zweiten Hirsch her jagt, der als wunderbar beschrieben wird, starc unde michel unde blanc, (17295). Ein deutliches Zeichen des Schicksal das es ausgerechnet wieder ein Hirsch ist, der Marke das zweite Mal zu Tristen führt, nämlich genau zur Minengrotte der beiden Liebenden.
Drei Isolden (6946, 7716, 18956 )
Morolds Schwester, die alte Isolde findet als erste Erwähnung in Gottfrieds Tristan. Sie ist es, die als Einzige Tristans Vergiftung heilen kann. Doch die beiden anderen Isolden, Morolds Nichte und Isolde Weißhand sind es, die Tristans Herz gewinnen. Tomas Tomasek sieht in Isolde Weißhand jedoch keine erneute Geliebte, vielmehr eine weitere Gefahr für die Liebenden: „Mit der erst gegen Ende des Fragments in Erscheinung tretenden Isolde Weißhand, Tristans späterer Ehefrau, wird sich abermals ein enges Familienmitglied langfristig zum gefährlichen Kontrahenten Tristans entwickeln – so gesehen stellt die weißhändige Isolde eine Spiegelung Markes dar und ist zugleich, wie ihr Name zeigt, als Gegengestalt zur ersten Isolde konzipiert“[7] Tomasek schreibt weiter, Tristan gerate bald „zwischen den namensgleichen Frauen zunehmend in einen zerstörerischen inneren Zwiespalt“[8] Die alte Isolde, Isolde von Irlands Mutter, wird als klug, gebildet und schön beschrieben, wobei ihre Tochter jedoch ihre Schönheit überstrahlt. Trotzdem spielt sie, durch ihre außergewöhnliche Fähigkeiten in der Heilkunde und mit ihrem klugen, politischen Einfluss, ebenfalls mehrfach eine wichtige Rolle in Tristans Leben.
zwei riesenhafte Gegner (8897, 15915)
Die Drachenepisode und der Kampf gegen den Riesen Urgan sind eine offensichtliche Dopplung. Bei genauerer Betrachtung fällt außerdem eine Dopplung zwischen Tristans Lohnforderung für den Kampf gegen den Riesen, und der Rotte und Harfe-Episode auf, in beiden Fällen bietet der Gastgeber seinem Gast an als Lohn für eine Gefälligkeit zu verlangen, was immer er wolle. Außerdem ähneln sich die Beschreibungen der beiden Kreaturen, beide brüllen und werden mit dem Teufel in Verbindung gebracht, auch ihre Wohnorte weisen Ähnlichkeiten auf: Der Drache wohnt in der „Wildnis“ während der Riese Urgan nahe eines „wilden Waldes“ zu finden ist. In beiden Fällen überkommt Tristan, anders als im Kampf gegen Morold, die Angst.
die Fahrt nach Irland (8, 9)
Meerfahrten (3, 8, 9, 13)
Isoldes Täuschungen (18, 19)
Tristans listige Trägerdienste für Isolde (16, 19)
Voreilige Versprechungen (16, 20)
Baumgarten (18, 22)
Musikeinsatz (8, 16, 23)
Betten (1, 14, 17, 19, 21, 22)
Schachmotiv
Jagdmotiv (2166 f.)
Das Jagdmotiv findet erstmalige Erwähnung in Tristans Jugendjahren als er seinen Ziehvater Rual darum bittet einen Jagdfalken für ihn zu kaufen, das Motiv wird etwas später ausführlich in der bast-Episode (2813 ff.) behandelt. „Von da an begleitet es vor allem die Hauptfiguren durch den Roman und stellt einen ständigen Verweiszusammenhang zur Liebesthematik her“[9]
Steigerung
Drei Töchter, drei Pfüfungen... Dopplungen und Motivvervielfältigungen tauchen häufig in der mittelalterlichen Literatur auf und wir alle kennen sie, nicht zuletzt aus den uns wohl allen noch aus Kindertagen bekannten Erzählungen: Märchen. Hier begegnet uns auch sehr oft die Steigerung eines wiederholten Motivs, ebenso geschieht dies in Gottfrieds Tristan. Eine Steigerung begegnet dem aufmerksamen Leser beispielsweise in der Baumgartenszene, deren Dramatik sich mit ihrer Wiederholung deutlich steigert.
- ↑ Tomas Tomasek, Gottfried von Straßburg, 2007 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, S.95
- ↑ ebendies S.96
- ↑ Gottfried von Straßburg Tristan Band 3, Kommentar von Rüdiger Krohn, S.?
- ↑ Gottfried von Straßburg Tristan Band 3, Kommentar von Rüdiger Krohn, S.198
- ↑ Tomas Tomasek, Gottfried von Straßburg, 2007 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, S.101
- ↑ Gottfried von Straßburg Tristan Band 3, Kommentar von Rüdiger Krohn, S.229
- ↑ Tomas Tomasek, Gottfried von Straßburg, 2007 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, S. 106
- ↑ ebendies, S.107
- ↑ Tomas Tomasek, Gottfried von Straßburg, 2007 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, S.95-96