Zeit in Gottfrieds Tristan (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Die umfangreiche Handlung Gottfrieds von Straßburg Tristan umfasst einen riesigen Zeitraum und scheint auf den ersten Blick linear. Von der Vorgeschichte seiner Eltern, Riwalin und Blanscheflur, über Geburt und Aufwachsen in Parmenien, die unfreiwillige Reise an Markes Hof, Werbung um und durch den Trank erwirktes Verlieben in Isolde, die Zweisamkeit in der Minnegrotte und schließlich die Trennung der beiden Liebenden. Das alles läuft augenscheinlich nach einem bestimmten und festgelegten erzählerischen Muster ab. Doch sind bei genauerer Betrachtung die Zeitstrukturen innerhalb dieser Erzählung nicht immer problemlos aufzuschlüsseln.

Gibt es tatsächlich ein übergeordnetes und alles zusammenhaltendes Zeitgerüst oder sind in der Erzählung andere Faktoren zu beobachten, die der erzählten Zeit im Tristan Struktur verleihen?

Zeit in der mittelalterlichen Literatur

Das allgemeine Verständnis von Zeit im Mittelalter war hauptsächlich von der Diskussion um ihre Einheit oder Uneinheit geprägt. Vereinfacht ausgedrückt war die Frage im Grunde: gibt es nun eine Zeit für alle oder lebt etwa jeder in seiner eigenen Zeit? Denn laut Augustin ist die Zeit die Ausdehnung des Geistes. Konsequenterweise müsste es somit so viele Zeiten geben wie Denkende.[1]

Eine tiefgreifendere philosophische Abhandlung über die mittelalterliche Zeit-Diskussion ist für das Verständnis der Auffassung von Erzählzeit und Zeitstrukturen nicht notwendig, jedoch beinhaltet sie eine ganz entscheidende Problematik, die auch der mittelalterliche Autor stets im Hinterkopf behalten musste. Zwar nicht in der Form von vollkommen individuellen 'Zeitwelten' jedes Einzelnen. Jedoch ergaben sich mit dem Verständnis von der Pluralität der Zeiten Probleme bei Vereinheitlichung und Kontinuität. Denn um diese zu erreichen, musste auf Mittel wie Glück oder durch höhere Macht bewirkte Synchronität der Handelnden zurückgegriffen werden. Wenn beispielsweise jede einzelne Figur einer Erzählung ein eigenes Empfinden von Zeit hat, wie kann der Autor dann eine zeitliche Übereinkunft suggerieren?

Tristan braucht bei seiner Brautwerbungsreise nach Irland mindestens fünf Tage[2], bis er Isolde gewonnen hat und zu Kurvenal und den anderen zurückkehrt, die beim Schiff auf ihn warten. Die warten dort immer noch, obwohl Tristan ihnen lediglich eine Wartezeit von drei bis vier Tagen ans Herz gelegt hatte, dann hätten sie ohne ihn zurückfahren sollen:

ist daz ich under wegen sî
vier tage oder drî,
zehant enbîtet mîn nimê,
entrinnet wider über sê
und neret leben unde lîp! (V. 8719 - 8723)[3]

Dass Kurvenal ihre Wartezeit um zwei Tage verlängert hat, kann man nun als Glück, Vorahnung oder schlicht als Zufall bezeichnen. Diese Entscheidung sorgt jedenfalls für passgenaue zeitliche Übereinkunft. Diese offensichtliche Konstruktion durch den Autor führt zu einer generellen Unterscheidung von reeller Zeit und der Zeit, die der Held innerhalb seiner aventiure-Fahrt erlebt. Diese scheint weniger an die Gesetze der Logik, sondern vielmehr an narratologische Funktionalität gebunden zu sein. Der Held gibt die Zeit vor, die restliche Welt richtet sich danach.

Zeitstruktur der Tristanhandlung

Unter diesem Gesichtspunkt der narratologischen Probleme der mittelalterlichen Literatur mit der Zeit, soll nun der Versuch unternommen werden, die Zeitstruktur in Gottfrieds Tristanerzählung zu analysieren. Folgt diese einem festen Gerüst oder ist sie im Grunde strukturlos? Gibt der Held Tristan die Zeit vor oder folgt sie gänzlich anderen Gesetzmäßigkeiten?

Duratives vs. iteratives Erzählen

Tragendes Zeitgerüst vs. zeitlose Struktur

Unterschiedliches Zeitempfinden

Unpräzise Zeitangaben

Zeitlosigkeit der Minnegrotte

Zufall

Willkürlichkeit zeitlicher Übereinkunft

Literatur

  • Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Band 1-3. Stuttgart 1980.
  • Müller, Jan-Dirk: Die Zeit im 'Tristan'. In: Der "Tristan" Gottfrieds von Straßburg. Symposion Santjago de Compostela 5. bis 8. April 2000. Hg. von Christoph Huber und Victor Millet. Tübingen 2002. S. 379-397.
  • Simon, Ralf: Thematisches Programm und narrative Muster im Tristan Gottfrieds von Strassburg. In: ZfdPh 109 (1990). S. 354-380.
  • Störmer-Caysa, Uta: Wer ist der Herr der Zeit? Von der Ungewißheit von Übereinkunft in Gottfrieds Tristan. In: Poetica 33 (2001). S. 51-68.
  • Tomasek, Tomas: Die Gestaltung der Zeit in Gottfrieds "Tristan". In: Mit clebeworten underweben. Festschrift für Peter Kern zum 65. Geburtstag. Hg. von Thomas Bein. Frankfurt am Main, u.a. 2007. S. 41-51.
  • Worstbrock, Franz Josef: Der Zufall und das Ziel. Über die Handlungsstruktur in Gottfrieds "Tristan". In: Fortuna. Hg. von Walter Haug und Burghart Wachinger. Tübingen 1995. S. 34-51.

Einzelnachweise

<references>

  1. Vgl. Störmer-Caysa (2001), S. 63.
  2. Vgl. dazu die detaillierten Berechnungen von Uta Störmer-Caysa über das Wegbleiben Tristans: Störmer-Caysa (2001), S. 51 ff.
  3. Sämtliche in diesem Artikel zitierte Textangaben aus dem Tristan entstammen dieser Ausgabe: Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Band 1-3. Stuttgart 1980.