Der Löwe Vrevel (Reinhart Fuchs)

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Diese Seite befasst sich anhand von Textbelegen mit der Figur des königlichen Löwen Vrevel im "Reinhart Fuchs". Hierbei werden vor allem die Ameisenepisode sowie die "Heilung" Vrevels durch die Hauptfigur, den Fuchs Reinhart, analysiert und gedeutet. Des Weiteren erfolgt eine Analyse des Löwen als Symbol im Mittelalter und dessen Rolle im Kontext des Tierepos.

Charakterisierung

„Vrevel hat im Mhd. Zwar noch nicht die moderne Bedeutung ‚Untat‘, bezeichnet aber durchwegs negative Qualitäten: ‚Herrschsucht‘, ‚Frechheit‘, ‚Leichtfertigkeit‘, ‚Rechtbeugung‘. Auf letzteres wird Heinrich in erster Linie abgehoben haben.“ [Ruh 1960:23]

„Der König deutet die Krankheit als Strafe Gottes für lange Zeit versäumtes Hofgericht.“ [Ruh 1960: 23]

„[…] als das Ganze in feudaler Anarchie endet. Dass es zu so einer solchen Katastrophe kommen kann, liegt vor allem an der problematischen Figur des Königs, die äußerst negativ gezeichnet ist. Dies wird bereits deutlich, wenn […] die Ursache für Vrevels Krankheit offenbart und rational begründet wird…“ [Neudeck 2016:21]

„[…] bricht sich der Egoismus des kranken Herrschers Bahn […]“ [Neudeck 2016:22]

„Rücksichtsloser Machtgebrauch, bloß äußerliche Rechtlichkeit, bestechliche Gerechtigkeit, königliche Treulosigkeit bestimmen die öffentlichen Verhältnisse im Tierstaat.“ [Neudeck 2016:22]

„[…] die normative Rechtfertigung politischen Handelns durch das Recht [...] erweist sich […] als Oberflächenphänomen angesichts eines defizitären Herrschers, für den die Reichweite des Rechts mit der eigenen Betroffenheit endet.“ [Neudeck 2016:22]

„[…] die Schwachstelle monarchischer Gesellschaft [gerät] in den Blick: die unsichere Eignung des Herrschers im Allgemeinen sowie seine Manipulierbarkeit im Besonderen.“ [Neudeck 2016:22]

Löwe und Ameise

Mittelhochdeutsch Übersetzung
einem ameizen hvfen wold er gan, Er wollte zu einem Ameisenhaufen gehen.
nv hiez er si alle stille stan Dort hilt er alle an innezuhalten
vnde sagte in vremde mere, und verkündete ihnen die dreiste Botschaft,
daz er ir herre were.so dass er nun ihr Herr ist.
des enwolden si niht volgen, Dem wollten sie nicht folgen,
des wart sin mvt erbolgen. worüber er sehr erzürnt war.
vor zome er vf die hure sprane, Zornig sprang er auf ihre Festung
mit kranken tieren er do rane, und kämpfte mit den kleinen Tieren,
in dvchte, daz iz im tete not. weil er glaubte, daß er dazu verpflichtet sei.
ir lagen da me danne tvsent tot Über tausend von ihnen starben,
vnde vil mange sere wunt, und viele von ihnen wurden verwundet,
gnve bleibe ir ovch gesvnt. doch ein paar von ihnen bleiben unverletzt.
sinen zorn er vaste ane in rach, Voller Zorn rächte er sich an ihnen
die bvrk er an den grvnt brach. und zerstörte die Festung bis auf die Grundmauern.
er hatte in geschadet ane maze, Er hatte ihnen unermessliches Leid zugefügt,
do hvb er sicg sine straze. als er sich wieder auf den Weg machte.
di ameyzen begonden clagen Die Ameisen klagten
vnde irn grozen schaden sagen, und berichteten von dem großen Schaden,
den si hatten an irem chvnne. den ihr Volk hatte.
z [ ] ergangen was ir wunne, Ihre Freude war vergangen,
daz waz in ein iemerlicher tae. das war ein schrecklicher Tag.

(9819, 1251-1271) [1]

Löwe und Reinhart

„Diesen interessiert nur noch Reinhart der Arzt, der nunmehr neue Heilmittel anpreist. Der Angeklagte wird zum Richter und Schinder.“ [Ruh 1960:25]

„Verbrechen wird legalisiert, der Angeklagte zum Richter, die Kläger geschunden, getötet, verspeist.“ [Ruh 1960:27]

„[Reinhart] zerstört auch nachhaltig die politische Ordnung in der Tiergesellschaft, indem er am Ende sogar selbst Hand anlegt und ihre monarchische Spitze beseitigt.“ [Neudeck 2016:22]

„kollektive Katastrophe“ [Neudeck 2016:23]

„Denn unter der Tiermaske wird hier erfolgreiches politisches Handeln im feudalen Herrschaftsgefüge vorgeführt, genauer ein auf den König gerichtetes Handeln, das im Zeichen der Gewalt steht. Dieses Gewalthandeln ist aber nicht nur prekär, blickt man – über den Wolf hinaus- auf die Opfer und Beteiligten, sondern es ist auch prekär und zugleich symptomatisch, wenn dadurch die soziale Ordnung und ihre monarchische Spitze hinterfragt wird.“ [Neudeck 2016:11]

Opfer oder Täter?

„Die letzte Untat gilt Vrevel selbst, und wenn sie jemand verdient hat, so er.“ [Ruh 1960: 26]

„[…] an dessen Ende – nach dem gewaltsamen Tod des kinderlosen Herrschers - das feudale Herrschaftsgefüge zerfällt.“ [Neudeck 2016:21]

„Doch wenn die Sprache auf Sündenböcke und Opfer kommt, zeigt dies, dass Gewalt zudem ambivalent ist – konstruktiv und destruktiv in einem.“ [Neudeck 2016:10]

Der Löwe als Symbol im Mittelalter

Literatur

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  • [*Ruh 1980]Ruh, Kurt: Reinhart Fuchs: Eine antihöfische Kontrafaktur, in: Höfische Epik des deutschen Mittelalters, Berlin 1980
  • [*Neudeck 2016]Neudeck, Otto: Der Fuchs und seine Opfer: Prekäre Herrschaft im Zeihen von Macht und Gewalt. Die Fabel vom kranken Löwen und seiner Heilung in hochmittelalterlicher Tierepik, in: Reflexion des politischen in der europäischen Tierepik, München 2016.
  1. Alle Versangaben beziehen sich auf Textausgabe ...