Winterlied 24

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Text[1] in der Strophenfolge von R mit Ergänzungen und Übersetzung

Strophe I

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Sumer, dîner süezen weter müezen wir uns ânen; Sommer, auf dein schönes Wetter müssen wir nun verzichten;
dirre kalte winder trûren unde senen gît. Dieser kalte Winter weckt die Trauer und die Sehnsucht nach dir.
ich bin ungetroestet von der lieben wolgetânen. Von der lieben Schönen erfahre ich keinen Trost.
wie sol ich vertrîben dise lange swaere zît, Wie soll ich ich diese lange und schwere Zeit verbringen,
diu die heide velwet unde mange bluomen wolgetân? in der die Wiesen und viele schöne Blumen verblassen?
dâ von sint die vogele in dem walde des betwungen, daz si ir singen müezen lân. Die Vögel im Wald quält es, dass sie auf ihr Singen verzichten müssen.

Strophe II

Alsô hât diu vrouwe mîn daz herze mir betwungen, So hat meine Dame mir das Herz gebrochen,
daz ich âne vröude muoz verswenden mîne tage. sodass ich die Tage ohne Freude hinter mich bringen muss.
ez vervaehet niht, swaz ich ir lange hân gesungen; Was auch immer ich ihr lange vorgesungen habe war erfolglos;
mir ist alsô maere, daz ich mêre stille dage. Mir ist das egal, deshalb schweige ich besser für längere Zeit.
Ich geloube niht, das sî den mannen immer werde holt: Ich glaube nicht, dass sie den Männern in Zukunft zugeneigt sein wird:
wir verliesen, swaz wir dar gesingen unde gerûnen, ich und jener Hildebolt. Es ist umsonst, was auch immer wir singen und raunen, ich und jener Hildebolt.

Strophe III

Der ist nû der tumbist under geilen getelingen, Er ist nun der Dümmste unter den fröhlichen Gesellen,
er und einer, nennet man den jungen Willegêr: er und einer, den man den jungen Willegêr nennt:
den enkunde ich disen sumer nie von ir gedringen, Den konnte ich diesen Sommer nie von ihr wegdrängen,
sô der tanz gein âbent an der strâze gie entwer. So tanzten sie gegen Abend kreuz und quer.
mangen twerhen blic den wurfen sî mich mit den ougen an, Manchen schiefen Blick warfen sie mir mit den Augen zu,
daz ich sunder mînes guoten willen vor in beiden ie ze sweime muose gân. dass ich entgegen meinem Vorhaben das Weite suchen musste.

Strophe IV

Wê, daz mich sô manger hât von lieber stat gedrungen Wehe, dass mich so mancher von dem schönen Ort vertrieben hat
beidiu von der guoten unde ouch wîlent anderswâ! erst von diesem Ort und auch einst von einem anderen!
oedelîchen wart von in ûf mînen tratz gesprungen. Widerwärtig sprangen sie beim Tanz, was mich verärgert hat.
ir gewaltes bin ich vor in mînem schophe grâ. Von ihren Gewalttaten werden meine Haare schon ganz grau.
doch sô neic diu guote mir ein lützel über schildes rant. Doch so verneigte sich die Schöne ein wenig hinter ihrem Schild vor mir.
gerne mugt ir hoeren, wie die dörper sint gekleidet: üppiclîch ist ir gewant. Ihr wollt bestimmt gerne hören, wie sich die Bauern kleiden: Prächtig ist ihr Gewand.

Strophe V

Enge röcke tragent sî und smale schaperûne, Enge Röcke tragen sie und kurze Mäntel,
rôte hüete, rinkelohte schuohe, swarze hosen. rote Hüte, Schnallenschuhe, schwarze Hosen.
Engelmâr getet mir nie sô leide an Vriderûne, Engelmar hat mir mit Friederun nie so Leid zugefügt,
sam die zwêne tuont. ich nîde ir phellerîne phosen, wie es die beiden tun. Ich hasse ihre purpurfarbenen Gürteltaschen,
die si tragent: dâ lît inne ein wurze, heizet ingewer. die sie tragen: darin liegt eine Wurzel, die heißt Ingwer.
der gap Hildebolt der guoten eine bî dem tanze; die gezuhte ir Willegêr. Die gab Hildebolt der Guten bei dem Tanz, die entriss ihr Willeger.

Strophe Va (nach Hs. c)

Gern west ich, wie es die torpper vnter einander trachten.
sie trugen peckkelhauben, darczu lange swert
ir spottigkeit, ir laster sie gar zu laster brachten:
des wurdens durch die goller mer denn halb gewert.
sie stritten mit einander einen ganczen summer langen tag.
das ir geläße sahe herre Neithart, do er in dem vas bey dem wein lag.

Strophe VI

Sagte ich nû diu maere, wie siz mit ein ander schuofen,
des enweiz ich niht: ich schiet von danne sâ zehant.
manneglîch begunde sînen vriunden vaste ruofen;
einer der schrê lûte: „hilf, gevater Weregant!“
er was lîhte in grôzen noeten, dô er sô nâch helfe schrê.
Hildeboldes swester hôrte ich eines lûte schrîen: „wê mir mînes bruoder, wê!“

Strophe VIa (nach Hs. d, c, s)

Dô kam schiere ein geteline geloufen von dem strîte:
den frâgt ich der maere. "Willeher mit ellen streit.
Hildeboltes schapperûn der ist zerzerret wîte
und dar zuo sîn enger roc wol drîer spannen breit."
daz geschach umb eine wurzen, die man ûz der hende ir brach.
des engalt vil mangiu spaehiu hûbe, die man bî dem tanze zerzerret ligen sach.

Strophe VII

Wâ bî sol man mîn geplätze hinne vür erkennen? Wodurch soll man mein Geschwätz künftig erkennen?
hie envor dô kande man iz wol bî Riuwental. Früher erkannte man es wohl unter dem Namen Reuental.
dâ von solde man mich noch von allem rehte nennen: So sollte man mich noch zu Recht nennen:
nust mir eigen unde lêhen dâ gemezzen smal. Nur habe ich nicht viel an Eigentum und Lehen.
kint, ir heizet iu den singen, der sîn nû gewaltic sî! Kinder, lasst den singen, der am stärksten ist!
ich bin sîn verstôzen âne schulde: mîne vriunt, nu lâzet mich des namen vrî! Ich wurde unschuldig von dort verstoßen: Meine Freunde, hört auf mich so zu nennen!

Strophe VIII

Ich hân mînes herren hulde vloren âne schulde: Beispiel
dâ von so ist mîn herze jâmers unde trûrens vol. Beispiel
rîcher got, nu rihte mirz sô gar nâch dîner hulde, Beispiel
manges werden friundes daz ich mich des ânen sol! Beispiel
des hân ich ze Beiern lâzen allez, daz ich ie gewan, Beispiel
unde var dâ hin gein Ôsterrîche und wil mich dingen an den werden Ôsterman. Beispiel


Strophe IX

Mîner vînde wille ist niht ze wol an mir ergangen: Beispiel
wolde ez got, sîn mähte noch vil lîhte werden rât. Beispiel
in dem lande ze OEsterrîche wart ich wol enphangen Beispiel
von dem edeln vürsten, der mich nû behûset hât. Beispiel
hie ze Medelicke bin ich immer âne ir aller danc. Beispiel
mir ist leit, daz ich von Eppen und von Gumpen ie ze Riuwental sô vil gesanc. Beispiel

Strophe IXa (nach Hs. c, s)

Her Nîthart hât uns hie verlâzen als diu krâ den stecken, Beispiel
diu dâ hinne fliuget unde sitzet ûf ein sât. Beispiel
ez sol ein man mit fremden frouwen niht ze vil gezecken, Beispiel
der der wâren schulde an sîner keine vunden hât. Beispiel
er niez sîn tegelîche spîse (der hât er dâ heime genouc), Beispiel
lâz Hildebolten mit gemache! ez was ein eichel, die er bî im in dem biutel truoc. Beispiel

Strophe X

Rädelohte sporen treit mir Fridepreht ze leide, Beispiel
niuwen vezzel hât er baz dan zweier hende breit. Beispiel
rucket er den afterreif hin wider ûf die scheide, Beispiel
wizzet, mîne vriunde, daz is mir ein herzenleit! Beispiel
zwêne niuwe hantschuoh er unz ûf den ellenbogen zôch. Beispiel
mugt ir hoeren, wie der selbe gemzinc von der lieben hiuwer ab dem tanze vlôch? Beispiel

Strophe Xa (nach Hs. c)

Er gap versengelt wol, rehte als im waer an gebunden Beispiel
ein swînes blâse, alsô man den wilden hunden tuot. Beispiel
ofte brach er sînen zelt, als sî doch wol befunden, Beispiel
Hatze und Pletze und jeniu ir gespile Hademuot. Beispiel
frâget Engeltrûten, wiez laeg umbe ir bruoder Fridebreht! Beispiel
"ach ach, er hât verrenket sich vor vorhte", alsô hât si mir geseit, "der toersche kneht." Beispiel

Strophe Xb (nach Hs. c)

Sach ab ieman jenen mit der gickelvêhen täcken? Beispiel
die treget er ûf der hende und klopfet ûf sîn niuwez swert: Beispiel
dâ mite er uns des nahtes ab der gazzen wil erschrecken. Beispiel
der selbe dünket sich noch mêr dan drîer bônen wert, Beispiel
als er danne gerûzet unde gedraeset, der vil übele man, Beispiel
und im sîn täcke ringeleht erklinget dem gelîche, als er trage ein goller an. Beispiel
  1. Abdruck nach der Textausgabe von Edmund Wießner (ATB).