Verwandtschaftsbeziehungen (Reinhart Fuchs)
In diesem Artikel soll es um die verwandtschaftlich scheinenden Beziehungen zwischen Reinhart Fuchs und vielen anderen Tieren gehen. Häufig ist die Rede von Vettern, Neffen oder Patenkindern - obwohl eigentlich eine offensichtliche Abgrenzung durch verschiedene Spezien besteht. Nun drängt sich die Frage auf, in wie weit diese Verwandtschaftsbeziehungen die Handlung in der Geschichte 'Reinhart Fuchs' (Heinrich der Glichezare, 12. Jahrhundert) beeinflussen und was es mit der großen "Familie der Waldtiere" auf sich hat. Diese Themen sollen im folgenden Artikel genauer betrachtet werden.
Textstellen, die auf verwandtschaftliche Verhältnisse verweisen:
Reinhart Fuchs, Verse 176-191: Hier geht es um die Begegnung mit seiner "Kusine", der Meise, noch recht zu Beginn der Erzählung, nachdem Reinhart bereits einige Beute entwischt ist. "Mit der Meise geht es dem Reinhart Fuchs nicht besser. Er biedert sich als Gevatter an, stellt sich verliebt, wünscht einen Kuß." [1] ; gevater (mhd.) = Gevatter, Freund, Nachbar im Nhd.:
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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vil harte in hvngern began. | Gewaltig knurrte ihm der Magen. |
Do gehort er ein meyselin. | Da hörte er eine kleine Meise. |
er sprach:,got grveze evch, gevater min! | Er redete sie an;"Grüß Gott, liebes Kusinchen! |
ich bin in einem geluste, | Ich bin in einer Laune, |
daz ich gerne chvste, | daß ich am liebsten küssen möchte; |
wan, sam mir got der riche, | aber, beim mächtigen Gott, |
dv gebares zv vremdicliche. | du benimmst dich so eigentümlich. |
gevatere, dv solt pflegen treuwen! | Kusinchen, du musst deine Treue unter Beweis stellen. |
sam mir die trewe, die ich dinem kinde | Bei der Treue, die ich deinem Kind, |
bin schvldic, daz min bate ist, | das ja mein Pate ist, schuldig bin: |
die meyse sprach: ,Reinhart, | Die Meise erwiderte:" Reinhart, |
mir ist vil manic ubel art | man hat mir oft genug viele üble Dinge |
von dir gesaget dicke. | von dir erzählt. |
Reinhart Fuchs, Verse 404-406, erste Begegnung mit den Wölfen & Aufnahme als Vetter (veter, mhd. = Onkel (Vaterbruder),Vetter (Brudersohn), Verwandter (väterlicherseits) im Nhd.) in die Familie. "Reinhart und Isengrin schließen einen Gesellenbund in gegenseitigem Interesse, wie es der Fuchs formuliert [...]. Diese Gevatterschaft [mhd. gevaterschaft = Nhd. Freundschaft] ist dann die Voraussetzung für Reinharts Werbung um Hersant [...]." [2]; In RF Vers 687 schließen Reinhart Fuchs und Isengrin dann eine Bruderschaft (engeres Verhältnis, Steigerung) [3]:
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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si wurden alle des in ein, | Sie [der Wolf Isengrin mit seiner Frau Hersant und den beiden Söhnen] kamen überein, |
daz er in zv gevatern nam do, | daß er ihn als Vetter in die Familie aufnähme, |
des wart er sint vil vnvro. | woran er später noch alle Freude verlieren sollte. |
Auflistung der verwandschaftlichen Beziehungen
Wie auch der Charakter jedes einzelnen Tiers sehr auf menschliche Werte personifiziert erscheint, stechen auch die verwandtschaftlichen Beziehungen ins Auge. Kompatscher-Gruftler erläutert in seinem Aufsatz 'Mensch-Tier-Grenze', dass diese gesellschaftliche Konstruktion von Tieren "historisch und kulturell bedingt"[4] ist. Somit lohnt sich ein genauerer Blick auf diese Verbindungen.
Bereits bei der ersten Begegnung mit anderen Tieren, in diesem Fall mit dem Huhn Frau Pinte und ihrem Mann Scantecler, zeigt sich ein hohes Maß an Bekanntschaft und beinahe Familiarität zwischen ihnen. Zwar wird die versuchte List Reinharts schnell aufgedeckt, dennoch erzählt er über seinen Vater und den des Scantecler.[5] Die beiden hätten sich immer höflichst begrüßt und eine gute Bekanntschaft gepflegt. Ob diese Geschichte wahr ist oder nicht, sei zunächst dahin gestellt - Scantecler erscheint sie wohl so glaubwürdig, dass er sich auf Reinharts Sticheleien einlässt. Besonders diese Szene erinnert an eine beinahe dörfliche Gemeinschaft zwischen den Tieren.
Literaturverweise