Benutzer:V. Kirchner

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Übersetzung für Woche 2: Winterlied 10 (Strophen I-VIb)

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Dô der liebe summer Als der liebe Sommer
urelopu genam, Abschied nahm,
dô mouse man der tänze da musste man ganz auf die Tänze
ûfm anger gar verphlegen. auf der Wiese verzichten.
des gewan sît kummer Daher hatte Herr Gunderam
der herre Gunderam: seither Kummer:
der mouse ouch sîn gestänze Dieser musste nun auch sein Großgetue
dô lâzen under wegen. auf der Strecke lassen.
der ist bickelmeister disen winder. Der ist der Aufseher beim Würfelspiel diesen Winter:
œder gouch ist in dem lande ninder; Nirgendwo ist ein törichterer Dummkopf im Land;
sîn rûmegazze kaphet zallen zîten wol hin hinder. Sein Schwert (Räume die Gasse) gafft immer weit zum Hintern.

Waz er an den meiden Was er an den Mädchen
wunders dâ begât, Wundertaten verübt,
ê daz mîn vrouwe Schelle noch ehe meine Herrin Glocke
volende ir gebot! ihr Verbot vollendet!
erst vil unbescheiden, Er ist sehr rücksichtslos,
wan swelhe er bestât, welche er auch immer belagert,
diu wirt von slegen helle die wird von Schlägen hell
und mîdende den spot; und verzichtet auf Verspottung;
dâ von lâzen alle ir smutzemunden, aus diesem Grund sollen alle ihr Schmunzeln lassen,
des die jungen niht verheln erkunden! von dem die jungen Leute nicht lassen können!
des hât ir hant von solher meisterschefte dicke enphunden Von der Prügel hat ihre Hand viel abbekommen !

immer, sô man vîret, Immer, wenn man feiert,
sô hebent sî sich dar dann machen sie sich auf,
mit einer samenunge, mit einer Gesellschaft,
den ich wol schaden gan. denen ich von Herzen Schaden gönne.
Werenbreht der lîret, Wehrenbreht, der spielt auf der Leier,
sô sumbert Sigemâr. während Sigemâr geigt.
daz in dâ misselunge, Dass ihnen ein Missgeschick passiert,
daz læge et eben an! das wäre genau angemessen!
daz sich doch vil lîhte mac verrîden: Dass sich doch viel Helligkeit wenden kann:
wellents ir getelse niht vermîden, Wenn sie ihre Zügellosigkeit nicht unterlassen wollen,
sich mugen zwêne an mîner weibelruoten wol versnîden. dann können sich zwei an meinem Gerichtsschwert sehr verletzen.

Kœme ich zeinem tanze, Käme ich zu einem Tanz,
dâs alle giengen bî, bei dem sie alle mitmachten,
dâ wurde ein spil von hende da entstünde ein Spiel mit beiden Händen
mit beiden ekken zuo. mit beiden Schwertschneiden dabei.
lîhte geviele ein schanze, Vielleicht würde ein Wurf fallen,
daz vor mir lægen drî. sodass drei vor mir lägen.
ich hielte ez âne wende, Ich hielte es für unabwendbar,
verbüte ez einer vrou. außer es würde einer unterbinden.
sige und sælde hulfen mir gewinnen, Übermacht und Glück halfen mir zu gewinnen,
daz si halbe müesen dan entrinnen. dass sie zur Hälfte davon laufen müssen.
nu ziehen ûf und lâzen in ir gogelheit zerinnen! Nun zieht das Schwert und lasst ihre Ausgelassenheit verrinnen!

Sîne weidegenge Seine Jagden
die verewent mich grâ, die lassen mich grau werden,
swenn er verwendeclîchen immer wenn er hochmütig
vür mîne vrouwen gât. für meine Dame geht.
trîbet erz die lenge, Wenn er es auf Dauer treibt,
bestât er danne dâ, wenn er dabei bleibt,
man hilft im ûz der kîchen, dann hilft man ihm aus dem Asthma (schweren Atmen),
daz der vil riuwic stât. sodass er sehr schmerzerfüllt steht.
er und etelîcher sîn geselle, Er und einige seiner Getreuen,
den ich tanzent an ir hant ersnelle, wen ich davon tanzend an ihrer Hand erwische,
des sî gewis, ich slahe in, daz sîn offen stât ein elle! der kann gewiss sein, ich schlage ihn, dass ein Arm offen steht!

Im hilft niht sîn treie Ihm hilft weder sein Wams
noch sîn hiubelhout; noch sein Helm;
ez wirt im in getrenket: Es wird ihm eingeschenkt:
er zuhte ir einen bal. er entriss ihr einen Ball.
erst ein tœrscher leie; Er ist ein närrischer Laie;
sîn tumbelîcher muot sein törrichter Verstand
der wirt im dâ bekrenket. der wird ihm da zu Fall gebracht.
wil er vür Riuwental Wenn er mal im Jammertal
hin und her sô vil gewentschelieren, so hin und her streift,
er wirt wol zezeiset under vieren. dann wird er gewiss zerzaust.
her Werenbreht, waz mag ich des, wirt im der umberieren? Herr Werenbrecht, was kann ich dafür, wenn etwas für ihn abfallen wird?

Die wîl ich die klingen Solnge ich die Klinge
um mîne sîten trage, an meiner Seite trage,
sô darf mir durch mîn sumber so kann niemand mein Geflecht
niemen stechen nieht. durchtrennen.
er mouz vil wîte springen: Er muss sehr weit galoppieren:
begrîfe ichn mit dem slage, erreichte ich ihn mit dem Schlag,
ich slahe in, daz er tumber ich schlüge ihn, sodass der Törichte
schouwet nimmer lieht. nie wieder Licht erblicken würde.
ich hilf im des lîbes in den aschen ich befreie ihm seinen Leib in die Asche
und slah im mit willen eine vlaschen, und schlage ihn mit Gefallen mit einer Flasche,
daz im die hunt daz hirne ab der erde müezen naschen. sodass ihm die Hunde das Hirn von der Erde naschen können.

Her Nîthart hât gesungen, Herr Neidhart hat so gesungen,
daz ich in hazzen wil dass ich ihn hassen will,
durch mînes neven willen, wegen des Willens meines Onkels
des neven er beschallt. dessen Neffen er beleidigt.
lieze ers unbetwungen! Ließe er es ohne Zwang!
es ist im gar ze vil. Es ist ihm gänzlich zu viel.
enpflæge er sîner grillen Kultivierte er seiner Grillen,
und het ouch der gewalt! und hätte auch er Macht!
ez ist ein schelten, daz mich freuden letzet. Es ist eine Kritik, die mich meiner Freude beraubt.
wirt diu weibelroute mir gewetzet, wirst du Gerichtsschwert mir gewetzt,
ich trenne in ûf, daz man wol einen sezzel in in setzet. ich trenne ihn auf, sodass man gut einen Sessel in ihn setzen kann.

Übersetzung für Woche 3: Sommerlied 4 (Strophen I-V)

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Heid, anger, walt in fröuden stât; Heide, Wiese, herrscht immer in Freuden
diu hânt sich bereitet mit ir besten wât, sie haben sich mit ihrem besten Gewand gekleidet,
die in der meie hât gesant. die ihnen der Mai geschickt hat.
sî wir alle Sie und wir alle
frô schalle! jubeln glücklich!
sumer ist komen in diu lant. Der Sommer ist ins Land gekommen.

Wol ûz der stuben, ir stolzen kint, Ganz aus den Stube, ihr übermütigen Kinder,
lât iuch ûf der strâze sehen! Hin ist der scherfe wint lasst euch auf der Straße sehen! Vergangen ist der beißende Wind
unde ouch der vil kalte snê. und auch der kalte Schnee.
hebt iuch balde Macht euch schnell
zuo dem walde! zum Wald auf!
vogelîn singent, den was wê. Die Vöglein singen, denen ging es schlecht.

Diu sint ergetzet leides gar. Die sind gänzlich vom Leid getröstet.
ir sult mirz gelouben! nemt sîn selbe war, Ihr sollt es mir glauben! Nehmt sein Wesen wahr,
waz der sumer erzeiget hât! was der Sommer enthüllt hat!
er will rîchen Er wird
sicherlîchen sicher
manegem boum mit loubes wât. manchen Baum mit einem Laubkleid schmücken.
Die nû vor grôzer huote megen, Die, die jetzt von den großen Hüten haben wollen,
die suln balde ir bestez vîrtacgwant an legen die sollen bald ihr bestes Feiertagsgewand anlegen!
lâzen sich dar inne ersehen! Sie lassen sich darin erblicken!
wir suln schouwen Wir sollen
vor den ouwen vor die Felder schauen,
maneger hande bloumen brehen, wo manche Hände Blumen pflücken,

Swie Riuwental mîn eigen sî, Obwohl das Jammertal mein Eigentum sei,
ich bin disen sumer aller sorgen frî, bin ich diesen Sommer von allen Sorgen befreit,
sît der winter ist dâ hin. seit der Winter vorbei ist.
ich will lêren Ich will
die jungen êren den Jungen echte Freude lehren:
freude: dar nâch stêt mîn sin. Danach steht mir der Sinn.

Übersetzung für Woche 4: Sommerlied 18

Mittelhochdeutsch Übersetzung
„Uns will ein sumer komen“, „Es wird ein Sommer zu uns kommen“,
sprach ein magt: „jâ hân ich den von Riuwental vernomen. sprach ein Mädchen: „ ja das habe ich von dem vom Jammertal gehört.
jâ will ich in loben. Wahrhaftig, ich will ihn ehren.
mîn herze spilt gein im vor vreuden, als ez welle toben. Mein Herz springt vor Freuden, als ob es toben wollte.
ich hœr in dort singen vor den kinden. Ich höre ihn dort vor den Kindern singen.
jâne will ich nimmer des erwinden, Ja ich will nicht, dass es aufhört,
ich springe an sîner hende zuo der linden.“ ich springe an seinen Händen zu den Linden.“

Diu muoter rief ir nâch: Die Mutter rief ihr nach:
sî sprach: „tohter, volge mir, niht lâ dir wesen gâch! Sie sprach: „Tochter, gehorche mir, handle nicht voreilig!
weistû, wie geschach Weißt du, was
dîner spilen Jiuten vert, alsam ir eide jach? deiner Spielgefährtin Jiute letztes Jahr geschah, was ihre Mutter erzählte?
der wouhs von sînem reien ûf ir wempel, Ihr Bauch schwoll von seinem Tanzen an
und gewan ein kint, daz hiez si lempel: und sie bekam ein Kind, das sie Lempel nannte:
alsô lêrte er sî den gimpelgempel.“ Auf diese Weise lehrte er sie den Gimpelgempel (Tanz).“

„Muoter lât iz sîn! „Mutter lasst es sein!
er sante mir ein rôsenschapel, daz het liehten schîn, Er schickte mir einen Rosenkranz, der hat hell geleuchtet
ûf daz houbet mîn, auf meinem Kopf,
und zwêne rôten golzen brâhte er her mir über Rîn: und zwei rote Schuhe brachte er mir über den Rhein:
die trag ich noch hiwer an mînem beine. die trage ich dieses Jahr an meinem Bein.
des er mich bat, daz weiz ich niewan eine. Worum er mich bat, das weiß nur ich.
jâ volge ich iuwer ræte harte kleine.“ Deshalb folge ich euerem Rat kein bisschen.“

Der mouter der wart leit, Der Mutter, der war es leid,
daz diu tohter niht enhôrte, daz si ir vor geseit; dass die Tochter nicht zuhörte, was sie ihr prophezeite;
iz sprach diu stolze meit: Es sprach die stolze Jungfrau:
„ich hân im gelobt: des hât er mîne sicherheit. „Ich habe ihn zum Mann genommen: Dafür hat er meine Zusage (mein Wort).
waz verliuse ich dâ mit mîner êren? Warum soll ich damit meine Ehre aufgeben?
jâne will ich nimmer widerkêren, Ich werde nicht wieder heimkehren,
er mouz mich sîne geile sprünge lêren.“ er muss mir seine fröhlichen Sprünge beibringen.

Diu muoter sprach: „wol hin! Die Mutter sprach: „Los!
verstû übel oder wol, sich, daz ist dîn gewin: Fährst du wohl oder übel, sieh, das ist dein Preis:
dû hâst niht guoten sin. du hast keinen guten Verstand.
will dû mit im gein Riuwental, dâ bringet er dich hin: Willst du mit ihm ins Jammertal gehen, dann bringt er dich hin:
alsô kann sîn treiros dich verkoufen. das heißt, sein Tanzlied kann dich verkaufen/preisgeben
er beginnt dich slahen, stôzen, roufen er beginnt dich zu schlagen, zu verletzen, zu prügeln
und müezen doch zwô wiegen bî dir loufen.“ und trotzdem müssen zwei Wiegen bei dir laufen.“

Übersetzung für Woche 5: Winterlied 24

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Sumer, dîner süezen weter müezen wir uns ânen: Sommer, auf dein liebliches Wetter müssen wir verzichten:
dirre kalte winder trûren unde senen gît. Dieser kalte Winter bringt uns Trauer und Sehnsuchtsschmerz.
ich bin ungetrœstet von der lieben wolgetânen. Ich bin von der lieben Schönheit nicht getröstet.
wie sol ich vertrîben dise lange swære zît, Wie soll ich diese lange schwere Zeit,
diu die heide velwet unde mange bloumen wolgetân? die die Heide und manche prächtige Blumen bleich macht, verbringen?
dâ von sint die vogele in dem walde des betwungen, daz si ir singen müezen lân. Daher sind die Vögel im Wald besiegt, sodass sie ihr singen lassen müssen.

Alsô hât diu vrouwe mîn daz herze mir betwungen, Ebenso hat meine Herrin mein Herz bezwungen,
daz ich âne vröude mouz verswenden mîne tage. sodass ich meine Tage ohne Freude verbringen muss.
ez vervæhet niht, swaz ich ir lange hân gesungen; Es nützt nichts, was ich ihr lange gesungen habe;
mir ist alsô mære, daz ich mêre stille dage. Mir ist das ebenso gleichgültig, dass ich in Zukunft still schweige.
ich geloube niht, daz sî den mannen immer werde holt: Ich glaube nicht, dass sie den Männern jemals wieder zugetan sein wird:
wir verliesen, swaz wir dar gesingen unde gerûnen, ich unde jener Hildebolt. Wir verschwenden das, was wir auch singen und flüstern, ich und jener Hildebolt.

Der ist nû der tumbist under geilen getelingen, Der ist jetzt der dümmste unter den übermütigen Bauernburschen,
er und einer, nennt man den jungen Willegêr: er und einer, den man den jungen Willegêr nennt:
den erkunde ich disen sumer nie von ir gedringen, Den konnte ich diesen Sommer nie von ihr wegdrängen,
sô der tanz gein âbent an der strâze gie entwer. wenn der Tanz gegen Abend an der Straße kreuz und quer ging.
mangen twerhen blic den wurfen sî mich mit den ougen an, Manch unbesonnenen Blick warfen sie mir mit ihren Augen zu,
daz ich sunder mînes guoten willen vor in beiden ie ze sweime muose gân. sodass ich entgegen meines guten Vorsatzes vor ihnen beiden das Weite suchen musste.

Wê, daz mich sô manger hât von lieber stat gedrungen Ach, dass mich so mancher von einem lieben Ort verdrängt hat
beidiu von der guoten unde ouch wîlent anderswâ! hier von der Schönen und auch früher anderswo!
œdelîchen wart von in ûf mînen tratz gesprungen. Widerwärtige Sprünge machten sie zu meinem Ärger.
ir gewaltes bin ich vor in mînem schophe grâ. Von ihrer Macht bin ich vorher auf meinem Kopf grau.
doch sô neic diu guote mir ein lützel über schildes rant. Dennoch grüßt mich die Schöne ein bisschen über den Schildrand hinweg.
gerne mugt ir hœren, wie die dörper sint gekleidet: üppiclîch ist ir gewant. Gerne sollt ihr hören, wie die Bauerntölpel gekleidet sind: Überflüssig ist ihre Kleidung.

Enge röcke tragent sî und smale schaperûne, Sie tragen enge Röcke und schmale Skapuliere (Überwurf beim Ordensgewandt),
rôte hüete, rinkelohte schuohe, swarze hosen. rote Hüte, Schnallenschuhe, schwarze Hosen.
Engelmâr getet mir nie sô leide an Vriderûne, Engelmâr tat mir nie so Schmerz an Friderune an,
sam die zwêne tuont. Ich nîde ir phellerîne phosen, wie die zwei es tun. Ich bin neidisch auf ihre Seidenbeutel,
die si tragent: dâ lît inne ein wurze, heizet ingewer. die sie tragen: darin liegt eine Wurzel die heißt Ingwer.
der gap Hildebolt der guoten eine bî dem tanze; die gezuhte ir Willegêr. Davon gab Hildebolt der Schönen eine beim Tanz; Willegêr entzog sie ihr.

Gern west ich, wie es die torpper vnter einander trachten. Gerne wüsste ich, wie sich die Bauerntölpel untereinander bemühen.
sie trugen peckkelhauben, darczu lange swert. Sie trugen Brustharnische, dazu lange Schwerter.
ir spottigkait, ir laster sie gar zu laster brachten: Ihre Spottlust, ihr Laster brachten sie vollkommen in Schande:
des wurdens durch die goller mer denn halb gewert. Dagegen wurden sie durch den Brustharnisch nur halb geschützt.
sie stritten mit einander einen ganczen summer langen tag. Sie stritten miteinander einen ganzen Sommer, Tag für Tag.
das ir geläße sahe herre Neithart, do er in dem vas bey dem wein lag. Dass sie sich verletzen, das sah Herr Neidhart, als er in dem Fass bei dem Wein lag.

Sagte ich nû diu mære, wie siz mit ein ander schuofen, Würde ich jetzt erzählen, wie sie miteinander taten,
des enweiz ich niht: ich schiet von danne sâ zehant. so weiß davon ich nichts: ich machte mich sogleich alsbald davon.
manneglîch begunde sînen vriunden vaste ruofen; Jeder fing an, seine Freunden laut zu rufen;
einer der schrê lûte: „hilf, gevater Weregant!“ Einer, der schrie laut: „Hilfe, Gevatter Weregant!“
er was lîhte in grôzen nœten, dô er sô nâch helfe schrê. Er war wahrscheinlich in großer Gefahr, weil er so sehr nach Hilfe schrie.
Hildeboldes swester hôrte ich eines lûte schrîen: „wê mir mînes bruoder, wê!“ Hildebolts Schwester hörte ich plötzlich laut schreien: „Weh mir, mein Bruder, weh!“

Dô kam schiere ein getelinc geloufen von dem strîte: Da kam sogleich ein Bauernbursche angelaufen von dem Streit:
den frâgt ich der mære. „Willeher mit ellen streit. Den fragte ich nach dem Vorfall. „Will er mit den Ellen kämpfen.
Hildeboltes schapperûn der ist zerzerret wîte Hildeboltes Kapuzenmantel, der ist sehr zerrissen
und dar zuo sîn enger roc wol drîer spannen breit.“ und dazu sein enger Rock gewiss drei Spannen breit.“
daz geschach umb eine wurzen, die man ûz der hende ir brach. Das geschah wegen einer Wurzel, die man ihr aus den Händen riss.
des engalt vil mangiu spæhiu hûbe, die man bî dem tanze zerzerret ligen sach. Dessen strafen sehr viel Weisheit Köpfe, die man bei dem Tanz vernichtet liegen sah.

Wâ bî sol man mîn geplätze hinne vür erkennen? Wodurch soll man mein Gesang künftig erkennen?
hie envor dô kande man iz wol bî Riuwental. Früher, da konnte man es gut an „Jammertal“.
dâ von solde man mich noch von allem rehte nennen: Danach sollte man mich noch mit allem Recht nennen:
nust mir eigen unde lêhen dâ gemezzen smal. Jetzt ist mein Eigentum und Lehen dort ermessen klein.
kint, ir heizet iu den singen, der sîn nû gewaltic sî! Kind, ihr nennt denjenigen, der singt, der jetzt die Macht hat!
ich bin sîn verstôzen âne schulde: mîne vriunt, nu lâzet mich des namen vrî! Ich bin ohne Verschulden dort vertrieben: Meine Freunde, jetzt nennt mich nicht mehr danach!

Ich hân mînes herren hulde vloren âne schulde: Ich habe die Gunst meines Herren ohne Verschulden verloren:
dâ von so ist mîn herze jâmers unde trûrens vol. Daher ist mein Herz so von Leid und Traurigkeit erfüllt.
rîcher got, nu rihte mirz sô gar nâch dîner hulde, Mächtiger Gott, jetzt verschaffe mir ganz nach deiner Gnade Recht,
manges werden friundes daz ich mich des ânen sol! viele werden sich freuen, dass ich es aufgeben muss!
des hân ich ze Beiern lâzen allez, daz ich ie gewan, Alles, was ich je erworben hatte, das habe ich alles in Bayern gelassen,
unde var dâ hin gein Ôsterrîche und wil mich dingen an den werden Ôsterman. und fahre hinweg, in Richtung Österreich und ich will danach streben, Österreicher zu werden.

Mîner vînde wille ist niht ze wol an mir engangen: Der Wille meiner Feinde hatte keine guten Auswirkungen an mir:
wolde ez got, sîn mähte noch vil lîhte werden rât. Wollte es Gott, so werden seine Mächte vielleicht noch Abhilfe.
in dem lande ze Œsterrîche wart ich wol enphangen Im Land Österreich wurde ich gut aufgenommen
von dem edel vürsten, der mich nû behûset hât. von dem edlen Fürsten, der mich jetzt bei sich aufgenommen hat.
hie ze Medelicke bin ich immer âne ir aller danc. Hier in Medelicke bin ich künftig ohne ihr aller Lob.
mir ist leit, daz ich von Eppen und von Gumpen ie ze Riuwental sô vil gesanc. Mir ist es leid, dass ich im „Jammertal“ so viel von Eppen und vom Hüpfen gesungen habe.

Her Nîthart hât uns hie verlâzen als diu krâ den stecken, Herr Neidhart hat uns hier verlassen, wie die Krähe den Pfahl,
diu dâ hinne fliuget unde sitzet ûf ein sât. die dahinfliegt und auf ein Saatfeld sitzt.
ez sol ein man mit fremden frouwen niht ze vil gezecken, Es darf ein Mann,
der der wâren schulde an sîner keine vunden hât. der die Wahrheit bei sich nicht erlangt hat, mit unerreichbaren Damen nicht zu viel Scherz treiben.
er niez sîn tegelîche spîse (der hât er dâ heime genouc), Er aß sein gewöhnliches Essen nicht (davon hat er daheim reichlich),
lâz Hildebolten mit gemache! Ez was ein eichel, die er bî im in dem biutel truoc. Lass Hildebolt in Ruhe! Es war eine Eichel, die er bei sich im Beutel trug.

Rädelohte sporen treit mir Fridepreht ze leide, Radförmige Sporen formt Fridepreht mir zum Leide,
niuwen vezzel hât er baz dan zweier hende breit. neue Fesseln hat er, genau zwei Hände breit.
rucket er den afterreif hin wider ûf die scheide, Wenn er das Band (den Schwerthalter) wieder auf die Schwertscheide zieht,
wizzet, mîne vriunde, daz ist mir ein herzenleit! wisset, meine Freunde, dann ist mir das ein Leid.
zwêne niuwe hantschuoh er unz ûf den ellenbogen zôch. Zwei neue Handschuhe zog er bis auf den Ellbogen hoch.
mugt ir hœren, wie der selbe gemzinc von der lieben hiuwer ab dem tanze vlôch? Wollt ihr hören, wie derselbe Gemsbock von der Lieben dieses Jahr vor dem Tanz floh?

Er gap versengelt wol, rehte als im wær an gebunden. Er lief gewiss davon, geradewegs als er gefesselt worden wäre.
ein swînes blâse, alsô man den wilden hunden tuot. Eine Schweineblase, wie man sie den wilden Hunden lässt.
ofte brach er sînen zelt, als sî doch wol befunden, Oft unterbrach er seinen Schritt, wenn sie ihn auch wirklich bemerkten,
Hatze und Pletze und jeniu ir gespile Hademuot. Hatze und Pletze und jene, ihre Freundin Hademuot.
frâget Engeltrûten, wiez læg umbe ir bruoder Fridebreht! Engeltrut fragte, wie es um ihren Bruder Fridebreht steht!
„ach ach, er hât verrenket sich vor vorhte“, alsô hât si mir geseit, „der tœrsche kneht.“ „Ach ach, er hat sich vor Angst verdreht“, so hat sie mir erzählt, „der dumme Knabe.“

Sach ab ieman jene mit der gickelvêhen täcken? Sah jemand den mit der bunten Decke?
die tregt er ûf der hende und klopfet ûf sîn niuwez swert: Die trägt er in den Händen und klopft auf sein neues Schwert:
dâ mite er uns des nahtes ab der gazzen will erschrecken. Damit will er uns nachts aus der Gasse heraus erschrecken.
der selbe dünket sich noch mêr dan drîer bônen wert, Derselbe hält sich noch für mehr als drei Bohnen wert,
als er danne gerûzet unde gedræset, der vil übele man, wenn er dann nicht grüßt und (schnaubt), der wirklich schlimme Mann,
und im sîn täcke ringeleht erklinget dem gelîche, als er trage ein goller an. und ihm seine mit Schnallen verzierte Decke erklingt ebenso, als ob er einen Brustharnisch trüge.

Übersetzung für Woche 6: Winterlied 13

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Wi überwinde ich beide Wie überwältige ich beide,
mîn liep und die sumerzît? meine Geliebte und die Sommerzeit?
ine kann die wolgetânen schiere niht verklagen. Mir fällt es schwer, die Schönheiten zu betrauern.
von sô grôzem leide, Von so großem Leid,
mir riuwe âne vröude gît, das mir Jammer ohne Freude auferlegt,
trûre ich wol von schulden nû ze disen trüeben tagen, klage ich sehr von Unrecht jetzt in diesen trüben Tagen,
di uns den winder kündent, der uns manger vröude roubet. die uns den Winter ankündigen, der uns manche Freude raubt.
sangers habent sich diu kleinen vogelîn geloubet: Einige der Sänger haben sich von den kleinen Vögeln getrennt:
alsô möhte ich wol mit mînem sange stille dagen. Ebenso möchte ich mit meinem Gesang schweigen.

Sol mich niht vervâhen Meine Zuversicht und meine freudige Erwartung
mîn trôst und mîn lieber wân, sollen mich nicht übernehmen,
sô enweiz ich, waz genâden ich mich trœsten mac. da ich nicht weiß, welche Barmherzigkeit mich retten kann.
wol mac ir versmâhen Gewiss muss ihr
mîn dienest, den ich ir hân mein Dienst,
lange her geleistet und des ie mit triuwen phlac. den ich ihr lange bis jetzt geleistet habe und dies stets mit Treue machte, missfallen.
alsô phlæge ichs immer gerne, möhte ich des geniezen. Derart mache ich es immer gerne, ich möchte davon Lohn erhalten.
sô daz mich die dörper mînes lônes iht verstiezen. Damit mich die Bauerntölpel nicht von meinem Lohn fernhielten.
des ist Uoze grîfic und sîn rûher schavernac. Danach und nach seiner zottigen Pelzmütze ist Uoze gierig.

Engelwân und Uoze Engelwan und Uoze
die zwêne sint mir gehaz die zwei hassen mich
(schaden unde nîdes muoz ich mich von in versehen) (Unrecht und Neid muss ich von ihnen befürchten)
und der geile Ruoze: und der übermütige Rouze:
wie tiuwer er sich vermaz, wie kostbar er sich rühmt,
er bestüende mich durch sî! die drîe widerwehen er forderte mich durch sie heraus! Die drei Widersacher
râtent und brüevent, daz ich âne lôn belîbe. planen Böses und bewirken, dass ich ohne Lohn bleibe.
niht envolge ir lêre, vrouwe, liebist aller wîbe! Folgt nicht ihrem Vorbild, Herrin, Schönste aller Frauen!
lône mîner jâre; lâz in leit an mir geschehen! Belohnt meine Jahre, lasst kein Leid an mir geschehen

Vrouwe, dîner güete Herrin, deine Güte,
di erkenne ich sô manicvalt, die ehre ich auf viele Weisen,
daz ich liebes lônes von dir noch gedingen hân. sodass ich den Liebeslohn von dir erwartet habe.
daz mich ie gemüete, Dass mich ihre Gesinnung,
die spränzler und ir gewalt, die der Gecken und ihrer Macht,
daz was mit den bluomen hin. nu will mir Engelwân da war mit den Blumen hin. Jetzt will mir Engelwan
dîne hulde verren: daz im müeze misselingen, deine Gunst rauben: Das soll ihm misslingen,
sô daz hundert swert ûf sînem kophe lûte erklingen! damit hundert Schwerter auf seinem Kopf laut erklingen!
snîdent sî ze rehte, sî zerüttent im den spân. Schneiden sie zu Recht, sie zerstören ihm das Glied.

Seht an Engelwânen, Seht Engelwan an,
wie hôhe er sîn houbet treit! wie stolz er seinen Kopf trägt!
swanne er mit gespannem swerte bî dem tanze gât, Immer, wenn er mit umgeschnalltem Schwert zum Tanz geht,
sô ist er niht âne dann ist er ohne
der vlæmischen hövescheit, das flämisch höfisch Benehmen,
dâ sîn vater Batze wênic mit ze schaffen hât. womit sein Vater Batze wenig zu tun hat.
nu ist sîn sun ein œder gouch mit sîner rûhen hûben: Jetzt ist sein Sohn ein widerwärtiger Schmarotzer mit seiner zottigen Haube:
ich gelîche sîn gephnætze ze einer saten tûben, Ich vergleiche sein Geschnaube mit einer satten Taube,
diu mit vollem krophe ûf einen korenkasten stât. die mit vollem Kropf auf einen Kornkasten sitzt.

Swer in sîner tougen Wer auch immer in seiner Wunderkraft
ie liep ode leit gewan, ihre Freude oder Leid erlangte,
dem sint mîne sorgen und mîn kumber wol bekannt. dem sind meine Sorgen und mein Kummer sicher bekannt.
sît ich mînen ougen Seitdem ich meinen Augen
den stîc niht verbieten kann, den Weg nicht verbieten kann,
sî enblicken hin, dâ Ruoze tanzet an ir hant, blicken sie dorthin, wo Rouze an ihrer Hand tanzt,
sô verlâze ich kûme, deich mich selben niht enroufe: dann verlasse ich mit Mühe und Not (den Tanz), damit ich mich nicht mit ihm prügle.
solhen wehsel nement, die dâ minnent, an ir koufe. So einen Wandel erfahren sie, die da den Minnedienst leisten, an ihr verdienen.
Minne, lâ mich vrî! mich twingent sêre dîniu bant. Minne, lass mich frei! Mich quälen deine Fesseln sehr.

Minne, dîne snüere Minne, deine Fesseln,
die twingent daz herze mîn, die bezwingen mein Herz,
daz ich hân ze strîte wider dich deheine wer. sodass ich mich gegen dich gewehrt habe.
swie verholne ich rüere Obwohl ich mich im Verborgenen bewege,
den zimbel der zelle dîn, die Glocke deiner Zelle,
sô bin ich betwungen des, daz ich dir hulde swer. bin ich dennoch dessen unterworfen, dass ich dir sehr huldige.
vrouwe Minne, dîn gewalt ist wider mich ze strenge; Herrin Minne, deine Macht über mich ist zu groß.
küneginne, dîner ungenâde niht verhenge, Königin, verhänge deine Strafe nicht,
daz si mich verderbe! ja ist si über mich ein her. weil sie mich zunichtemachen würde! Ja, sie ist über mich ein Gebieter.

Übersetzung für Woche 7: Winterlied 1

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Winder, uns will dîn gewalt Winter, deine Gewalt will uns
in die stuben dringen in die Stuben drängen,
von der linden breit: weg von den großen Linden:
dîne winde die sint kalt. Deine Winde, die sind kalt.
lerche, lâ dîn singen! Lerche, unterlasse dein Singen!
dir hât widerseit Dir haben beide,
beide rîfe und ouch der snê; der Frost und auch der Schnee, den Kampf erklärt;
dû muost stille swîgen: Du musst stillschweigen:
sô klag ich den grüenen klê. Darum betrauere ich die grüne Wiese.
meie, ich wil dir nîgen; Mai, ich will mich vor dir verneigen
mir tuot der winder wê. mich schmerzt der Winter.

Tanzet, lachet, weset vrô! Tanzt, lacht, seid fröhlich!
daz zimt wol den jungen Diesen fröhlichen Eindruck erwecken die Jünglinge
disen winder lanc. diesen Winter lang.
iu ze stiuwer gibe ich sô Als Steuer gebe ich euch daher
hiwer von mîner zungen dieses Jahr etwas von meiner Zunge,
einen niuwen sanc, einen neuen Gesang,
daz ir âne swæren muot sodass ihr ohne Schwermut
vreude mugt erbîten. Freude erhoffen könnt.
Engelmâr, dîn stube ist guot: Engelmar, deine Stube ist stattlich:
küele ist an der lîten. Kühl ist es am Bergabhang.
der winder schaden tuot. Der Winter bringt Unheil.

Etzel, Ruoze und Adelber Etzel, Ruoze und Adelber
und der geile Rüele. und der leichtsinnige Rüele.
zesamen hânt gesworn Gemeinsam haben sie sich gegen
alle ûf einen dörper hêr: einen hochmütigen Bauerntölpel verschworen.
derst von Wîtenbrüele Der ist von Witenbrüele
und brüevet grôzen zorn. und erfährt großen Hass.
daz enkunde ich ê noch sît Das erfuhr ich noch nicht bevor
nie voltagedingen. alles vonstattenging.
Rüele enwolte enwiderstrît Rüele wollte um die Wette
an dem reien springen: bei dem Tanzen springen:
daz was Lanzen nît. sodass Lanzen neidisch war.

Lanze eine treien treit, Lanze tanzt einen Tanz,
diu ist von barchâne, der ist von bracane,
grüene alsô der klê. grüner als der Klee.
ze wîge hât er sich bereit: Zur Weihe hat er sich vorbereitet:
er lebet in dem wâne, Er lebt in dem Glauben,
daz im niht widerstê. dass sich ihm nichts widersetzt.
dar in er gesteppet hât Deshalb hat er
ein guot îsnîn hemde, ein gutes Eisenhemd genäht,
limmende als ein ber er gât; Knurrender als ein Bär geht er;
guot muot ist im vremde. eine ehrenhafte Gesinnung ist ihm fremd.
erst kint, der in bestât. Der, der ihn bestärkt, ist ein Kind.

Lanze der hât noch die frünt, Lanze, der hat noch die Eigenschaft,
die in niht enlâzen, die er nicht sein lassen kann,
swie gar er sî ein kint. als wäre er ganz und gar ein Kind.
drî hân ich iu schîere gekünt, Euch drei,
die im ûf der strâzen die ihm auf der Straße
bîgestendic sint: beigestanden sind, habe ich sofort erkannt:
Îsenbolt und Îsenhart Isenbolt und Isenhart
und der junge Vrîte. und der junge Vrite.
Rüele der wart nie sô zart, Rüele, der war nie so anmutig,
er wær an dem strîte er war bei dem Streit
ze verhe wol bewart. vor der Feindschaft gut beschützt.

Sô lâz wirs vehten umb den lîp. Dann lassen wir sie um diese Person kämpfen.
und gê wir zuo dem tanze: und gehen zu dem Tanz:
dâ spring wir schône enbor. Dort springen wir schön in die Höhe.
nu wol ûf, meide und jungiu wîp, Nun auf, Mädchen und junge Frauen,
Afrâ, Englîn, Franze, Afra, Enelin, Franze,
diu wil uns singen vor. die wollen uns etwas vorsingen.
Metze beit ….. Metze zögert …..
und kumet Adelheite und kommt Adelheit
und über … Engellint und über … Engellint
und Irmengart gemeite, und Irmengrart verehrte/ fröhlich,
daz sint gar schœniu kint. das sind sehr schöne Edelfräulein.

Übersetzung für Woche 8: Winterlied 27

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Mirst von herzen leide, Mich schmerzt aus tiefstem Herzen,
daz der küele winder dass der kühle Winter
verderbet schœner bluomen vil: die vielen schönen Blumen zerstört:
sô verderbet mich ein senelîchiu arebeit. Ebenso zerstört mich ein leidvoller Dienst.
diese sorge beide Diese beiden Sorgen
dringent mich hin hinder drängen mich zurück
ze ende an mîner vreuden zil. zum Ende meiner Freudenziele.
owê, daz diu guote mir ir willen daz vertreit, Oh weh, dass die Schöne mich das mit Absicht ertragen lässt,
sît si wol geringen mac obwohl sie sicher
alle mîne swære! all meinen Kummer verringern könnte!
hei, gelebte ich noch den tac, Hei, würde ich noch den Tag erleben,
daz sî genædic wære! an dem sie barmherzig sein würde!

Swenne ich mich vereine Immer, wenn ich allein bin
unde an sî gedenke, und an sie denke,
wær inder wîbes güete dâ, wäre irgendwo Frauengnade da,
diune hæte sich sô lange bî ir niht verholn. die hätte sich nicht so lange bei ihr verborgen.
sît si lônet kleine Obwohl sie
mîner niuwen klenke, meine neuen Klänge überhaupt nicht belohnt,
wan mag ich dienen anderswâ? wann kann ich woanders dienen?
nein, ich will mit willen disen kumber langer doln. Nein, ich werde diesen Kummer bereitwillig länger ertragen.
waz, ob noch ein sælic wîp Was ist, wenn noch eine edle Frau
gar den muot verkêret? ganz das Herz abwendet?
vreu mîn herze und trœste den lîp! Erfreue dich mein Herz und tröste den Leib!
diu zwei sint gesêret. Die zwei sind verletzt.

Zuo dem ungemache, Zu dem Kummer
den ich von ir lîde, den ich ihretwegen erleide,
sô twinget mich ein ander leit, quält mich ebenso ein anderes Leid,
daz vor allem leide mich sô sêre nie betwanc. das mich so stark, wie kein anderes Leid mich je quälte, beherrscht.
swiech dar umbe lache Obwohl ich dabei lache
und gebâre blîde: und mich fröhlich verhalte:
mir hât ein dörper widerseit Mir hat sich ein Bauerntölpel entgegengestellt
umb anders niht wan umbe den mînen üppeclîchen sanc. wegen nichts anderem als wegen meines leichtfertigen Gesangs.
derst geheizen Adeltir, Der wird Adeltir genannt,
bürtic her von Ense. er stammt aus Ense.
zallen zîten drôt er mir Immer droht er mir
als einer veizten gense. wie einer dicken Gans.

Hiwer an einem tanze Dieses Jahr bei einem Tanz
gie er umbe und umbe. ging er herum und herum.
den wehsel het er al den tac: Den Tausch hatte er den ganzen Tag:
glanziu schapel gar er umbe niuwiu krenzelîn. Er verkaufte glänzende Schapels (reifenförmiger Kopfschmuck) und neue Kränze.
Etzel unde Lanze, Etzel und Lanze,
zwêne knappen tumbe, zwei dumme Jünglinge,
die phlâgen ouch, des jener phlac. die taten auch, was jener tat.
Lanze der beswæret ein vil stolzez magedîn: Lanze, der ärgert ein sehr schönes Mädchen;
eine kleine rîsen guot, ein kleiner kostbarer Kopfputz (Kopfschmuck),
zarte er ab ir houbet, den riss er ihr vom Kopf ab,
dar zuo einen bluomenhuot: darüber hinaus einen Hut mit Blumen.
wer het im daz erloubet? Wer hat ihm das erlaubt?

Owê sîner hende! Oh weh seine Hände!
daz si sîn verwâzen! Auf dass sie verflucht seien!
die vinger müezen werden vlorn. Die Finger sollen verdammt werden.
dâ mit er gezerret hât den schedelîchen zar! Damit hat er den schlimmen Riss gerissen!
hiete er ir gebende Hätte er ihren Kopfschmuck
ungezerret lâzen, unbehelligt gelassen,
daz kränzel hiete ouch sî verkorn. dann hätte sie auch das Kränzlein verziehen.
er ist ungevüeger danne wîlen Engelmâr, Er ist grausamer als einst Engelmar,
der gewalticlîchen nam der Vriderune den Spiegel gewalttätig
den spiegel Vriderûne. entriss.
des bin ich dem dörper gam, Deshalb bin ich dem Bauerntölpel böse,
dem selben Walberûne. wie auch Walberune.

Disen alten schulde Diese alten Vergehen
wecket mir diu niuwe: bringen mich zu den Neuen:
ez hât ein geiler getelinc Es hat ein gieriger Bauernbursche
hiwer an mir erweckt, swaz mir leides ie geschach. in diesem Jahr an mir bewirkt, dass mir stets Leid zugefügt wurde.
ê ichz langer dulde, Ehe ich es länger erdulde,
sêt des mîne triuwe, seht meine Treue,
gespringe ich zuo zim in den rinc, ich galoppiere zu ihm auf den Kampfplatz,
er bestât sîn buoze, daz er ir ze vrouwen jach, er erhält seine Strafe, sodass er sie zur Frau machen stürmt,
der ich lange gedienet hân die, der ich lange
her mit ganzer stæte! mit ganzer Treue gedient habe.
wolde er sî geruowet lân, Wollte er sie rufen lassen,
wie rehte er danne tæte! wie er dies dann aus gutem Grunde täte!

Wê, waz hât er muochen! Oh weh, was hat er für Flausen!
si kumt im niht ze mâze. Sie kommen ihm nicht zugute.
zwiu sol sîn pîneclîch gebrech? Wozu soll sein qualvoller Lärm dienen?
im enmac gehelfen niht sîn hovelîch gewant. Ihm kann sein höfisches Gewandt nicht helfen.
er sol im eine suochen, Er soll sich eine suchen,
diu in werben lâze. die ihn werben lässt.
diu sînen rôten buosemblech Seine roten Metallplättchen (Zierde an der Brustbekleidung),
diu sint ir ungenæme gar, dar zuo sîn hiufelbant. die sind ihr sehr verhasst, dazu auch sein Wangenband.
enge ermel treit er lanc, Enge Ärmel trägt er lang,
die sint vor gebræmet, die sind verbrämt,
innen swarz und ûzen blanc. innen schwarz und außen weiß.
mit sîner rede er vlæmet. Beim Reden flämelt er.

Sîner snüere strangen Die Stränge seiner Leinen
tengelnt an den orten: baumeln an den Seiten:
dâ hanget wunder pfeffers an, daran hängen viel Pfeffer,
muscât, negele, pfâwenspiegel: dêst der dörper glanz. Muskat, Nelke, Pfauenkraut: Das ist das Aussehend der Bauern.
er wil überdrangen Er will ein Mädchen
ein meit mit süezen worten, mit süßen Worten überwältigen,
des im doch niht gehelfen kan dabei kann ihm
sîn üppiclîch gewant und dar zuo sîn vil wæher swanz. seine übertriebene Kleidung und dazu sein sehr prächtiges Tanzkleid doch nicht helfen.
ein vil guotez lînîn tuoch, Aus einem sehr guten Leinentuche,
sehzehn elen kleine, lediglich 16 Ellen lang,
hât sîn hemde und ouch sîn bruoch: bestehen sein Hemd und auch seine Hose:
der site ist ungemeine. Das Benehmen ist ungewöhnlich.

Her Nîthart, mugt irz lâzen? Herr Neidhart, könnt Ihr es unterlassen?
iu mac misselingen. Euch soll es missglücken.
nu habt ez ûf die triuwe mîn, Nun schwöre ich bei meiner Treue,
und mag ich, ez mouz iu bî dem tanze werden leit! und ich will, dass es Euch beim Tanz leidtun wird.
welt ir ûf der strâzen Auf der Straße wollt Ihr Euch noch
vil mit uns gedringen, viel mit uns drängeln,
swie breit ab iuwer multer sîn, wie breit mag aber Euer Mühlstein sein,
dâ gelpfe schînet under iuwer ringelehte pfeit, wenn der Spott unter Eurem Kettenhemd erscheint.
und sult ir sîn der tiuvel gar Und solltet Ihr gar der Teufel sein,
mit iuwerm glitzeden huote, mit Eurem glitzernden Hut,
zwâre ich mache in bluotes var würde ich ihn sicher mit meinem guten Schwert
mit mînem swerte guote. blutig machen.

„Nû dar, ziere gesellen, „Nun da, rüstet euch Freunde,
nu stât mir algelîche, jetzt steht mir allesamt bei,
helfet, daz wir in bestân, helft, damit wir den bestrafen,
der uns bî dem tanze mit gemache niht enlât! der uns beim Tanz mit Vergnügen nicht übergibt!
ich trûwe in wol ervellen“, Ich vertraue darauf, dass auf ihn das Verderben herabstürzt.
sô sprach Amelrîche: So sprach Amelriche:
„die hant die muoz er mir hie lân, „Die Hand, die muss er mir hierlassen,
dâ der spreckelehte vogel oben ûfe stât, da der gesprenkelte Vogel oben aufsteht,
und dar zuo den zeswen fuoz, und dazu den rechten Fuß,
dar an der spore klinget. der an der Spore klingt.
jâ geschaffe ich mir sîn buoz, Ja besorge ich mir seine Buße,
daz er von uns niht singet.“ sodass er nicht von uns singt.“

Übersetzung für Woche 9: c1

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Der swarcze dorn ist worden weis, Der schwarze Dornenstrauch ist weiß geworden,
nun hat der maie seinen vleis nun hat der Mai sein Können
geleget an den anger, den Wiesen zuteilwerden lassen,
gar zergangen ist der schnee, völlig geschmolzen ist der Schnee,
man siht hewer aber als ee man sieht dieses Jahr aber mehr als früher
die liechten plumblein swanger. die schönen plumpen Schwangeren.
der maie hat die veld gar schön beseczet Der Mai hat die Felder sehr schön
mit gamillen plumlein fein. mit feinen Kamillenblümchen verziert.
fro singen die vogelein, Froh singen die Vögel,
irs laids sind sie ergeczet. sie sind für ihr Leid entschädigt.

Da fur ich lob die rainen weib, Ich ehre die tanzenden Frauen dafür,
der wolgetraut globter leib dass deren sehr vertraut gepriesener Körper
kan pringen hoch gemute. edle Wesen hervorbringen kann.
die sich vor valsche hand behut, Diejenige, die sich vor falscher Hand schützt,
die lob ich fur alles gut. die ehre ich mehr als alles Geld.
so wol dir, weibes gute! Gepriesen sei dir, weiblicher Vollkommenheit!
weib, behalt dein er, das will ich dir raten, Frau, halte an deiner Ehre fest, das will ich dir raten,
durch dein frölich weiplich zucht, durch deine erfreuliche weibliche Keuschheit,
weib, du auserwelte frucht, Frau, du auserwählte Frucht,
la tume minner braten! ?

Nun sung ich gern der frawen mein, Früher sang ich gern für meine Frauen,
so irret mich ein ander pein, nun betrübt mich ein anderer Schmerz,
ich sahe die dörper raien Ich sah die Bauerntölpel
gar uppiglichen auf dem plan. sehr übermütig auf der Wiese tanzen.
baide, frawen unde man, Beide, Frauen und Männer,
die empfiengen schön den maien. die empfingen den Mai stattlich.
her langer Lancze, daz sult ir mir rechen, Großer Herr Lanze, das sollt Ihr mir vergelten,
darczu so clag ich euch, herr Pflug, außerdem beklage ich euch nun, Herr Pflug,
ir rechet mir diesen ungefug, ihr werdet mir diesen Frevel vergelten,
das in ir rucken brechen. auf dass ihnen ihre Nacken brechen.

Ich kam dohin gein Zeisselmaur, Ich kam dahin nach Zeisselmaur,
die fart ward mir eins tails zu sawer, die Reise war mir teilweise zu sauer,
ich hört da fremde mere, ich hörte da fremde Nachrichten,
do fand ich einen lobetancz da sah ich einen Ehrentanz
und von rosen mangen krancz, und so manchen Rosenkranz,
zergangen was mein swere. meine Qual war vergangen.
ich zogt zu einem wirte, der was ziere, Ich kam zu einem Wirt, der war edel,
des ward Engelmair gewar, das erfuhr Engelmair,
elen weit was im sein har, ellenlang war sein Haar,
da hin so eilt er schiere. dahin eilt er jetzt sofort.

Zu vierczig gättelingen gut, Zu vierzig Gesellen gut,
uppiglich stund in ir mut, leichtfertige Wünsche hatten sie,
die tanczten bei der linden. die tanzten bei den Linden.
er sprach: „herr Neithart der ist hie, Er sprach: „Herr Neidhart, der ist hier,
der uns gespöttes nie erlie, der sich von unserem Gespött nie befreite,
wol auf, das wir in finden. los, dass wir ihn finden.
ir solt euch keines argen nicht gedencken, Ihr sollt euch keine Feindseligkeit vorstellen,
ir get mir zuchtiglichen nach, ihr geht mir gesittet nach,
auch seit zu fechten nicht zu gache, seid auch mit dem Fechten nicht zu ungeduldig,
wir sond im frolich schencken.“ wir sollten ihm fröhlich einen Willkommensgruß einschenken.“

Vierczig käntelin mit wein Vierzig Kännlein mit Wein,
sie trungen in ein gertelein, sie tranken in einem Gärtlein,
gar gros was ir geraisse: sehr groß war ihre Feindseligkeit:
„seit got wilkum, herr Neithart, „Seid Gott willkommen, Herr Neidhart,
euch sei geschenckt an diser fart.“ euch sei zu trinken gegeben auf dieser Reise.“
ich saß in einem swaisse, Ich saß in Schweiß,
ich sprach: „ich pin dem Neithart ungeleiche, ich sprach: „Ich bin dem Neidhart unähnlich,
ich pin ein jeger, mir ist zorn, ich bin ein Jäger, ich bin wütend,
ich hab die hunde sein verlorn, ich habe die Hunde
des fursten von Osterreiche.“ des Fürsten von Österreich verloren.“

Engelmair in da gepot Engelmair ihm da befohlen
bei dem leben an den todt, vom Leben bis zum Tod/der Todesstrafe,
das sie sich saczten alle. das sagten sie sich alle,
so zuhant da schnackt man ein so auf der Stelle da schenkt man ein,
den vil klaren osterwein, den sehr klaren Osterwein,
den druncken sie mit schalle. den tranken sie mit Geschrei.
er sprach: „und wolt ir gogelfur erkennen, Er sprach: „Und wollt ihr Ausgelassenheit erfahren,
so siczt und seit ein frolich man, dann sitzt und sein ein fröhlicher Mann,
ich hilf euch mit gemach hin dan, ich helfe euch mit Ruhe dahin dann,
wolt ir mich nimer nennen.“ wollt ihr mich nie wieder erwähnen.“

„Dir sei gelobet an die hant: Dir sei in die Hand versprochen,
du wirst von mir nicht mer genant, du wirst von mir nicht mehr erwähnt,
was ich will furbas singen, was ich künftig singen werde,
und auch was ich gedichten kan, und auch was ich dichten kann,
du hasit der ungenante man, du wirst der namenlose Mann genannt,
du solt frolichen springen, du sollst fröhlich springen
und hais die öden schaiden aus dem garten.“ und forderst die öden Schwertscheiden aus dem Garten.“
„wol auf, ir herrn, wir sollen gan „Wohl auf, ihr Herren, wir sollen gehen
gar zuchtiglichen auf den plan vorbildlich auf die Wiese
und dienen frauen zarten.“ und dienen zarten Frauen.

Die verswunden so zuhant, Die verschwunden dann sofort,
do bracht man mir ein gut gewant, da brachte man mir ein gutes Gewandt,
das must ich dannen furen. das musste ich dann tragen.
darczu so gabns mir ein pfert, dazu gaben sie mir ein Pferd,
das was wol dreissig pfunde werdt das war sicher dreißig Pfund wert
und zeltet nach den schnuren. und geht im Schritt nach den Seilen.
des danckt ich schon den manen und den frawen Dafür dankte ich schon den Männern und den Frauen
und rait daczu in auf den plan. und reite zu ihnen auf die Wiese.
da mochten siben hundert stan, Da mochten siebenhundert stehen,
die mich begunden schawen. die mich begannen zu vernichten.

Auf die rais so was mir gah, Auf die Reise eile ich dann,
mir ward ein michel kaffen nach mir sah ein großer Gaffer nach
von liechten augen schöne. mit freundlichen scharfen Augen.
Friderunen näckelin, Fideruns kleiner Nacken,
das gab fur die andern schein, deshalb hatte sie ein anderes Aussehen,
mit lob ichs imber kröne. ich kröne es immer mit Lob.
ich rait gein Wien und sagt die abenteure, Ich reite Richtung Wien und sage die
wie sie mir alle trugen has, wie sich mich alle hassten,
da ich dem garten saß, als ich in dem Garten saß,
iedoch ward mir ir stewre. allerdings war mir das Ihrige egal.

Der herczog sandt gein Zeisselmaur, Der Herzog sandte eine Botschaft in Richtung Zeisselmaur,
er lie frei den selben pauer er ließ denselben Bauer
und all sein hausgenossen. und all seine Hausgenossen frei.
des ward fro der Engelmar, Deshalb war Engelmar froh,
der mir half frölich von der schar der mir fröhlich von der Menge
wol auf des reiches strassen. sicher auf die Straßen des Landes half.
und Engelmair wil ich in nimer nennen, und Engelmar werde ich ihn nicht mehr nennen,
er haist der ungenante man, er heiß der ungenannte Mann,
der wolt mit Friderunen kan, der wollte Friderun beherrschen,
ir mugt in wol erkennen. ihr werdet ihn sicher erkennen.