Der Hoftag (Reinhart Fuchs)

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Dieser Artikel befasst sich mit dem letzten Abschnitt des von Heinrich dem Glîchezâren geschriebenen Tierepos "Reinhart Fuchs" – dem Hoftag. Der Artikel gibt einen Überblick über diesen zentralen Abschnitt des Epos, indem er die umfangreiche Handlung in kleinere Abschnitte unterteilt und anhand einer Auswahl zentraler Passagen die Handlung analysiert. Neben den konkreten Ereignissen im Rahmen des Hoftages wird auch auf dessen Funktion und im Zusammenhang damit auf die historischen Hintergründe näher eingegangen. Außerdem wird konkret dargestellt, welche Rolle dieser Abschnitt in Bezug auf die gesamte Handlung spielt und welche Funktionen er erfüllt.

Übersicht

Eingrenzung

Nach der Definition dieses Artikels umfasst der Hoftag den gesamten letzten Teil des Epos, beginnend mit Vers 1239. Der Hoftag selbst (im engeren Sinn) erstreckt sich zwar lediglich von Vers 1321 bis Vers 2248, allerdings kann man die vorangehende Ameisenepisode ebenfalls zu diesem Abschnitt zählen, da der sich dort ereignende Konflikt Ausgangspunkt für die Einberufung des Hoftages ist. Zuvor ereignen sich die Anfangsavienturen zwischen dem Fuchs und seinen "gevattern", sowie der daran anschließende Pakt mit den Wölfen. Auf diesen Teil des Epos wird im Rahmen dieses Artikels nicht weiter eingegangen.

Zusammenfassung

Auf dem vom Löwenkönig Vrevel einberufenen Hoftag beklagen sich die Tiere über Reinharts Untaten. Da dieser selbst nicht anwesend ist, wird er dreimal vorgeladen. Nach dem dritten Versuch erscheint der Fuchs als Arzt verkleidet am Hof. Er gibt vor, ein Heilmittel für die Krankheit des Löwen zu kennen, und rächt sich auf diese Weise an all seinen Feinden.

Beginn des Hoftages im engeren Sinn, durch die Anordnung des Königs, welche wie folgt lautet:

Mittelhochdeutsch Übersetzung
einen hof gebot er zehant,

die boten wurden zesant

witen in daz riche.

er wart nemeliche

in eine wisen gesprochen

vber sechs wochen,

dane was wider niht.

an hochtgestvle man geriet,

daz was gvt unde stark

vnde coste me dan tvsent mark.

Sogleich berief er einen Hoftag ein,

die Boten wurden

weit hinaus ins Reich gesandt.

Er wurde ausdrücklich

auf eine bestimmte Weise festgelegt,

und zwar über sechs Wochen.

Dagegen war nichts einzuwenden.

Man baute Hochsitze auf,

die wertvoll und schwer waren

und mehr als tausend Mark kosteten.

(V.1321- 1330 RF[1])

Anwesende am Hoftag

Die folgenden Tiere erscheinen am Hoftag:

Löwenkönig (Vrevel), Panther, Elefant, Strauß, Wisent, Zobel, Marder, Leopard, Hirsch, Bär, Maus, Maulwurf, Luchs, Reh, Kaninchen, F[ä]he, Geiß, Widder, Steinbock, Hase, Wildschwein, Otter, Murmeltier, Kamel, Biber , Igel, Hermelin, Eichhörnchen, Auerochs, Eichelhäher (Kuonin), Hengst, Esel (Balduin), Rüde (Reize), Rind, Dachs (Krimel), Wolf (Frau Hersant, Isengrin, Kinder) (vgl. V.1333-1360 RF)

Reinhart erscheint vorerst nicht.


Inhalt

Ameisenepisode

Der Löwenkönig Vrevel wird vorgestellt. Er wird von den Ameisen abgelehnt, woraufhin dieser wütend wird und deren „Reich“ zerstört. Als der eigentliche Ameisenherr zurückkehrt, erfährt er von der Katastrophe und rächt sich an Vrevel. Er springt ihm ins Ohr und dringt bis in sein Gehirn vor. Der Löwe erleidet große Not; er hält die Schmerzen für eine Strafe Gottes, weil er kein Gericht gehalten hat und beruft sogleich einen Hoftag ein. (vgl. V.1239-1330 RF)

Klage gegen Reinhart

Die anwesenden Tiere werden aufgezählt; alle außer Reinhart sind erschienen. (vgl. V.1331-1363 RF)

Isengrin

Isengrin klagt seine Not; sein Fürsprecher ist Brun der Bär. Der Wolf berichtet von den Schändungen die er durch Reinhart erleiden musste, darunter sein verlorener Schwanz und die Entehrung seiner Frau. Obwohl Krimel Reinhart verteidigt, kommt es zu einem Urteil durch den Hirsch Randolt, nach dem Reinhart verhaftet werden soll. Alle Anwesenden sind damit einverstanden, bis auf das Kamel aus Thuschalan. Dieses erklärt das Urteil für rechtswidrig, Reinhart müsse erst dreimal vorgeladen werden, bevor ein Urteil gefällt werden könne. Alle stimmen ihm zu. (vgl. V. 1364-1457 RF)

Scantecler und Frau Pinte

Als nächstes beklagen sich Scantecler und Frau Pinte über Reinhart. Sie haben ihre - von Reinhart totgebissene - Tochter bei sich und lassen diese beerdigen. Nach der Beerdigung erklärt der Hase das Huhn für heilig, da es ihn von seinem Schüttelfrost geheilt hat. (vgl. V.1458-1510 RF)

Dreifaches Aufgebot

Brun

Der Hofkaplan Brun soll Reinhart aufsuchen. Er bittet den Fuchs, ihn zum Hoftag zu begleiten, allerdings verspricht dieser ihm zuvor einen Baum mit köstlichem Honig. Der Kaplan kann nicht widerstehen und lässt sich auf das Angebot ein. Durch eine List gelingt es Reinhart, den Bären im Baumstamm mit den Bienen einzuklemmen. Nur unter großer Anstrengung kann dieser sich daraus befreien, verliert dabei jedoch Ohren und Kopfhaut. Verletzt kehrt er zum Hof zurück und klagt über Reinhart. Der König ist schockiert und bittet den Biber, ein Urteil auszusprechen. Reinhart wird zum Tode verurteilt. Allerdings weist der Elefant die Gruppe darauf hin, dass ein solches Urteil noch immer nicht rechtens ist (vgl. V. 1511-1644 RF).

Diepreht

Zum zweiten Mal soll Reinhart aufgesucht werden, dieses Mal vom Kater Diepreht. Reinhart verleugnet dem Kater gegenüber die Untat am Bären und verspricht ihm ein Haus voller Mäuse. Auch Diepreht kann dem verlockenden Angebot nicht widerstehen und folgt Reinhart. Dabei gelangt er in eine Falle, wodurch der Bote fast erschlagen wird. Er kehrt zum Hof zurück und klagt über Reinharts erneute Schandtat. Vom Eber wird das Todesurteil ausgesprochen. Krimel setzt sich für Reinhart ein und erklärt das vorschnelle Urteil zum wiederholten Mal für rechtswidrig (vgl. V. 1645-1775 RF).

Krimel

So kommt es, dass Krimel den Fuchs ein letztes Mal aufsuchen soll. Die beiden speisen miteinander ehe sie gemeinsam zum Hof zurückkehren. (vgl. V. 1776-1812 RF)

Reinhart als Arzt

Reinhart verkleidet sich als Arzt und kehrt mit Krimel zum Hoftag zurück. Dort wird er von allen Seiten beschuldigt und angeklagt (vgl. V. 1813-1872 RF).

Heilung des Königs

Reinhart behauptet, ein Heilmittel für die Krankheit des Löwen zu kennen. Dafür benötigt er Wolfshaut, ein Bärenfell, eine Mütze aus Katzenfell, ein gekochtes Huhn, einen Eberschinken, ein Band aus Hirschleder und ein Biberfell. Der König vertraut dem Fuchs und opfert seine Untertanen zum Wohl seiner eigenen Gesundheit. Nachdem Reinhart dem König das Katzenfell auf den Kopf gelegt hat, kriecht die Ameise heraus, sodass Vrevel von seiner „Krankheit“ geheilt ist. Der Ameisenherr bangt um sein Leben und rettet sich, indem er Reinhart die Herrschaft über sein Reich gewährt (vgl. V. 1873-2096 RF).

„Belohnung“ Elefant und Kamel

Der Elefant soll als Belohnung für Reinharts Beistand das Land Böhmen erlangen. Er macht sich auf den Weg dorthin, wird dort allerdings gewaltvoll empfangen. Das Kamel soll als Dank für ihre Treue, das Kloster Erstein erlangen. Wie auch der Elefant, wird die Olbente dort jedoch von den Nonnen verprügelt und vertrieben (vgl. V. 2097-2119 RF).

Vergiftung

Schlussendlich vergiftet Reinhart den König mit einem Trank. Anschließend läuft er mit Krimel davon. Im Sterben bereut der König sein Vertrauen in Reinhart, während die überlebenden Tiere um ihren König weinen (vgl. V. 2120-2248 RF).

zentrale Themen

Reinharts Rache

Durch seinen Auftritt als Arzt unter dem Vorwand, den König heilen zu wollen, gewinnt Reinhart Fuchs das Vertrauen Vrevels. Dem folgenden Textausschnitt ist zu entnehmen, wie der schlaue Fuchs dies bewerkstelligt:

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Reinhart sprach: ,evch enpevtet den dienst sin,

reicher kvnich, meister Pendin,

ein artzt von Salerne,

der sehe ewer ere gerne,

vnde dar zv alle, di da sint,

beide di alden vnt di kint.

vnde geschiht evch an dem liebe icht,

daz enmvgen si vberwinden niht.

herre, ich was zv Salerne,

dar vmme, daz ich gerne

evh hvlfe von diesen sichtagen.

ich weiz wol, daz allez ewer clagen

in dem hovbet ist, swaz iz mvge sin.

evch enpevtet meister Bendin,

daz ir evh niht svlt vergezzen,

irn svlt tegliche ezzen

dirre lactewerien, di er evh hat gesant.'

Reinhart sprach: "Euch gebietet Meister Bendin seine Dienste,

mächtiger König,

ein Arzt aus Salerno,

dem eure Ehre wichtig ist,

wie allen Anderen dort,

ob jung oder alt.

Stößt Euch etwas zu,

würden sie es nicht überstehen.

Herr, ich war in Salerno,

weil ich Euch helfen möchte,

von eurem Leiden loszukommen.

Ich weiß genau, dass Euer ganzer Schmerz

im Kopf sitzt, was es auch sein mag.

Meister Bendin gebietet Euch,

nicht zu vergessen,

täglich diese Heilkräuter zu essen,

die er Euch gesandt hat."

(V. 1874-1889 RF)


Wie auch in den vorangegangenen Avienturen und in den Episoden mit dem Wolf überzeugt Reinhart allein durch seine Schmeicheleien und leere Versprechungen. Obwohl der Löwe den Fuchs zuvor noch zum Tode verurteilen wollte, vertraut er ihm nun bedingungslos und hat trotz der unzähligen Listen Reinharts keine Zweifel an dessen Intentionen. Auf diese Weise gelingt es dem Fuchs, sich in übelster Weise an allen seinen Feinden zu rächen. Auffällig ist hierbei, dass genau diejenigen, welche sich im Laufe des Gerichtsprozesses gegen ihn gewendet haben, ihr Leben lassen müssen. Jeder Einzelne, der sich über ihn beklagt hat oder ein Urteil gegen ihn ausgesprochen hat, muss nun dafür büßen.

Der folgenden Tabelle ist zu entnehmen, in welcher Weise die einzelnen Tiere für welche Tat(en) bestraft/ geopfert werden:

Verrat an Reinhart Reinharts Rache
Isengrin klagt über Reinhart (V.1409-1412 und V.1847-1849 RF), er fordert seinen Tod (vgl.V.1756 RF) dem Wolf wird die Haut abgezogen (vgl.V.1897-1898 RF)
Brun ist Isengrins Fürsprecher (vgl.V.1376-1385 RF), er klagt über Reinhart (vgl.V.1612-1618 und V.1850 RF) dem Bären wird das Fell abgezogen (vgl.V.1899 RF)
Diepreht klagt über Reinhart (V.1735-1742 RF) dem Kater wird ebenfalls das Fell abgezogen (vgl.V.1992)
Frau Pinte (und ihr Mann Scantecler) klagen über Reinhart (vgl.V.1467-1473 und V.1857-1862 RF) die Henne wird gekocht (vgl.V.1936)
der Eber verkündet ein Urteil zu Ungunsten Reinharts (vgl.V.1751-1755 RF) vom Eber wird der Schinken benötigt (vgl.V.1937 RF)
Randolt fällt ein Urteil zu Ungunsten Reinharts (vgl.V.1416-1432 RF), er bestätigt Reinharts Todesurteil (vgl.V.1633 RF) vom Hirsch wird ein Gürtel aus Leder benötigt (vgl.V.1951 RF)
der Biber fällt ein Urteil zu Ungunsten Reinharts (vgl.V.1624-1628 RF) dem Biber wird das Fell abgezogen (vgl.V.1982 RF)


Im Gegensatz zu den bisher genannten Tieren haben sich der Elefant und das Kamel nicht gegen Reinhart gestellt. Sie haben sich wie auch Krimel für ein faires Urteil gegenüber Reinhart eingesetzt. Trotzdem werden sie von Reinhart - unter dem Vorwand, belohnt zu werden - schwer zugerichtet, wie der folgenden Tabelle zu entnehmen ist:

Elefant Kamel
Er soll das Land Böhmen bekommen (vgl.V.2101-2102 RF) Sie soll die Abtei Erstein bekommen (vgl.V.2122-2123 RF)
Dort wird er "zerbleut" (V.2113 RF) Dort wird sie "auf den Tod geprügelt" (V.2151 RF)


Zuletzt widmet Reinhart sich dem Löwenkönig; dieser muss ebenfalls mit seinem Leben bezahlen. Wie auch die Tiere in Tabelle 1 hat Vrevel sich während des Gerichtsprozesses wiederholt gegen Reinhart gestellt und dessen Tod gefordert. Als Rache dafür vergiftet Reinhart ihn mithilfe eines angeblichen Heiltranks. Das Gift sorgt dafür, dass sein "Haupt [] sich in drei Teile [] spaltet[]" und "seine Zunge [] in neun [Stücke] zerf[ällt]" (V. 2243-2244 RF).

Reinharts Ziele sind eindeutig Rache und eventuell Machtgewinn (durch den Sturz des monarchischen Oberhauptes). Allemal fallen diese Handlungsziele nicht unter das Recht auf Selbsterhaltung. Man könnte argumentieren, dass Reinhart nur seinem Todesurteil entkommen wollte, allerdings sollte wohl klar sein, dass ihm das auch auf andere Weise möglich gewesen wäre. Der Kollektivmord ist definitiv keine reine Überlebensstrategie. Anhand der Systematik seiner Taten liegt es nahe diese als Racheakt anzunehmen. [Hübner 2016:S.92]

geschichtlicher Hintergrund

In der Hoftagsepisode finden sich neben der allgemeinen Kritik an der Monarchie und der adligen Gesellschaft auch Anspielungen auf historische Ereignisse und Charaktere aus dem Kreise der Staufer.

Dabei ist vor allem König Heinrich VI eine zentrale Person. Der Stauferkönig war zwischen 1169 und 1191 römisch-deutscher König bzw. Kaiser des Römischen Reiches.[2] Zahlreiche Elemente, die im Zusammenhang mit dem Hoftag auftreten weisen Parallelen zum Lebenslauf des Königs auf. So z.B. der Schüttelfrost des Hasen, der frühe Tod des Königs oder die Beschenkung der Olbente.

Auffällig sind auch gewisse charakterliche Ähnlichkeiten zwischen dem Löwenkönig und dem einstigen Stauferkönig Heinrich VI. Beide zeichnen sich einerseits durch ihre tyrannische und barbarische Art aus, während sie andererseits durch ihre Feigheit und durch Naivität auffallen. Vrevel, der nicht fähig ist, Entscheidungen zu treffen ohne sich den Rat seiner Untertanen einzuholen, und sich von allen Seiten beeinflussen lässt und Heinrich VI, der ebenfalls für sein grausames Verhalten bekannt ist. Vor allem im Bezug auf die Politik, die er in Italien praktizierte wurde er oftmals kritisiert. Karl Hampe manifestierte dieses Urteil später, indem er Heinrich als grausamen, einzig der Staatskunst zugewendeten Herrscher beschrieb, der für „Gefühlswerte unzugänglich“ gewesen sei. Dennoch muss festgehalten werden, dass der Löwenkönig nicht mit Heinrich VI gleichgesetzt werden darf, man sollte diese Parallelen vielmehr als Anspielungen und nicht als Abbildung verstehen.

Zudem lassen sich Bezüge zu konkreten historischen Ereignissen herstellen. So z.B. die Belohnung des Kamels aus Thuschalan:

Als Dank für deren Treue gegenüber Reinhart bittet der Fuchs den Löwen, ihr die Abtei Erstein zu vermachen. Was vorerst als Nettigkeit verstanden werden kann entpuppt sich allerdings nur als eine weitere List Reinharts. Die "Äbtissin" wird von den Nonnen in brutaler Weise niedergemacht und vertrieben, da diese nicht über die Schenkung informiert wurden.(vgl. V. 2122-2154 RF) Eine ähnliche Situation gab es im Jahr 1911 tatsächlich: König Heinrich VI überließ dem Bischof von Straßburg die Abtei Erstein, musste dieses Angebot allerdings ein Jahr später wieder zurückziehen.[3] Wie auch das Kamel steht er schlussendlich ohne „Gewinn“ da und fühlt sich vom König betrogen.

Zu guter Letzt herrscht Uneinigkeit darüber, ob auch der Gifttod Vrevels historische Hintergründe hat. Gerüchten zufolge soll auch der Stauferkönig Heinrich, welcher bereits im Alter von 32 Jahren starb, vergiftet worden sein. Die weiter verbreitete Information ist jedoch die, dass dieser an Malaria starb.[4] Es könnte sich auch hierbei um eine weitere Anspielung auf den König handeln. Das würde allerdings bedeuten, dass der Tierepos erst nach 1197 entstanden sein könnte.

Neben dieser Reflexion und den Anspielungen auf tatsächliche Geschehnisse könnte der „Reinhart Fuchs“ auch als eine Art Warnfabel interpretiert werden. Sie könnte sich an Philip von Schwaben, den Nachfolger Heinrichs richten, welcher Ende des 12. Jahrhunderts die Burg Erstein zerstörte.[5]

In jedem Fall ist historisch betrachtet ein deutlicher Bezug zur Stauferzeit, und geographisch ein Bezug zum elsässischen Gebiet erkennbar.


vgl.[Ruh 1980: S. 27-29]

Funktion des Hoftags

Steigerung / Spannung

Bezogen auf den Gesamtkontext des Tierepos, nimmt der Hoftag eine wichtige dramaturgische Rolle ein. Die Geschehnisse rund um die Gerichtsverhandlung dienen der dramatischen Steigerung der Handlung. Der bereits vom ersten Teil des Epos ausgehende Konflikt zwischen Fuchs und Wolf, sowie denen mit seinen übrigen Antagonisten, spitzt sich immer weiter zu, bis das Ganze schließlich in einer Katastrophe endet. Konkret schlägt sich diese Katastrophe in der Vernichtung der Monarchie und dem Sturz des Königs nieder. Durch die Verlagerung der Hoftagsepisode auf das Ende der „Fabel“ steht die Schwachstelle monarchischen Handelns im Fokus (vgl. [Neudeck 2017]).

Auch Die Boshaftigkeit Reinharts steigert sich im Vergleich zu den vorangegangenen Szenen: Während der Fuchs den anderen Tiere im ersten Teil der Fabel hauptsächlich körperlichen Schaden zufügt und diese blamiert, um einen Vorteil davon zu tragen, greift er im Hoftagsteil zu noch härteren Mitteln - und zwar aus reiner Rache. Ein Großteil seiner „Feinde“ (wie z.B. die Henne Pinte) muss mit dem Leben bezahlen oder wird zumindest lebensgefährlich verletzt. Für Reinhart selbst sind diese Listen, anders als zuvor, kein Mittel zum Zweck sondern lediglich eine Demonstration seiner Überlegenheit. Somit hat sich auch die Intention seiner Taten zum Negativen "gesteigert".


Kritik an der Monarchie

„Rücksichtsloser Machtgebrauch, bloß äußerliche Rechtlichkeit, bestechliche Gerechtigkeit, königliche Treulosigkeit bestimmen die öffentlichen Verhältnisse im Tierstaat.“(Bertau) [Neudeck 2017: S.22]

Dieses Zitat beschreibt ziemlich treffend die Problematik bezogen auf die Herrschaft des Königs, die mit dem Hoftag thematisiert wird. Im Folgenden wird auf die einzelnen Aspekte der Aussage näher eingegangen:

Bestechlichkeit

Reinhart lässt sich vom Ameisenkönig bestechen. Er gewährt der Ameise ihr Leben und wird im Gegenzug zum Herrscher des Ameisenvolkes (vgl. V. 2060-2064 RF). An dieser Episode wird erkennbar, wie leicht sich die Tiere im Reinhart Fuchs bestechen lassen.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
wilt dv mich genesen lan,

ich laze dich in diseme walde min

vber tvsent bvrge gewaltic sin.'

Wenn du mich leben lässt,

lasse ich dich in meinem Wald

über tausend Burgen herrschen."

(V.2060-2062 RF)

Treulosigkeit und Rücksichtslosigkeit

Der König opfert seine treuen Untertanen als er erfährt, dass er dadurch geheilt werden kann. Nachdem der vielfach angeklagte Fuchs als Arzt verkleidet am Hof erscheint und vom König erwartet, einige seiner Untertanen zu opfern, scheint dieser nicht einmal mit der Wimper zu zucken. Ohne Umschweife fordert er das Fell von Bär und Co. Es wird deutlich, dass die Treue gegenüber seinem Volk in dem Moment Geschichte ist, in dem es um sein eigenes Überleben geht. Auch Reinharts Treulosigkeit darf dabei nicht außen vor gelassen werden. Der listige Fuchs ist der Inbegriff der Treulosigkeit. Das wird unter anderem durch seine Rache an Kamel und Elefant deutlich, welche sich zuvor für ihn eingesetzt haben. Obwohl die beiden Tiere einen Beitrag zu Reinharts Überleben geleistet haben, kommt er nicht auf die Idee, ihnen zu danken, sondern bestraft sie vielmehr noch dafür (vgl. Rache an Elefant und Kamel).

Schein von Rechtlichkeit

Durch die Einberufung des Hoftags kommt der König seiner Pflicht Gericht zu halten nach. Zumindest die anfänglichen Ereignisse am Hof sind von einer gewissen Rechtmäßigkeit geprägt. Indem der König sich wiederholt den Rat seiner Untertanen einholt, gibt er zumindest vor, rechtens zu handeln, wie man anhand der folgenden Zitate erkennen kann.

"Er fragte sogleich den Biber, was jetzt rechtens sei." (V. 1622-1623 RF)

"Er wandte sich an den Eber mit der Bitte, dass er ihm seine Meinung sage, was nun Recht wäre [...]." (V. 1746-1748 RF)

Jedoch wird deutlich, wie fragil und sprunghaft diese Rechtlichkeit ist: Vrevel ändert wiederholt seine Meinung bezüglich des Strafverfahrens Reinharts. Nachdem der König Isengrins Klage zu Beginn der Verhandlung angehört hat, fordert er umgehend den Tod des Fuchses. Anschließend erfährt er vom Kamel, dass Reinhart zuerst dreimal vorgeladen werden muss, andernfalls wäre das Urteil rechtswidrig. Der König stimmt dem zu, ändert seine Meinung jedoch, als er Scanteclers Klage hört. Der gesamte Gerichtstag ist von den sprunghaften Meinungsänderungen des Königs geprägt, wodurch seine vorgegebene Rechtlichkeit in Frage gestellt wird. Zudem ist die vorgetäuschte Gesetzestreue nicht von Bestand. Mit dem Eintreffen Reinharts verschwindet jegliche Bemühung der Rechtstreue aufseiten des Königs. Es kommt ihm nun nicht mehr darauf an, ob der Tod der Tiere gerechtfertigt ist.


Die Hoftagsepisode kann somit als eine Art „versteckte“ politische Kritik an der Monarchie angesehen werden. Die Legitimität dieser Herrschaftsform wird besonders durch die problematische Figur des Königs in Frage gestellt. Er allein verfügt über das Herrschafts-/ Gewaltmonopol. Für Reinhart ist es somit ein leichtes Spiel, seine Listen durchzusetzen. Er braucht lediglich das Vertrauen des Löwen zu gewinnen und sich dessen Machteinfluß zu eigen zu machen.

Das „wahre“ Wesen der Tiere wird aufgedeckt

Der Löwe Vrevel

Der Löwenkönig wird von Beginn an als problematische Figur dargestellt. Er handelt brutal und rücksichtslos und scheint dabei keine Kontrolle über sich selbst zu haben (vgl. Ameisenepisode V. 1257-1266 RF). Allerdings wird dieser Eindruck zumindest kurzzeitig verworfen, indem er seinen Pflichten nachkommt und einen Hoftag einberuft und auch indem er anfangs vorgibt, gesetzeskonform handeln zu wollen. Trotzdem wird weiterhin deutlich, wie sehr er auf Rat und Hilfe des Volkes angewiesen ist und somit auch wie leicht er zu beeinflussen ist. Eine weitere negative Eigenschaft neben der Brutalität ist sein Egoismus. Dieser wird letztendlich durch seine Krankheit zum zentralen Problem aller Tiere. Seine Gesundheit und sein persönliches Wohlbefinden stehen über dem seiner Untertanen. Er handelt ausschließlich in seinem eigenen Interesse und führt auf diese Weise ungewollt bzw. unüberlegt den Tod seines Volkes herbei.

die anderen Tiere

Aber auch das Wesen der anderen Tiere wird aufgedeckt. Zu Beginn des Hoftages geben Bär, Kater und Co. vor, gerecht und uneigennützig zu handeln. Sie fordern lediglich einen gerechten Ausgleich für das Leid, das ihnen durch Reinhart zugefügt wurde. Jedoch wird im Laufe des Gerichtsverfahrens wiederholt deutlich, dass auch ihr Verhalten zum Teil fehlerhaft und unmoralisch ist (vgl.[Ruh 1980: S.31]). Dies soll im Folgenden anhand von drei ausgewählten Figuren exemplarisch dargestellt werden.

Bär

Der Kaplan lässt sich aufgrund seiner Habgier von seiner eigentlichen Mission abbringen. Er soll den Fuchs lediglich dazu bringen, ihn zum Hoftag zu begleiten, doch das Angebot von Honig kommt ihm in die Quere:

Mittelhochdeutsch Übersetzung
,Einen bvom waiz ich wol,

der ist guotis honiges vol.'

,nu wol hin, des gerte ih ie.'

"Ich kenne einen Baum,

der voll mit gutem Honig ist."

"Dann los, darauf war ich schon immer scharf!"

(V. 1537-1539 RF)

Kater

Dieprehts Lasterhaftigkeit kommt ans Licht, als Reinhart ihm ein Haus voller Mäuse verspricht.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
ich gebe dir gerne des ih han:

ich han hie ein ode hus,

da han ich inne manige mus

gehaltin minin gestin,

da nim dv dir die bestin.'

[…]

Diebrehte wart ze der spise ze ga.

ich gebe dir gerne, was mir gehört:

ich kenne hier ein verlassenes Haus,

in dem halte ich viele Mäuse

für meine Gäste;

nimm dir nur die Besten davon."

[…]

Diepreht hatte allzu großen Appetit auf die Mahlzeit.

(V. 1682-1690 RF)

Ameisenkönig

Auch der scheinbar rechtsschaffende Ameisenherr handelt gesetzeswidrig, indem er Reinhart besticht, um sein eigenes Leben zu retten (V. 2060-2062 RF) (vgl."Kritik an der Monarchie").

Somit wird deutlich, dass fast alle Tiere eigennützig handeln, indem sie zuerst an sich und ihr eigenes Leben denken. Anders als Reinhart ist ihr lasterhaftes Verhalten größtenteils triebgesteuert. Hinzu kommt häufig die Naivität und die Eitelkeit der einzelnen Charaktere, welche durch Reinharts Schmeicheleien hervorgerufen und provoziert werden (vgl. [Hübner 2016:S.92-93]).


Fazit

Die Geschehnisse im Rahmen des Hoftages kreisen weiterhin um den Fuchs, den Wolf und die übrigen Gegenspieler Reinharts. Allerdings hat sich der Fokus vom alltäglichen Leben in der heimatlichen Umgebung der Tiere zum königlichen Hof und den damit verbundenen Themen verschoben. Anhand dieses Artikels wird die wichtige Funktion des Hoftages deutlich. Wie bedeutend dieser Teil des Epos ist, zeigt sich auch an der Tatsache, dass der Reinhart Fuchs oftmals als "Hoftagsfabel" bezeichnet wird. Die Geschehnisse, die dem Hoftag vorangehen sind zwar ein wichtiger Bestandteil des Werkes, zumal sie die Grundlage für die Handlung am Hoftag bilden, ohne die es keinen Grund gäbe, den Fuchs zu vorzuladen und zu verurteilen. Der zentrale Konflikt spielt sich letztendlich aber am Hoftag selbst ab. Die Ereignisse spitzen sich zu und finden schließlich ein brutales Ende. Zuvor angerissene Themen, wie die Überlegenheit des Fuchses gegenüber den anderen Tieren und die damit verbundene Machtthematik werden hier aufgegriffen und verdeutlicht. Es zeigt sich, dass es nicht unbedingt auf körperliche und systembedingte Vorteile, sondern vor allem auf geistige Überlegenheit ankommt.

Dieser Teil des Tierepos hat zudem eine wichtige außertextliche Funktion. Neben der konkreten Handlung dient der Text als politische, wie auch geschichtliche Reflexion. Heinrich der Glîchezâre, welcher selbst zur Zeit der Staufer gelebt hat, spielt auf damalige Verhältnisse an und übt Kritik an der adligen Gesellschaft indem er deren Verhalten „unter der Tiermaske“ [Neudeck 2017:S.11] darstellt. Durch den finalen Sieg Reinharts wird deutlich, wie problematisch eine monarchische Herrschaftsform sein kann, wenn die falschen Personen an der Spitze sind. Doch nicht nur der König sondern auch die anderen Tiere, welche die adlige Gesellschaft repräsentieren, zeichnen sich durch fragwürdiges Verhalten aus.

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences />

  • [*Ruh 1980] Ruh, Kurt: Reinhart Fuchs: Eine antihöfische Kontrafaktur, 1980

<HarvardReferences />

  • [*Neudeck 2017] Neudeck, Otto: Fuchs und seine Opfer, 2017

<HarvardReferences />

  • [*Hübner 2016] Hübner, Gert: Schläue und Urteil, 2016
  1. Alle Versangaben, sofern nicht anderweitig gekennzeichnet beziehen sich auf Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg., übers. und erläutert von Karl-Heinz Göttert, bibliographisch ergänzte Ausg., Stuttgart 2005 (Reclams Universal-Bibliothek 9819)
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_VI._(HRR)(Zugriff:16.2.21)
  3. http://www.manfred-hiebl.de/genealogie-mittelalter/egisheim_grafen_von/erstein_abtei.html (Zugriff: 5.1.21)
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_VI._(HRR) (Zugriff: 13.2.21)
  5. https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_von_Schwaben (Zugriff: 13.2.21)