Gewalt bei Neidhart
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In WL 10, VIa, V. 7-11 heißt es:[1]
Mittelhochdeutsch | Übersetzung | |
ich slahe in, daz er tumber | Ich schlüge ihn, sodass der Törichte | |
schouwet nimmer lieht. | nie wieder Licht erblicken würde. | |
ich hilf im des lîbes in den aschen | Ich befreie ihm seinen Leib in die Asche | |
und slah im mit willen eine vlaschen, | und schlage ihn mit Gefallen mit einer Flasche, | |
daz im die hunt daz hirne ab der erde müezen naschen. | sodass ihm die Hunde das Hirn von der Erde naschen können. | |
Wie auch schon beim Lesen dieses beispielhaften Auszugs des Winterliedes 10 ersichtlich wird, sind die Lieder Neidharts in besonderem Maße von Gewalt geprägt. Sei es wie in diesem Falle die blutrünstige und grobe Gewalt, die die dörper untereinander und auch gegenüber dem Sänger aufbringen oder die grausame Gewalt, die die Minne über den ergebenen Sänger ausübt. Auch die Natur birgt eine gewisse Gewalt, indem ihre Jahreszeiteneinbrüche mit den damit einhergehenden Naturgewalten nicht nur die Lebewesen des Waldes dominieren, sondern auch einen großen Einfluss auf die Menschen haben. Dies sind nur einige der Beispiele, anhand derer sich unterschiedliche Formen der Gewalt in den Liedern Neidharts ausmachen lassen.
Dieser Artikel befasst sich mit ebendiesen Darstellungen der Gewalt. Vor einer Analyse der Gewalt wird das zugrundeliegende Verständnis des Gewaltbegriffs in seinen unterschiedlichen Formen, Kategorien und Motivationen näher betrachtet und definiert. Daraufhin werden die einzelnen Aktanten oder Kontexte analysiert, in denen es zu einer Ausübung von Gewalt kommt. Betrachtet werden im Zuge dessen der Sänger, die Minne und die vrouwe, die dörper und schließlich die Natur. Hierbei werden anhand exemplarischer Stellen der Lieder die Formen, Kategorien, Motivationen und Funktionen der Gewalt herausgearbeitet. Die Analyse soll dabei jedoch nicht nur auf einer inhaltlichen Ebene verweilen, vielmehr soll auch die Medialität angesprochen werden. Aus der durchgeführten Analyse ergeben sich hinsichtlich der Lieder und der Funktion der Gewalt diverse Interpretationsansätze, die im vorletzten Teil dieses Artikels angesprochen werden. In einem Schlussartikel, der diesen Artikel abrundet, werden die Analyseergebnisse nochmals resümiert und Impulse zu weiterführenden Betrachtungen gegeben.
Definition des Gewaltbegriffs
Der Begriff der Gewalt hat im Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen, die diverse Möglichkeiten der Gewaltausübung implizieren. Des Weiteren kann die Gewalt in unterschiedlichen Formen ausgeübt und auch unterschiedlich kategorisiert werden, was viel über das Verhältnis zwischen dem Gewaltausübenden und dem Opfer der Gewalt verrät.
Bedeutungen des Begriffs der Gewalt
Beim Begriff der Gewalt gilt es drei grundlegende Bedeutungen zu unterscheiden, die allesamt im Sprachgebrauch unter den genannten Begriff fallen.
Violentia
Zunächst bezeichnet der Begriff Gewalt einen Verstoß gegen das Recht und die Sitte. In diesem Fall wird ein Zwang auf eine oder mehrere Personen ausgeübt. Dieser Zwang kann entweder psychischer oder physischer Natur sein. Auf die unterschiedlichen Formen der Gewalt wird im weiteren Verlauf dieses Kapitels näher eingegangen. Um im Verlauf des Artikels Evidenz darüber zu haben, welche der Bedeutungen die thematisierte ist, wird diese Bedeutung der Gewalt im Folgenden mit dem lateinischen Begriff Violentia versehen.[Merten 1999: 13]
Potestas
Des Weiteren kann der Begriff Gewalt als Synonym von Macht, Befugnis oder auch Herrschaft verwendet werden.[DWDS] Folglich bezeichnet der Begriff die ungleiche Relation zwischen Parteien, die von Superiorität geprägt ist. Die Partei, die über die Herrschaft oder die Macht verfügt, setzt sich gegenüber der anderen involvierten Partei durch. Diese Bedeutung von Gewalt bezeichnet somit die Struktur zur Realisierung von Zwang und nicht den Zwang selbst. Im weiteren Verlauf des Artikels wird diese Bedeutung des Begriffs Gewalt fortan mit seiner lateinischen Entsprechung Potestas betitelt.[Merten 1999: 13]
Kraft
Schließlich kann der Begriff Gewalt gleichermaßen verwendet werden, um von großer Kraft oder einem hohen Maß an Stärke zu sprechen. Meist wird dies in Verbindung mit der Natur oder auch deren Naturgewalten verwendet.[Merten 1999: 13 f.]
Formen der Gewalt
Gewalt löst stets unterschiedliche Arten von Schmerz aus. Anhand dieser Schmerzen und den Folgen der Gewalt lässt sich ebendiese in ihre unterschiedlichen Formen differenzieren. Hier werden lediglich die Formen der Gewalt aufgelistet und näher definiert, die im weiteren Verlauf des Artikels von Importanz sind.
Physische Gewalt
Bei dieser Form der Gewalt handelt es sich um meist personelle, unmittelbare und gewalttätige Handlungen,[Gudehus 2013: 2] die vorsätzlich darauf abzielen, die körperliche Unversehrtheit eines Menschen zu beschädigen.[Gudehus 2013: 340]
Psychische Gewalt
Anders als die physische Gewalt zielt diese Form der Gewalt darauf ab, seinem Opfer seelisch-emotionale Schäden zuzufügen.[Gudehus 2013: 340]
Strukturelle Gewalt
Bei derartigen Formen der Gewalt handelt es sich um Machtaktionen, die für dauerhafte und transpersonelle Unterwerfung sorgen.[Gudehus 2013: 340f.]
Kategorien der Gewalt
Schließlich lassen sich die unterschiedlichen Gewaltbegriffe und ihre Formen in unterschiedliche Kategorien einteilen. Diese Kategorien setzen gleichermaßen den Täter und das Opfer miteinander ins Verhältnis.
Lozierende Gewalt
Bei dieser Gewaltkategorie soll ein Körper, der sich an einem Ort befindet, aus dem Weg geschaffen werden, damit der Täter sein angestrebtes Ziel erreichen kann. [Gudehus 2013: 2]
Raptive Gewalt
Eine derartige Ausübung von Gewalt zielt nicht auf das Erreichen von etwas ab, vielmehr will der Täter seinem Opfer etwas antun, es demütigen, verletzen und zerstören.[Gudehus 2013: 2]
Autotelische Gewalt
Die letzte Kategorie, in die sich Gewalt differenzieren lässt, verfolgt keine bestimmten Ziele, wie beispielsweise Erniedrigung oder das Erreichen von Etwas, die sich in zu- oder gar um- Formulierungen verfassen lassen. Diese Gewalt wird ausgeführt, weil es die Möglichkeit dazu gibt. Die Gewalt selbst gibt dem Täter den nötigen Anreiz, den es bedarf, um sie auszuführen, da das Verletzen per se den Sinn der Handlung darstellt. Anders als im Falle der zuvor genannten Kategorien ist diese Gewalt folglich weder extern noch intern motiviert.[Gudehus 2013: 2]
Gewalt bei Neidhart
Nach der ausführlichen Definition des Gewaltbegriffs wird im Folgenden auf die unterschiedlichen Aktanten in den Liedern Neidharts eingegangen werden. Dabei wird zunächst ermittelt, ob es sich bei deren Gewalt um Violentia, Potestas oder Kraft handelt. Anschließend werden die Formen und Kategorien der Gewalt ermittelt. Unter Berücksichtigung der Relationen wird unter Verwendung von geeigneten Liedpassagen darauf eingegangen, welche Funktionen die Gewalt in den Liedern erfüllen.
Der Sänger
Die Minne und die vrouwe
Die dörper
Die Welt der dörper zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass Konflikte – mit dem Sänger, oder auch innerhalb der Gruppe – oft mit Hilfe von Gewalt gelöst werden. Dabei bedrohen beispielsweise einzelne oder mehrere dörper das Sänger-Ich und greifen dieses an. Grund dafür ist zumeist das Konkurrieren mit dem Sänger um ein und dieselbe Frau. Die dörper-Figuren "sind jedoch auch untereinander zerstritten sowie gewalttätig, ohne dass eine konkret greifbare Konkurrenz als Motivation erscheint" [Haufe 2003: 115].
Die Natur
Interpretationsansätze
Schlussbemerkung
Anmerkungen
- ↑ Angaben im Folgenden nach [Neidhart]. Die Winterlieder werden im Verlauf dieses Artikels mit der Sigle WL versehen werden, während die Sommerlieder mit der Sigle SL versehen werden.
Bibliographie
Primärliteratur
[*Neidhart] Die Lieder Neidharts wurden der folgenden Quelle entnommen:
Neidhart: Die Lieder Neidharts, hg. von Edmund Wießner, fortgeführt von Hanns Fischer, revidiert von Paul Sappler und dem Melodienanhang von Helmut Lomnitzer, 5. verbesserte Auflage, Tübingen 1999 (Altdeutsche Textbibliothek 44).
Sekundärliteratur
<HarvardReferences />
- [*Merten 1999] Merten, Klaus: Gewalt durch Gewalt im Fernsehen?, Opladen, Wiesbaden 1999.
- [*DWDS] https://www.dwds.de/wb/Gewalt, 16.02.2021.
- [*Gudehus 2013] Gudehus, Christian und Christ, Michaela: Gewalt. Ein interdisziplinäres Handbuch, Darmstadt 2013.
- [*Haufe 2003] (Woche 07)