Dörperliche Sommerlieder am Beispiel von c 34 (Neidhart)
Ein interessanter und wichtiger Liedtypus des Neidhartschen Œuvres sind die dörperlichen Sommerlieder (Aus der Typologie der Lieder nach Schweikle). Diese weichen von der typischen Einteilung der Lieder Neidharts in Sommerlieder und Winterlieder ab, da hier typische Eigenschaften der dörper, die hauptsächlich aus den Winterliedern bekannt sind, in eine sommerlichen Umgebung eingebettet werden, in der sich normalerweise die meist fröhlichen Handlungen der Sommerlieder abspielen. Ein Beispiel für ein dörperliches Sommerlied, in welchem das dörperliche Treiben zu gewalttätigen Auseinandersetzungen ausartet, ist das Lied c 34. In diesem Artikel soll das Lied c34 analysiert werden, um beispielhaft die Machart eines dörperlichen Sommerliedes aufzuzeigen. Zudem wird das Lied in Bezug zu den Typologien der Lieder Neidharts insbesondere von Ruh[1] und Schweikle[2] gesetzt, um eine Antwort auf die Frage zu erhalten, wie der Liedtypus des dörperlichen Sommerliedes im Rahmen der Typusfrage zu klassifizieren beziehungsweise zu behandeln ist. Abschließend soll der Versuch einer Bewertung der Bedeutung der Typologien der Lieder Neidharts für Mischtypen wie die dörperlichen Sommerlieder gemacht werden.
Charakterisierung der dörperlichen Sommerlieder nach Schweikle
Bei der Kategorie der dörperlichen Sommerlieder nach der Kategorisierung von Schweikle[3] handelt es sich struktural um Erzähllieder, in welchen das charakteristische Verhalten der dörper gerächt wird.[4] Damit sind etwa die Prügeleien, die Dummheit und die Angebereien der dörper gemeint. Normalerweise sind die aggressiven, lauten und mitunter auch gewaltsamen Auftritte der dörper eher eine Thematik der Winterlieder. Manchmal sind diese jedoch auch in Neidharts sommerlichen Liedern zu finden. Wenn dies der Fall ist, dann spricht man vom Liedtypus der dörperlichen Sommerlieder. Die dörperlichen Sommerlieder haben ihren Ursprung im Sommerlied 22, das ebenfalls aus dem Neidhartschen Œvre stammt. Der zentrale Inhalt des Sommerlieds 22 ist die sogenannte Spiegelepisode. In vielen Winterliedern, wie auch in einigen Sommerliedern, wird dieses Lied als Bezugspunkt für Klagen über den Sittenzerfall [5]genutzt. In der Spiegelepisode geht es um den dörper Engelmâr, der der jungen Frau Vrîderun gewaltsam ihren Spiegel raubt, welcher dabei zerbricht. Im weiteren Verlauf des Liedes werden der Schmerz des Sängers und auch der Schmerz des Mädchens beschrieben. Das Leid des Sängers macht diesen jedoch zum Feind der dörper.[6]. Diese Spiegelraubepisode wird in vielen Liedern Neidharts erwähnt, zum Beispiel in Lied c 13 und in Lied c 33, die ebenfalls aus dem Neidhartschen Œvre stammen. Nach dem ursprünglichen dörperlichen Sommerlied 22 sind dann noch viele weitere dörperliche Sommerlieder entstanden. Beispiele dafür sind c 1, c 2, c 6, c 12, c 16, und c 41. Auch das Lied c 34, das in diesem Artikel behandelt werden soll, gehört zu den dörperlichen Sommerliedern, in welchen das Treiben der dörper in zunehmend gewaltsame Auseinandersetzungen ausartet.
Typologien der Neidhartlieder
Nach Schweikle
Im Folgenden beziehe ich mich auf die Ausführungen von Günther Schweikle aus dem Jahr 1990.
Nach Ruh
Im Folgenden beziehe ich mich auf die Ausführungen von Kurt Ruh aus dem Jahr 1986. Eine weitere Typologie, die von Ann-Kathrin Bleuler im Jahr 2008 erstellt wurde klammere ich aus, da diese einen anderen Ansatz verfolgt als die Typologien Schweikles und Ruhs. In seiner Typologie der Lieder Neidharts unterscheidet Ruh, wie Schweikle auch, zwischen den Grundformen Sommerlied und Winterlied. Die Einteilung der Lieder in Winterlieder und Sommerlieder differenziert und spezifiziert er jedoch noch weiter. Er betrachtet dabei die Aspekte Natureingang, Thematik, Minneschema, Sängerrolle, Rolle der vrouwe und die dörper-Rolle, wobei er beim Aspekt Natureingang noch weiter differenziert zwischen dem Umfang, der Sprecheridentität, der Motivik und der Funktion. Am Aspekt der Thematik betrachtet Ruh insbesondere die szenischen Elemente und bei den verschiedenen Figurendarstellungen betrachtet er die konstanten und unterschiedlichen Ausprägungen der Sänger,- vrouwen,- beziehungsweise dörper-Rolle.[7]
Inhaltsübersicht Lied c34
Das Lied wird mit einem Sommereingang eingeleitet. Es wird beschrieben wie der Frühling die Natur neu erblühen lässt. Der Sänger drückt aus, dass er trotz des schönen Frühlings leidet. "Er ist hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Verzagen."[8] Seine Geliebte weist ihn zurück und noch dazu hindern ihn die dörper an seinem Werben. Der Sänger zeigt in seinem Gesang seinen Unmut gegenüber den Bauern und spricht Verwünschungen aus. Dabei hat er einerseits gewaltvolle Phantasievorstellungen, die seine Wünsche ausdrücken, andererseits beschreibt er das Verhalten der Bauern und verurteilt dieses.
Übersetzung
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
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I | |
Ir schauet an den lenzen guot | Schaut euch den guten Frühling an |
wie er die veld beklaidet hât | wie er die Welt gekleidet hat |
und der may mit rechter pluot | und der Mai mit Blüten, wie es sich gehört |
perg und tal in grüene stât | Berg und Tal stehen in Grün |
die warn in dem kalten schne erplichen | die waren in dem kalten Schnee erblichen |
das haben uns die pluomen abgestrichen | das haben uns die Blumen abgestreift |
die wurzen saftig wollent sein | die Kräuter wollen saftig sein |
ey süeßer luft der winter ist entwichen | ey milde Luft, der Winter ist gegangen |
II | |
Was acht ich denn des mayen zeit | Aber was kümmert mich die Zeit des Mais |
und der pluomen wolgethân | und der Blumen schöne Gestalt? |
an der alle mein freuden leit | Die, an der all meine Freude liegt, |
die will mich verderben lân | die will mich sterben lassen. |
von der ich keines wandels nicht ensinge | Von der singe ich keinen Makel |
des pin ich fro des thuon ich auf gedinge | deshalb bin ich froh, daher habe ich Zuversicht |
ob sie mir wolte gnädig sein | ob sie mir gnädig sein will |
doch irren mich die thumen gattelinge | doch stören mich die törichten Bauern. |
III | |
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Ubermuots ine nie geprast | An Übermut hat es ihnen nie gefehlt |
sie wollen heuer wesen gail | sie wollen in diesem Jahr von wilder Kraft sein |
das ist Hebenstreit und Zerrengast | das sind Hebenstreit und Zerrengast |
ich gewünsch ine nimmer hail | ich wünschen ihnen nie mehr Glück |
das ist Wuntelgôß Unrain und Bereweine | das sind Wuntelgoß, Unrain und Bereweine |
von got in nimmer liechter tag erscheyne | ihnen möge von Gott nie mehr ein heller Tag erscheinen |
wenn ich das sich so pin ich fro | wenn ich das sehe, so bin ich froh, |
daß sie ziehen bey der Thuonau an der leyne | dass sie an der Donau Treideln |
IV | |
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Nach einander ein michel schar | Nacheinander eine große Schar |
ubermuotes ward in puoß | der Übermut machte eine Pause |
zu allerforderst Engelmair | ganz vorne Engelmair |
dem ist vil zu kurz an einem fuoß | dem ist ein Fuß viel zu kurz |
er ist umb seinen denken fuoß gefalzen | er ist um seinen linken Fuß gekommen |
ir schauet vor hin sein hüffehalzen | schaut nur hin auf sein Lahmsein an der Hüfte |
sein hülzer fuoß der strauchet im | sein hölzener Fuß der stolpert ihm |
des muoßtens nach im in die Thuonau walzen | deshalb mussten sie ihn aus der Donau ziehen |
V | |
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Denselben fuoß er rechen will | Denselben Fuß will er rechen |
dornach so stet im sein gedank | danach steht ihm sein Gedanke |
er hat der helfer also vil | er hat ja so viele Helfer |
mit iren waibelruoten lank | mit ihren langen Waibelruten |
die sein mêr dann halbe seine mâgen | die sind mehr als halb so lang wie seine Kraft |
würd im das ander bayn herab geslagen | würde ihm das andere Bein abgeschlagen werden |
daß im geläg sein gogelhait | sodass sein ausgelassenes Wesen zum erliegen käme |
daß man in müeßte heben und auch tragen | sodass man ihn heben und auch tragen müsste |
VI | |
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Und sähe ich das von Hildebolt | Und sähe ich bei Hildebolt |
daß im sein haupt wurd entrant | dass ihm sein Kopf abgeschlagen würde |
das hat er wol umb mich verschuldt | Beispiel |
daß er verlür sein rechte handt | dass er seine rechte Hand verlöre |
damit er hat die pflanzen abgeprochen | mit der er die Pflanzen abgebrochen hat |
des werd ein langer spieß enzway in im gestochen | dass ein langer Spieß in ihm entzweit würde |
daß im belib das lenger ort | Beispiel |
aller erst so wurde ich wol an im gerochen | Beispiel |
VII | |
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Da ist Haug und Eck und Irrenfrid | Da ist Haug und Eck und Irrenfried, |
Leimenzaun und Regenbart | Leimenzaun und Regenbart, |
Cünzel Rinprecht Swent der schmid | Cünzel, Rinprecht, Swent der Schmid, |
Gumpolt Rumpolt Sigenhart | Gumpolt, Rumpolt, Sigenhart |
wann dieselben gên an einem rayen | wenn dieselben einen Reigen tanzen |
der trutz und tratz daß sich thür iemant zwayen | dann droht Feindseligkeit, wenn sich jemand wagt sie zu trennen |
sie sind auß der affen tal | Sie sind aus dem Tal der Affen |
ach wâ gesähe iemant so thumbe layen | ach wo hat jemand je so dumme Ungelehrte gesehen? |
VIII | |
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Doch hett der Damtier gesworn | Doch hätte der Damtier geschworen |
er wölt den rayen brechen enzwaj | er wolle den Reigen entzweien |
er möcht noch lieber sein beschorn | so möchte er lieber eine Tonsur tragen |
begreifet ine der Kotzolday | bekommt ihn der Kotzolday zu fassen |
er wirt von im zuraufet also sêre | wird er ihm so sehr die Haare raufen |
daß im sein swart erkrachet und noch mêre | dass ihm die Schwarte kracht und noch mehr |
und im sein sinn erkücket wirt | und ihm sein Sinn erquickt wird |
daß er den rayen brichet nimmer mêre | sodass er den Reigen nie mehr entzweit |
XI | |
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Eberlein des mayer knecht | Eberlein, des Mayers Knecht, |
und sein vetter Gündelwein | und sein Vetter Gündelwein |
die wolten nie gelauben recht | die wollten nie recht glauben, |
daß sie acker trappen sein | dass sie dumme Bauern sind. |
und tets in noch zu einem mal so zorn | Beispiel |
ja würden sie von adel nie geporn | Beispiel |
irn adel den erkenn ich wol | ihren Adel den erkenne ich wohl |
wann sie den pfluog begreifen bey dem horn | wenn sie den Pflug an der Spitze greifen |
X | |
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Gündelwein der kam alldar | Gündelwein der kam daher |
und wolt schaiden disen streit | und wollte diesen Streit schlichten. |
des nam Ungelimpfe war | Das bemerkte Ungelimpf |
und erzaigt im seinen neidt | Beispiel |
er sluog ine daß er fiel auf seine füeße | Er schlug ihn, dass er auf seine Füße fiel. |
ey daß im got nimmer lônen müeße | Beispiel |
lung und leber von im fellet | Beispiel |
wie mocht er in immer mêre paß gepüeßen | Beispiel |
XI | |
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Ungelimpf dem ward ein slag | Ungelimpf dem wurde ein Schlag gegeben, |
der in an den rücken lait | der ihn auf den Rücken legte |
und er von herzen sêre erkalt | Beispiel |
da man ine durch sein wange schnaidt | als man ihm durch seine Wange schnitt. |
im ward eines durch sein süg gemessen | Ihm war ein Schlag durch sein Maul gezogen |
des wider slagens hett er gar vergessen | sodass er gar vergessen hat zurückzuschlagen |
lung und leber man im zalt | Beispiel |
zwâr mir wäre laid hett ichs versessen | es wäre mir ein Leid, wenn ich das verpasst hätte |
Kommentar
- Eine Schwierigkeit bereitet das Wort süg (Str. XI, V.5). Dieses ist auch in der Handschrift nicht besonders deutlich zu lesen. Das Wort könnte seinen Ursprung im Wort sûgen (saugen) haben und könnte demnach vulgär als Gosch, Maul (Im Sinne von Mund) gemeint sein und übersetzt werden.[9]
- Mit der Weibelruote (Str. VI) ist das Schwert eines Weibels gemeint. Als Weibel wurde in früheren Zeiten ein Gerichtsdiener, Polizeisergeant oder Feldwebel gemeint. Indem die Bauern mit dem langen Schwert des Waibels assoziiert werden, werden sie verspottet, so als ob die Bauern Weibel wären.[10]
- Mit dem Wort beschorn (Str. VIII) ist eine Tonsur gemeint. Damit sagt der Sprecher aus, dass der Beschriebene lieber in einem Kloster sein sollte, als in der jetzigen Situation.[11]
- Im Lied werden viele Namen aufgezählt, etwa Haug, Eck, Irrenfried, Leimenzaun, Cünzel, Gumpolt, Sigenhart, Hebenstreit, Zerrengast, Wuntelgôß, Unrain, Bereweine und viele mehr. Einige davon haben Bedeutungen, in welche man sie übersetzten könnte. Unrain ließe sich etwa in "schmutzig" oder "Drecksau"[12] übersetzen und Bereweine in "Bärwein"[13]. Diese Namen sind möglicherweise mit Absicht so gewählt, um die besagten streitlustigen dörper mit etwas Negativem zu assoziieren. Bei Neidhart finden sich oft bedeutungsträchtige Namen.
- Mit dem "ziehen bei der Tunaw an der leine" (Str. III, V. 7) ist das Treideln gemeint. Dies bezeichnet eine altertümliche landwirtschaftlich-logistische Vorgehensweise, bei welcher Tiere oder Menschen vom Ufer aus zu Fuß ein Boot oder Floß entlangziehen. Hier müssen die Bauern an der Donau treideln und der Sänger ist froh, dass die Bauern mit einer solch schweren Arbeit beschäftigt sind.
- "pflanczen abgeprochen" (Str. VI, V. 5): Dies kann buchstäblich verstanden werden, jedoch auch metaphorisch. Hier findet sich ein typisches Motiv in den Liedern Neidharts wieder, das "Blumen brechen". Dieses Motiv meint die Defloration. Hier sollte also Hildebolt seine rechte Hand verlieren, damit er nicht mehr bei den Mädchen sein Unwesen treiben und "Blumen brechen" kann.
- "das haben uns die pluomen abgestrichen" (Str. I, V. 6): Damit ist gemeint, dass der Teppich aus Blumen den Bergen und Tälern das bleiche und kalte Erscheinungsbild abgestrichen bzw. abgestreift hat.
Analyse
Das Lied c34 aus den Neidhartschen Œvre, auch genannt Der lein oder pflancz kann nach der Kategorisierung von Schweikle den dörperlichen Sommerliedern zugeordnet werden. Es erschien etwa um 1200 und handelt von einem Sänger, der wegen seiner Dame Liebesleid verspürt. Er ist dennoch hoffnungsvoll und singt in seinen Liedern über die positiven Eigenschaften der Dame. Jedoch wird er durch die dörper an seinem Werben gehindert. Daher singt er in negativer Art und Weise über diese. Er beleuchtet dabei ihre tatsächlichen negativen Eigenschaften, singt jedoch auch über seine gewalttätigen Vorstellungen über die dörper, welche rein imaginär sind. Wir finden hier demnach einen Sänger vor, der von Liebesleid so schmerzlich getrieben wird, dass er mit einer Hassrede über die dörper versucht, sein Leiden zu lindern und in diesen einen Sündenbock zu finden.
Nach der Kategorisierung von Ruh und Schweikle lässt sich das Gesamtwerk Neidharts in Sommerlieder und Winterlieder einteilen. Schweikle nennt dabei einige Untergattungen, von welchen eine Untergattung die dörperlichen Sommerlieder sind. Meine These ist, dass die dörperlichen Sommerlieder, so auch das Lied c34, in einem bestimmten Verhältnis zu den Sommer- und Winterliedern stehen. Dabei ist jedoch fraglich, ob die Lieder mehr zu den Winterliedern oder den Sommerliedern tendieren, oder ob sie gar eine ausgeglichene Mischform zwischen den beiden Grundtypen darstellen. Auch ist es möglich, dass die dörperlichen Sommerlieder ein neuer, abzugrenzender Typus sind, die allein, bar jedes Verhältnisses zur Grundunterscheidung betrachtet werden müssen. Neidharts Lieder sind schon in Bezug auf die klassischen Minnesangkonventionen experimentartig, jedoch möchte ich auch in Betracht ziehen, dass die dörperlichen Sommerlieder sich erneut experimentartig von Neidharts klassischen Winterliedern und Sommerliedern abheben, dass man hier möglicherweise von einem „Experiment vom Experiment“ sprechen kann. Diesen Fragen um die besondere Gattung der dörperlichen Sommerlieder soll in dieser Analyse anhand des Liedes c34 nachgegangen werden, indem die Merkmale aus dem Lied herausgearbeitet, untersucht und zu den Merkmalen der Sommerlieder und Winterlieder nach der Kategorisierung von Schweikle und Ruh in Bezug gesetzt werden.
Form
Das Lied c34 besteht aus elf Strophen zu jeweils sieben Versen. Nach dem Normaltakt des mittelhochdeutschen Verses lassen sich in den Versen unterschiedlich viele Hebungen erkennen. Für jede Strophe sieht das Muster an Hebungen fogendermaßen aus: [4,4,4,4,5,5,9]. Vers eins bis vier haben damit jeweils vier Hebungen, Vers fünf und sechs fünf Hebungen und der letzte Vers jeweils neun Hebungen. Das Muster der Taktzahlen (mit vollständigen Takten) sieht folgendermaßen aus: [3,3,3,3,5,5,9]. Hier lassen sich jedoch gelegentlich Abweichungen feststellen. Als Reimschema lässt sich für jede Strophe das Muster [ababccc] erkennen. Demnach liegt in den Strophen ein Kreuzreim vor und daraufhin ein Dreireim. Es handelt sich um Endreime. Reimschema und Taktzahl ergeben zusammen das Metrum. Aufgrund der Hebungen und Senkungen liegt ein alternierender Rhythmus vor. Das Lied 34 hat einen kanzoneförmigen Ton, wobei der Ton die Verbindung aus Strophe und Melodie bezeichnet. Die Strophen bestehen jeweils aus einem Aufgesang, der zwei zweizeilige Stollen enthält, und einem dreizeiligen Abgesang. [14]Für die Kadenzen lässt sich das Muster [m,m,m,m,w,w,w] feststellen. Jedoch gibt es auch hier hin und wieder Abweichungen. Gleich bleibt jedoch, dass die Strophen immer erst mit männlichen Kadenzen beginnen und es dann nach einer gewissen Anzahl von Versen einen Umschlag in weibliche Kadenzen gibt. Lediglich diese Anzahl ändert sich. In einigen Versen findet sich ein Auftakt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Lied c34 die Strophenformel nicht immer identisch ist. Es gibt gelegentlich kleine Abweichungen, etwa bei den Taktzahlen oder den Kadenzen.
Interpretation
Allgemeine Bemerkungen
Die lyrische Stimme, ein Sänger-Ich, beschreibt den Frühling mittels eines typischen sommerlichen Natureingangs. Er betont jedoch gleich darauf sein Leiden, welches darin besteht, dass seine Dame ihn von sich weist. Der Sänger beabsichtigt, mit seinen Liedern seiner Dame zu huldigen, und hofft dadurch auf ihre Gunst. Er macht jedoch deutlich, dass die Bauern für ihn bei seinem Werbevorhaben einen Störfaktor darstellen. Er verflucht die Bauern und sagt aus, dass er froh ist, wenn die Bauern mit ihrer Arbeit beschäftigt sind. Engelmair, ein Krüppel, wird beschrieben und damit wird übergeleitet zu den Gewaltimaginationen des Sängers über die dörper. Der Sänger beschreibt daraufhin die dörper beim Tanz und wie es dabei zu einem Streit kommt. Das Lied endet mit einer Aussage der Genugtuung des Sängers über die dörper. Bei der lyrischen Stimme im Lied c34 handelt es sich um ein lyrisches Ich, was an den einschlägigen Pronomen zu erkennen ist. Noch konkreter handelt es sich um ein Sänger-Ich, welches typischerweise in Neidharts Œvre vorkommt, und das auch schon aufgrund der Form des Liedes in Betracht gezogen werden muss. Typischerweise ist das Sänger-Ich in Neidharts Liedern ein adliger Ritter, der als fahrender Sänger in den Bauerndörfern umherzieht und selbst nur ein kleines Anwesen und Vermögen hat. Der Sänger steht zwar über den dörpern, jedoch verkehrt er unter ihnen und bewegt sich nicht seines Standes gemäß in adligen Kreisen im höfischen Umfeld. Im Lied c34 bleibt der Sänger jedoch anonym. Es sind keine Namensbezeugungen zu finden, wie es in anderen Liedern der Fall ist. Dort lassen sich häufig Kunstnamen wie etwa Her Nîthart oder der von Riuwental finden. Die Sänger-Figur ist jedoch nie mit dem historischen Neidhart gleichzusetzen. Mit dem Sänger in seinen Liedern hat der historische Neidhart eine fiktive Kunstfigur geschaffen, die zwar teilweise den gleichen Namen trägt, wie er selbst, jedoch in einer künstlichen und fiktiven Umgebung und fiktiven Lebensumständen angesiedelt ist, die sich von denen des historischen Neidharts unterscheiden. Die Intention des Sänger-Ichs ist es, über sein Liebesleid zu klagen und seinen Groll über die dörper in einer Art Hassrede deutlich zu machen und damit sein Liebesleid zu lindern. Man sieht jedenfalls, dass der Sänger die Hassrede aus falschen Gründen beginnt, da sein angestrebtes Ziel mit der Hassrede nicht erreicht werden kann. Die Hassrede stellt eher einen alternativen Ausweg dar, der in einer Sackgasse endet. Der Sänger ist auf der Suche nach erfüllter Liebe, die er fälschlicherweise in einem Sieg über die verhassten dörper sucht. Das Lied c34 ist fiktiv und fiktional, der Autor erhebt keinen Wahrheitsanspruch auf den Inhalt und stellt keine wahren Begebenheiten dar. Das sieht man schon alleine daran, dass die Sänger-Bauern Relation nicht real ist. Eine derartige Konstellation wäre im zeitgenössischen Umfeld der Entstehung des Liedes nicht denkbar gewesen. Die Lieder Neidharts waren für ein höfisches Publikum bestimmt. Sänger wie er haben am Hof gesungen für ein höfisches Publikum und nicht für Bauern. Die Erzählzeit des Liedes ist kürzer als die Zeit, die im Lied vergeht. Es wird demnach kein Bild evoziert, sondern eine Sequenz an Bildern, auch wenn diese sehr kurz ist. Das Lied spielt in einem dörperlichen Raum. Wie ein typisches Sommerlied ist die Handlung im Freien angesiedelt. Ein stuben-Motiv, wie es in vielen Winterliedern typisch ist, ist nicht vorzufinden. Der Raum ist jedoch eindeutig in einem dörperlichen Raum, da es Natur, Tal und Felder gibt und außerdem einem Fluss, die Donau, wo bäuerliche Arbeit verrichtet wird. Die Stimmung des Liedes ist aufgeladen, gewaltvoll, aber dennoch humorvoll und ironisch. Dies liegt zum Beispiel an den komischen Bildern, die evoziert werden und an komischen Namen. Außerdem daran, dass jemand in den Fluss fällt und herausgezogen werden muss, was einen hässlichen Fehler darstellt, jedoch kein tragisches Gebrechen. Die Stimmung ist nicht leidvoll oder traurig. Es ist nicht zu viel vom Leiden und Klagen des Sängers zu spüren. Diese gehen an der komischen Darstellung der dörper verloren. Das Lied ist demnach nicht tragisch, es ist vielmehr Komik im Lied enthalten. Obwohl im Lied blutige Szenen enthalten sind, ist das Lied bei weitem nicht so düster, wie man annehmen könnte. Der Wortschatz des Liedes ist häufig derb. Es finden sich oftmals Beleidigungen und Kraftausdrücke. Zudem ist der Wortschatz auch humorvoll, etwa wenn lustige Namen vorkommen. Das Lied stammt aus der Berliner-Neidhart-Handschrift c. Der Autor Neidhart hob sich damals im späten Mittelalter von der hohen Minne und von den klassischen Minnesangkonventionen ab. Diese Tradition setzt er auch im Lied c34 fort. Die Lieder Neidharts waren für ein höfisches Publikum bestimmt.
Strophe für Strophe
I
In Strophe I lässt sich der klassische Neidhartsche Natureingang finden. Hier handelt es sich um einen sommerlichen Natureingang mit Blick auf „den lenczen“ (Str. 1, V.1), der in der Landschaft Einzug hält. Mit der Personifikation „wie er die veld beklaidet hat“ (Str. 1, V. 3) des Frühlings und weiteren Personifikationen (V. 6 und 7) wird die Wirkung des Sommereingangs verstärkt und verbildlicht. Das typische Maimotiv der mittelhochdeutschen Literatur ist ebenfalls in das Bild mit eingeflochten. Im Bild, das evoziert wird, ist gerade der Wonnemonat „mai“ (Str. 1, V. 3). Das lyrische Ich macht dabei den Ausruf „ei, susser luft“ (Str. 1, V. 7), was einer fröhlichen Äußerung gleicht. Der Sommereingang endet mit der typischen Aussage, dass der Winter „entwichen“ (Str. 1, V. 7) ist.
II
In Strophe II wird das glückliche Sommerbild getrübt. Das Leid des Sängers wird eingeführt. Dieses wird noch verstärkt, indem es mit dem schönen Frühling kontrastiert wird. Mit der rhetorischen Frage „Was acht ich denn des maien zeit und der plumen wolgetan?“ wird die Wirkung des Leides ebenfalls verstärkt. Dieses ist für den Sänger so belastend, dass es die gesamte Sommerfreude überschattet. Der Sänger wird von einem Liebesleid heimgesucht, da seiner Ansicht nach seine Dame ihn „verderben“ (Str. 2, V. 4) lässt. Der Sänger macht jedoch deutlich, dass er in seinen Liedern über keinen einzigen Makel der Dame singt. Darüber ist er „fro“ (Str. 3, V. 6) und hegt Hoffnung, dass die Dame ihm schließlich doch „gnedig“ (Str. 3, V. 7) ist. Am Ende der zweiten Strophe werden schließlich die dörper eingeführt. Der Sänger sagt aus, dass er von den „tumen gatteling“ (Str. 2, V. 7) in seinen Liebesangelegenheiten gestört wird. Damit werden diese als Störfaktor präsentiert, wobei kein direkter Zusammenhang zwischen der Abneigung der Dame und den dörpern zu erkennen ist. Demnach benutzt der Sänger die dörper möglicherweise nur als Vorwand, um jemanden zu haben, dem er die Schuld an seinem Leiden und seinem Gram geben kann.
III
In Strophe III werden einzelne dörper-Figuren eingeführt, etwa „Hebenstreit und Zerrengast“ (Str. 3, V. 3). Der Sänger spricht über diese Verwünschungen aus. Sie mögen keinen „liechte[n] tag“ (Str. 3, V. 6) mehr erblicken und kein „hail“ (Str. 3, V. 4) mehr erleben. Der Sänger ist voller Schadenfreude, als er sagt, dass er sich darüber freut, die Bauern zu sehen, wie sie an der Donau treideln müssen. Der Sänger hebt sich von den Bauern ab, da diese das Treideln, also eine sehr harte Arbeit, verrichten müssen. Dabei muss sogar der versehrte Engelmair helfen, der dabei in den Fluss stürzt. Der Sänger hat dies jedoch nicht nötig. Er ist gehobener als die Bauern und zudem adlig. Daher kann er den Bauern schadenfroh bei der Arbeit zusehen.
IV
In Strophe IV werden die Bauern beschrieben, während sie treideln. Dabei wird insbesondere auf die Figur „Engelmair“ (Str. 4, V. 3) eingegangen. Diese wird in diesem Lied als Krüppel beschrieben, der nur einen Fuß hat und der beim Treideln stolpert und in den Fluss stürzt und von den anderen aus dem Wasser gezogen werden muss. Mit diesem Ereignis liegt in dieser Strophe ein komisches Element vor, welches die dörper als besonders tollpatschig und unachtsam darstellt. Engelmair oder Engelmâr ist vor allem bekannt durch die Spiegelraubepisode im Zusammenhang mit Vriderûn. Er ist einer der wenigen dörper, die eine Identität haben und aus der großen Masse herausstechen. Vom Sänger ist er verhasst und wird als einer der bösartigsten und gröbsten dörper dargestellt.
V
In Strophe V wird beschrieben, dass eben dieser Engelmair seinen verlorenen Fuß rächen will. Der Sänger sagt aus, dass Engelmair dafür viele „helfer […] mit iren waibelrauten“ (Str. 5, V. 3) habe. Hier liegt jedoch eine Ironie vor. Der Sänger zieht die dörper ins Lächerliche und verhöhnt sie, indem er ironisch zum Vorschein bringt, dass diese keineswegs Feldwebel sein könnten, die viel ausrichten können. An dieser Stelle befindet sich die Überleitung zu den gewalttätigen Imaginationen des Sänger-Ichs. Er malt sich aus, wie es wäre, wenn Engelmair auch „das ander bain herab geslagen“ (Str. 5, V. 6) würde.
VI
In Strophe VI werden die Gewaltimaginationen des Sängers fortgesetzt. Der Sänger stellt sich vor, wie verschiedene Akte der Gewalt an dem dörper „Hildebolt“ (Str. 6, V. 1) vollzogen werden. Dabei lassen sich explizite Gewaltbeschreibungen erkennen. Das Sänger-Ich imaginiert darüber, wie es wäre, wenn er bei Hildebolt sähe, „das im seim haupt wurd entrant, […] das er verlur sein rechte handt [und] des werd ein langer spies enczwai in im gestochen“. Derartig explizite Gewaltbeschreibungen lassen sich sonst eher in den Winterliedern Neidharts finden.
VII
In der folgenden Strophe VII werden über vier Verse hinweg Namen von dörper-Figuren aufgezählt. Hier wird demnach impliziert, dass eine große Masse an dörpern anwesend ist. Diese werden nicht weiter beschrieben. Man erfährt nur ihre Namen. Sie nehmen keine Identität an. Der Sänger bewegt sich demnach in dieser Strophe hinweg von Beschreibungen über spezifische dörper-Figuren, wie etwa über Engelmair, er geht über zu einer Zusammenfassung der dörper als große anonyme Menge ohne Identität. Diese Menge wird beim Tanz beschrieben. Mit „trucz und tracz“ (Str. 7, V. 6) liegt ein Hendiadyoin vor, durch welches die feindselige Haltung der dörper gegenüber dem, der ihren Tanz stört, hervorgehoben wird. Der Sänger verwendet an dieser Stelle auch ein Bild: Sie „sind aus der affen tal“ (Str. 7, V. 7). Mit dem Vergleich der dörper mit Affen werden diese erneut lächerlich gemacht sowie abwertend heervorgehoben und der Sänger macht seine negative Einstellung gegenüber ihnen deutlich. Die Strophe wird mit der rhetorischen Frage „ach, wa gesahe iemant so tumbe laien?“ (Str. 7, V. 7) beendet. Diese betont ebenfalls die negativen Eigenschaften der dörper, die der Sänger in jenen sieht.
VIII
In Strophe VIII wird geschildert, was mit dem „Damtier“ (Str. 8, V. 1) geschehen würde, wenn er es wagen würde, denn Tanz der Bauern zu stören, beziehungsweise zu trennen. Er würde das Opfer einer gewaltvollen Auseinandersetzung mit dem „Koczoldai“ (Str. 8, V. 4) werden. An dieser Stelle sind die Namen bewusst gewählt. Damtier lässt sich in etwa mit Damhirsch übersetzen, demnach wird die Figur Damtier mit einem Hirsch konnotiert, der sich brüstet und einen Konkurrenzkampf initialisiert. Dabei geht es einerseits um einen Revierkampf mit den dörpern, andererseits auch um einen Konkurrenzkampf um die Frauen. Koczoldai hingegen ist ein Name alberner Art und stellt demnach die zugehörige dörper-Figur als eine lächerliche Figur dar. Am Ende der achten Strophe lässt sich ein Parallelismus finden: „das im sein swart erkrachet […] und im sein sinn erkuket“ (Str. 8, V. 6f.). Damit werden die Gewaltbilder und die Gewalthandlungen der dörper nochmals verstärkt.
XI
Wie an vielen Stellen im Lied c34 spricht der Sänger Beleidigungen gegenüber den dörpern aus. In Strophe IX werden die Bauern Eberlein und Gundelwein als „ackertrappen“ (Str. 9, V. 4) bezeichnet, was ein Schimpfwort für Bauern ist. Diese werden damit lächerlich gemacht. Der Sänger ruft aus, dass die Bauern niemals von adligem Blute sein können. In ironischer Weise sagt der Sänger aus, dass er den Adel der Bauern wohl erkennt, „wann sie den pflug begreifen bei den horen“ (Str. 9, V. 7). Mit diesem Bezug auf das Adelsmotiv wird der Adel zu den Bauern kontrastiert. Zudem hebt sich damit auch der Sänger von den Bauern ab, da er in gewisser Weise auch dem Adel angehört.
X
In Strophe X ist der Streit um das Trennen des Reigens schließlich im Gange. Gewalthandlungen werden geschildert. Das Hediadyoin „lung und leber“ (Str. 10, V. 7) unterstreicht das Motiv der Gewalthandlungen. Ebenso die rhetorische Frage, mit welcher diese Strophe endet. Auf ironische Art und Weise zollt der Sänger den dörpern Tribut für ihre „Leistungen“, die sie während das Streits mittels Gewalthandlugen vollbringen.
XI
In Strophe XI wird der Streit fortgeführt, erneut werden Gewalthandlungen und Verletzungen eines dörpers geschildert. Erneut wird das Hendiadyoin „lung und leber“ (Str. 11, V. 7) eingebaut, womit die Gewaltbilder ebenfalls verstärkt werden. Das Lied endet mit einer Aussage der Genugtuung des Sängers. Er betont, was für ein Leid es ihm sei, wenn er dieses Schauspiel der dörper verpasst hätte. Damit zeigt das Sänger-Ich seine Schadenfreude, aber auch seine Schaulustigkeit. Er bezeugt, dass er die dörper-Figuren verspottet und für albern hält, sich aber dennoch an ihrem Spektakel erfreut und weidet. Damit wird die Gewalt im Lied verharmlost und in ein komisches Licht gerückt, da sie nicht tragisch dargestellt wird, sondern als dumm, unbesonnen und komisch und damit eine Schaubühne für Schaulustige abgibt, wie es bei einer Komödie der Fall ist. (Siehe dazu auch Komik in den Winterliedern). Der Sänger stellt die dörper im Lied immerzu auf ironische Weise dar. Er labt sich an ihrem Treiben und macht sich lustig über sie. Es scheint so, als sei von seinem Liebesleid, das er im Eingang des Liedes schildert, wenig übrig und als habe er die Bauern genutzt, um sich aufzuheitern. Es erfreut sich auf Kosten der dörper. Es ist kein Bezug und keine weitere Argumentation des Sängers ersichtlich, wie die dörper sein Liebesleben beeinflussen. Demnach scheint der Sänger die dörper nur als Vorwand genommen zu haben, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass sein Liebesleid möglicherweise mit ihm selbst zu tun hat. Die dörper sind daher eigentlich vom Liebesleid des Sängers entkoppelt und werden als reine Projektionsfläche der Wut des Sängers genutzt.
Motive
Natur
Die Natur zusammen mit dem Natureingang sind ein klassisches Motiv in Neidharts Œvre. Anhand des Natureingangs lässt sich die Grundeinteilung der Lieder in Sommer und Winterlieder vornehmen. Der Sommereingang im Lied c34 lässt dieses Lied tendenziell den Sommerliedern zuordnen. Es handelt sich im Lied c34 nicht vollkommen um einen Sommereingang, sondern eher um einen Frühlingseingang. Der Monat Mai wird genannt und dem Rezipienten evoziert. Dieser Monat gilt in der mittelhochdeutschen Literaturwissenschaft als der Wonnemonat, der das Naturideal, oft mittels des locus amoenus, widerspiegelt. Da hier kein vollkommener Sommereingang vorliegt, lässt sich möglicherweise schon von einer Begegnungsebene zwischen Sommerlied und Winterlied sprechen, auf welcher möglicherweise an einer bestimmten Stelle die dörperlichen Sommerlieder angesiedelt werden können. Außerdem ist zu erwähnen, dass die positive Stimmung des Sommereingangs, in dem Frühling und Sommer als ein positives und schönes Ideal dargestellt werden, als ein Kontrastmittel zur trübsinnigen Minneproblematik des Sängers dient. Dabei wird in typischer Weise eine (Sommer)freude/Leid Ambivalenz erzeugt.
Die dörper
Die dörper sind ein omnipräsentes Motiv in Neidharts Liedern. Bei diesen Figuren handelt es sich um Kunstfiguren, die den Bauern ähneln, von diesen jedoch abzugrenzen sind. Sie spiegeln nicht die realen zeitgenössischen bäuerlichen Umstände wider, sondern werden auf einen kleinen Aspekt des bäuerlichen Lebens reduziert und zudem modifiziert, sodass sie als reine fiktive Kunstfiguren in ihrer eigenen fiktiven dörperlichen Welt anzusiedeln und von der bäuerlichen realen Welt abzugrenzen sind. Im Lied c34 werden die Bauern oft lächerlich gemacht und bieten Raum für komische Elemente. Die dörper gelten als Widersacher des Sängers, da sie mit ihm in Konkurrenz zueinander stehen. Beide Parteien buhlen um die Gunst der Frauen. Demnach liegt traditionell zwischen den Bauern und dem Sänger eine Dreieckskonstellation vor, in welcher jede Partei verschiedene Rollen erfüllt. Im Lied c34 ist diese Dreieckskonstellation jedoch verändert, da die Bauern hier nicht um die Frau konkurrieren. Der Sänger schätzt vielmehr die Lage falsch ein und sieht in den dörpern den Grund für sein Liebesunglück oder er übersieht mit Absicht die Tatsachen. Ebenfalls modifiziert ist im Lied c34, dass der sonst grobe Bauer Engelmair hier ein Krüppel ist, dem geholfen werden muss. Daran wird ersichtlich, dass im Lied c34 eine Geißelung der dörper vollzogen wird. Die Figur des Engelmair ist aus vielen Liedern bekannt und ist eine der wenigen dörper-Figuren, die eine Identität hat. Von den anderen dörpern im Lied erfährt man lediglich den Namen. Ansonsten gehen sie jedoch in einer Masse an Figuren unter.
Gewalt
Die Gewalt ist ein wichtiger Aspekt im Neidhartschen Œvre. Auch bei der Untersuchung der dörperlichen Sommerlieder spielt die Gewaltmotivik eine wichtige Rolle. Das Gewaltmotiv ist im Lied sehr ausgeprägt. Bei den Gewaltdarstellungen muss zwischen der imaginären Gewalt und der realen Gewalt sowie zwischen der Gewalt zwischen den dörpern unter sich und der Gewalt zwischen Sängern und dörpern abgegrenzt werden. Die imaginäre Gewalt spielt sich im Kopf des Sängers ab. Sie ist im Lied durch die Verwendung des Konjunktivs gekennzeichnet. Die imaginäre Gewalt beinhaltet drastische Bilder, die sich auf die dörper beziehen. Demnach liegt hier eine Gewalt zwischen Sänger und dörpern vor, jedoch in imaginärer Weise. Der Sänger übt niemals reale Gewalt aus. Er ist ein Beobachter der realen Gewalt der Bauern. Durch das Beobachten empfindet er eine Genugtuung und Erhabenheit, die ihn über die Bauern stellen, da er sich zivilisiert gibt und sich damit abgrenzt von der rohen und barbarischen Gewalt der dörper. Sein Verlangen nach Gewalt lebt der Sänger nur in seinen Phantasievorstellungen aus. Dennoch möchte er es nicht missen, das tatsächliche gewalttätige Verhalten der dörper zu sehen. Die tatsächliche Gewalt spielt sich bei den Bauern untereinander ab. Auch hier lassen sich drastische Bilder bis hin zu Tod erkennen. Es ist zu erkennen, dass die Gewalt im Lied verharmlost wird. Dies geschieht durch zahlreiche ironische Brechungen und der Verlagerung der Gewaltszenen ins Komische. Zudem dadurch, dass sich viele Gewaltschilderungen nur rein imaginär im Kopf des Sänger-Ichs abspielen. Es werden im Lied durchaus drastische Handlungen geschildert, etwa das Verstümmeln und auch das Töten (Köpfen) von Figuren. Es steht jedoch nicht im Vordergrund des Liedes, diese Schwere der Gewalt auf tragische Weise zu zeigen. Viel mehr werden die Gewalthandlungen vom Tragischen entkoppelt und in den Bereich der Komik verlagert. Die dörper-Figuren werden durch die Gewalthandlungen mit einer der Komödie eigenen Hässlichkeit belegt, die jedoch der Lächerlichkeit dienen und nicht dem Tragischen zugeordnet werden können. Meiner Meinung nach ist die Funktion der Gewaltmotivik daher nicht, die Gewalt ungeschönt zu zeigen. Die Gewaltbilder werden durch Komik verschleiert und dienen dazu, dem Sänger ein Schauspiel zu liefern, welches er auf schadenfrohe Weise dazu nutzt, sich von seinem Liebesleid zu erholen und sich zu belustigen. Nicht wie von ihm behauptet, sind die dörper an seinem Leiden Schuld, was daran ersichtlich ist, dass seine Schilderungen über das Handeln der dörper nichts mit der Zurückweisung der Dame zu tun haben. Der Sänger nutzt diese als Sündenbock und als Projektionsfläche für seinen Gram. Die Funktion der Gewalt ist dabei, dass der Sänger einen Grund hat, die dörper negativ und lächerlich darzustellen und so über sie grämen kann und außerdem bieten die dörper durch die negative Assoziation mit dem Streit, was als negative Charaktereigenschaft betrachtet wird, eine Angriffsfläche, die sich auch als Störfaktor für die Minneproblematik des Sängers umfunktionieren lässt. Die Gewalt im Lied kann auch in anderer Hinsicht betrachtet werden. Man kann, je nach Auslegung und Definition von Gewalt, auch zwischen der Dame und dem Sänger von Gewalt sprechen. Setzt man für das Vorhandensein von Gewalt lediglich voraus, dass durch ein Tun oder ein Unterlassen ein anderer zu physischem oder psychischen Schaden kommt, dann liegt auch hier eine Form von Gewalt vor, wenn auch emotionaler Art, da die Dame den Sänger verschmäht und so durch ein Unterlassen bei diesem ein Leiden, also einen psychischen Schaden, hervorruft. Natürlich kann man hier die Entscheidungsfreiheit der Dame entgegensetzen, weshalb sie eigentlich nicht mit einem derart negativen Begriff wie dem der Gewalt assoziiert werden darf. Durch diese Gewaltausübung hat jedoch auch die Dame Macht über den Sänger. Der Sänger hat zwar viel Macht aufgrund seines alleinigen Redeanteils, betrachtet man jedoch andere Aspekte, so haben auch die Dame und die dörper Macht über den Sänger, was nochmal zu einer Verlagerung im Machtgefüge führt.
Kommunikationssituation und Sprechakte
Zu den Sprechakten und zur Kommunikationssituation lässt sich sagen, dass im Lied c34 alle Strophen von derselben Figur, dem Sänger-Ich, gesprochen werden. Diese hat damit eine Machtposition in der Figurenkonstellation, da sie den alleinigen Redeanteil hat. Sie ist die Figur, die der Autor sprechen lässt und durch die das Bild evoziert wird. Dabei berichtet der Sänger sowohl über sein Innenleben, als auch die Außenwelt. Sowohl die Dame als auch die dörper haben in diesem Lied keine Redeanteile. Das Lied ist nicht in einer dialogischen Form aufgebaut. Der Sänger steht im Machtgefüge vom Gesichtspunkt der Redeanteile über der Dame und über den dörpern, da er die Darstellung dieser lenken kann und ihnen keine Möglichkeit gegeben wird, aus ihrer Perspektive zu sprechen. Sie sind in die Rolle der Unmündigkeit gezwängt. Die dörper haben jedoch insofern Macht, als dass sie fast die ganze Zeit über der Gegenstand sind, welcher vor Augen geführt sind. Sie üben Macht auf den Sänger aus, da dieser sich dazu veranlasst sieht, über sie zu singen, da er sich von ihnen gestört wird und in ihnen eine Funktion sieht. Der Sänger spricht einen Adressatenkreis an. Dies ist an dem einschlägigen Pronomen ihr zu erkennen. Es finden sich im Lied keine Appelle an die Zuhörer. Die Rolle der Rezipienten ist es demnach, als passive Zuschauer, die nicht miteinbezogen werden, zu agieren. Lediglich wenige Male lassen sich Ausrufe und rhetorische Fragen finden, die jedoch innerhalb der Handlung des Liedes ihre Funktion erfüllen und nicht die Rezipienten involvieren. Das Sänger-Ich scheint allwissend zu sein. Es führt dem Rezipienten die Empfindungen, Gedanken und Meinungen der Dame und oftmals der dörper mit. Der Sänger darf hier jedoch nicht mit einer Erzählinstanz gleichgesetzt werden.
Minnerelationen
In Bezug auf die Minnerelationen lässt sich eine Dreieckskonstellation zwischen der vrouwe, den dörpern und dem Sänger erkennen. Der Sänger selbst führt die dörper explizit als Störfaktor ein, wodurch im Lied eine bestimmte Minneproblematik erzeugt wird. Jedoch werden die Bauern als Störfaktor in der Minnerelation des Sängers nur als Vorwand genutzt. Zu Beginn des Liedes sagt der Sänger aus, dass die Dame ihn zurückweist. Sie will ihn „verderben lan“ (Str. 2, V. 4). Möglicherweise liegt mit dieser drastischen Bezeichnung eine Übertreibung des Sängers vor, jedenfalls kann man davon sprechen, dass er im Augenblick abgelehnt wird und keine Möglichkeit auf ein erfülltes Liebesglück hat. Es lässt sich feststellen, dass der Sänger von der Dame emotional abhängig ist. Er sagt aus, dass alle seine Freude von der einen Dame abhängt. Auch der schöne Frühling, der für alle anderen eine fröhliche Erfüllung ist, kann ihm keine Freude bringen. Der Sänger liebt die Dame und leidet daher und seine einzige Hoffnung besteht darin, dass die Dame doch noch „gnedig“ (Str. 2, V. 7) mit ihm ist, wenn er in seinen Liedern keinen Makel von ihr besingt. Beachtenswert ist hier, dass der Sänger nicht etwa die Absicht äußert, Positives und Romantisches über die Dame zu singen, er kann sich gerade dazu herablassen, über die Dame „keines wandels“ (Str. 2, V. 5) zu erwähnen. An dieser Stelle liegt bereits eine erste ironische Brechung vor. Nachdem der Sänger seine Minnesituation geschildert hat, verweist er nur noch auf die dörper, die ihn dabei stören, sein Minneglück zu erlangen. Allerdings lässt sich im Laufe des Liedes erkennen, dass die dörper nicht direkt in das Liebesleben des Sängers involviert sind und dass sie im Lied c34 nicht als eigentlicher Störfaktor agieren. Die Bauern als Störfaktor sind vielmehr ein Vorwand des Sängers. Es scheint so, als könne er sein Minneproblem nicht lösen, da er bei der Dame doch keine Chance hat, oder als wolle er es in Wahrheit gar nicht so sehr und als beschäftige er sich doch wieder mit seinem Lieblingsthema, den dörpern, von denen er nicht ablassen kann. Die Dreieckskonstellation ist nicht so explizit wie in anderen Liedern Neidharts. Es wird nie direkt ein Konkurrenzverhalten der dörper dargestellt, von der eine wirkliche Gefahr für den Sänger ausgeht. Es wird zum Beispiel nie das Mädchen des Sängers von einem Bauern zu Tanz aufgefordert oder ähnliches. Die Rolle der dörper in den Minnerelationen ist mehr, dass sie mit ihrem Treiben den Sänger vom Lösen seiner Minneproblematik ablenken. Er kann sich nicht um sein Liebesleben kümmern, da er nicht davon ablassen kann, über die dörper zu wettern und diese schaulustig zu betrachten. Es lässt sich demnach insofern von einer Dreieckskonstellation in Bezug auf die Minnerealtionen sprechen, als dass die dörper als passives Hindernis zwischen dem Sänger und der Dame stehen, da sie den Sänger davon ablenken, überhaupt zu agieren und seine Minneleiden zu lösen. Dass er sich an den dörpern erheitern und ablenken kann, löst nur vorübergehend sein Leiden, löst seine Probleme jedoch nicht im Kern. Nach seiner Hassrede wird der Sänger unerwarteterweise wieder da stehen, wo er am Anfang stand, da die Bauern in Wahrheit gar nicht für seine Probleme verantwortlich sind. Die Minne direkt wird nur kurz angesprochen, die Schilderung der Minneproblematik und auch die Dame nehmen demnach nur einen kleinen Stellenwert und wenig Handlung im Lied ein. Das Hauptaugenmerk liegt daraufhin auf dem Treiben der dörper, was jedoch aus dem Liebesleid resultiert. Da der Sänger davon ausgeht, dass die dörper der Grund für sein Liebesleid sind und dass er über sie singen und sich mit ihnen beschäftigen muss, damit er seinem Liebesglück näher kommt, nimmt die Minne jedoch indirekt einen großen Teil der Handlung ein, wenn auch versteckt hinter dem Treiben der dörper. Die Minneproblematik wird überlagert von der Komik, die durch die Bauern entsteht und die Reaktionen des Sängers darauf. Daher rückt diese in den Hintergrund. Der Sänger kommt ja nicht auf die Idee, dass er selbst einen Umweg wählt, wenn er sich so intensiv mit den dörpern beschäftigt, anstatt direkt mit der Dame und der Minneproblematik selbst. Er sieht das Beseitigen der dörper als notwendigen Schritt an. ==Platzierung des Liedes c34 bezüglich der Typus
Einzelnachweise==frage
Zwischenfazit über die Typusfrage
Gesamtfazit
- ↑ Ruh 1986
- ↑ Schweikle 1990
- ↑ SCHWEIKLE, Günther. Die Lieder. In: Neidhart. JB Metzler, Stuttgart, 1990. S. 79.
- ↑ SCHWEIKLE, Günther. Die Lieder. In: Neidhart. JB Metzler, Stuttgart, 1990. S. 79.
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- ↑ SCHWEIKLE, Günther. Die Lieder. In: Neidhart. JB Metzler, Stuttgart, 1990. S. 79.
- ↑ Bleuler 2017
- ↑ Beyschlag, Siegfried; Brunner, Horst (Hg.): Herr Neidhart diesen Reihen sang. Die Texte und Melodien der Neidhartlieder mit Übersetzungen und Kommentaren. Kümmerle Verlag, Göppingen 1989, S. 173.
- ↑ Beyschlag. S. 173.
- ↑ Beyschlag. S. 173.
- ↑ Beyschlag. S. 173.
- ↑ Beyschlag. S. 175.
- ↑ Beyschlag. S. 175.
- ↑ Brunner, Horst. "Die Töne der Neidhartlieder". Neidhart und die Neidhart-Lieder, edited by Margarete Springeth and Franz Viktor Spechtler, Berlin, Boston: De Gruyter, 2017, pp. 143-168.
Literaturverzeichnis
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Beyschlag, Siegfried; Brunner, Horst (Hg.): Herr Neidhart diesen Reihen sang. Die Texte und Melodien der Neidhartlieder mit Übersetzungen und Kommentaren. Kümmerle Verlag, Göppingen 1989, S. 173-179.
Bleuler, Anna Kathrin. "Neidhart: Typologie der Lieder". Neidhart und die Neidhart-Lieder, edited by Margarete Springeth and Franz Viktor Spechtler, Berlin, Boston: De Gruyter, 2017, pp. 117-130.
Brunner, Horst. "Die Töne der Neidhartlieder". Neidhart und die Neidhart-Lieder, edited by Margarete Springeth and Franz Viktor Spechtler, Berlin, Boston: De Gruyter, 2017, pp. 143-168.
Mertens, Volker: Neidhart: ,Minnesang' und .Autobiografie', in: Neidhart und die Neidhart-Lieder. Ein Handbuch, hg. von Margarete Springeth und Franz Viktor Spechtler, Berlin/Boston 2018, S. 43-54.
Ruh, Kurt: Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus, in: Kleine Schriften. 1. Dichtung des Hoch- und Spätmittelalters, 1984, S. 107-128.
Salzburger Edition der Lieder Neidharts. 2007. Lied c34.
Schulze, Ursula: Grundthemen der Lieder Neidharts, in: Neidhart und die Neidhart-Lieder. Ein Handbuch, hg. von Margarete Springeth und Franz Viktor Spechtler, Berlin/Boston 2018, S. 95-116.
Schweikle, Günther: Neidhart. J.B. Metzler, Stuttgart 1990.