Komik in den Winterliedern (Neidhart)
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Der vorliegende Artikel kombiniert eine Analyse der Gruppe "Winterlieder" (Neidhart) in Hinsicht auf enthaltene "Komik" mit einer Interpretation der Regelmäßigkeiten und Funktionen dieser vorkommenden "Komik". Aus den Ergebnissen werden dann Horizonte eröffnet, welche Bedeutung man diesem "komischen Element" bezüglich der Produktivität, der Gattung und der Ausstrahlungskraft der "Winterlieder" beimessen kann.
Motiv für die Untersuchung
Generell liegt das Interesse einer jeden Untersuchung in der Aufdeckung neuer Aspekte oder neuer Erkenntnis und das Stilmittel "Komik" scheint auf genau solche Stellen hinzuweisen, die neue Sichtweisen oder Erkenntnisse bergen:
Es gibt für gewöhnlich zwei prominente Mittel, um eine Rezipientenschaft - d.h. hier eine Hörerschaft - tiefgreifend anzusprechen: Die "Tragik" oder die "Komik".
Die vorliegende Liedersammlung findet ihre Erfüllung im Gesang vor adeligem Publikum. Es erfüllt seinen primären Zweck in dem Amüsement, das es in dem Publikum auslöst. Daher sollte es sich nur anbieten eines dieser Mittel anzuwenden. So kann man (a) mit guten Gründen annehmen, dass sich in den Winterliedern Vorkommnisse dieser Mittel finden lassen. Hierfür gehen wir davon aus, dass sich "Komik" finden lässt.
Diese Mittel erreichen wie keine anderen, dass der Rezipient sich in das Geschehen einfühlt, die Ereignisse nachvollzieht und damit selbst in hohem Maße in die Handlung oder die Erzählung verwickelt ist. Auf dieser Betrachtungsebene ist es dem Rezipienten dann möglich außergewöhnlich abstrakte Interpretationen und Urteile vorzunehmen. Kurz: Wann immer diese Mittel auftauchen, soll die Hörerschaft tiefgreifend angesprochen und zu einer Interpretation angeregt werden, die das Thema von außergewöhnlich naher und gleichzeitig außergewöhnlich abstrakter Perspektive beleuchtet.
Deshalb sollte (b) eine generelle Analyse der Komik in dem Sinne aufschlussreich sein, als sie von Natur aus auf Dinge hinweist, die einer näheren Betrachtung wert sind. Und dann wiederum nachdenken lässt, weshalb diese Dinge für den Autor von einer näheren Betrachtung wert sind.
Die Möglichkeiten für den Autor "Komik" anzubringen sind indes äußerst vielfältig. Der Inhalt kann in verschiedenster Weise stilistisch so aufbereitet sein, dass man von "Komik" sprechen würde. Folglich steht dem Autor ein ganzes Instrumentarium an "komischen Mitteln" zur Verfügung, um verschiedenste "Botschaften" in dieselben Inhalte zu stecken. Der Rezipient steht dann nicht nur vor der Aufgabe eine Komik als solche zu identifizieren und zu interpretieren, sondern muss dabei die Art der Komik, Umsetzung der Komik und Bezug der Komik in der Interpretation berücksichtigen. Die Interpretationsmöglichkeiten und potentiellen Inhalte im Bereich der Komik - gerade wenn man berücksichtigt, dass sich Komik durchaus auf mehrere Dinge gleichzeitig beziehen kann - vermehren sich so um ein vielfaches. Das Vorkommen von Komik verspricht somit grundsätzlich nicht nur einen weiteren Sinn sondern auch potentiell eine ganze Bandbreite verschiedenster Konnotationen, Bewertungen und Bedeutungen.
Um diesen Variantenreichtum möglicher Interpretationen und versteckter Inhalte einzufangen/aufzudecken, sollte die Analyse keinesfalls eindimensional ausfallen, sondern ein breites Spektrum dieser "komischen Mittel" abdecken, differenzieren und dann in Verhältnis setzen.
Eine Analyse, die auf diese Weise den Facettenreichtum der Komik berücksichtigt, könnte (c) ganz unterschiedliche bzw. variantenreiche Bedeutungen aufdecken / eine Vielzahl an Ergebnissen fördern.
Anhand der Ergebnisse der Analyse können dann Aussagen über die Funktion und die Bedeutung der verwendeten Komik getroffen werden.
Einführung
Neidhart und sein Werk
Die Lieder Neidharts stellen eine der bedeutsamsten und umfangreichsten deutschsprachigen lyrischen Schriftserien des Mittelalters dar. Zu Neidhart (von Reuental) selbst und seinem Leben, außer einigen realhistorischen Indizien und Hinweise in seinen Liedern, ist nicht viel bekannt (Bennewitz, 31). Viel wichtiger als seine Person ist aber sein Werk und vor allem die Wirkung, welche dieses auf die nächsten Jahrhunderte ausübte. Neidhart schrieb zu einer Zeit - erste Hälfte des 13. Jahrhunderts -, in der das literarische Thema der "Minne" und auch die Spielart der "hohen Minne" bereits ihren Zenit erreicht haben (vgl. höfische Liebe im satirischen Spiegel 45-46). Es ist sicher legitim aufgrund der grundlegenden Thematik seiner Lieder auch die Lieder Neidharts als "Minnegesangslieder" zu bezeichnen und Neidhart als "Minnesänger", doch freilich nicht - und das ist der springende Punkt - im eigentlichen Sinne. Der Autor muss irgendetwas an dem literarischen Trendmodell "Minnegesang" seines Zeitalters verändert haben, denn kaum ein anderer Minnegesang bewirkte eine vergleichbare Resonanz. Neidharts neue Präsentation der "Minne" vermochte die Hörerschaft zu faszinieren und zu provozieren (vgl. auch Jan-Dirk-Müller 451). Einige Puristen müssen Neidharts für seine provokative Modifikation des Minnesangkonzepts missbilligt haben, dennoch bestand offensichtlich eine rege Nachfrage nach Neidhart-Liedern, die sich über die Lebenszeit des Autors und die Gattung hinaus bis ins 16. Jahrhundert andauerte. Das ging soweit, dass sich ein regelrechtes Neidhart - "Following" einstellte, das Abschriften fertigte und sich von Mitteln, Motiven und Themen des Neidhart-Werkes inspirieren ließ, sodass heute "(...) außergewöhnlich viele Handschriften aus einem außergewöhnlich langen Zeitraum vorliegen (...)" (Hübner, 46). Schließlich bedingte gerade die Kombination beider Wirkungen, Provokation und Faszination, dass wir noch heute von dieser Liederserie sprechen können und wollen.
Ein neuer Minnesang
Wenn man versucht den Inhalt der Lieder Neidharts in einer Art Abstrakt zusammenzufassen, erhält man ein grundsätzliches Verständnis dafür, inwiefern Neidharts Präsentation der Minne neu ist:
Die implizite Exposition, so könnte man sagen, ist die, dass ein Ritter, i.e. eine Figur der Adelswelt, vom seinem Millieu aufs Land zieht, um dort (eine Bäuerin) zu minnen, zu singen oder immerhin zu agieren (oder es zumindest versucht). Die Folge ist offensichtlich die, dass er, eine Figur der Adelswelt, auf dem Land auf Figuren der Bauernwelt trifft und mit diesen in unterschiedlicher Weise agieren muss. Die Bauernwelt, die Figuren der Bauernwelt, die sogenannten dörper, ihre Handlung mit und entgegen des Sängers bilden eine neuartige "dörper"-Thematik, die Neidhart dem Minnesang - Diskurs schenkte (vgl. höfische Liebe im satirischen Spiegel 45). Dieses Novum des Neidhart-Minnesangs und die entsprechend neue Präsentation der Minne geben eine Ahnung davon, weshalb diese Serie so provozieren und faszinieren konnte. Interessanterweise wird genau an dieser Stelle (der neuartigen Präsentation der Minne durch und mit der dörper-Thematik) auch der Kern des komischen Potentials dieser Minnesang-Spielart deutlich.
Dass dieses "Agieren" bei oder - im besten Falle - "Coagieren" des Ritters von Reuental mit den "dörpern" "komisch" - hier im Sinne von unangenehm, außergewöhnlich, uneigentlich oder ungewohnt - ausfallen wird, sollte schon jetzt, noch ohne dass irgendetwas gesungen wurde, allen Rezipienten klar sein. Denn es kollidieren hier buchstäblich Welten, die in diesem Maße normalerweise - und außerhalb dieser Inszenierung - nie aufeinandertreffen würden. Alles dasjenige, das in diesem Rahmen geschieht oder erzählt wird, d.h. vornehmlich eine Minne, kann nur von einer "komischen" einer besonders merkwürdigen Art sein, die zugegebenermaßen genauso gut faszinieren wie provozieren kann. Denn der Minnegesang wird uneigentlich und nicht zu dem, was man von Minne erwartet, das Mädchen ist nicht die "frouwe", die man erwartet, das Verhalten und die Beschreibungen des Ritters sind nicht immer ritterlich, der Umgang zwischen den Figuren scheint verzerrt brutal, die Sprache zum Teil derbe usw. Letztlich scheint der eigentliche Inhalt dieses Gesanges, d.h. die Minne, verändert, verzerrt und ungewöhnlich. Mit anderen Worten: Der abstrakte Rahmen dieser Gesänge scheint so komponiert zu sein, die neue Thematik so gewählt zu sein, dass sie die perfekten Voraussetzungen für "Komik" schafft - wenn nicht gar "Komik" eine notwendige Implikation ist.
Einführendes zur Komik
"Komik" ist seit der Antike ein prominentes und vielverwendetes Stilmittel - bzw. in aufgeführter Form Komödie -. Obgleich der "Komik" in der Antike - und bis in die frühe Neuzeit hinein - keine große intellektuelle Leistung zugerechnet wurde und sie eher eine kleine Schwester der "Tragik" war, feiert sie seit der Aufklärung Konjunktur. Sie ist heute Gegenstand philosophischer, sprachwissenschaftlicher und literaturwissenschaftlicher Forschung und kann sich rühmen Teil vieler Theorien zu sein. So wird der "Komik" längst ein großes aufklärendes Potential angerechnet. Denn nur selten will man mit "Komik" allein einen Raum für Amüsement, Ablenkung von Wirklichkeit oder einfache Unterhaltung schaffen. Viel häufiger wird in diesem Raum - in zugegeben heiterer Stimmung - zum Mit-denken und Nach-denken eingeladen. "Komik" begegnet uns fast täglich, enthält selbst in der unschuldigsten Art - bspw. Slapstick-Humor - eine Botschaft, ist bei Rezipienten beliebt und verdient es je auch einen Gedanken an ihren Hintergrund zu verlieren.
Grundlegende Vorbemerkungen und Leitfragen
Vorbemerkungen und Einschränkungen
Diese Analyse will keinen vollständige Auflistung aller in den Winterliedern vorkommenden komischen Mitteln leisten. Grundsätzlich soll die Untersuchung eine Übersicht über die wichtigsten Mittel der Komik und deren Vorkommnisse in den Winterliedern bereitstellen. Damit eine Übersicht zustande kommen kann, die einen exemplarischen Eindruck von der "Komik" in den Winterliedern bietet, muss die Analyse repräsentative und anschauliche Ergebnisse liefern. Dafür müssen ideale Bedingungen geschaffen werden: zum einen muss ein spezieller Gegenstandsbereich isoliert werden, von dessen Analyse man sich entsprechende Ergebnisse erhoffen kann; zum anderen muss das Kriterium der Analyse in differenzierte Stichpunkte eingeteilt werden, unter denen die Analyse übersichtlich und verständlich durchgeführt werden kann.
Es ist zu bemerken, dass in allen Neidhartliedern "Komik", d.h. auch den Sommerliedern, ein flächendenkendes und wiederkehrendes Phänomen ist. Dennoch ist sie in den Liedern unterschiedlich verteilt und in unterschiedlichem Grade ausgeprägt. Für die Untersuchung soll genau die Gruppe an Liedern herausgenommen werden, die ein auffällig hohes Aufkommen dieses zu untersuchende Phänomen aufweist, sodass die Analyse auf fruchtbare Ergebnisse stoßen kann. Die Winterlieder scheinen in diesem Sinne als Versuchsgruppe besser geeignet als die Sommerlieder, weil die Winterliedern - nicht allein wegen ihres Jahreszeitensettings - mehr Konfrontationen, Klage, Trutz und Spott enthalt als die Sommerlieder, die in zum größten Teil harmonische oder immerhin fröhliche Motivik haben. Zumdem wird die Brechung des Minneschemas und die oben vorgestellte Grundkonstellation sehr deutlich und scharf. In dieser konfliktreichen und angespannten Grundstimmung unter der Enge und Bedrohlichkeit des Winters besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit auf komische Elemente zu stoßen. Doch bei allen diesen vielversprechenden Elementen der Winterlieder rückt ein Kriterium in den Vordergrund, das einige dieser Elemente einschließt und für die Winterlieder von unvergleichbarer Signifikanz ist - die erwähnte "dörper"-Thematik. Die Einleitung zeigte dieses Merkmal schon als Novum der Neidhartlieder, Kernthematik der Winterlieder und weißte schon auf den Zusammenhang mit anderen Thematiken, bspw. Minne, und mit der "Komik" hin. Schon rein quantitativ bestimmt dieses Merkmal einen großen Teil aller Strophen der Winterlieder, wobei solche "dörper"-Strophen in ausnahmslos jedem Winterlied vorhanden sind, wenn auch teilweise nur angehängt oder bezugslos (Ruh, 123). So sehr wie dieses Merkmal die Winterlieder auszeichnet, so sehr wie die Winterlieder dieses Merkmal exemplifizieren, kann es für diese Gruppe mithin als Typusbestimmend bezeichnet werden (Ruh, 123).
Es liegt also ein Gattungsmerkmal der Winterlieder vor, das eine grundlegende Thematik ausmacht, das das Novum der Neidhart'schen Minnedichtung ist, das Konstituente der Grundkonstellation der Winterlieder ist, an das andere Thematiken anschließen, das in allen Liedern vorkommt und direkten Zusammenhang mit der Komik der Winterlieder stehen sollte. Denn die dörper-Strophen sind genau die Punkte, an denen die zwei entgegengesetzten Welten aktiv aufeinandertreffen.
Für Analyse schein es mithin sinnvoll, zunächst die Gruppe der Winterlieder zu wählen und dann innerhalb dieser Gruppe alle die Strophen als Gegenstandsbereich der Analyse zu isolieren, die mit solche "dörper", ihr Verhalten oder die Auseinandersetzung mit ihnen zum Inhalt haben.
Die Ergebnisse werden in dem Sinne repräsentativ sein, als jeder Einzelfall der Gruppe analysiert und nichts ausgelassen wird und das Merkmal ein Konstituens der Vergleichsgruppe ist, das heißt die Ergebnisse der Untersuchung dieses einen Merkmals für die gesamte Gruppe sprechen kann, und in dem Sinne anschaulich, als viele, deutliche Vorkommnisse von Komik in diesem Merkmal zu finden sein werden.
Die Stichpunkte in die das Kriterium eingeteilt werden soll, dürfen nicht allzu spezifisch gefasst sein, aber dennoch voneinander differenzierbar. Es wäre ratsam nur ein überschaubares Set an Stichpunkten anzufertigen, die das Kriterium nicht zerfasern. Um eine nachvollziehbarkeit und klarkeit zu gewährleisten, müssen alle Stichpunkte der Analyse in einem Weg vom Kriterium ableitbar sein, sodass jeder Stichpunkt klar in einem Zusammenhang mit dem Kriterium steht und dieses in einer Hinsicht repräsentiert.
Von einem Phänomen der "Komik" zu sprechen ist äußerst diffizil, wenn nicht sprachlich falsch. Es herrscht immer noch Uneinigkeit darüber, ob man "Komik" einfach als solche erkannt, affirmiert und affektiert werden kann oder ob sie vielmehr subjektiv ist. Im letzteren Falle hinge das Erkennen der "Komik" alleine vom Rezipienten ab, d.h. ggf. von seiner Vorkenntnis und seiner Einstellung, sodass eine Stelle, die "Komik" enthält, für den einen eine solche sein kann und für den anderen nicht. Für dieses Unternehmen nehmen wir an, dass objektive "Komik" nicht existiert, weil das Erkennen der "Komik" tatsächlich vom Rezipient abhängt. Was jedoch objektiv vorliegt, sind die Bedingungen bzw. die Eigenschaften, die als "Komik" erkannt werden können. Deshalb ist von nun an, wenn von "Komik" die Sprache ist, ein "komisches Potential" gemeint.
Leitfragen der Interpretation
Neben den zentralen Leitfragen der Interpretation - (I) Von welcher Art ist "Komik" in den Winterliedern? (II) Welche (globale/lokale) Funktionen hat die "Komik" in Neidharts Winterliedern? - lassen sich aus der Einleitung noch zwei weiterführende Fragen ableiten:
Die "Winterlieder" lassen ein durchgängiges Muster erkennen. In den ihnen wiederholen sich Themen, Motive und Mittel. Diese Gemeinsamkeiten können als eine Art Set aus übergeordneten Kriterien verstanden werden, die einzeln notwendig - vielleicht auch disjunktiv hinreichend - sind, um von einem "Winterlied" auszugehen. Man kann sagen, dass dieses Set an Kriterien die Gattung der "Winterlieder" spezifizieren, d.h. die Kriterien sind gattungsspezifisch. Eines dieser Gattungsmerkmale oder gattungsspezifischen Kriterien der Winterlieder, so wurde festgestellt, ist die "dörper"-Thematik. Es wurde angenommen, dass "Komik" ein Merkmal ist, das in Zusammenhang mit dieser "dörper"-Thematik auftaucht. (III) Könnte die "Komik" auch als ein solches Kriterium der "Winterlieder" angesehen werden? Ist also "Komik" ein Gattungsmerkmal der Gattung "Winterlieder", d.h. ein notwendiges Kriterium für ein "Winterlied"?
Ferner wurde deutlich, dass die "Winterlieder" bei den Rezipienten, wie auch die anderen Neidhartlieder, besonders beliebt waren. "Komik" ist ein Mittel, von dem man mit guten Gründen behaupten kann, dass es bei der Hörerschaft starke Reaktionen erregen kann. Zudem kann jeder nachvollziehen, dass "Komik", bspw. in Form eines Witzes, sowohl provozieren als auch faszinieren - oder beides gleichzeitig - kann. (IV) Ist die "Komik" ein Grund für die Beliebtheit dieser Lieder? Macht gerade das Merkmal "Komik" die Winterlieder für Reproduktionen attraktiv? Ist die "Komik" ein (oder der spezifische) Grund für das "Following"? Kann also das Merkmal "Komik" die Produktivität der Neidhartlieder und ihre Ausstrahlung in andere Gattungen erklären?
Eine Hypothese
Über die Form, den Inhalt und die Funktion eines Witzes hinaus, gilt diesem Witz auch immer ein gewissen Zweck, den der Komiker vorsieht. Komik entspringt nur selten Zufall, unabsichtlicher oder unfreiwilliger Handlung. Wenn ein komisches Element gesetzt wird, dann zumeist im Bewusstsein, über dessen komisches Potentials und mögliche Wirkung. Damit ist jedem Ausdruck von Komik eine gewisse Absichtlichkeit bzw. Intentionalität vorausgesetzt.
Auch der Autor der Neidhartlieder wird das "komische Potential" mit einer Absicht eingesetzt haben. Alle Vorkommnisse, die vorliegen, sind bewusst so gewählt und kombiniert. Hinter der Verwendung der Komik liegt ein Interesse des Autors, etwas zu erreichen, d.h. er beabsichtigt etwas mit seiner Komik zu erreichen. Diese Absicht ist eine Folge in der nicht fiktiven Welt, die womöglich mit dem verbunden ist, worüber die Komik in der fiktiven Welt spricht.
Der Autor verwendet "Komik" mit der Absicht etwas an den Verhältnissen der realen Welt zu verändern, das in der fiktiven Welt durch die Komik markiert ist. Die Aussage, die Autor mit seinem Werk anbringen will, ist zwar durch Komik vermittelt besteht aber in Ernst.
Die Analyse
Vorausgesetzte Begrifflichkeiten
Das Kriterium der Analyse
Macht man sich die Prominenz der Komik über die Geschichte bewusst, wird klar, wie schwer es diese auf einen Kern zu reduzieren. Komik ist ein Konzept, das sich aus der Natur heraus unterschiedlichste Arten, Formen und Mittel zulässt. Der Versuch eine Formel der Komik aufzustellen, die alle diese Arten, Formen und Mittel berücksichtigt, wäre vielleicht selbst komisch.
Um den weiten Begriff der Komik einzugrenzen, ist es ratsam an dem Punkt anzusetzen, welchen die Komik ausmacht. Ungeachtet ihrer Art, Form oder ihres Mittels bezeichnet Komik alles dasjenige, das Heiterkeit oder Gelächter hervorruft bzw. hervorrufen will. Auch wenn sich Komik in einem Affekt äußert und erfüllt, muss festgestellt werden, dass das sowohl das Erkennen als auch das kreieren von Komik eine intellektuelle Leistung ist. Komik bleibt eine Art von Inszenierung bzw. ein Ausdruck von intellektuellem Raffinements (Machmaier, 125). Bevor die Komik im Affekt erfüllt werden kann, muss im Umgang mit Komik die Vernunft eingeschaltet werden. Genau bei dieser Erfüllung der Komik sollte die Untersuchung des Begriffs ansetzten. Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Erfüllung: Das Lachen und das Verlachen. Erstere Art ist das Resultat von Komik in Spielart des Humors; letztere Art ist das Resultat von Komik in Spielart der Satire, i.e. bissiger Humor. Humor will dabei allen Problemen und Fehler des Lebens mit einer "heiteren Gelassenheit" zu begegnen. Satire will dagegen die Einstellung Probleme und Fehler aufzudecken und zu tadeln (Suchomski, 256). Diese beiden Spielarten nehmen Komik als ein Mittel heran ihre Einstellung zu inszenieren und evozieren damit Lachen oder Verlachen. Durch den Einsatz der Komik von zwei Menschen dieser unterschiedlichen Einstellung kommen ganz unterschiedliche Arten der Komik zustande, die jede für sich einer eigenen Untersuchung wert wäre.
Aus Komik im Einsatz des Humors entspringen Arten wie Witz, Scherz, Zynismus und andere harmlos - hinwegsehender Heiterkeiten. Aus Komik im Einsatz der Satire entspringen Arten wie Ironie, Sarkasmus, Polemik, Parodie, Polemik und andere hohnsprechend - spöttische Demonstrationen.
Alle diese Arten der Komik können in unterschiedlichster Form auftreten. Klassisch unterscheidet man zwischen literarischer Komik und rhetorischer Komik, das heißt Komik in einem Schriftbild und Komik im Vortag. Doch es gibt auch eine ganze Reihe an Formen non-verbaler Komik, die ohne (geschriebene oder gesprochene) Worte teils in bildlicher Form teils ganz ohne Person auftreten (Situationskomik).
Die Form der vorliegenden Komik scheint eine Schnittstelle zwischen literarischer und rhetorischer Komik. Neidharts Lieder waren nicht dazu bestimmt in schriftlicher Form gelesen zu werden, höhst wahrscheinlich hat er diese nur für sich angefertigt. Wofür die Lieder tatsächlich bestimmt waren, war der Vortrag vor Publikum. Streng genommen sollte es sich also um eine rhetorische Komik handeln. Bedauerlicherweise gibt es keine Mitschnitte oder Aufnahmen aus dieser Zeit, die untersucht werden könnten. Tatsächlich gibt es aber überlieferte Töne und Melodien zu den Liedern. Um das tatsächliche komische Potential der Winterlieder zu analysieren, müsste man die Lieder in vorgetragener, ryhtmischer und gesungener Form anhören, denn dafür waren sie und sicher die Komik bestimmt. Vielleicht wirkte die Komik in dieser vorgesehenen Form besser oder unterschiedlich. Für den Zweck dieser Untersuchung und aus Zeitmangel soll aber die Komik in ihrer literarischen Form analysiert werden.
Der Ruf der Komik
Der Ursprung der Komik und auch des Terms geht zurück ins alte Griechenland. Komik kommt von dem griechischen Wort komos für Festzug oder Festlichkeit. Wie diese etymologische Herkunft des Beriffs vermuten lässt, verbanden die Griechen die Komik mit Heiterkeit oder Entspannung. Entspannung hat wiederum den Zweck der Erholung zu neuer Tätigkeit (Suchomski, 30). So war die Komik für die Griechen äußerst sinnvoll und keinesfalls per se lasterhaft. Komik hätte gar den Anspruch in die Menge von Handlungen aufgenommen zu werden, welche im Mittelmaß zwischen zuviel und zuwenig einen tugendhaften Status erlangen können ( Suchomski, 30). Aristoteles ordnete das Lachen selbst als eine genuin menschliche Fähigkeit ein (Suchomski, 10). Auch im weiteren Verlauf der Antike gab es viel Zuspruch für die Komik. Cicero plädiert oft für die entspannende und erholsame Wirkung der Komik. Als der erste Redner Roms hat er freilich Vorteile in der rhetorischen Komik gefunden, die in der Rede den ermüdeten Geist des Zuhörers durch ein Lachen erfrischen kann (Suchomski, 33, 34). Der Ein genuiner intellektueller Gehalt der Komik, der nicht nur erfrischt, sondern eigenes stiftet, wurde indes nicht vermutet.
Im Übergang von der Antike in das Mittelalter erfuhr die Komik eine Zäsur, die mit unter durch die auftretenden christliche Kirche unterstützt wurde. Die christliche Kirche, einer der herrschenden Instanzen des mittelalterlichen Europas, war der Komik und allen ihrer Arten und Erfüllungen äußerst skeptisch gegenüber. Es gebe beispielsweise keine Belege dafür, das Christus jemals gelacht hat, obwohl er freilich die Fähigkeit dazu hatte. Genauso hatte er aber auch als Mensch die Fähigkeit zu sündigen und dieser entsagte er sich. Der Schluss ist, dass auch der Christ als Nachfolger Christi, sich des Lachens und des Sündigens entsagen muss. (Suchomski, 11-13)Die Kirche kämpfte regelrecht gegen unterhaltende Berufe die ein solches Lachen evozieren wollten (Suchomski, 26-28). Der Scherz findet streng genommen keinen Platz im Christentum. Erst mit der Integration antiker Überlegungen - vornehmlich aristotelische Ethik - in die christliche Ethik, bspw. durch Thomas von Auquin, kam es zur Wendung in der Auseinandersetzung christlicher Gebildeter mit Komik (Suchomski, 55). Auch sah jetzt mir Aristoteles Augen, dass geregelte Scherzhaftigkeit als Tugend anerkannt werden muss (Suchomski, 57). Dort, wo solche Reformen auftraten, gab es dann auch immer mehr Zuspruch zu Komik. Aus der Überlieferung weis man: Dichtung und auch komische Dichtung zur Unterhaltung wurde in weltlichen und geistlichen Kreisen der Oberschicht bejaht und auch zu genüge gepflegt. Heute kann man vermuten, dass auch über die Unterhaltung hinaus eine nützliche Funktion der Komik berücksichtigt wurde.
Historische Ansätze zur Komik
Über die Jahrhunderte haben sich viele berühmte Denker bemüht eine Erklärung oder eine Definition für Komik zu finden. Daraus entstanden eine große Anzahl an Theorien und Definitionen zur Komik, über die es sich einen Überblick zu verschaffen gilt. Vielleicht lässt sich ein Kanon aller Parteien entdecken, der diesem Projekt verhilft einen vorläufigen Kern der Komik zu isolieren.
Aristoteles, einer der ersten Denker, die sich mit der Komik auseinandersetzten, beschrieb die Komödie in seiner Poetik als ein Nachahmung einer Abweichhandlung, mit der ein Mensch sich in einen Gegensatz zu einer Norm bringt und damit ethische Fragen berührt. Da er auf eine Gattung des Dramas referiert, benutzt er noch das Bild der Maske des Schauspielers. So wie die lächerliche Maske hässlich und verzerrt sei, aber ohne Ausdruck von Schmerz, sei auch das lächerliche ein mit Hässlichkeit verbundener Fehler, der aber keinen Schmerz hervorruft (Bachmaier, 12). Für Aristoteles ist also das Komische - oder die Literatur die es enthält - eine abweichende, normbrechende Handlung, wobei das lächerliche ein schmerzloser Fehler (durch Hässlichkeit bzw. Verzerrung verändertes Wahres).
Wie oben zu sehen war, überlegten viele Denker der Antike über die Komik, doch im Mittelalter nahm, nach der Überlieferung zu urteilen, das Interesse an solchen Überlegungen ab. Eine Abhandlung über die Komik bzw. eine Theorie der Komik ist aus dem Mittelalter nicht überliefert (Suchomski,66). Übrig bleiben vereinzelte Bezeichnungen von Gattungen und die Urteile geistlicher über die Komik.
Martin Opitz schrieb dann in der frühen Neuzeit, in seinem Buch der deutschen Poeterey, wieder über die Komik. Für ihn besteht die Komik im schlechten Wesen und Personen. Die Komik erzähle deshalb von Falschheit der Menschen, Gastgeboten, Gaunern, Betrug, Intrige, Leichtfertigkeit der Jugend und Geiz des Alters. Indes vermutet er diese Dinge nur "unter gemeinen Leuten" und schließt den Hochadel von solchem Treiben aus. Eine Art Ständeklausel ist unübersehbar. Opitz erkennt also das Komische in dem Schlechten und Hässlichen und stellt es dem Edlen und Redlichem entgegen (Bachmaier, 15).
Nicht viel später beschrieb Thomas Hobbes in De homine einen Umriss einer Kontrasttheorie. Diese sieht im Defizit des Anderen, der Plötzlichkeit des Geschehnisses und in der Alterität die wesentlichen Kriterien des Komischen (Bachmaier, 16). Während die vorigen Komik im Kontext der Gattungspoetik der Komödie behandelten, beschreibt Hobbes Komik nun mit seiner Affektlehre. Komik hat wieder etwas mit einem Fehler zu tun, den es in seiner Plötzlichkeit zu empfinden gilt, um ihn in Affekt umzusetzen (Bachmaier, 17).
Francis Hutcheson übt er Kritik an der Hobbes'schen Theorie. Er ordnet anders als Hobbes dem Gefühl oder Einstellung zum Komischen eine große Bedeutung zu, die darin besteht, die Sitten des Menschen zu verfeinern oder zu berichtigen. Für Komisch hält er Dinge, die "(...) völlig anderer Natur sind als jegliches menschliche Handlung(...)"(Bachmaier, 23). Wieder sollen diese Dinge etwas Schlechtes, Falsches oder immerhin Verachtenswertes an sich haben (Bachmaier, 22,23).
Für den Vater der Aufklärung, Kant, muss alles, das ein Lachen hervorrufen soll, etwas Widersinniges zu eigen sein. Die Verkehrung ins Gegensätzliche, eine Unmöglichkeit oder ein Bruch der Wahrheit sind auch teil dieses Widersinnigen, das die Erwartung nicht erfüllen kann, sodass sie sich in nichts auflöst (Bachmaier, 24-25). So hegt man eine gespannte Erwartung, die sich durch dieses Widersinnige in nichts auflöst, und lacht. In diesem Sinne hat das eine Ähnlichkeit mit dem Paradoxon, das eine Gedankenfigur gegen die Erwartung ist.
Jean Paul, wieder ein Vertreter der Kontrasttheorien, teilt das lächerliche in drei Bestandteile auf: Der erste Bestandteil, der objektive Kontrast, ist der Widerspruch, worin das Sein des lächerlichen mit dem erfahrenen Sein - angesehenen, tatsächlichen - im Verhältnis steht; Der zweite Bestandteil, der sinnliche Kontrast, ist genau dieses sinnliche Verhältnis von lächerlichem und wirklichem; Der dritte Bestandteil, der subjektive Kontrast, ist der Widerspruch beider. Diese äußerst umständliche Zerlegung der Lächerlichen hat wieder ein Kerngedanke: Widersprüche/Kontraste zwischen betrachteten Dingen und Betrachter fügen sich zu einem komischen zusammen (Bachmaier, 32).
Im Gedanken des Kontrasts bleibend, führt Hegel an, das Komische beruhe überhaupt auf widersprechenden Kontrasten. Der Widerspruch zwischen Wahrhaftigem und individueller Realität stelle sich bei der komischen Handlung noch vertiefter heraus als bei der tragischen. Darum bedürfe die komische Handlung auch einer Auflösung (Bachmaier, 35).
Schopenhauer erklärt sich das Komische mit einer unangemessenen Unterordnung. Das heißt eine Unterordnung einen gegebenen Gegenstandes unter einen nicht adäquaten Begriff, sodass man plötzlich eine Inkongruenz zwischen Begriff und in der Anschauung gegebenen Gegenstand wahrnimmt. Des weiteren erfasst er das lächerliche recht präzise mittels einer Schlussfigur. Diese hat als erste Prämisse eine als unbestritten geltende Aussage und als zweite Prämisse eine nur durch Schikane geltend gemachte. Die Konklusion dieser beiden Prämissen sei dann von lächerlicher Art (Bachmaier, 44-45). Nun steht also eine Inkongruenz im Vordergrund, die bei einer unpassenden Verbindung wahrzunehmen ist.
Sören Kierkegaard konstatiert fast poetisch, "(...) überall, wo Leben ist, ist Widerspruch, und wo Widerspruch ist, ist das Komische anwesend (...)". (Bachmaier, 62).
Um zuletzt noch einen moderne Ansicht einzumischen, soll noch Jünger zitiert werden, der das Komische als einen Fall von Regelwidirgkeit einstuft, welche den komischen Konflikt zwischen zwei nicht ebenbürtigen Konfliktparteien auslöst (Bachmaier, 104).
Der Kern der Komik
So sehr die Ansichten in einigen Punkten differieren, sollte deutlich geworden sein, dass sie sich in einem abstrakten Punkte überschneiden. Bachmaier fasst nach der Betrachtung dieser Überlegungen zusammen, dass es nur zweierlei Arten von Komiktheorien gibt: zum einen die Kontrasttheorie und zum anderen die Inkongruenztheorien (Bachmaier, 124). Doch auch Kontrast und Inkongruenz haben etwas gemeinsam, sodass man den Kern der Komik noch weiter eingrenzen kann. Alle Theorien sprachen mithin von einem Widerspruch, einer Verkehrtheit oder immerhin einem Fehler, die Komik innehaben oder auslösen muss. In der Beobachtung des natürlichen, wahrhaftigen Lauf der Dinge ist sie dadurch eine Auffälligkeit. Diese Auffälligkeit unterbricht die Beobachtung des Verlaufs der natürlichen Dinge und lässt uns Stocken. Deshalb erzeugt das Komische einen Bruch in unserer Beobachtung und Auffassung. Der Bruch wiederum lässt uns innehalten und wundern. Durch das Wundern um den Bruch, kommt man wiederum ins Denken über den Bruch.
Eine Synthese der Formel
Aus dieser Beschreibung des Kerns der Komik erschließt sich folgende vorläufige Formel für Komik:
Um ein komisches Potential aufzubauen, führe die Beobachtung des Rezipienten der wirklichen, richtigen Dingen mit etwas zu einem Bruch.
Die Mittel, die Komik, d.h. einen Bruch, erzeugen wollen, müssen also in irgendeiner Art eine Auffälligkeit erschaffen, mit der wiederum der natürliche Lauf der Beobachtung gebrochen wird.
Das heißt eine Formel für eine objektive Komik, die erkannt und in Lachen erfüllt wird - eine Formel zum Lachen also. Doch der Anspruch hier liegt in dem Aufstellen einer Formel für komisches Potential, d.h. etwas, das für ein Subjekt komisch sein kann, das Potential für Komik hat. Hierfür sollte sich ein Formel finden lassen.
Inhalt und Funktion der Komik
Traditionell bestimmte man im Mittelalter die Funktion der komischen Dichtung zum einen der "delectatio" und zum anderen der "utilitas". Die "delectatio", d.h. die Belustigung, war eine erlaubte Funktion, wenn sie der Entspannung und der Verbindung von Unterhaltung und Belehrung dienlich war (Suchomski, 68). "utilitas", d.h. die Nützlichkeit, war dagegen eine erwünschte Funktion. "Utilitas" konnte dabei alles mögliche sein, vorausgesetzt es ist ein gedanklich-ethischer Nutzen für die Rezipienten. Erwartet wurden indes beide Funktionen zusammen. Im besten Falle wurde wird man durch die Belustigung an einigen Stellen eben an diesen Stellen auf einen versteckten nützlichen Gehalt hingewiesen.
Der Nutzen der liegt dann in dem versteckt, was man den Inhalt der Komik nennen könnte.
Tatsächlich vermag es Komik mit jenem Bruch neuen Inhalt zu schöpfen, jedoch in einem abstrakten Sinn. Komik erschafft keine neuen Gegenstände, wohl aber Themen aus einem Unterschied bestehender und möglicher Gegenstände. Auf diese Themen, Motive und Fragen, d.h. auf den Inhalt der Komik, kommt man immer durch einen Vergleich zwischen zweier Welten ausgezeichnet durch zwei unterschiedliche Sachverhalte. Die eine Welt, die konstante wirkliche, besteht außerhalb der Komik und ist frei von solcher Brechung. Die andere Welt, eine mögliche, ist eine Welt, die der ersten in allem gleicht, außer dass sie Komik erlaubt, dass in ihr ein gewisses Objekt diese Brechung aufweist. Um den Inhalt der Komik zu erlangen muss man nun diesen Gegenstand in der einen Welt mit dem Gegenstand in der möglichen Welt vergleichen. Die Gegenstände werden sich immer noch eine Schnittmenge überschneiden. Der Inhalt besteht immer genau in dem Unterschied dieser beiden Gegenstände - unter der Berücksichtigung der Schnittmenge -, der neue Fragen und Themen aufwirft. Denn man frägt sich wie dieser Bruch den natürlichen Lauf der Dinge verändert, welcher Art dieser Bruch ist und Bedeutung dieser Bruch in Hinsicht auf das natürliche hat.
Beeinflussende Faktoren
Rolle des Kontext
Komik kann nicht alleine stehen. Die aufgestellte Formel der Komik enthält eine unbestimmte Variable, auf die sie angewendet werden kann. Denn aus dem Nichts kann kein Bruch erzeugt werden und wenn es gelingt wäre diese Bruch gehaltlos. Komik kann ihren Gegenstand nicht selbst schöpfen und diese dann zum Bruch führen, zum schöpfen neuen Inhaltes ist die Komik erst dann im Stande, wenn sie sich auf bereits bestehende Gegenstände bezieht. Ihre Natur besteht in der Anlehnung an schon existierende Gegenstände, die sie mit ihren Mitteln auffällig macht. Ein Gegenstand ist für die Komik notwendig. Ferner dürfen diese Gegenstände nicht nur existieren, sondern dem Rezipienten auch bekannt sein. Denn ohne Kontext über die Gegenstände der Komik kann man im Zweifel auch nicht verstehen, weshalb dies oder jenes auffällig verkehrt oder widersprüchlich sein sollte oder der Bruch eintreten sollte, sodass man ihn gar nicht als solchen erkennt. Bevor eine Komik angebracht wird, sollt sich also vergewissert werden, ob und wie gut die Hörer über den notwendigen Kontext bescheid wissen, d.h. den zu betrachteten natürlichen Lauf der Dinge. Umgekehrt könnte durch die Schwierigkeit des Kontextes die Hörerschaft eingegrenzt werden, welche die Komik verstehen soll.
Bedeutung der Novität
Das Komische hängt stark von seinem Neuigkeitscharakter ab. Wiederholte man denselben Aufbau eines komischen Elements, kombinierte man es immer auf die selbe Weise mit anderen Elemente, nähme man immer denselben Gegenstand zum Bezugspunkt, dann gewöhnte man den Zuhörer auch an diese Komik. Wenn Komik so veraltet oder wiederverwendet wird, wird ihre Funktion nicht etwa schwächer oder anders, wohl aber ihre Rezeption. Denn so wiederholt, kann der Hörer nicht mehr von der Komik überrascht werden, da er sie oder ihre Art so oder so ähnlich im Zweifel schon kennt. Deshalb könnte es nicht mehr auffällig sein und nicht zum notwendigen Bruch führen. Zum einen könnte die Wirkung der Komik, wenn sie als solche erkannt wurde, abgeschwächt werden. Im schlimmsten Falle könnte die Komik, wenn sie veraltet ist, von so verschwindender Wirkung sein, dass sie gar nicht mehr als solche erkannt wird. An einem Beispiel eines veralteten Witzes kann dieses Phänomen leicht nachvollziehbar. Komik lebt von der Innovation ihrer Anwendung, ihrer Themen und Mittel. Innovation und Neuigkeit einer unbekannten Komik bedingt, dass der Rezipient von der unbekannten Komik überrascht wird, weil sie ihm so umso auffälliger erscheint. Ist die Innovation gut, dann wird auch die Wirkung der Komik bei dem überraschten Publikum sein. Sicher, die Funktion der Komik wird dann nicht anders sein und es die gute Funktion ist wichtiger als eine gute Wirkung. Doch die Innovation könnte bewirken, dass mehr Menschen von der Funktion profitieren, sowohl weil mehr MEnschen die Komik dardurch als solche erkennen und in lachen erfüllen als auch weil die Komik dann eine Faszination auslöst. Innovation konnte jeher ein ganzes Lauffeuer an Bekanntheit erregen.
Bedeutung des Extremums
Eine weiteres Kriterium, welches die Wirkung der Komik beeinflusst, ist der Grad der Auffälligkeit. Je nach dem, wie stark der Bruch in einem komischen Mittel konstruiert ist, so wird auch die Rezeption des Hörers leichter oder intensiver. Wie auch in der darstellenden Kunst machen Extrema anschaulich und verstärken zugleich den Inhalt der Handlung. Um also Komik leicht erkennbar zu machen und in der Wirkung zu verstärken, bietet es sich an den Grad des Kontrastes der Inkongruenz zu maximieren. Genauso wie bei der Novität gilt, dass die Wert der Funktion überwiegt, aber durch das erstreben eines Extremums weiter getragen werden kann, sodass es mehr Menschen nützen kann.
Ableitung der Mittel
Im wissen um diesem Kern der Komik und mittels der daraus hergeleiteten Formel müssten auch alle komische Mittel abgeleitet werden können. Alle Mittel müssen dieser Formel auf ihre Art folgen und in irgendeiner Art einen Bruch erzeugen, um Komik zu erschaffen. Wie genau die einzelnen Mittel einen Bruch erzeugen, wird unter jedem Mittel erklärt. Die Winterlieder sollen im Folgenden in Hinsicht auf diese unterschiedlichen Mittel untersucht werden. Daraus sollte sich ein Überblick über die verwendete Komik ergeben.
Der Gegenstand der Analyse
Die Winterlieder
Formal wird mit den Winterliedern eine Gruppe von 37 metrisch-gebundenen Liedern bezeichnet, die sich durch Gemeinsamkeiten als solche auszeichnet und sich durch Eigenheiten von der Gruppe der Sommerlieder unterscheiden lässt. Bevor die Gruppe an Lieder als solche beschrieben wird, soll sie zunächst auf diese Weise definiert werden.
Eine besondere Stellung hat hierbei der obligatorische Natureingang. In dieser manchmal kürzeren manchmal längeren Einführung in das Lied adressiert der Sänger die durch Jahreszeiten veränderbare Natur, beschreibt sie, personalisiert sie und spricht sie teilweise in Form von Apostrophen an. Was thematisiert wird, ist der kommende titelgebende Winter, aber oft auch der vergangene Sommer und Frühling, vor dessen Folie um den Winter geklagt wird (Schweikle, 80). Da der Natureingang in allen Winterliedern - mit Ausnahme in WL4 - an derselben Stelle am Anfang des Liedes auftaucht, wird er auch als Gattungssignal bezeichnet (Ruh, 123). Alleine anhand dieses Kriteriums kann ein Winterlied als ein solches bestimmt und von Sommerliedern, die zumeist gut unterscheidbaren sommerlichen Natureingang, differenziert werden. Folglich ist der winterliche Natureingang sowohl notwendige als auch hinreichende Bedingung um von einem Winterlied auszugehen. Zugleich ist der winterliche Natureingang das einzige Kriterium der Winterlieder, das sie scharf von den Sommerliedern zu trennen vermag. Denn alle anderen Kriterien der Winterlieder sind auch solche der Sommerlieder. Die Unterschiede bestehen vornehmlich in der Ausprägung und Konkretisierung, der Themen, Motive und Figuren.
Es gibt nur wenige andere Gemeinsamkeiten der Winterlieder, über die die Literatur sich einig ist, dass sie die Winterlieder kennzeichnen. Gemeinsamkeiten oder andere Auffälligkeiten, die durch eine Beschreibung der Gruppe deutlich werden, sprechen oft nicht für alle Winterlieder (Ruh, 123). Kennzeichnend wäre noch die Stollenstrophe, die in den Winterliedern durchwegs vorherrscht. Zuletzt steht die gattungsspezifische Ausprägung und Konkretisierung der "dörper". Wie schon argumentiert wurde sind die "dörper" zwar kein Spezifikum der Winterlieder, dennoch sind sie in dem Maße spezifisch, als sie in spezifisch akribischer Weise ausgearbeitet wurden, eine der höfischen oppositionäre Welt ausmachen und in die Grundthematik der Winterlieder integriert wurden (Ruh, 123).
Beschreibung
Die "dörper" sind konstituierender Bestandteil der Grundkonstellation der Winterlieder, in der "(...) der Minnesänger (...) auf dem Dorf um ein Mädchen wirbt, als ob es eine adelige Dame wäre, und dabei in Konflikt mit den Bauernburschen kommt" (Hübner, 52). Diese Konstellation beschreibt ein modifiziertes Minneschema, das gerade genug auf dem klassischen Minneschema aufbaut (Ruh, 122), um es noch hinter der "dörplichen" Maske zu erkennen. Vor der Folie der "dörper"-Welt mit dem Bauernmädchen als erotisches Objekt und dem Bauern als Liedpublikum wird dieses klassische Minneschema bewusst kontrastiert. In dem modifizierten Minneschema wird "(...) das adelige Ideal der höfischen Liebe mit der bäuerlichen Dorfwelt konfrontiert (...)" (Hübner,45, 54). "Die traditionellen Muster des Minnesangs werden auf den falschen Gegenstand und den falschen gesellschaftlichen Raum bezogen."(Hübner,54)
Die Rollen der Minne in den Winterlieder sind damit schon fast bestimmt. Der Minnesänger als einsamer Wolf wirbt - minnetypisch - erfolglos um eine "vrouwe", die Teil der "dörperwelt" ist und hat die Gesellschaft, d.h. die "dörper", als Rivalen. Die "vrouwe" ist hierbei gar keine echte "vrouwe", sondern ein Bauernmädchen, das nicht auf die Werbung durch Sang, sich aber schwach bei der Werbung durch Grobianismen zeigt - diese führen auch den Sänger ausnahmsweise zu Minneerfolg/bei der Dörperdame bedeutet Handgreiflichkeiten Minneerfolg (Ruh, 120, 121). Da die Gesellschaft Rivalen, d.h. Mitbewerber um die "vrouwe" sind und die "vrouwe" wiederum häufig auf die Werbung der Rivalen, aber selten oder gar nicht auf die Werbung des Minnesängers, wird die Konfliktrelation Sänger - Gesellschaft in hohem Maße verstärkt (Ruh, 122). Das Schema ist bei Neidhart eben durch die Konkretisierung der Rivalenrolle nach dieser Rivalenmotivation hin verzerrt, sodass die Reaktion auf Misserfolg durch Konkurrenz übergewichtig wird. (Ruh, 120) Die grundlegende Thematik und Motivik der Winterlieder entspringt nun eben dieser Verzerrung hin zur Konfliktrelation.
Als Katalysator der Entstehung der Thematik und Motivik aus der Konfliktrelation ist das Szenarium bzw. Milieu und Natureingang zu vermerken. Das Szenarium bleibt äußerst reduziert beschrieben und wird nur in einigen Liedern konkretisiert. An szenischen Elementen bieten die Tanzsituation das meiste, wobei die Vorbereitung, Lokation, Tänzer und Tanzszene ausführlich beschrieben werden (Ruh, 118). Die Grundrisse des Szenariums jedoch durchgängig bekannt und stehts dieselben: Die Lieder spielen in einem druchwegs dörflichen Szenarium, das Milieu der "dörper". In ihrem Milieu ist der Sänger fremd, wogegen die "dörper" sich umso sicherer fühlen. Denn sie sind unter ihresgleichen, in vertrauten Räumen und vertrauten Gepflogenheiten und können dem Fremden mit entsprechendem Selbstbewusstsein entgegentreten. Umgekehrt fühlt sich der Fremde umso mehr als Fremder und von den Räumen und dem Personal der ihm oppositionären Welt ausgegrenzt. Wie der Natureingang signalisiert herrscht oder tritt unterdessen Winter ein, der den Sommer verdrängt. Wo in den Sommerliedern noch die weite dörfliche Welt mit ihren, Wiesen, Auen und Linden offen stand, ist der Raum in den Winterliedern wetterbedingt wesentlich eingeschränkter. Die Räume, in denen gehandelt, getanzt und gesungen wird, sind meist geschlossene und begrenzte, sodass eine Begegnung bzw. eine Konfrontation wesentlich wahrscheinlicher ist. Während der Sänger in den Sommerlieder Raum zum ausweichen hatte, ist er in den Winterlieder gezwungen früher oder später mit den ebenso eingesperrten "dörpern" auseinanderzusetzten. Die Auseinandersetzung zwischen Sänger und Gesellschaft wird somit in zweierlei Hinsicht beschleunigt: Zum einen ist der Sänger im Milieu der Rivalen und zum anderen sind die Räume im Milieu begrenzt. Neben alle dem spielt sicher auch die Gemütshaltung und Gefühle die der Winter hervorbringt und gleichsam spiegelt.
Die eigentliche Thematik der Winterlieder die hieraus hervorgeht ist dann die "Klage" des Sängers. Dies tritt zumeist in Form einer "Minneklage" - oft in Verbindung mit einer Winterklage-, das heißt auf die "vrouwe" - das Bauernmädchen - gerichtet, die den Sänger nicht erhören will, zum Teil weil sie den "dörpern" nicht abgeneigt ist; oder in Form einer "Dörperklage", das heißt auf die "dörper" und ihr Verhalten gerichtet. An stelle der letzteren gibt es auch häufig Spott-Strophen, in denen der Sänger als Spottsubjekt über die "dörper" als Spottobjekt hohen Hohn spricht und seine Dörperklage untstützt.
Mit der überwiegenden Thematisierung der "dörper" durch den Sänger inszeniert er sie und ihre Welt eigentümlicherweise umso mehr. Dies beschreibt in dem Sinne einen Teufelskreis als dem Sänger die Anwesenheit, das Aussehen und das Verhalten der "dörper" unangenehm ist und zur Klage bzw. zum Spott gerreicht und er mit dieser Klage und Spott den "dörpern" umso mehr Raum in seinen Liedern schafft, die Rivalenrolle immer deutlicher macht, ihre Welt und sie umso deutlicher, grell und bedrohlicher zeichnet. Indes handelt es sich - offensichtlich - persepektivisch größtenteils um Sängerlieder - mit Ausnahme in 8-, d.h. Lieder in denen der Sänger singt, nur selten spricht jemand anderes als der Sänger und wenn so jemand spricht, dann über den Sänger. Sprachlich Als Redehaltung bleibt er zumeist im Monolog bzw. in indirektem Bericht, wenn auch an einigen Stellen ein Gespräch durch eingefügte direkte Rede des gegenübers angedeutet wird. Im größten Teil behält der Sänger aber den Bericht, die Apostrophe und Beschreibung, obwohl dasjenige, über das er spricht oder in Abwesenheit anspricht, räumlich oder zeitlich nicht weit entfernt liegt (Ruh, 119,123).
Einige Lieder greifen ein besonderes Thema auf, bspw. Weltsüeze, Poltik oder Altersklage. Doch auch in solchen Liedern werden die dörper vom Sänger als Rivalen thematisiert.
Sonderfälle bilden die Lieder 1-10, welche auch als dörperkonforme Lieder bezeichnet werden (Schweikle, 82). In diesen Liedern zeigt sich der Sänger im Gegensatz zum Normalfall (dörperkontrovers) nicht in Konflikt mit den dörpern, wobei sie auch hier vorkommen. Dazu ist der Sänger in diesen Lieder in entweder nicht in der Minne engagiert oder , wenn er es ist, in seiner Minne erfolgreich und hat keinen Grund für Minneklage oder Dörperklage. Vielmehr versucht sich der Sänger in diesen Liedern ausnahmsweise in das dörertreiben einzureihen und in das Dorfleben einzugliedern, sodass er weniger als Fremder wirkt.
In dem sonst sehr reduzierte Szenarium der Winterlieder gibt es auch wiederkehrende Motive, Verweise und Figuren - Fixpunkte in veränderlichen offenen Form. Das bekannteste Leitmotiv der Winterlieder wird der Spiegelraub Frideruns sein und mit ihm verbunden der "dörper" Engelmar - später der ungenannte. Diese Leitmotive bauen eine Art Verständnishorizont oder ein Hintergrundnarrativ auf, das von den Lieder aufgenommen werden kann. Gerade das Hintergrundnarrativ, das selbst nie konkret oder vielleicht gar nicht existiert wird (Braun, 277,278), erlaubt es das Szenarium so zu reduzieren. Anzumerken ist, dass die Winterlieder zu der Entstehungszeit natürlich nicht alle auf ein mal vorgetragen wurden, sondern seriell oder zyklisch. Mit jedem Lied wurde so stück für stück ein Verständnishorizont aufgebaut der alle Lieder umfasste und betraf, auf den immer wieder verwiesen wurde und es erlaubte die Szenarien im einzelnen Lied zu reduzieren. So wie auch in einer heutigen Serienproduktion im Fernsehen nicht einmalig oder jede Folge aufs neue der Rahmen oder das Szenarium beschrieben wird, sondern dieses Stück für Stück Folge für Folge im Hintergrund aufgebaut wird und als zuhörer der Serie im Fortgang der Serie klar ist. Alles Szenische das tatsächliche szenisch ist bleibt episodisch (Ruh, 118,123).
die Dörperstrophen
Müsste man ein Markenzeichen der Winterlieder festhalten, so sollte das freilich die "dörper" sein. Sie sind das Novum des Neidhartsanges, Ursprung der Hauptthematik, Opposition zum Sänger, Gegentypus des idealhöfischen "ritter", Bruchpunkt der höfischen Minne, das Personal der Welt, durch die die expositionale Kollision bedingte. Die Stellen, in denen der Sänger das Sezenario die Umwelt beschreibt, in die er gekommen ist, reichen nicht aus, um ein Bild dieser oppositionären "dörperwelt" zu zeichnen. Außer einigen Strophen - dazu gehören vor allem die Natureingänge -, in denen die ländliche Szenerie oder die Straßen oder Stuben beschrieben werden, gibt es selten explizite Beschreibungen der Welt, Schauplatz oder dem Dorf - wenn auch einige irreführende Nennungen von realen Dörfern. Anlass zur Beschreibung gibt nur das Zentrum aller Szenerie, der Tanzplatz (Schweikle, 127). So eröffnet sich nur eine streng stilisierte Kulisse vor der die "dörper-Existenz" stattfindet (Braun,271). Eben zeigt sich, dass diesen "dörper" an dieser Stelle eine noch größere Rolle zukommt. Denn diese werden vom Sänger äußert farbenfroh und detailreich beschrieben und wirken im Kontrast zur umrissenen ländlich-dörflichen Kulisse, vor der sie stehen, umso mehr in Szene gesetzt. Wo der Sänger die tatsächliche Umwelt nur reduziert oder stilisiert beschreibt, dort hat er in den "dörpern" äußerst lebendige Bewohner dieser Welt gezeichnet. Die "Dörperwelt" besteht auch in der Kullise, vor der die dörper handeln, aber sie wird vorallem durch die Beschreibungen der dörper, die, von der Kullise hervorgehoben, diese Welt auszeichnen. Der Sänger zeichnet also seine "dörper"-Welt vor allem durch die Repräsentaten dieser Welt und nicht durch die ländliches Szenario der Welt. Die dörper sind die deutlichen Marker / Hinweise/ Verweise auf die durch sie ausgezeichnete dörperwelt. In diesen spiegelt sich die dörperwelt besser wieder als in den unbelebten Auen und Feldern. Aus den Beschreibungen und Berichten ihres Verhalten, ist es möglich die Welt zu zeichen, in denen sie Leben. Denn sie sind Exemplifikate oder Repräsentaten dieser Welt. Sie wurden als Kinder dieser Welt erzogen und haben Eigenschaften dieser Welt übernommen und prägen sie durch diese weiter nach. Die "dörper" oder doch wie sie in den Liedern begegen sind nicht nur Teil dieser oppositionären Kunstwelt, sondern effektiv ihre Erbauer. Denn sie sind die einzigen konkreten Anhaltspunkte, die wir von dieser Welt haben. Wenn man also die "dörper" beschreibt, so beschreibt man implizit auch die Welt aus der sie entspringen und die sie jetzt prägen. Die Fenster durch die man in die dörperwelt hineinschauen kann. Beschreibt man was man durch sie sieht, dann beschreibt man die dörperwelt.
Der Begriff "dörper" ist eine Wortneuschöpfung Neidharts und eine Kunstbegriff. Höchstwahrscheinlich kommt es aus dem Mittelniederdeutschen, wo es als Lehnübersetzung aus dem afrz. vilain für einen tölpelhaften Menschen verwendet wird. Zudem kommt ein ähnliches Wort, das abstrakte Substantiv "dörperheit", das soviel wie "Abweichung von höfischem Verhalten". "dörper" sind also Figuren, die (tölpelhaft) in ihrem Verhalten von höfischem abweichen bzw. Normen verletzen. Alle Figuren, die in den Winterliedern so bezeichnet sind, sind fiktiv. Offensichtlich will mit diesen "dörpern" der realen Stand der Bauern gemeint sein. Neben der Bezeichnung "dörper" gibt es noch einige weitere alternative Begriffe für "dörper", bspw. gelelinc, dorfsprenzel usw. "Dörper" bleibt aber ein Name für eine Klasse oder ein Stand von Menschen. Im Einzelfall, wenn nicht von den "dörpern" gesprochen wird, bekommen die Exemplare der Gruppe der "dörper" Eigennamen. Einige Namen sind Alleinstehen (Lanze), die meisten sind aber Komposita, die aus einem Set an Wortkomponten gebildet werden. Alle Namen der "dörper" haben hierbei eine Bedeutung, sei es eine komponierte oder eine alleinstehende. Oft sind diese Bedeutungen denunzierend oder spöttisch. Obgleich viele der "dörper" Eigennamen tragen, sind diese nicht unbedingt voneinander unterscheidbar. Bis auf wenige Ausnahmen von dörpern, die tatsächlich wiederkennungswert haben (Lanze, Engelmar) oder der Name sich direkt auf Eigenschaften Figur beziehen, benennen die Namen nur sich selbst - nicht den speziell den Träger - und sind miteinander austauschbar (Braun, 266). Dies wird vor allem deutlich, wenn ganze Ansammlungen von "dörpern" mit Namen beschrieben werden. Hier werden viele einzelne Namen aneinander gerreit, die keinen speziellen "dörper" denotieren, wo auch nur hätte stehen können "viele dörper". Die schiere Anzahl der "dörper" wird so häufig in Szene gestellt. Männliche "dörper" tauchen zumeist Gruppenweise und nur selten einzeln auf. Die Wirkung einer Gruppe auf andere und die Macht eines Zusammenhalts scheinen die "dörper" zu verstehen und auszunutzen. Doch das Soziale/Vergesellschaftung Prinzip der "dörper" funktioniert weder nur durch ein lineares Nebeneinander noch nur in bloßen Zahlen. So gibt es auch Gruppierungen oder Bündnisse aus Eid, bedingte Parteihaftigkeit, Feindschaft sowie Andeutungen einer hirarichischen Ordnung. Die Motive und Interessen der "dörper", weswegen solche Vergesellschaftungen eingegangen werden bzw. ihr Verhalten steuern, gehen nie über das einfache hinaus. Zumeist sind es Interessen um Macht, Anerkennung und Sex - gibt es hier gar eine Parallele zum Hofe?. Zumindest lässt das durch den Sänger beschriebene Verhalten der "dörper" keine anderen Gründe zu. Durch ihr Verhalten manifestieren die "dörper" ihre grundlegenden Charakteristika, welche im Gegensatz zum aristotelischen Gedanken durchgängig das Gegenteil von charakterlichen Tugenden sind. Sie sind derbe, unwirsch und allen voran gewalttätig, manchmal fast obszön brutal. Der Adressat dieser Handlungen muss nicht immer der Sänger sein, die "dörper" verhalten sich auch untereinander in ihrer typischen Art. Sie verletzten, wie ihr Name verspricht, Normen und handeln in absolut unhöfischer Weise, und sind inbegriff der dörperheit und Gegenteil der hövescheit. Mittel, um ihre Macht bzw. ihre Stellung zu demonstrieren oder umzusetzen, haben die "dörper" reichlich. Es wird in verbindung mir den dörpern ein ganzer Katalog an Rüstungen und Waffen aufgezählt, die die "dörfer" selbst zu den unmöglichsten Situationen tragen. Viel davon ist freilich eine Protz, eine Vorschau oder Angeberei oder Machtdemonstration. Aber viele Waffen werden auch von dörpern eingesetzt und ihr Zweck, das Töten und Verletzten erfüllt. Außer anhand der Waffen und Rüstungen werden die "dörper" auch in Hinsicht anderer Auffälligkeiten ihrers Aussehens beschrieben. Denn sie bemühen sich um eine hövisch-prunkvolle Mode und Haartracht, die oft als übertrieben beschrieben wird. Als Accessoires dienen dabei oftmals - neben den Waffen - exotische Gewürze und Knollen, Colliers und anderer Zierrat. Selbst mit ihrer Sprache versuchen die "dörper" an das "hövische" heranzukommen oder es immerhin vorzutäuschen. Im Endeffekt verraten sich die "dörper" als solch durch ihr Verhalten, das ihrem Stand entsprechend, ungehobelt ist (Hübner).
"dörper" sind also tatsächlich als eine genaue Antithese zur hövlichkeit konstruiert und zugleich im vergeblichen - peinlichen - Streben danach sie zu erreichen. Zugleich sind die "dörper" abstoßend als auch faszinierend (Müller). Damit ist auch die "dörper"-Welt ausreichend beschrieben.
Die "dörper"-Strophen, der Gegenstandsbereich dieser Untersuchung, sind nun solche Strophen, in denen diese "dörper" in irgend einer Weise auftauchen. Das kann sein, dass der Sänger über sie spricht, sie an der Rede teilnehmen oder auf irgendeine andere Weise mit ihnen auseinandergesetzt wird.
Die "dörper"-welt, die uns vor allem durch die dörper gezeichnet ist, liegt freilich nich nur dann vor, wenn von dörpern die Rede ist oder solche anwesend sind. Da der Sänger in dem Milieu der "dörper" ausgesezetzt ist, ist er auch immer implizit dieser durch die "dörper" geprägte dörper-welt ausgesetzt, sodass auch die Konfrontation mit dieser Welt außerhalb des erzählten denkbar ist. Doch in den Strophen, in denen der Sänger sich mit den dörpern, den Repräsentaten dieser dörper-welt auseinandersetzt, d.h. mit Figuren, die Eigenschaften dieser Welt exemplifizieren, wird die Konfrontation der beiden Welten explizit und der komische Bruch am deutlichsten. Deshalb soll dort auch die Analyse ansetzten.
Analyse der "Winterlieder" anhand der Mittel der Komik
Unvereinbarkeiten
Das ersten komischem Mittel, die aus der Formel für Komik abgeleitet werden können, sind solche die durch die Verbindung von unvereinbaren Teilen einen Widerspruch erzeugen. Dieser Widerspruch wird dem Rezipienten auffällig und führt zu dem gewünschten komischen Bruch. Damit ist wohl die naheliegendste bzw. vielversprechendste Möglichkeit beschrieben, einen solchen Bruch zu erzeugen. Zu diesen Mitteln zählen bspw. das Oxymoron oder die Paradoxie, letztere wird von Bachmaier als Urmittel bzw. Urform des Komischen bezeichnet.
Zu aller erst besteht das Ausgangsszenarium der Winterlieder und damit auch der Dörperstrophen, wie schon gezeigt, an sich in einer Unvereinbarkeit. Der Sänger als Repräsentant der Adelswelt zieht in die Welt der "Dörper" und trifft in den "Dörperstrophen" auf dessen Repräsentanten. Aus den Beschreibungen der "dörper" und damit der "Dörperwelt" wird deutlich, wie unvereinbar diese mit der bekannten Welt des Hofes und des ritterlichen Tugenden ist. Denn sie ist so konstruiert, dass sie quasi das Gegenstück zur Adelswelt bildet. Indem diese beiden Welten zusammenkommen und in den "dörperstrophen" explizit kollidieren, wird ein Widerspruch erzeugt, der zum Bruch führt. Der Rahmen der Winterlieder, der den Rezipienten aus dem Kontext aller Winterlieder klar wird, ist somit an sich ein komischer und jede Begegnung mit den "dörpern" verstärkt diesen Eindruck. Denn jede explizite Begegnung der beiden Repräsentaten muss damit auch komisch sein, wenn nicht gerade das komische Potential des Rahmens demonstrieren. Tatsächlich wird der Widerspruch in den Liedern am deutlichsten, in denen der Sänger mit den "dörpern" konform ist und noch kein Feindbild aufgebaut ist (WL 1-10). Obwohl zwei unvereinbare Welten zum Beispiel im Tanz aufeinandertreffen, scheint eine Art Harmonie zu herrschen, d.h. die Verbindung dieser unvereinbaren Welten und Repräsentanten glückt in mancherlei Hinsicht. Der empfundene Widerspruch ist hier schärfer, weil paradoxerweise unvereinbar wirkendes in einer Weise - bspw. im Tanz in der Stube - vereinbar scheint.
Ein weiteres größeres Vorkommnis von den Mitteln der Unvereinbarkeit findet sich in dem Streben der "dörper" höfisch zu wirken. Denn in diesem Streben versuchen sie zwei unvereinbare Dinge zu Verbinden, ihr standesgemäßes, rüpelhaftes Verhalten - das man ihnen auch so ansieht - mit der Mode, der Bewegung und Ausdrucksweise der Hofgesellschaft (29,VIII). Sie versuchen sich in der Mode des Adels zu geben:
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung Enge röcke tragent si und smale schaperune, Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, rote hüete, rinkellohte schuohe, swarze hosen. die Natur zeigt sich mir in ihrem besten Prachtgewand/Seite, Dazu gehören auch die Standestypischen Utensilien des Ritters, vornehmlich das Schwert (11,V; 4,V-VI; 27, VII; 30, IX; 18, VI). Zudem versuchen sie die Redensart der Adels, das flämeln, zu imitieren (27, VII), und gehaben sich so als hätten sie den Stand schon eingenommen:
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung Seht an Engelwanen, Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, wie hohe er sin houbet treit! die Natur zeigt sich mir in ihrem besten Prachtgewand/Seite, swanne er mit gespannem swerte bi dem tanze gat, Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, so ist er niht ane die Natur zeigt sich mir in ihrem besten Prachtgewand/Seite, der vlaemischen hövescheit, die Natur zeigt sich mir in ihrem besten Prachtgewand/Seite, Umgekehrt kommen viele Unvereinbarkeiten dort vor, wo der Sänger selbst in die Gepflogenheit der "dörper" verfällt, d.h. sich bei Ritterlichkeit, Herkunft und sicher auch adeligen Gestalt nach der Weise der "dörper" verhält und so zwei unvereinbare Dimensionen in Verbindung bringt. Zumeist kommt das zustande, indem der Sänger selbst in Gewaltphantasien verfällt, selbst in der "dörper"-Sprache redet (In Wendungen oder Schimpfwörter) oder - manchmal glücklich manchmal weniger - selbst bei den traditionellen "dörper"-Festlichkeiten teilnimmt. Paradox scheint auch oft die Verbindung bzw. die Abfolge von Themen/Motiven. Auffällig ist das Zusammentreffen von dem Motiv "Sex, Liebe und Sexualität" und Beschreibungen von "Grobianismen / Gewalt", die manchmal in einer Strophe unmittelbar aufeinander treffen (WL 13, IV). Scheinbar handelt es sich um einen Widerspruch, aber aus der Perspektive der "dörper" löst sich der Widerspruch zwischen Sex und Gewalt wieder auf. Denn für diese sind die beiden Motiv freilich vereinbar. Neben diesen großen Vorkommnissen von Unvereinbarkeiten gibt es auch einige Einzelfälle in einzelnen Ausdrücken, meist in Form eines Oxymorons: Zum Beispiel ein weit aufgerissenes enges Gewand "zerzerret wite (...) sin enger roc wol drier spannen breit." (WL 24, VIa) Oder auch billige Luxusware "billich side unde golt" (WL 34, IXa).
Ironie und Spott
Ironie und Spott können sowohl einzeln für sich als auch in ihrer Verbindung, dem Sarkasmus, einen komischen Bruch erzeugen. Das alte Mittel der Ironie wird häufig auch als eine Behauptung des Gegenteils aufgefasst. Schopenhauer beschreibt Ironie auch als Scherz, der sich hinter dem Ernst versteckt (Bachmaier, 47). Zusammen könnte Ironie vollgendermaßen umschrieben werden: Eine Behauptung, die in vollem Ernst gefällt wird im Wissen um ihre komische Gegensätzlichkeit zum wahren Sachverhalt. Hiermit wird deutlich womit es dieses Mittel schafft dem Rezipienten auffällig zu werden und so einen komischen Bruch zu erzeugen. Ironie ist ein kontrastierendes Mittel, welches, indem es die Wahrheit mit ihrer Behauptung kontrastiert, einen komischen Bruch erzeugt.
Ironie kann sich auf den Sprecher oder an einem harmlosen Sachverhalt beziehen, sodass sie mehr einem heiteren Umgang mit Fehler entspricht, d.h. dem Humor entspringt und Lachen evoziert. Solche Fälle von Ironie sind jedoch in den Winterliedern selten. Außer eine Wendung, die einen ironischen Humor des Sängers suggeriert (Schweikle, 119)(WL 21, VI), gibt es nur einige Fälle von Selbstironie (WL 35, II; WL 15, IV; 5, I; 24, VII)(Schweikle, 114, 122), doch diese sind größtenteils außerhalb der "Dörperstrophen" zu finden.
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung daz wir vil gesünden, deist von hove niht erloubet: Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, ja zimt ez niht uns beiden, mir und minem grisen houbet. die Natur zeigt sich mir in ihrem besten Prachtgewand/Seite, Die Ironie, die in den "dörperstrophen" zu finden ist, ist von anderer Art. Bezieht sich Ironie auf einen Alter, dann ist sie distanzierter und entspricht sie viel eher einer Demonstration von externen Fehlern, d.h. dass sie der Satire entspringt und Verlachen evoziert (WL 34, VI; WL 24, V; 13, V; 27, VII; 18, II). Ein Mittel, das mit der Ironie verwand ist, ist der Sarkasmus. Die Mittel unterscheiden sich durch ein dem Sarkasmus zugrundeliegendes Kriterium, dem Spott. Sarkasmus kann frei von Ironie direkt, d.h. ohne Verschlüsselung in Kontrast, spotten oder an Ironie gebunden als eine Art gesteigerte Ironie indirekt, d.h. mit Verschlüsselung in Kontrast, spotten. In beiden Fällen ist dasjenige, das am Sarkasmus die komische Brechung erzeugen vermag, der Spott - wenn auch in seiner ironischen Form auch die Ironie in bekannter Weise brechen kann. Plotke beschreibt Spott als "(...) ein Verhältnis des spottenden Subjekts zu einem Objekt hin (...)" (Plotke, 23). Demnach besteht Spott zwischen zwei festgelegten Rollen, wobei die Richtung der Beziehung einseitig ist. Räumlich könnte dieses Verhältnis auch als ein von oben herab bezeichnet werden, denn das spottende Subjekt sieht sich bereits über dem Objekt oder hebt sich mit dem Akt des Spottens über das Objekt. Das Subjekt will mit seinem Spott das Objekt gezielt abwerten oder bildlich herabsetzen (Plotke, 23). Die Abwertung kann hierbei scherzhaft sein, aber auch zutiefst beleidigend oder verletzend ausfallen. Der Spötter wertet das Spottobjekt ab, indem er einige Eigenschaften oder Werte des Objekts aus diesem wertend hervorzerrt und demonstriert. Da der Spotter vor dem Problem steht das Objekt zugleich nachzuahmen und (hierarchische) Distanz aufzunehmen, werden diese Attribute häufig überzeichnet dargestellt. Dadurch schafft es das Subjekt sich vom Objekt abzusetzen, indem er es übertrieben nachahmt (Plotke, 24). Zum Überzeichnen bieten sich primär körperliche Attribute an, sodass vor allem körperlich-sichtbare Attribute des Objekts verspottet werden. Eben mit der allzu verzerrten Demonstrierung, der Aufdeckung, der Exposition des Objekts vermag das Mittel des Spotts für den Rezipienten eine Auffälligkeit zu sein und erzeugt einen Bruch in dessen Rezeption. Indes erfüllt sich die Komik des Spotts nicht in einem Lachen. Da die Art des Spotts - vielleicht wie keine andere - auf Fehler zeigt, sie aufgedeckt und tadelt, muss die Komik in Spott von der Spielart der Satire sein und sich in Verlachen erfüllen. Im Zeichen der standesgemäßen "superbia" des Sängers verfällt er gerade dann, wenn er auf "dörper" triff, die ihm theoretisch untergestellt sind, ins Spotten - mit Ausnahme von WL 1-10. Spott wird dadurch ein Phänomen, das in den "dörperstrophen", die gerade durch das Aufeinandertreffen der Parteien ausgezeichnet sind, mit großer Inzidenz. In den meisten Fällen sind Rollen des Spottverhältnisses klar verteilt. Der Sänger spottet über die "dörper". Tatsächlich sind die Eigenschaften die dem Objekt entnommen werden ausschließlich von äußerlicher Art. Eigenschaften, die er dabei verzugsweise überzeichnet darstellt, sind: Ihre Kleidung und Aussehen (3, V-VI; 4, V-VI; 11, III, V-VI; 22, IV; 24, IV-Va); Ihr Verhalten (13, II-III; 18, V; 20, I; 22, IIc; 24, III; 27, III, VII-VIIa); Ihr Auftreten alleine (1, IV) und in der Gruppe (4, IV; 17, III) und oft auch im Vergleich mit dem Spiegelraub-Motiv:
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung ich bin im von schulden gram: Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, erst ze snabelraeze. die Natur zeigt sich mir in ihrem besten Prachtgewand/Seite, sach ab iemen den, der Vriderun ir spiegel nam? Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, dem gelich ist allez sin gelaeze. die Natur zeigt sich mir in ihrem besten Prachtgewand/Seite, ze mangen stunden ich mich sines ungelimphes scham. Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, Doch einige Male wird der Spieß auch umgekehrt und die "dörper" spotten über den Sänger:
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung "die hant die muoz er mir hie lan, Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, da der spreckelehte vogel oben ufe stat, die Natur zeigt sich mir in ihrem besten Prachtgewand/Seite, und dar zuo den zeswen fuoz, Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, dar an der spore klinget. die Natur zeigt sich mir in ihrem besten Prachtgewand/Seite, ja geschaffe ich mir sin buoz, Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, daz er von uns niht singet." Heide, Feld und Wald stehen in voller Pracht, Interessanterweise stellen die "dörper" den Sänger in ähnlicher Weise dar, wie er sie zuvor, rüpelhaft und angeberisch. Wieder werden ausschließlich äußerliche Eigenschaften - dieses Mal die des Sängers - verspottet. Es formt sich ein reziprokes Spottverhältnis, das beide Parteien gleichsam verächtlich zeigt (Plotke, 33). Dass die "dörper" beim Akt des Spottens gegen Normen verstoßen - bspw. Gewalt androhen -, ist nicht verwunderlich. Aber auch der Sänger kann dabei ertappt werden, wie er im Akt des Spottens, gegen Normen verstößt, indem er bspw. beim Spotten Gewalt androht (10, III-IV; 14, VI; 23, III; 18, IV; 27, V; 26, VII) oder sich dabei pietätlos zeigt bzw. die Szenenhaftigkeit seines Spotts ins groteske bis monströse lenkt (14, VIb-l). Zudem führt die schiere Quantität des Spotts auf das immer gleiche Objekt mit Rücksicht auf Klage und Minne-Misserfolg des Sängers zum Eindruck, der Sänger spotte aus Eifersucht. Mit diesen Lächerlichkeiten und Normbrechungen im Akt des Spottes riskiert der Spötter selbst zum Objekt von Spott zu werden (Plotke, 24). Denn in das Spottverhältnis können Dritte mit einbezogen werden, die als Publikum mitlachen können, aber auch, falls das Spotten für sich spottwürdig ist, den Spötter verspotten (Plotke, 23). Der Sänger in den Winterliedern, der töricht über "dörper" spottet, zeigt sich dem Publikum seines Sanges selbst als spottwürdig und wird vor dem adeligen Publikum selbst zum Spottobjekt (Plotke, 34). Das meiste Spotten - ob von den "dörpern" oder des Sängers - beleibt indes direkt, das heißt ein direkter Sarkasmus, der nicht durch Ironie verschlüsselt ist - ein Einzelfall (22, IIb). Während ein Adelmann freilich indirekten Spott üben würde, nimmt der Sänger im Akt des Spottens kein Blatt vor den Mund.
Übertreibungen
Übertreibungen beschreiben alle Arten einer unproportionalen Übermäßigkeit. Zu den Übertreibungen zählen alle Arten der qualitativen oder quantitativen Übersteigerung, dazu zählen Hyperbeln, Konventionsüberschreitungen, Karikaturen, Überzeichnungen, übermäßige Wiederholungen und Zerfaserung. Anders als die Ironie (auch Untertreibung), die das Gegenteil der Wirklichkeit behauptet, behauptet eine Übertreibung eine übermäßige Steigerung des Wirklichen. Der Bruch, den eine Übertreibung erzeugt, beruht aber auf einer ähnlichen Art des Kontrasts. Denn wieder ist zwischen dem Behaupteten und dem Wirklichen ein signifikanter Unterschied, der dem Rezipienten auffällig wird und zum komischen Bruch führt.
Unter den qualitativen Arten der Übertreibung ist wohl die Überzeichung oder die Karikatur die bekannteste. Hierbei werden einem Objekt einige wenige bezeichnende Eigenschaften entnommen und übertrieben dargestellt. Es wird dann implizit behauptet, dass das Objekt nur aus diesen übertriebenen Eigenschaften besteht. Wie die gezeichnete Karikatur wird die Figur recht reduziert gezeichnet, sodass die wenigen überzeichneten Aspekte überdeutlich werden. Mithin wird der Bruch dieser Art der Übertreibung auch dadurch verstärkt, dass dieser Vergleich zwischen reduzierten Merkmalen und überzeichneten Merkmalen hinzukommt. Solche Karikaturen sind, wie vielleicht schon vermutet, die perfekten Objekte des Spotts. Sofort kommt ein Verdacht auf, welche Personengruppe eine solche Karikatur von etwas zu sein könnte. Mal wieder sin es die "dörper" die zur Komik beitragen. Denn sie sind das Paradebeispiel einer Karikatur einer Personengruppe. Alle die Merkmale, die man von ihnen und ihrer Welt kennt, bezieht man aus dem Sang des Sängers, eines Ritters. Er scheint geradezu durch seinen Spott über die "dörper" diese immer weiter in den selben Merkmalen zu überzeichnen. Das perfekte Objekt des Spotts ist sogleich das Produkt seines Spotts. In den Merkmalen Aussehen, Verhalten und Sprache sind die "dörper" unter falschem Namen zur Karikatur des Bauernstandes geworden - freilich aus der Sicht des Adels. Unter den "dörpern" gibt es jedoch nur einige wenige die Überzeichnet sind und so aus der schieren Masse der gesichtlosen hervorsticht. Allenfalls Engelmar, der immer in Verbindung mit den Spiegelraub auftaucht, könnte als eine solche Karikatur des Spiegelräubers sein. Der Sänger bietet sich indes schwer zu analysieren. Auf der einen Seite repräsentiert er den Adel mit einigen wenigen überzeichneten Attributen dieses Adels. Auf der anderen Seite sind diese Attribute allzu wenig ausgezeichnet und vermischen sich mit Attributen die der Karikatur des Adels widersprechen - siehe Gewaltphantasien, Sprach und offene Sexualität. Wohl aber sind die Gruppe der "dörper-mädchen" die Karikaturen der Bäurinnen. Die Tauchen nur in Verbindung mit den Themen der Sexualität, der Lust oder des Tanzes auf und werden durch die Eigenschaft überzeichnet, dass sie Schwach gegenüber den Mitteln der "dörper" sind. Unterscheiden von der Karikatur der höfischen "vrouwe" des Minnesangs unterscheiden sie sich freilich nur im letzteren Punkt.
Ein weitere Art der qualitativen Übertreibung, das in den Dörperstrophen der Winterliedern eine gewisse Prominenz haben, ist die Zerfaserung oder auch Definitions- und Beschreibungsmanie. Hiermit sind Beschreibungen oder Berichte gemeint die kurz gesagt "kleineres über größeres" Stellen und sich mit übermäßigen Beschreibungen im Detail verlieren. Der Kontrast zwischen dem wirklichen kleinen Detail zu der übermäßig großen Beschreibung bewirkt hier den Bruch. In den "dörpersrophen" sind das vor allem die detaillierten, wortgewandten und übertrieben genauen Beschreibungen des Sängers der Bekleidung und Accessoires der Dörper. Übertrieben lebensecht/ausführlich wirken auch die Berichte des Sängers über die Kämpfe und Streitigkeiten der "dörper". Im Unterschied zu dem sonstigen recht oberflächlich Beschriebenen Szenario, Raum und Zeit, i.e. der Großen, wirkten diese vereinzelten Zerfaserung des Details umso übertriebener.
Die Konventionsüberschreitungen, eine weitere Art qualitativer Übertreibung, welche in den Winterliedern vorkommen, sollten schon in den vorigen Stichpunkten der Analyse klar geworden sein. Konventionsüberschreitungen ist eine Art der Übertreibung, bei die Grenzen der Konvention verletzt werden, d.h. wenn etwas das innerhalb einer Grenze liegt durch Übertreibung über die Grenzen tritt. Die "dörper" überschreiten die Modekonventionen ihres Standes, der "Sänger" die Verhaltenskonventionen und Raumbegrenzungen seines Standes, und die Abgebildete neue Form der Minne in ländlichem Raum, mit der Dörpergesellschaft und dem "Dörpermädchen" als "vrouwe" die Gattungskonventionen des hohen Minnesangs. Jede kleine Konventionsüberschreitung - bspw. ein dörper trägt ein "swert", der ritter singt von Gewalt Phantasien oder die Werbung um eine "dörperdame"- , aus denen sich diese großen Bereiche der Grenzüberschreitung zusammengesetzt sind, hat für sich ein komisches Potential.
Neben diesen großen Vorkommnissen von Übertreibungen gibt es auch vereinzelte Ausdrücke im Stil der Hyperbel:
Auch an Vorkommnissen quantitativer Arten der Übertreibung leiden die "dörperstrophen" der Winterlieder keinen Mangel. Eine einfache, aber oft vorkommende Art der quantitativen Übertreibung ist die Häufung oder Überhäufung. Die Übertreibung besteht hier darin, dass eine Art von Objekt oder verschiedene Arten von Objekten an einer Stelle in übermäßig großer Zahl auftauchen. Bei den Winterliedern sind es hauptsächlich die "dörper", die vom Sänger in Haufen aufgezählt werden:
Als eine serielle, zyklische Dichtung leben die Winterlieder zudem von Wiederholungen. Alle Inhalte und alles Erzählte, das in den Liedern vorgetragen wird, ist nichts ganzes einmaliges, sondern nur partielles, das sich im Laufe der vorlaufenden Serie wiederholt und sich beim aufmerksamen Zuhörer der Lieder als Hintergrundnarrativ zusammensetzt. Wie eine moderne Serie haben die Lieder einzeln für sich auch immer einen ähnlichen Aufbau, dieselbe Exposition und setzten dasselbe Hintergrundnarrativ voraus und fort. Es sind freilich nicht alle Wiederholungen gleich komisch, der Aufbau einer Serie ist sicher nicht per se komisch. Doch einige Themen, Personen und Motive die sich außergewöhnlich oft wiederholen können durchaus eine Art der quantitativen Übertreibung sein. Am Besten zu vergleichen sind diese Vorkommnisse übermäßiger Wiederholung womöglich mit dem modernen "running Gag". Indes darf ein running gag nicht zu regelmäig verlaufen. Eine typische Handlung einer Person oder ein Ereignis in der Serie wiederholen sich so oft, dass jedes erneute Wiederholen, obwohl es von demselben Inhalt ist, an sich komisch ist. Zu den Motiven die sich wiederholen zählen klarer Weise alle wiederholenden Handlungsabläufe und Reaktionen des Sängers, die mit den "dörpern" zu tun haben: Die Klage, der Spott, die Resignation vom Sang. Dazu kommen das immer wieder gleiche, wiederholende vorhersehbare Verhalten und Streben der dörper, die an sich als neue Gruppe, weil sie so im Zentrum der Lieder stehen ein "running Gag" sind und deshalb nicht ohnehin ein Publikumsliebling. Zu den Personen die nicht viel zu sagen haben, aber oft genug auftreten, um ihrem Auftreten eine komische Wirkung zuzuschreiben sind bei den männlichen "dörpern", immerhin Lanze und Engelmar, und bei den weiblichen vor allem Friderun. Mit ihr ist somit auch das wiederekennbarste zugleich mysteriöseste wiederholende Motiv genannt, der Spiegel-Raub. Immer aufs neue wird schlechtes Verhalten der dörper zum Anlass genommen den Spiegelraub zum Vergleich anzuführen. So wirkt es als würde der Spiegel immer aufs neue geraubt bzw. zerbrochen. Vielleicht noch das Rosenkranz motiv, oder der Raub/zerstörung von Wertgegenständen der Mädchen allgemein.
Notizen: Motiv zur Untersuchung - Einführung - Grundlegende Vorbemerkungen und Leitfragen - Eine Hypothese - Analyse - Kriterium der Analyse: "Komik" (Vorstellung der Arten der Komik anhand von Beispielen aus den Winterliedern Übersetzung)- Gegenstand der Analyse: "Neidharts Winterlieder" - - Analyse der Winterlieder (nach den Winterliedern / unterschiedlichen Unterpunkten der "Komik") - Vergleich/Auswertung der Ergebnisse - Regelmäßigkeiten und Unregelmäßigkeiten - Ausfälligkeiten (Kollision und Bruch)- Interpretation - Regelmäßigkeiten/Auffälligkeiten (und Unregelmäßigkeiten) - Gibt es eine Richtung? - Funktionen der "Komik" in den Winterliedern (Motiv des Autors diese Komik zu verwenden - Handelt es sich nun um "Komik" oder "Satire"// Wie Standessatire hier (hohe) Minnesatire?) - Unterschiedliche Wirkung in der Rezession - Schluss: Ist die Komik ein Gattungsmerkmal der "Winterlieder" (Indiz: Die Ganze Exposition ist so komponiert, dass nicht viel außer Komik (oder Tragik) übrig bleibt / folgen kann - Oder gar nur für Komik so ausgelegt?)? Wie kann gerade das "komische Element" die Gattung für ein "Following" attraktiv machen? - Aufgreifen der Hypothese: Intention des Autors? -- Fazit (Hypothese bestätigen // Die Neidhartlieder unterscheiden sich gerade in der Intention von Verwendung der Komik in hohem Maße von den Followern und Schwankliedern // Ansprechen der Bürgerschaft (Bürgerschaft kann sogar teilweise lesen! als neue potentielle Rezipienten // Es ist für die Intension bezeichnend, dass aus dem Clash der Stände keine Tragik oder eine allein amüsierende seichte Komik hervorgeht -obwohl man das durchaus machen könnte-, sondern eine Konstruktive. Der Clash wird damit nicht zur Verschmähung der Stände herbeigeführt, sondern um eine konstruktive, einladende, freundliche Komik // Die Wahl des Humors kann durchaus als elegante Lösung bewertet werden, die Misstände darzustellen, welche häufig alles andere als schön sind. So ist nicht nur der Humor häufig in Form eines Bruches realisiert, sondern schon die Verwendung des Humors ein Bruch.)