Minne und Abhängigkeit in Winterliedern (Neidhart)
Zur Navigation springen
Zur Suche springen
In diesem Artikel geht es um eine nähere Betrachtung der Darstellung von Minne und Abhängigkeit vom Sänger Neidhart und dabei vor allem auf die Konstruktion dieser Aspekte und ihrem Verhältnis zueinander in Winterliedern. Für diese Untersuchung betrachte ich das WL 13 und WL 23 näher...
Minne und Abhängigkeit in Neidharts Winterliedern
...
Minne und Abhängigkeit in Winterliedern 13 und 23
...
Übersetzung und Inhalt zum Winterlied 13
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
Strophe I
Wi überwinde ich beide | Wie überstehe ich beides, |
mîn liep und die sumerzît? | meine Freude und die Sommerzeit? |
ine kan die wolgetânen schiere niht verklagen. | Ihnen kann ich diese Schönheit nicht in so kurzer Zeit. |
von sô grôzem leide, | Wegen diesem großen Leid, |
mir riuwe ane vröoude gît, | das mir Reue ohne Freude gibt, |
trûre ich wol von schulden nû ze disen trüeben tagen, | jammere ich nun ständig von Schulden in diesen trüben Tagen, |
di uns den winder kündent, der uns manger vröude roubet. | die uns den Winter zeigen, der uns allerlei Freuden raubt. |
sanges habent sich diu kleinen vogelîn geloubet: | Vom Gesang haben die kleinen Vögelein abgelassen. |
alsô möhte ich wol mit mînem sange stille dagen. | Deshalb möchte ich mit meinem Gesang ganz stillschweigen. |
Strophe II
Sol mich niht vervâhen | Sollte mir nicht nützen |
mîn trôst und mîn lieber wân, | mein Vertrauen und meine freudige Zuversicht, |
sô enweiz ich, waz genâden ich mich troesten mac. | so weiß ich nicht welche Gnade mich trösten kann. |
wol mac ir versmâhen | Denn ihr möchtet missachten, |
mîn dienest, den ich hân | meinen Dienst, den ich |
lange her geleistet und des ie mit triuwen phlac. | eine lange Zeit bis nun leistete und mit Zuverlässigkeit pflegte. |
alsô phlaege ichs immer gerne, möhte ich des geniezen, | So würde ich es weiterhin tun und mich daran erfreuen, |
sô daz mich die dörper mînes lônes iht verstiezen. | sodass mich die Bauernburschen nicht meines Lohnes fernhielten. |
des ist Uoze grîfic und sîn rûher schavernac. | Dessen ist Uoze und seine grobe Pelzmütze gierig. |
Strophe III
Engelwân und Uoze | Engelwan und Uotze, |
die zwêne sint mir gehaz | die beiden sind mir verhasst |
(schaden unde nîdes muoz ich mich von in versehen) | (aufgrund der Schulden und dem Neid muss ich mich von ihnen abwenden) |
und der geile Ruoze: | und der übermutige Ruoze. |
wie tiuwer er sich vermaz, | Wie erhaben er sich herausnimmt, |
er bestüende mich durch sî! die drîe widerwehen | er hielt mich wegen ihnen zurück!Diese drei Widersacher |
râtent unde brüevent, daz ich âne lôn belîbe. | waren beratend und bemerkend darüber, dass ich ohne Lohn verbliebe. |
niht envolge ir lêre, vrouwe, liebist aller wîbe! | Folge nicht ihrem Anraten, Herrin, die liebste aller Frauen! |
lône mîner jâre; laz in leit an mir geschehen! | Belohne meine Jahre, lass mir kein Leid widerfahren! |
Strophe IV
Vrouwe, dîne güete | Herrin, deine Gutmütigkeit |
di erkenne ich so manicvalt, | erkenne ich so mannigfaltig an, |
daz ich liebes lônes von dir noch gedingen hân. | dass ich von dir noch freudig meinen Lohn erwartet habe. |
daz mich ie gemüete, | Wegen ihrer Gesinnung, |
die spränzler und ir gewalt, | die Narren und ihre Gewalt, |
daz was mit den blumoen hin, nu wil mir Engelwân | ist das mit den Blüten dahin. Nun möchte mich Engelwan |
dîne hulde verren: daz im müeze misselingen, | von deinem Wohlwollen verstoßen. Ebendies muss ihm misslingen. |
sô daz hundert swert ûf sînem kophe lûte erklingen! | Sodass hunderte Schwerter auf seinem Kopf laut erklingen! |
snîdent sî ze rehte, sî zerüttent im den spân | Sie zerschneiden ihn zurecht, sie verderben ihm das Glied. |
Strophe V
Seht an Engelwânen, | Betrachtet den Engelwanen, |
wie hôhe er sîn houbet treit! | wie hoch er sein Haupt trägt! |
swanne er mit gespannem swerte bî dem tanze gât, | Sobald er mit schwingendem Schwert zum Tanz kommt, |
sô ist er niht âne | so ist er nicht ohne |
der vlaemischen hövescheit, | flämisch, höfischen Anstand, |
dâ sîn vater Batze wênic mit ze schaffen hât. | obwohl sein Vater Batze wenig damit zu tun hat. |
nu ist sîn sun ein oeder gouch mit sîner rûhen hûben: | Nun ist sein Sohn ein törichter Schmarotzer mit seiner rauen Schutzkappe. |
ich gelîche sîn gephnaete ze einer saten tûben, | Ich vergliche seine Aufgeblasenheit mit einer übersättigten Taube, |
diu mit vollem krophe ûf einem korenkasten stât. | die mit vollem Hals auf einem Getreidekasten steht. |
Strophe VI
Swer in sîner tougen | Wenn jemand durch sein Innerstes |
ie liep ode leit gewan, | ihre Freude oder Schmerz erreichte, |
dem sint mîne sorgen und mîn kumber wol bekant. | versteht derjenige sicherlich meine Sorgen und meinen Kummer. |
sît ich mînen ougen | Da ich meinen Augen |
den stîc niht verbieten kan, | den Weg nicht verwehren kann, |
sî enblicken hihn, dâ Ruoze tanzet an ir hant, | blicken sie dorthin, wo der Ruoze mit ihr an der Hand tanzt. |
sô verlâze ich kûme, deich mich selben niht enroufe: | Daher gehe ich schwerlich, damit ich mich mit demselben nicht raufe. |
solhen wehsel nement, die dâ minnent, an ir koufe. | Einen derartigen Wechsel nehmen sie an, die dort lieben, für ihren Erwerb. |
Minne, lâ mich vrî! mich twingent sêre dîniu bant. | Liebe, lass mich frei! Mich erdrückt deine Gefangenschaft. |
Strophe VII
Minne, dîne snüere | Geliebte, deine Schnüre, |
die twingent daz herze mîn, | die bedrängen das Herz von mir, |
daz ich hân ze strîte wider dich deheine wer. | sodass ich mit irgendjemanden zu kämpfen habe für dich. |
swie verholne ich rüere | Wie auch immer heimlich |
den zimbel der zelle dîn, | ich die Glocke deiner Kammer bewege, |
sô bin ich betwungen des, daz ich dir hulde swer. | bin ich davon beherrscht dir Treue zu erweisen. |
vrouwe Minne, dîn gewalt ist wider mich ze strenge; | Geliebte Dame, deine Macht gegen mich ist gewaltig. |
küneginne, dîner ungenâde niht verhenge, | Königin, verhänge nicht deine Ungunst, sodass sie mich umbringe! |
daz si mich verderbe! ja ist si über mich ein her. | Ja, sie gebietet über mich. |
Übersetzung und Inhalt zum Winterlied 23
Strophe I
Nû klag ich die bluomen und die liehten sumerzît | Nun klag ich die Blumen und die leuchtende Sommerzeit |
und die wünneclîchen tage. | und die herrlichen Tage. |
dâ bî hân ich eine klage, | Dabei hatte ich eine Klage, |
diu mir tougenlîche manege vrüöude hât benomen, | die mir im Stillen viel Freude genommen hat, |
daz ein wîp sô lange haldet mich ir strît | dass eine Frau mich so lange hielt gegen ihr Begehren, |
der ich vil gedienet hân | der ich viel gedient hatte |
ûf genâdelôsen wân. | mit ungnädiger Erwartung. |
ich kan mînes willen ninder gein ir zende komen, | Ich kann meines Willens nicht erhalten, ihr gegenüber zur Hilfe zu kommen. |
sît si niht enhât | Seit sie es nicht mehr hat |
in ir herze wîbes güete | in ihrem Herzen die weibliche Gutheit |
unde ir doch dar under diesenen lât. | und sie doch darunter dienen lässt. |
wer waer, den der kumber niht enmüete? | Wen gäbe es, den dieser Kummer nicht entmutige? |
mich wundert, daz mîn dienest und mîn singen nicht vervât. | Mich wundert, dass mein Dienst und mein Gesang daran nicht verderben. |
Strophe II
Swaz ich ir gesinge, deist geräphet in der mül: | Das was ich ihr vorsinge, das gelangt in die Mühle. |
sî verstêt es ninder wort. | Sie versteht kein einziges Wort. |
sprichet jener Willebort: | So spricht jener Willebort: |
>>stên ir für ir ôren, daz sis immer iht verneme!<< | „Steht ihr vor ihre Ohren, sodass sie es nicht mehr wahrnimmt!“. |
seht, ob ich dar umbe niht im vîent wesen sül! | Seht, ob ich ihm deshalb nicht zum Feind werden soll! |
der mich sô beswaeret hât | Der mich so bedrückt hat |
und mir für ir hulde stât, | und mir vor ihrer Ge-neigtheit stand. |
er sol wizzen, kumt ez sô, daz ich imz in gereme, | Er soll wissen, komme es so, dass ich es ihm vergelte, |
dâ den vriunden sîn | durch den Freundes Sinn |
wirt ir herze von gesêret. | wird ihr Herz verletzt. |
er und Gêneliup und Hildewîn | Er und Geneliup und Hildewein |
habent mîn gelücke dâ verkêret; | haben mein Glück dort verdreht. |
ez wirt ir etelîchem ein verzintez nüschlîn. | Es wird ihr irgendein Getuschel verkauft. |
Strophe III