Die Weibliche Rede bei Neidhart

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„Die hohe Dame des Minnesangs - so lautet das gängige Handbuchwissen - zeichnet sich aus durch ihre Idealität und Unerreichbarkeit; sie gilt als der Inbegriff der Schönheit und Tugend, als erstrebenswertes Wunschobjekt des Sänger-Ichs in seiner Rolle als unermüdlich Werbender und im Glück seiner Werbung zugleich Leidender.“[1]


So beschreibt Edith Wenzel in ihrem Buch "Manlîchiu wîp, wîplîch man"das typische Frauenbild im Minnesang. Die Frau ist ein Wunschobjekt des Sängers, die sich meistens ohne zu Wort zu kommen, hingibt.Doch bei Neidhart ist das anders. Er lässt Frauen zu Wort kommen, Probleme austauschen und sogar miteinander streiten.

In diesem Artikel wird versucht auf die Frauenrollen in Neidharts Sommer und Winterliedern einzugehen und insbesondere zu untersuchen wann, wie und warum die Frauen hier zu Wort kommen.



Hinweis: Dieser Artikel ist noch nicht abgeschlossen und befindet sich aktuell in Bearbeitung!

Neidharts Lieder werden in Sommer und Winterlieder unterteilt, die jeweils mit einem Natureingang beginnen. Dieser Natureingang besteht bei den Sommerliedern aus fröhlichen Klängen über den Sommerbeginn und das Blühen der Natur. Beispiel Sommerlied 4 Stoffe I

sî wir alle Wir sind froh
frô mit schalle! und jubeln!
sumer ist komen in diu lant. Sommer ist in das Land gekommen.

Der Wintereingang dagegen ist trist und beinhaltet Klagen über den vergangenen Sommer. Oft spricht der Sänger von der genommenen Freude bei Wintereinbruch. Beispiel Winterlied 24 :

Summer, dîner süezen weter Sommer, auf dein schönes Wetter
müezen wir uns ânen: müssen wir verzichten:
dirre kalte winder trûren unde senen gît. dieser kalte Winter erweckt Trauer und Sehnsuchtsschmerz.

Doch eins haben beide Lieder gemeinsam. Bei beiden steht der Tanz und Feierei im Mittelpunkt. Im Sommer unter schönen Linden, während im Winter in den Stuben getanzt wird. Und das ist auch der Ort des ganzen Geschehens. Die Tänze sind nicht zur Unterhaltung gedacht, sondern eher zur sexuellen Kontaktaufnahme mit dem anderen Geschlecht[2]


Die Rolle der Frau in Neidharts Winterliedern am Beispiel Winterlied 9

Das Lied beginnt, wie so oft, mit einem klassischen winterlichen Natureingang und ist meist ein Monologlied. Hier werden die schweigenden Vögel und die schlafenden Blumen erwähnt, die Hinweise auf den vergangenen Sommer darstellen. Gleichzeitig spricht das Sänger-Ich von der unerwiderten Lieber seiner Angebeteten, was oft mit dem Ende des Sommers und des Winterbeginns verglichen wird. Doch der Sänger will nicht aufgeben und malt sich eine Zukunft mit ihr aus

„Nu ist der kleinen vogelîne singen und der liehten bluomen schîn vil hast zergân. wolde ein wîp mir liebez ende bringen, mir waer, als ichs immer bêde solde hân, diu mich ir genâden ie verzêch von kindes beine; doch bit ich die guoten, dazs ir triuwe an mir erscheine, mînes herzen küneginne ich meine.

Doch der Sänger will nicht aufgeben und malt sich eine Zukunft mit ihr aus.

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Neidharts Frauenbild in diesem Winterlied ist sehr modern. Sie wirken selbstbestimmt, sagen was sie denken und wie sie sich fühlen. Wird eine Frau enttäuscht oder nicht so behandelt wie sie es gerne hätte, scheut sie sich nicht zu zeigen und zu sagen dass sie das nicht gut findet.

„Wan daz guote liute mir gewâgen,/ jâ, waer ich gehoenet umbe ir rôtez glas.“ (Vers 1,2/Str. III)


Die Rolle der Frau in Neidharts Sommerliedern

Mutter-Tochter Gespräche

Mutter-Tochter Dialoge sind, wie der Name schon sagt, Gespräche zwischen Mutter und Tochter. In diesen findet meist eine Auseinandersetzung der beiden Frauen statt, in der die fürsorgliche Mutter ihre Tochter vor den Männern warnt. Die Mutter ist der Meinung, ihre Tochter sollte sich für Männer, mit dem gleichen Stand interessieren und nicht für einen Ritter. Doch auf den Rat der Mutter hört die Tochter nicht. Meistens droht die Mutter mit Gewalt und ihrer Autorität, wenn die Tochter nicht auf sie hört. Die Mutter ist nach Bennewitz eine " Tugendwächterin", die auf ihre Tochter acht geben muss, damit sie nicht in fremde Hände gerät.

Es gibt diese Mutter-Tochter Gespräche auch mit vertauschten Rollen. Hier spielt die Tochter die fürsorgliche Rolle, die sonst die Mutter übernimmt. Neidhart verwendet diesen Rollentausch in einigen Liedern wie z.B. im Sommerlied 1. Das Verhalten der Mutter entspricht hier einem liebeslustigen Mädchens die übermütig und naiv handelt.


Die Mutter

Nicht nur die angebeteten Mädchen stehen im Zentrum Neidharts, sondern auch ihre Mütter. Diese übernehmen ebenso die sommerliche Freude und fühlen sich auf einmal wieder jung und wollen mit zum Tanz. Sandra Linden stellt in ihrem Text "Die Lebenslustige Alte" [3]fest, dass die die Figur der Lebenslustigen Alten als Gegenfigur zur Tochter steht. Lieder die diese Situation darstellen sind das Sommerlied 1,9 und 17. Im Sommerlied 17 freut sich die Tochter auf einen bevorstehenden Tanz. Diese Freunde geht über auf die Mutter, die sich plötzlich wieder jung fühlt.

„wan daz mînem hâre

die locke sint/ grîse: 
die will ich bewinden 

mit sîden.

tohter, wâ ist mîn rîse?“ 

Sie will ihre Tochter zum Tanz begleiten, doch die Tochter übernimmt nun die fürsorgliche Rolle und will sie davon abhalten und rät ihr lieber zu Bett zu gehen. wer hât iuch beroubet der sinne gar? slâfet!

Doch die Mutter überredet sie schließlich und begleitet sie zu dem Tanz.

„Wie si den strît liezen, will ich iu bescheiden:

daz magedîn begunde sîner muoter leiden.“

In diesem Lied merkt man sofort, dass die Rollen vertauscht wurden. Die Mutter wirkt ungeduldig und will umbedingt zum Tanz und die Tochter spielt hier die Rolle der Beschützerin und rät ihr davon ab. Ebenso ist es in Sommerlied 9.


Gespielinnen Lieder

In diesen Dialogen unterhalten sich zwei Freundinnen miteinander und reden meistens über gemeinsame Wünsche und Interessen, sowie ihr Vertrauen dem anderen gegenüber. Im Zentrum ihrer Gespräche steht natürlich ihre Werber. Ähnlich wie bei bei den Mutter- Tochter Gesprächen lassen sich die Frauen nicht auf einen Mann gleiches Standes ein, sondern auf einen Mann mit einem höheren Stand. Das höfische, was sie vorgeben zu sein, verfliegt sofort bei einem Streit um einen Mann. (siehe Beispiel unten Sommerlied 20)

Ein Beispiel für ein Gespräch unter Freundinnen finden wir im Sommerlied 14. Dieses beginnt mit einem sommerlichen Natureingang . „Ine gesach die heide / nie baz gestalt, / in liehter ougenweide / den grüenen walt“

Der Sänger fordert die Mädchen auf, sich einen Partner für den nächsten Tanz zu suchen um den Sommer zu empfangen. "ir mägde, ir sult iuch zweien,

gein dirre liehten sumerzît in hôhem muote reien."

Ab Strophe 4 kommt das erste Mädchen zu Wort und klagt über die Männer. Sie will sich nicht hübsch machen, um dann nicht umworben zu werden. Doch ihre Freundin ermutigt sie und weiß sicher, dass es jemanden gibt der sich für sie interessiert. Hier unterstützen sich die Mädchen gegenseitig, so wie es in einer Freundschaft auch sein sollte. Anders verhalten sich die befreundete Mädchen in Sommerlied 20. In diesem Lied erzählt eine der anderen von ihrem Verehrer, doch will seinen Namen nicht nennen. Das macht die andere Freundin sauer und es kommt zu einem Streit mit derber Wortwahl. Hier wird, wie schön erwähnt, die höfische Sprache total vergessen und sie verfallen in einen derben Streit.

„Ich mac wol dîn ungevüege schelden:

dû muost immer wider mich sô gelfer worte enkelden. 

wir hieten beide baz gedagt. hiute sî dir widersagt

dienest unde triuwe! 

dîn muot istiteniuwe.“ ( Stophe 7)

Nach diesem Streit entzweit die Freundschaft und die beiden sehen sich nie wieder. Man könnte sogar davon sprechen, dass ein Mann die Freundinnen entzweit. „si wurden beide ein ander gram.“ (Strophe 8)

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Sänger - Mädchen Dialoge

Aber nicht nur Frauen reden bei Neidhart miteinander, so wie es bisher aufgezeigt wurde. Unterhaltungen zwischen einem Mädchen und einem Ritter findet man z.B. in den Sommerliedern 13, 22 und 24. Meist beginnen diese mit einem Selbstgespräch des Mädchens ,wie im Sommerlied 13. Sie beklagt sich über die Gesellschaft aber freut sich auf den bevorstehenden Tanz mit ihrem Angebeteten. “Worte des liebenden Mannes, Bekenntnis steter gegenseitiger Herzensverbundenheit, Leid des Getrenntseins und Beglückung im Wissen um vriunt und triuwe“ zeichnet diese Gattung der Lieder Niedharts aus.[4] So sehnt sich im Sommerlied 13 der Mann nach dem Mädchen und in Sommerlied 24 das Mädchen nach dem auf sie wartenden Mann. In diesen Liedern wird die Freunde über das Zusammensein und die Liebe nicht verschwiegen , sondern frei raus geäußert, trotz dass die Gesellschaft sie nicht zusammen sehen will.

Fazit

Bei Neidhart ändert sich aber das ganze und die Frau, die eigentlich begehrt wird, begehrt nun die Männer. „Sie erscheint in dieser Rolle nicht länger als passive Statue, sonder als aktive Handelnde, die von sexueller Lust getrieben zu sein scheint“[5]

Insgesamt darf man auch behaupten ,dass Neidhart ein modernes Frauenbild aufzeigt. Seine Frauenrollen sind sehr verschieden, sodass man annehmen kann, er habe sich viel mit den verschiedenen Seiten der Frauen beschäftigt damit er sie vielseitig darstellen kann.

Literaturverzeichnis

BENNEWITZ, Ingrid: "Wie ihre Mütter"? : zur männlichen Inszenierung des weiblichen Streitgesprächs in Neidharts Sommerliedern. In: Sprachspiel und Lachkultur / hrsg. von Angela Bader 1994

SCHWEIKLE, Günther: Neidhart. Stuttgart 1990 (SM 253)

  1. Manlîchiu wîp, wîplîch man Zur Konstruktion der Kategorien 'Körper' und 'Geschlecht' in der deutschen Literatur des Mittelalters. Hrsg. von Ingrid Bennewitz und Helmut Tervooren. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1999, S. 264.
  2. Bennewitz, Ingrid: "Wie ihre Mütter?" Zur männlichen Inszenierung des weiblichen Streitgesprächs in Neidharts Sommerliedern. Stuttgart : Heinz, 1994, S. 181.
  3. Linden, Sandra: Die liebeslustige Alte. Ein Topos und seine Narrativierung im Minnesang. In: Elm/Fitzon/Liess/Linden 2009, S. 137–164.
  4. Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament-Handschriften und der Melodien. Hrsg. von Siegfried Beyschlag. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, S. 549.
  5. Manlîchiu wîp, wîplîch man Zur Konstruktion der Kategorien 'Körper' und 'Geschlecht' in der deutschen Literatur des Mittelalters. Hrsg. von Ingrid Bennewitz und Helmut Tervooren. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1999, S. 265.