Die Teufelsszenen des Geistlichen Spiels

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Wirkungsabsicht der Teufelsszenen im geistlichen Spiel

Um die Wirkungsabsicht der behandelten Passions- und Osterspiele deutlich werden zu lassen, müssen zwei unterschiedliche Typen der Darstellungsvermittlung herangezogen und analysiert werden. Dabei handelt es sich um den komischen Darstellungscharakter der Spiele auf der einen Seite, auf der anderen Seite um die Furcht, die durch das Anschauen der Teufelshandlungen bei den zeitgenössischen Zuschauern geweckt werden sollte. Im Folgenden werden exemplarische Textstellen der genannten Aspekte aufgezeigt, bevor im Anschluss an ihnen die Wirkungsabsicht der Teufelsszenen formuliert wird.

Komik

Während im fragmentarischen Osterspiel von Muri die Teufel selbst kaum thematisiert werden, findet sich im Innsbrucker Osterspiel das Motiv der Komik an verschiedenen Stellen wieder. So spricht Luzifer angesichts der Ankunft Jesu vor den Toren seiner Hölle beinahe überheblich davon, den Gottessohn mit eigenen Händen selbst zur ewigen Verdammnis in die Hölle zu bringen:
balde heiz en enweg gen, Heiß schnell ihn davongehn,
anders en wert eyn boße weter besten! sonst wird ihn ein böses Gewitter anfallen!
ly mir crewel vnd kelle, Gib mir Gabel und Kelle,
ich wil en sencken in dy helle! versenken will ich ihn in die Hölle! [IO V. 299-302]

Gleich darauf fällt er jedoch in die Wehklagen zurück (vgl. IO V.346-361), die bereits vor der Befreiung der gefangenen Seelen durch Jesus in seiner Sprache Anklang gefunden haben. Luzifer beklagt nicht nur seine eigene ewige Verdammnis, sondern erkennt Jesus indirekt auch als mächtigen Erlöser an:

Wer ist der konig lobelich, Wer ist der gepriesene König,
der da stost so geweldiglich der mir da so gewaltig stößt
mir an myne helletor? an meine Höllentore? [IO V. 277-279]

Durch diese Diskrepanz und raschen Wechsel in der emotionalen Darstellung der Teufel (Elke Ukena-Best spricht von einer Anthropomorphisierung der Teufel [Ukena-Best 2001: 191]), für die Luzifer als Höllenfürst repräsentativ steht, bewirkt das Innsbrucker Osterspiel einen klaren Komikeffekt bei seinen Zuschauern. Weiter noch wird der Komikeffekt im Redentiner Osterspiel ausgestaltet. Neben den teilweise sprechenden Namen der Unterteufel, die auf Verhalten oder entstellte Äußerlichkeiten hinweisen (bspw. Funkeldune oder Krummnase), den immer wieder auftretenden Streitereien der Teufel untereinander oder der auffällig ausdrucksstarken Fäkalsprache ist es hier auch die Ironie, die einen bedeutenden Einfluss auf die Rezeption der Komik ausübt. Satan, engster Vertrauter Luzifers, hat selbst dafür gesorgt, dass die Hölle im Rahmen der Höllenfahrt durch Jesus vollständig geleert wird. Er ist es nämlich, der den Gottessohn den Todesstoß versetzt hat, sodass sich die biblische Verheißung der Auferstehung überhaupt erst erfüllen kann:

Ik richtede dat sper in syn herte, Ich lenkte den Speer in sein Herz,
Do let he des dodes smerte. da erlitt er den Todesschmerz. [ReO V. 413f]

Weiter ausgestaltet werden die verzweifelten Versuche der Machterhaltung und die dem gegenüberstehende Machtlosigkeit der Teufel in Konfrontation mit einem sündigen Priester, dem es gelingt, Satan und selbst Luzifer gefährlich zu werden (vgl. ReO V. 1712-1913). Er kann durch die Heiligkeit des Sakraments trotz seiner Sünden dem Seelenfang entgehen und exemplifiziert dem Zuschauer damit die Kraft der Heiligkeit Gottes. [Schulte 1992: 107]

Furcht

Im Osterspiel von Muri ist die Furcht vor der Hölle und den Teufeln nur auf eine indirekte Weise präsent. Die überlieferten Fragmente zeigen die Teufel nicht selbst als abschreckende Gestalten, verbinden die Hölle und ihre Verwalter allerdings mit negativen Aspekten. So spricht Jesus exemplarisch von den dort gefangenen Seelen:
die hant ir iemerlihe die habt ihr jammervoll
verderbet ungehiure und schrecklich zugrunde gerichtet
in deme helleviure im Höllenfeuer
in starchen hellewizen. an starken Höllenstrafen. [OM V. 27-30]

Die Angst der Zuschauer vor der Hölle ist dann im Innsbrucker Osterspiel und im Redentiner Osterspiel deutlich differenzierter feststellbar. Während im Innsbrucker Osterspiel eine „verdammte Seele“ von Jesus in der Hölle zurückgelassen wird und sich der Seelenfang direkt an die Höllenfahrt anschließt, steigern sich Umfang und Intensität insbesondere des Seelenfangs und des Höllengerichts im Redentiner Osterspiel um ein Vielfaches. Luzifer fordert explizit zur Verführung der Menschheit zur Sünde auf (vgl. ReO V.1145), die Teufel greifen bildhaft aktiv in das Leben der Zeitgenossen der Zuschauer ein, so zum Beispiel der Teufel Puk bei einer Schankwirtin:

So pleghe ik er de hant to roren so pflege ich ihr die Hand zu bewegen
Unde de mate bi siden sturen, und den Maßkrug beiseite zu lenken.
Wente wolde se vulle mate vorkopen, Denn würde sie volles Maß verkaufen,
So mochte uns ere sele untlopen. so könnte uns ihre Seele entlaufen. [ReO V. 1462-1465]

Diese Furcht vor der Versuchung durch den Teufel spiegelt sich durch die Reinszenierung der Versuchung Jesu in der Wüste (vgl. Markus, 1,12f. / Matthäus 4-11 / Lukas 4-13) auch im St. Galler Osterspiel wider. Obwohl sich der Verfasser eng an die biblische Vorlage hält, erfährt der Zuschauer auch hier durch Anschauung den Einfluss des Teufels, der für ihn ohnehin kein Abstraktum, sondern Realität gewesen ist.

Wirkungsabsicht

Das Zusammenspiel von Komik und Furcht, wie es in den einzelnen Spielen hervorgehoben wurde, führt nun zu einer ineinander übergreifenden Wirkungsabsicht. Zum einen soll dem Zuschauer die Macht und Herrlichkeit der Erlösung vor Augen geführt werden. Die Macht, dem Teufel zu widerstehen, konnte er durch eine gerechte Lebensführung erreichen, wie sie durch die Dogmen der Kirche vertreten war. Andererseits sollte die Angst vor Sündenbestrafung und Teufel den Zuschauer zu genau diesem gerechten Leben motivieren – nicht reine Heilsgewissheit, sondern aktive Ablehnung der Verfehlungen der Sünder in der Darstellung sollte erreicht werden. Hans-Jürgen Linke bringt es auf den Punkt: Die Mischung von Komik und Teufelsgrauen muß für die Menschen einer Zeit, die sich überall von Dämonen umlauert glaubte, etwas Beklemmendes gehabt haben. [Linke 1967: 102] Um dieser Beklemmung zu entgehen, die durchaus als eines der Ziele der Spiele definiert werden darf, bedarf es einer Reaktion des Zuschauers. Damit wird die heilspädagogische Absicht deutlich, wie sie Elke Ukena-Best klar formuliert hat: „Die Zuschauer nehmen aus der Teufelshandlung eine vertiefte Erkenntnis über die Gefährdung ihres Seelenheils und die Fragilität des Seelenfriedens mit auf den Weg. […] Durch sie [die Teufel] kann das Publikum erkennen, was der Heilsverlust bedeutet, wodurch er hervorgerufen wird, wie er sich auswirkt und wie man sich vor ihm bewahren kann.“ [Ukena-Best 2001: 212-214]<ref>

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences />

Primärliteratur

Sekundärliteratur

[* Linke 1967] Linke, Hans-Jürgen: Die Teufelsszenen des Redentiner Osterspiels. In: Niederdeutsches Jahrbuch. Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 90 (1967), S. 89-105.

[* Schulte 1992] Schulte, Brigitte: Zur Funktion der Priesterszene im "Redentiner Osterspiel", in: Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie 32 (1992), S. 103-107.

[* Ukena-Best 2001] Ukena-Best, Elke: „Homud heft us duvele senket in afgrunde”. Superbia, Teufel und Hölle im Redentiner Osterspiel, in: Leuvense bijdragen. - Leuven : Dep. of Linguistics of the Univ. of Leuven 90 (2001), S. 181-214.