Wiederkehrende Motive im Tristan (Gottfried von Straßburg, Tristan)
Neben den großen, die ganze Geschichte durchziehenden Themen tauchen in Gottfrieds von Straßburg Tristan auch bestimmte weitere Motive, wie beispielsweise Personen, Handlungen, Schauplätze oder Tiere mehrfach auf, teilweise gesteigert.
Diese wiederkehrenden Motive sollen in diesem Artikel näher untersucht, aufeinander bezogen und in den Gesamtzusammenhang eingeordnet werden.
Vorgeschichte
Figuren
Truchsesse
Isolden
Übernatürliche Gegner Tristans
Zweimal kämpft Tristan gegen übernatürliche Gegner, das eine Mal gegen einen Drachen, das andere Mal gegen einen Riesen.
Zwischen beiden Begegnungen gibt es Parallelen, sodass sie als Wiederholung einer zusammengehörigen Einheit angesehen werden können.
Beide Male handelt es sich um übernatürliche Wesen, die ihre Umgebung terrorisieren. So überschüttet der Drache liute unde lant mit alsô schedelîchem schaden (V. 8907) und der Riese Urgan fordert mit Gewalt Zins wie Rinder, Schafe und Schweine von Gilan ein. Auch ihre Beschreibung fällt ähnlich aus: beide werden als teuflisch (des tiuveles kint (V. 8972), vâlandes man (V. 16065)) und in der Wildnis lebend beschrieben (in der wilde (V. 8936), wilden walt (V. 15965)).
Ebenso gibt es im Kampf Parallelen. In beiden Kämpfen bangt Tristan um sein Leben und beide Male wird zumindest sein Pferd tatsächlich getötet (und er selbe ûf den serpant sô sêre mit dem orse stiez, daz er daz ors dâ tôtez liez (V. 8980-898), er enwürfe im edaz ors dô vor den goffen gar enzwei (V. 16026/7)). Nachdem er seine Gegner besiegt hat, nimmt Tristan jeweils ein Körperteil des Gegners, beim Drachen die Zunge und beim Riesen den Arm, als Beweis für seinen Sieg mit.
Beide Male lässt sich Tristan freiwillig und aus individuellen Beweggründen heraus auf diese Kämpfe ein, um den für den Sieg ausgesprochenen Preis, einmal Isolde, das andere Mal alles, was er haben möchte, was für ihn das Zauberhündchen Petitcrü bedeutet, zu gewinnen.
Handlungen
Heilungen eines Kämpfers
Meerfahrten
Irlandfahrten
Tristan fährt zweimal nach Irland.
Das erste Mal führt ihn eine tödliche Wunde, die ihm von Morold im Zweikampf durch ein vergiftetes Schwert zugefügte worden war, nach Irland. Morold selbst hatte ihm gesagt, dass niemand außer seine in Heilkräutern kundige Schwester, Isolde, die Königin von Irland, ihn heilen könne. So macht sich Tristan schwer verwundet auf den Weg nach Irland, indem er sich vor der irischen Küste als Spielmann verkleidet in einem kleinen Boot aussetzen lässt, damit ihn die Feinde nicht erkennen. Tristan wird tatsächlich von Isolde geheilt und kann gesund und ohne dass seine wahre Identität ans Licht kommt nach Cornwall zurückkehren.
Das zweite Mal fährt Tristan nach Irland, um dort auf Betreiben der Gefolgschaft Markes, die Tristan nicht als Erben wissen wollen, für Marke um Isolde, die Tochter der irischen Königin, zu werben. Die Brautwerbung ist mit einem Drachenkampf verbunden, denn nur wer den Drachen tötet, darf um Isoldes Hand anhalten. Tristan besteht den Kampf erfolgreich und gewinnt somit Isolde als Frau für Marke. Nach einem Zwischenfall der aus der Entdeckung von Tristans wahrer Identität heraus erfolgt, kann sich Tristan mit seinen Feinden versöhnen und Isolde als Markes Braut nach Cornwall führen.
Es fällt auf, dass sich Tristan beide Male nach Irland begibt, um eine für ihn tödliche Gefahr abzuwenden. Das erste Mal, um seine tödliche Wunde heilen zu lassen. Das zweite Mal, um der Bedrohung seines Lebens durch die Gefolgschaft Markes, die ihn als Erben Markes loswerden wollen, zu entkommen, indem er eine Frau für Marke findet.
Musik
Trägerdienste Tristans
Doppelsinnige Reden
Voreilige Versprechen
Schauplätze
Baumgarten
Bett
Tiere
Hirsche
Der Hirsch spielt zweimal, das eine Mal in der Jagdepisode und das andere Mal in der Minnegrotte-Episode, eine Rolle.
Tristan trifft, nachdem er von seinen Entführern an der Küste Cornwalls ausgesetzt worden war, auf die Jagdgesellschaft König Markes. Die Jäger haben gerade einen Hirsch erlegt und beginnen ihn zu zerlegen, als Tristan mit den Worten wer gesach ie hirz zewürken sô? (V. 2794) eingreift. Der Jägermeister bittet ihn nun, ihm seine Art und Weise der Hirschzerlegung zu zeigen und Tristan demonstriert die in seiner Heimat übliche Sitte der Entbästung. Der Jägermeister und die Jagdgesellschaft sind von Tristans vornehmen Verhalten und seinen detaillierten Kenntnissen des Jagdbrauchtums, die sich unter anderem in seinem Gebrauch von Wörter wie bast, furkîe und curîe und der sicheren Umsetzung derselben wiederspiegeln, so beeindruckt, dass sie ihn mit an Markes Hof nehmen und ihn dort König Marke vorstellen, der Tristan daraufhin zu seinem neuen Jägermeister macht. (V. 2759-3378)
Die Jagdkunst (ars vernandi) und die Liebeskunst (ars armandi) hängen eng miteinander zusammen, wie dies auch an den häufig auftretenden Jagdmetaphern in der Sprache der Erotik zu sehen ist. Tristan weiß als einziger, wie ein Hirsch angemessen zerlegt wird, während die anderen diesen alsam ein swin (V. 2791) behandeln. Er weist sich damit als überlegender Kenner der Jagd und des Wesens des Hirsches aus, er ist also der einzige, der sich mit der Minnejagd und damit der Minnekunst wirklich auskennt. Dass sich Tristan gerade aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten bei der Jagd bzw. genauer bei der Zerlegung des Hirsches an Markes Hof etablieren kann und sogar zum Jägermeister ernannt wird, kann als Vorausdeutung auf seine spätere Rolle am Hofe Markes gesehen werden. Durch Tristan wird später die Problematik der Dreiecksbeziehung und des Ehebruchs an Markes Hof kommen und auch in der Liebeskunst zu Isolde wird er Marke, wie bei der Hirschjagd seine Jagdgesellschaft, überragen.
In der Minnegrotten-Episode taucht wieder ein Hirsch auf. Während sich Tristan und Isolde in der Minnegrotte befinden, geht Marke mit seiner Jagdgesellschaft ganz in der Nähe auf die Jagd. Sie treffen auf ein Rudel Hirsche, wobei einer von den anderen getrennt wird und sie diesen zu jagen beginnen. Dieser vremde[n] hirz (V. 17293) wird wie folgt beschrieben:
- der was reht alse ein ors gemane,
- starc unde michel unde blanc,
- daz gehürne cleine unde unlanc,
- vil kûme wider entworfen,
- als er ez hin geworfen
- haete in unlanger zîte.
- (V. 17294-17299)
- Er hatte eine Mähne genau wie ein Pferd, war stark und groß und weiß, mit kleinem, kurzem Geweih, kaum nachgewachsen, als ob er es abgeworfen hätte erst vor kurzem.
Sie verlieren jedoch die Fährte des Hirsches und er kann somit entkommen. Am nächsten Morgen macht sich Markes Jägermeister erneut auf die Suche nach dem Hirsch. Dabei kommt er in die Nähe der Minnegrotte und hält Tristans und Isoldes Fußspuren im Tau für die des Hirsches. Sie führen ihn zur Minnegrotte, wo er durch ein Fenster Tristan und Isolde entdeckt. (V. 17275-17454) Auch hier ist der Hirsch wieder eng mit dem Minnemotiv verknüpft. Diesmal steht er jedoch nicht allgemein für die Liebeskunst, sondern symbolisiert die Liebesgemeinschaft zwischen Tristan und Isolde, was daran zu erkennen ist, dass er aus der Minnegrottengegend kam und auch dort wieder hin zurückflieht, also der zauberhaften Sphäre der Minnegrotte zugewiesen wird, dass Tristan und Isolde die Hirschjagd sofort auf sich selber beziehen und dass ihre Fußspuren mit denen des Hirsches verwechselt werden.
Das weiße Fell des Hirsches kann im Zusammenhang mit dem Weiß der Minnegrotte gesehen werden und symbolisiert die Reinheit und Vollkommenheit der Minne Tristans und Isoldes. Auch das Attribut starc findet sich in der Beschreibung der Minnegrotte wieder: diu wite deist den minnen craft, wan ir craft ist unendehaft (16937f.). Das defizitäre Geweih steht für die Waffen- und damit Schutzlosigkeit der Liebenden, deren Minne ungeschützt und damit gefährdet ist. Die Pferdemähne lässt den Hirschen zusätzlich zu seinem weißen Fell außerdem wie ein Mischwesen aus Einhorn und Hirsch erscheinen. Dies lässt den Hirschen wiederum magischer wirken und zusätzlich steht das Einhorn als Zeichen der Treue für die Treue Tristans und Isoldes und ihr Einssein in der Minne. Aus dem in den älteren Versionen noch gewaltigen Hirsch ist somit der wunderbare, weiße Hirsch mit kleinem Geweih und Pferdemähne geworden, der „aus der alltäglichen Welt in die Welt des Wunderbaren“, nämlich die der idealen Minne, weist. Er nimmt somit noch eine weitere dem Hirsch traditionelle Funktion ein, die des „wegweisenden Vermittlers zwischen zwei Hemisphären“. Diese Funktion erfüllt der Hirsch auch hier, indem er als Lockmittel dient, das die Entdeckung der Liebenden durch Marke ermöglicht und verursacht.
Der die Liebesgemeinschaft zwischen Tristan und Isolde symbolisierende Hirsch ist für Marke und seine Jäger vremde und entspricht damit ihrem Verhältnis zu Tristan und Isolde im höfischen Kontext. Gleichzeitig wird der Hirsch als Symboltier in der von allen Kontexten losgelösten Gegend der Minnegrotte unvoreingenommen betrachtet. Er löst keinen Hass, sondern eine zwar unverständige, den er bleibt ihnen vremde, aber verlangende Neugier aus. Jedoch wird der Minnegrottenhirsch und damit die Minne für Marke unerreichbar bleiben. Dass es bei der Jagd letztlich nur um Tristan und Isolde und nicht um den Hirsch ging, wird daran deutlich, dass Marke die Hirschjagd für beendet erklärt, sobald er Tristan und Isolde entdeckt hat.
In beiden Episoden steht der Hirsch im Zusammenhang mit dem Minnemotiv. Die Jagdepisode, in der dieses Motiv noch allgemeiner gehalten ist und auch der Hirsch keine magischen Attribute hat, ist eine Vorausdeutung auf die Minnegrotte-Episode. Hier findet zugleich eine Steigerung statt, indem der aus einer anderen Welt zu kommen scheinende Hirsch nun die zur Realität gewordene Minne zwischen Tristan und Isolde und damit tatsächliche Überlegenheit Tristans in der Liebeskunst symbolisiert.
Hunde
Eber
Weitere Motive
Weitere Motive, die sich ebenfalls wiederholen, wie z.B. das Jagdmotiv, das Kaufmannsmotiv können in anderen Artikeln nachgelesen werden.
Fazit
Literatur
<HarvardReferences />
- [*Gottfried von Straßburg 1980] Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Bd. 1–3. Stuttgart 1980 (RUB 4471-3).
- [*Tomasek 2007] Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007 (RUB 17665).