Die Teufelsszenen des Geistlichen Spiels

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Ursprung der Teufelsszenen: Das Nikodemus-Evangelium

Die Grundlage der Teufelsszenen und Höllendarstellung in Oster- und Passionsspielen stellt das apokryphe Nikodemus-Evangelium dar. In ihm findet man konkrete Beschreibungen von Geschehnissen, die im Credo und im biblischen Kanon lediglich kurz angedeutet werden: Christi Höllenfahrt, die Erlösung der Altväter aus der Unterwelt und die Fesselung des Teufels. [Linke 1967]

Inhalte des Nikodemus-Evangeliums

Das Nikodemus Evangelium lässt sich in drei große Abschnitte gliedern. In einem ersten Teil, der auch unter dem Namen „Pilatus-Akten“ bekannt ist, wird ausführlich der Prozess Jesu vor Pilatus und anschließend nur kurz die Kreuzigung und das Begräbnis geschildert. Der zweite Teil beschreibt die Diskussionen des Hohen Rats der Juden, dem sogenannten Synedrium, darüber, ob Jesus tatsächlich auferstanden ist. Den Schluss des Evangeliums bildet der „Abstieg Christi zur Hölle“ bzw. „Descensus Christi ad infernos“. Wie dem Rezipienten gegen Ende versichert wird, handle es sich hierbei um die Aufzeichnungen von zwei Männern, die unter den Befreiten gewesen und von Jesus in den Himmel geführt worden seien: „Dies alles haben wir beiden Brüder gesehen und gehört“. [Weidinger 1988: 490] Der angebliche Augenzeugenbericht liefert Details zu einem Punkt, den Christen auch heute noch als Andeutung aus ihrem Glaubensbekenntnis kennen, in dem es heißt: „gekreuzigt, gestorben und begraben, / hinabgestiegen in das Reich des Todes“. Der letzte Teil des Nikodemus-Evangeliums entspricht folglich scheinbar der Lehre der Kirche, auch wenn er nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurde. [Weidinger 1988]

Der „Abstieg Christi zur Hölle“

Wie der Sondertitel „Abstieg Christi zur Hölle“ schon vermuten lässt, wird in diesem Teil des Nikodemus-Evangeliums beschrieben, wie Jesus die Seelen der Gerechten aus den Händen Satans befreit und sie ins Paradies bringt. Im Evangelium erfolgt diese Handlung, anders als in den Oster- und Passionsspielen, sogar noch vor der Auferstehung am dritten Tag. Im Zusammenhang mit den Teufelsszenen muss auf eben diesen Abschnitt ein besonderer Augenmerk gelegt werden, da es als Inspiration für eine eigene Szene im Innsbrucker und Redentiner Osterspiel diente.

Noch bevor Jesus in der Hölle angelangt, warnt Satan Hades vor einem „aus dem Geschlecht der Juden, Jesus geheißen, […] [der] sich selbst Gottes Sohn“ nennt und ihm in der Oberwelt schon öfters in die Quere gekommen ist. [Weidinger 1988: 486] Denn alle Krankheiten, die Satan an die Menschen gegeben hat, hat Jesus mit bloßen Händen wieder geheilt. Hades zweifelt bereits bei diesen Bemerkungen daran, dass es ihnen gelingen könnte, den mächtigen Jesus in der Unterwelt zu behalten: „wie und mit welcher Kraft sollte er da von uns festgehalten werden?“ [Weidinger 1988: 487] Er äußert außerdem seine Bedenken, Jesus könnte alle Toten auferstehen lassen und somit die Hölle völlig leeren. Als Jesus sich nähert, bemühen sich Satan, Hades und seine Dämonen darum, die Tore der Hölle zu sichern und zu versperren. Jedoch vergebens, denn alle Riegel und Ketten stellen kein Hindernis für Jesus dar und so „zog der König der Herrlichkeit [in die Unterwelt] ein, […] und alle Finsternis des Hades erstrahlte in Licht.“ [Weidinger 1988: 488] Die Kreaturen der Unterwelt werden besiegt und Hades kann noch gar nicht richtig einordnen, wer Jesus nun überhaupt ist: „Doch wer bist du, der du solche Vollmacht und Kraft hast? […] Ans Kreuz bist du genagelt worden und ins Grab bist du gelegt worden, und jetzt bist du frei geworden und hast alle unsere Macht zerstört.“ [Weidinger 1988: 488] Während er Satan mit Vorwürfen überhäuft, wie „Den König der Herrlichkeit hast du töten wollen und hast dich selbst getötet“, fesselt Jesus Satan und erweckt die Toten, angefangen von Adam bis hin zum letzten Propheten Johannes den Täufer. [Weidinger 1988: 489] Anschließend ziehen die Auferweckten alle gemeinsam ins Paradies ein. [Weidinger 1988]

Inszenierung der Teufel

Während die Bühnenbilder bei Passions- und Osterspielen meist sehr einfach gehalten wurden, stattete man die Teufelsfiguren nicht selten mit einigen Requisiten aus. Im Mittelalter war es üblich, die einzelnen Stände anhand ihrer Kleidung voneinander unterscheiden zu können, und so sollte auch die Gruppe der Teufel sich schon rein äußerlich von den Übrigen abgrenzen. Dabei war das Ziel oft, sie abschreckend und eindrucksvoll zugleich wirken zu lassen. Um diese Wahrnehmung zu erreichen, verlieh man den Teufeln häufig ein tierartiges Aussehen. Während manchen Spielleitern eine schwarze Bemalung der Schauspieler genügte, statteten andere sie mit fellartiger Behaarung, einem Schwanz bzw. Schweif und Klauen an Händen und Füßen aus. Der Fokus lag oft aber auf Masken mit beweglichen Kinnladen. Sie waren gehörnt und mit riesigen Eckzähnen versehen, was sie besonders gespenstisch wirken ließ. Um dem Bild der Menschenfänger gerecht zu werden, hatten viele Teufel auch Ketten oder Stricke bei sich, mit denen sie ihre Opfer fangen und in die Unterwelt bringen konnten. Doch nicht nur die Kostüme selbst, sondern auch ihre Bewegungen ließen die Teufel grotesk wirken: Anstatt normal zu gehen, mussten die Schauspieler meist springen, tanzen oder, wie im Redentiner Osterspiel, sogar Purzelbäume schlagen. Um das ganze noch lautlich zu untermalen, schrien und sangen sie oft. [Schuldes 1974]


Vergleich der Teufelsszenen in den Spielen

Im Folgenden werden die Teufelsszenen des Osterspiels von Muri, dem Innsbrucker, dem St. Galler und dem Redentiner Osterspiel anhand von verschiedenen Aspekten verglichen. Zunächst wird mit der allgemeinen szenischen Einbettung begonnen.

Einbettung der Teufelsszenen in den Spielen

Bei der szenischen Einbettung der Teufelsszenen in den Geistlichen Spielen lassen sich Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede feststellen. Im Osterspiel von Muri liegt die – im Vergleich zu den anderen Spielen – äußerst kurze Teufelsszene zwischen zwei Krämerszenen. Ähnlich dazu folgt im Innsbrucker Osterspiel eine Krämerszene und ein Gespräch der Marien auf die Teufelsszene, was im St. Galler Osterspiel ebenfalls zu finden ist. Daher kann angenommen werden, dass auf die Teufelsszenen oftmals eine gewisse Form der Komik folgt. Das Redentiner Osterspiel zeigt bei der Einbettung der Teufelsszenen am meisten Unterschiede. Der Auftritt der Teufel folgt zwar, ähnlich zum Innsbrucker Osterspiel, auf die Auferstehung Jesu, zieht sich allerdings daraufhin durch das gesamte Spiel und ist damit auch die inhaltlich letzte Szene.

Anzahl der Teufel, Hierarchie und Reaktion auf Jesus

Der Teufel im Osterspiel von Muri tritt ins Spiel als eine Figur, die mit dem wiederholten Fragen: wer dieser König sei? (vgl. OM IV, V. 6 und 14), auffällt. Im Vergleich zu den anderen Spielen, wo der/die Teufel aktiv die Handlung mit Taten voranbringen, bleibt er als Figur jedoch tatenlos. Selbst, als Jesus im weiteren Verlauf des Spiels das Tor zur Hölle zerstört und die Seelen befreit (vgl. OM IV, V. 31ff), tritt der Teufel im Osterspiel von Muri nicht mehr auf.

want ih cerstoere iuh als ein her denn ich zerstöre euch als ein Gebieter
mit gewalt iuwer tor, mit Gewalt euer Tor, [OM IV, V. 19-20]

Dadurch fällt auf, dass der Teufel in diesem Abschnitt kaum an Bedeutung gewinnt. Zudem wird der Teufel nicht spezifisch mit Namen betitelt, sondern unter dem Überbegriff Diabolus (vgl. OM IV, V. 5f) aufgeführt, womit er nur verallgemeinert im Spiel auftritt und keine Hierarchie der Teufel in der Hölle aufgelistet ist. Ähnlich dazu tritt im St. Galler Passionsspiel der Teufel zum ersten Mal ebenfalls unter dem Begriff Diabolus oder Sathan/Satana (vgl. St.G.P V. 153) auf. Mit seinen Taten Jesus zu verführen und ihn mit Herausforderungen auf seine Seite zu ziehen, hat er jedoch keinen Erfolg. Man könnte meinen, in diesem Zusammenhang scheint der Begriff Diabolus entweder Satan oder weitere unterstehende Teufel zu umfassen oder den kompletten Gegensatz zum göttlichen Guten darzustellen. Verstärkt wird die zweite These mit Jesus Reaktion auf die Verführungsversuche:

Daz ist der heilgen scrifte gebot:
gleube aleine an einen got [St.G.P V. 186-187]

Zum zweiten Mal erscheint der Teufel während der Seelenbefreiung durch Jesus spezifischer als Luzifer genannt (vgl. V. 1491). Ob das nun auf eine Hierarchie innerhalb der Hölle hindeutet, ist nicht genau erkennbar, kann aber, aufgrund der Separierung, durchaus angenommen werden.

Die Teufelsszene des Redentiner Osterspiels beginnt, wie zuvor schon angeschnitten, nach der Auferstehung Jesu, welcher sich mit einer Schar von Engeln zur Hölle begibt, um die Seelen dort von ihren Qualen zu befreien (vgl. ReO V. 255ff). Die große Anzahl der Engel dient als Unterstützer. Doch Luzifer und das Höllenreich wirken mit einer nahezu gleich großen Anzahl an Verbündeten dagegen, wodurch die Gegenspieler und ihre Seiten ausgeglichen vertreten sind. Es tritt eine starke Hierarchisierung der Teufel in Kraft. Luzifer wird als der Herr beziehungsweise Herrscher angesehen. Dies wird deutlich, sobald Satan ihn zum ersten Mal als solchen ruft:

A ha, Lucifer, myn leve here, Ach Luzifer, mein lieber Herr! [ReO V. 382]

Im weiteren Verlauf der äußerst ausführlichen Teufelsszene treten immer wieder vermehrt Teufel bzw. Gesellen auf, wie beispielsweise Crumnase, Noytor oder Puk, um nur ein paar von ihnen zu nennen. Die genaue Abfolge und der genaue Stand in der Höllen-Hierarchie sind jedoch nicht herauszulesen. Luzifers Position als alleiniger Herrscher wird beim Aussenden der Teufel zum erneuten Seelenfang verstärkt (vgl. ReO V. 1076ff). Doch auch deren mehr oder weniger freundschaftlicher Umgang fällt ins Auge. Ebenso die Macht, die Kumpanen artige Unterstützung und den Einfluss, die/ den die Teufel auf Luzifer üben können, wird mit Puks Unmut und Unglaube über Luzifers schwächliche Reaktion auf Jesus hervorgerufen (vgl. ReO V. 647ff). Diese bringt ihn schließlich wieder auf den Kurs, die Hölle mit neuen Seelen zu füllen. Der Seelenfang spielt auch im Innsbrucker Osterspiel eine zentrale Rolle. In beiden Spielen erfolgt auf die Seelenbefreiung durch Jesus unter anderem Angst und Furcht als Reaktion der Teufel, die mit einer Machtlosigkeit einhergehen (vgl. IO V. 346):

Owig! kumpt he here varen, O weh, kommt er hergezogen,
Hedeyt us unvorwinliken schaden fügt er uns unersetzlichen Schaden zu! [ReO V. 446-447]

Zusätzlich erweckt es, wie anhand Luzifers Klagen über Jesus verdeutlicht wird, eine Ehrfurcht und Abscheu gegenüber Gottes Sohn:

We is desse weldenere, Wer ist dieser Gewaltige,
De dus komet varende here, der so daherkommt,
Oft dat al dewerlde syn egene sy? als ob die ganze Welt ihm gehöre? [ReO V.515-517]

Ein mehrfach auftretender Unglaube tritt, wie in allen anderen Spielen, mit dem wiederholten Fragen nach eben diesem „Gewaltigen“ auf. Im St. Galler Osterspiel, dem Innsbrucker und dem Redentiner wird dieser Unglaube und die Ehrfurcht, dass es tatsächlich eine Person gibt, die ihnen die Hölle leeren könnte und eine Gefahr darstellen kann, zuerst auf Latein geäußert:

Quis est iste rex glorie? Wer ist denn dieser König der Herrlichkeit? [hier IO V. 272]

Auf die Seelenbefreiung reagieren die Teufel im Innsbrucker und dem Redentiner Osterspiel mit einer Seelenliste, welche von Luzifer erstellt wird (vgl. IO V. 388ff und ReO V. 1122ff). Die Tatsache, dass in dieser Bürger in jeder erdenklichen Position beschrieben werden, erweckt den Anschein eines direkten Appells an die Rezepient*innen, also das Volk. Zudem fällt auf, dass der Wiedereinfang der Seelen in den beiden Osterspielen mit der signifikantesten Hierarchie und der damit einhergehenden Vielfalt und Anzahl der Teufel auftritt. Vor allem im Redentiner Osterspiel fällt auf, dass Luzifer seine Teufel dazu aufruft, die Sünder aktiv von Gott abzukehren:

De lude schole gy alzo leren, Unterweist die Leute so,
Dat sesik jo van gade keren, daß sie sich von Gott abkehren,
Beyde leyen unde papen, sowohl Laien wie auch Pfaffen,
Heren, rittere unde knapen. Herren, Ritter und Diener. [ReO V. 1091- 1093]

Das Redentiner Osterspiel endet, wie bereits angedeutet, als Einziges szenisch mit den Teufeln. Das Ende ist, durch den Gesang der Teufel, mit einer gewissen Komik behaftet.

Drech wech den olden fornicatorem! Trag den alten Hurer weg! [ReO V. 1986]

Die Teufelsszene umfasst damit mehr als die Hälfte des Spiels und die Hölle steht vermehrt im Fokus. Damit werden die Teufel stark in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt.

Wirkungsabsicht der Teufelsszenen im geistlichen Spiel

Um die Wirkungsabsicht der behandelten Passions- und Osterspiele deutlich werden zu lassen, müssen zwei unterschiedliche Typen der Darstellungsvermittlung herangezogen und analysiert werden. Dabei handelt es sich um den komischen Darstellungscharakter der Spiele auf der einen Seite, auf der anderen Seite um die Furcht, die durch das Anschauen der Teufelshandlungen bei den zeitgenössischen Zuschauern geweckt werden sollte. Im Folgenden werden exemplarische Textstellen der genannten Aspekte aufgezeigt, bevor im Anschluss an ihnen die Wirkungsabsicht der Teufelsszenen formuliert wird.

Komik

Während im fragmentarischen Osterspiel von Muri die Teufel selbst kaum thematisiert werden, findet sich im Innsbrucker Osterspiel das Motiv der Komik an verschiedenen Stellen wieder. So spricht Luzifer angesichts der Ankunft Jesu vor den Toren seiner Hölle beinahe überheblich davon, den Gottessohn mit eigenen Händen selbst zur ewigen Verdammnis in die Hölle zu bringen:
balde heiz en enweg gen, Heiß schnell ihn davongehn,
anders en wert eyn boße weter besten! sonst wird ihn ein böses Gewitter anfallen!
ly mir crewel vnd kelle, Gib mir Gabel und Kelle,
ich wil en sencken in dy helle! versenken will ich ihn in die Hölle! [IO V. 299-302]

Gleich darauf fällt er jedoch in die Wehklagen zurück (vgl. IO V.346-361), die bereits vor der Befreiung der gefangenen Seelen durch Jesus in seiner Sprache Anklang gefunden haben. Luzifer beklagt nicht nur seine eigene ewige Verdammnis, sondern erkennt Jesus indirekt auch als mächtigen Erlöser an:

Wer ist der konig lobelich, Wer ist der gepriesene König,
der da stost so geweldiglich der mir da so gewaltig stößt
mir an myne helletor? an meine Höllentore? [IO V. 277-279]

Durch diese Diskrepanz und raschen Wechsel in der emotionalen Darstellung der Teufel (Elke Ukena-Best spricht von einer Anthropomorphisierung der Teufel [Ukena-Best 2001: 191]), für die Luzifer als Höllenfürst repräsentativ steht, bewirkt das Innsbrucker Osterspiel einen klaren Komikeffekt bei seinen Zuschauern. Weiter noch wird der Komikeffekt im Redentiner Osterspiel ausgestaltet. Neben den teilweise sprechenden Namen der Unterteufel, die auf Verhalten oder entstellte Äußerlichkeiten hinweisen (bspw. Funkeldune oder Krummnase), den immer wieder auftretenden Streitereien der Teufel untereinander oder der auffällig ausdrucksstarken Fäkalsprache ist es hier auch die Ironie, die einen bedeutenden Einfluss auf die Rezeption der Komik ausübt. Satan, engster Vertrauter Luzifers, hat selbst dafür gesorgt, dass die Hölle im Rahmen der Höllenfahrt durch Jesus vollständig geleert wird. Er ist es nämlich, der den Gottessohn den Todesstoß versetzt hat, sodass sich die biblische Verheißung der Auferstehung überhaupt erst erfüllen kann:

Ik richtede dat sper in syn herte, Ich lenkte den Speer in sein Herz,
Do let he des dodes smerte. da erlitt er den Todesschmerz. [ReO V. 413f]

Weiter ausgestaltet werden die verzweifelten Versuche der Machterhaltung und die dem gegenüberstehende Machtlosigkeit der Teufel in Konfrontation mit einem sündigen Priester, dem es gelingt, Satan und selbst Luzifer gefährlich zu werden (vgl. ReO V. 1712-1913). Er kann durch die Heiligkeit des Sakraments trotz seiner Sünden dem Seelenfang entgehen und exemplifiziert dem Zuschauer damit die Kraft der Heiligkeit Gottes. [Schulte 1992: 107]

Furcht

Im Osterspiel von Muri ist die Furcht vor der Hölle und den Teufeln nur auf eine indirekte Weise präsent. Die überlieferten Fragmente zeigen die Teufel nicht selbst als abschreckende Gestalten, verbinden die Hölle und ihre Verwalter allerdings mit negativen Aspekten. So spricht Jesus exemplarisch von den dort gefangenen Seelen:
die hant ir iemerlihe die habt ihr jammervoll
verderbet ungehiure und schrecklich zugrunde gerichtet
in deme helleviure im Höllenfeuer
in starchen hellewizen. an starken Höllenstrafen. [OM IV, V. 27-30]

Die Angst der Zuschauer vor der Hölle ist dann im Innsbrucker Osterspiel und im Redentiner Osterspiel deutlich differenzierter feststellbar. Während im Innsbrucker Osterspiel eine „verdammte Seele“ von Jesus in der Hölle zurückgelassen wird und sich der Seelenfang direkt an die Höllenfahrt anschließt, steigern sich Umfang und Intensität insbesondere des Seelenfangs und des Höllengerichts im Redentiner Osterspiel um ein Vielfaches. Luzifer fordert explizit zur Verführung der Menschheit zur Sünde auf (vgl. ReO V.1145), die Teufel greifen bildhaft aktiv in das Leben der Zeitgenossen der Zuschauer ein, so zum Beispiel der Teufel Puk bei einer Schankwirtin:

So pleghe ik er de hant to roren so pflege ich ihr die Hand zu bewegen
Unde de mate bi siden sturen, und den Maßkrug beiseite zu lenken.
Wente wolde se vulle mate vorkopen, Denn würde sie volles Maß verkaufen,
So mochte uns ere sele untlopen. so könnte uns ihre Seele entlaufen. [ReO V. 1462-1465]

Diese Furcht vor der Versuchung durch den Teufel spiegelt sich durch die Reinszenierung der Versuchung Jesu in der Wüste (vgl. Markus, 1,12f. / Matthäus 4, 1-11 / Lukas 4, 1-13) auch im St. Galler Osterspiel wider. Obwohl sich der Verfasser eng an die biblische Vorlage hält, erfährt der Zuschauer auch hier durch Anschauung den Einfluss des Teufels, der für ihn ohnehin kein Abstraktum, sondern Realität gewesen ist.

Wirkungsabsicht

Das Zusammenspiel von Komik und Furcht, wie es in den einzelnen Spielen hervorgehoben wurde, führt nun zu einer ineinander übergreifenden Wirkungsabsicht. Zum einen soll dem Zuschauer die Macht und Herrlichkeit der Erlösung vor Augen geführt werden. Die Macht, dem Teufel zu widerstehen, konnte er durch eine gerechte Lebensführung erreichen, wie sie durch die Dogmen der Kirche vertreten war. Andererseits sollte die Angst vor Sündenbestrafung und Teufel den Zuschauer zu genau diesem gerechten Leben motivieren – nicht reine Heilsgewissheit, sondern aktive Ablehnung der Verfehlungen der Sünder in der Darstellung sollte erreicht werden. Hans-Jürgen Linke bringt es auf den Punkt: Die Mischung von Komik und Teufelsgrauen muß für die Menschen einer Zeit, die sich überall von Dämonen umlauert glaubte, etwas Beklemmendes gehabt haben. [Linke 1967: 102] Um dieser Beklemmung zu entgehen, die durchaus als eines der Ziele der Spiele definiert werden darf, bedarf es einer Reaktion des Zuschauers. Damit wird die heilspädagogische Absicht deutlich, wie sie Elke Ukena-Best klar formuliert hat: „Die Zuschauer nehmen aus der Teufelshandlung eine vertiefte Erkenntnis über die Gefährdung ihres Seelenheils und die Fragilität des Seelenfriedens mit auf den Weg. […] Durch sie [die Teufel] kann das Publikum erkennen, was der Heilsverlust bedeutet, wodurch er hervorgerufen wird, wie er sich auswirkt und wie man sich vor ihm bewahren kann.“ [Ukena-Best 2001: 212-214]

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

  • Das Benediktbeurer Passionsspiel. Das St. Galler Passionsspiel. Nach den Handschriften hg. von Eduard Hartl, Vebmax Niemeyer Verlag. Halle (Saale) 1967.
  • Das Innsbrucker Osterspiel. Das Osterspiel von Muri. Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch, hg. von Rudolf Meier, Universal-Bibliothek Nr. 8660/61 Stuttgart 1974.
  • Das Innsbrucker Osterspiel. Das Osterspiel von Muri. Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch, hg. von Rudolf Meier, Universal-Bibliothek Nr. 8660 [2] Stuttgart 1980.
  • Das Redentiner Osterspiel. Mittelniederdeutsch und Neuhochdeutsch. Übersetzt und kommentiert von Brigitta Schottmann, Universal-Bibliothek Nr. 9744 [5]. Stuttgart 1986.

Sekundärliteratur

[*Linke 1967] Linke, Hans-Jürgen: Die Teufelsszenen des Redentiner Osterspiels. In: Niederdeutsches Jahrbuch. Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 90 (1967), S. 89-105.

[*Schuldes 1974] Schuldes, Luis: Die Teufelsszenen im deutschen geistlichen Drama des Mittelalters. Versuch einer literaturhistorischen Betrachtung unter besonderer Betonung der geistesgeschichtlichen Gesichtspunkte. Göppingen 1974.

[*Schulte 1992] Schulte, Brigitte: Zur Funktion der Priesterszene im "Redentiner Osterspiel", in: Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie 32 (1992), S. 103-107.

[*Ukena-Best 2001] Ukena-Best, Elke: „Homud heft us duvele senket in afgrunde”. Superbia, Teufel und Hölle im Redentiner Osterspiel, in: Leuvense bijdragen. - Leuven : Dep. of Linguistics of the Univ. of Leuven 90 (2001), S. 181-214.

[*Weidinger 1988] Weidinger, Erich: Die Apokryphen. Verborgene Bücher der Bibel. Augsburg 1988.