Die Zahl "9" (Dante Alighieri, Vita nova)

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Einleitung

Dante Alighieri legt sich in seiner Vita nova selten auf konkrete Lokalitäten oder zeitliche Angaben fest. Daher fällt es in besonderem Grade auf, sobald er dies macht. Interessant ist, dass er sich meist bezüglich eines Treffens der Figur Dante mit der Protagonistin Beatrice auf Ort und Zeit festlegt. Somit kann die Wichtigkeit dieser Treffen deutlich gemacht werden. Überaus markant wird in diesem Punkt die Verwendung der Zahl "9". Dante scheint diese Zahl strategisch einzusetzen. Ob er sich mit der Verwendung dieser Symbolik von anderen Schreibern seiner Zeit abgrenzt, oder ob es im Mittelalter üblich war, Texte auf diese Weise zu strukturieren, soll genauso geklärt werden, wie Dantes Verwendung anderer Zahlen in seiner Literatur.

Zahlensymbolik im Mittelalter

Die allegorische Deutung der Zahlen im Mittelalter "gehörte ihrem Selbstverständnis nach zur Exegese der Sprache Gottes in Schöpfung, Geschichte und Schriftoffenbarung".[Meyer 1975:9] Da die Zahl als "Zeichen einer vor Gott gestifteten Wahrheit"[Meyer 1975:9] galt, wurde ihr in der religiösen Überlieferung von der christlichen Antike bis zum Mittelalter besondere Wertschätzung zuteil. Diese christliche Überzeugung von dem Ursprung der Zahlen (in Gottes Geist) wurde von einer biblischen Aussage gestützt, die besagt, dass "der Schöpfer alles nach Maß, Zahl und Gewicht angeordnet habe".[Kiefer 2002:17] Diese Aussage stellte für die Kirchenväter die Begründung, Berechtigung und Motivation dar, sich mit den Zahlen im Bereich der christlichen Bildung und Theologie auseinanderzusetzen.

Zahlensymbolik als Ästhetisierungsstrategie Dantes

Die Zahl "9"

Die Zahl "9" steht von Anfang an in Verbindung mit der von „Dante“ besungenen „donna“ Beatrice. So trifft „Dante“ Beatrice zum ersten Mal mit neun Jahren:

Italienischer Text Deutsche Übersetzung
„Nove fiate già appresso lo mio nascimento era tornato lo cielo de la luce quasi a uno medesimo punto, quanto a la sua propria girazione, quando a li miei occhi apparve prima la gloriosa donna de la mia mente, la quale fu chiamata da molti Beatrice li quali non sapeano che si chiamare.“[VN:7]

„Neunmal fast seit meiner Geburt war der Himmel des Lichtes gemäß der ihm eigentümlichen Umdrehungen, schon an denselben Punkt zurückgekehrt, als meinen Augen zum ersten Mal die glorreiche Herrin meines Geistes erschien, welche von vielen, die sie nicht anders zu nennen wußten, Beatrice genannt wurde.“[VN:7]

Wiederum genau neun Jahre nach dem ersten Treffen erhält „Dante“ einen Gruß von Beatrice und glaubt in ihrem Blick den Inbegriff aller Seligkeit zu sehen.[VN:9] Die enge Verbindung Beatrices mit der Zahl "9" zieht sich durch das gesamte Werk und somit lässt sich ihre Bedeutung erst im Kontext mit Beatrice erklären. Beatrice bedeutet die „Seligmachende“.[Wehle 1986:17]. Folglich brachte sie die Seligkeit des Himmels auf Erden. [Singleton 1949:8]. Singleton sieht Beatrice als ein Wunder an, und die Zahl "9" ist die Ankündigung für dieses Wunder. Anfangs ist die Bedeutung der Zahl neun in der Vita Nova noch unklar. Singleton bemerkt, dass erst die mehrfache Wiederholung dieser Zahl ihre Wichtigkeit betont. „Dante“ erklärt jedoch schließlich selbst nach dem Tode Beatrices wofür die Zahl "9" steht:

Italienischer Text Deutsche Übersetzung

„Lo numero del tre è la radice del nove […]. Dunque se lo tre è fattore per sé medesimo del nove, e lo fattore per sé medesimo de li miracoli è tre, cioè Padre e Figlio e Spirito Santo, li quali sono tre e uno, questa donna fue accompagnata da questo numero del nove a dare ad intendere ch’ella era uno nove, cioè uno miracolo.“[VN:93]

„Die Zahl Drei ist die Wurzel der Neun […]. Wenn demnach die Drei aus sich selbst heraus Erzeuger der Neun ist, und der Schöpfer der Wunder an sich selbst Drei ist, nämlich Vater und Sohn und Heiliger Geist, die da drei und eins sind, so wurde diese Frau von der Zahl Neun begleitet, um zu verstehen zu geben, daß sie eine Neun, das heißt ein Wunder gewesen, dessen Wurzel, nämlich des Wunders, allein die wunderbare Dreieinigkeit ist.“ [VN:93]

Beatrice ist folglich ein Wunder und zwar ein göttliches. Schon im zweiten Kapitel der Vita Nova wird Beatrice nicht als Tochter eines sterblichen Menschen sondern eines Gottes beschrieben.[VN:9] Sie ist vom Himmel auf die Erde gekommen, um ein Wunder vorzuführen.[VN:85] Die Zahl Neun ist also ein Verweis auf die Trinität und ihre Wunder und Seligkeit bringende Funktion.

Primärliteratur

[*VN] Alighieri, Dante: Vita Nova - Das Neue Leben. Übersetzt und kommentiert von Anna Coseriu und Ulrike Kunkel, München, 1988

Einzelnachweise aus der Forschungsliteratur

[*Kiefer 2002] Kiefer, Nicoletta: Zahl, Struktur, Sinn. Studien zu den drei Hauptprophezeiungen der Divina Commedia. Frankfurt am Main: Lang, Peter 2002.

[*Meyer 1975] Meyer, Heinz: Die Zahlenallegorese im Mittelalter. Methode und Gebrauch. München: Fink 1975.

[*Singleton 1949] Singleton, Charles S.: An essay on the Vita nuova. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press 1949.

[*Wehle 1986] Wehle, Winfried: Dichtung über Dichtung. Dantes ‘Vita Nuova’: die Aufhebung des Minnesangs im Epos. München: Fink 1986.

Anmerkungen