Ir sult sprechen willekomen (Walther von der Vogelweide, Cormeau Nr. 32)
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Text und Übersetzung
Originaltext nach Cormeau | Übersetzung | |
I | Ir sult sprechen willekomen: | Ihr sollt ihn willkommen heißen, |
der iu mære bringet, daz bin ich. | der, der euch Neuigkeiten bringt, das bin ich. | |
allez, daz ir habt vernomen, | Alles, was ihr (bisher) vernommen habt, | |
dest gâr ein wint, nû vrâget mich. | war es auch nur ein Wind, das fragt nun mich. | |
Ich wil aber miete. | Ich verlange aber Belohnung. | |
wirt mîn lôn iht guot, | Wird mein Lohn etwas Gutes, | |
ich sage vil lîhte, daz iu sanfte tuot. | sage ich möglicherweise etwas, das euch wohl tut. | |
seht, waz man mir êren biete. | Überlegt, welche Ehre ihr mir zuteil werden lassen wollt. |
II | Ich wil tiuschen vrowen sagen, | Ich will deutschen Frauen solche Neuigkeiten erzählen, |
solchiu mære, daz si deste baz | damit sie desto besser | |
al der welte suln behagen, | der ganzen Welt gefallen werden. | |
âne grôze miete tuon ich daz. | Ohne große Vergütung tue ich dies. | |
Waz wolde ich ze lône? | Was sollte ich denn zur Belohnung verlangen? | |
si sint mir ze hêr. | Sie sind mir zu heilig. | |
sô bin ich gevüege und bitte si nihtes mêr, | Also bin ich fügsam und bitte sie um nichts mehr, | |
wan daz si mich grüezen schône. | als dass sie mich auf freundliche Weise grüßen. |
III | Ich hân lande vil gesehen | Ich habe viele Länder gesehen |
unde nam der besten gerne war. | und habe gerne die Besten kennengelernt. | |
übel müeze mir geschehen, | Aber es möge mir schlecht ergehen, | |
künde ich ie mîn herze bringen dar, | wenn ich je mein Herz dazu bringen könnte, | |
Daz ime wol gevallen | dass ihm | |
wolte fremeder site. | fremde Sitten gefielen. | |
waz hulfe mich, obe ich unrehte strite? | Was würde es mir nützen, wenn ich etwas Unwahres behaupten würde? | |
tiuschiu zuht gât vor in allen. | Deutsche Lebensart übertrifft alle anderen. |
IV | Von der Elbe unz an den Rîn | Von der Elbe bis an den Rhein |
her wider unz an der Unger lant, | und wieder zurück bis an die ungarische Grenze, | |
dâ mügen wol die besten sîn, | da gibt es wohl die Besten, | |
die ich in der welte hân erkant. | die ich in der ganzen Welt kennengelernt habe. | |
Kan ich rehte schowen | Wenn ich mich darauf verstehe, | |
guot gelâz und lîp, | gute Gestalt und gutes Benehmen zu beurteilen, | |
sem mir gôt, sô swüer ich wol, daz hie diu wîp | bei Gott, so möchte ich wahrlich schwören, dass hier die Frauen | |
bezzer sint danne ander frowen. | edler sind als alle anderen Frauen. |
V | Tiusche man sint wol gezogen, | Deutsche Männer sind wohlerzogen, |
rehte als engel sint diu wîp getân. | genau wie Engel sind die Frauen beschaffen. | |
swer si schiltet, derst gar betrogen: | wer sie tadelt, der ist völlig verblendet; | |
ich enkan sîn anders niht verstân. | anders kann ich ihn nicht verstehen. | |
Tugent und reine minne, | Tugend und wahre Liebe, | |
swer die suochen wil, | wer immer diese sucht, | |
der sol komen in unser lant, dâ ist wunne vil. | der soll in unser Land kommen, da herrscht große Freude. | |
lange müeze ich leben dar inne! | Lange möchte ich in ihm leben! |
VI | Der ich vil gedienet hân, | Die, der ich lange gedient habe |
unde iemer gerne dienen wil, | und der ich immer gerne dienen will, | |
diu ist von mir vil unerlân. | die gebe ich nicht her. | |
iedoch sô tuot si leides mir sô vil. | Sie bereitet mir aber so viel Kummer. | |
Si kan mir sêren | Sie verletzt mir | |
daz herze und den muot. | das Herz und den Geist. | |
nû vergebez ir got, daz si an mir missetuot. | Gott vergebe ihr, dass sie mich so schlecht behandelt. | |
her nâch mac si sichs bekêren. | Vielleicht bekehrt sie sich dann noch. |