Âventiure und Ehe (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Âventiure und Ehe

Im Hinblick auf die Ehe im Parzival ist zu beobachten, dass bei zahlreichen Paaren die Ehemänner, obwohl sie ihre Frauen lieben, diese nach einiger Zeit verlassen, um auf âventiure-Fahrt zu gehen. Dies soll näher anhand der Paare Gahmuret und Belakane, Gahmuret und Herzeloyde sowie Parzival und Condwiramurs beleuchtet werden.


Gahmuret und Belakane

Nachdem Gahmuret Belakane geheiratet hat, plagt ihn einerseits das Fernweh und zum anderen vermisst er es, sich im Ritterkampf zu messen (54, 17-18)[1]. Diese Situation, nicht kämpfen zu dürfen, schränkt ihn sogar in seiner Lebensfreunde ein (54, 19-20). Trotz der Liebe zu seiner Frau entschließt sich Gahmuret nach einiger Zeit, mit einem Mann aus Sevilla fortzusegeln (54, 27-29), Daraufhin bricht er schließlich wenig später nachts auf und hinterlässt der mittlerweile schwangeren Belankane einen Brief, in dem er die Beweggründe für sein Fortgehen erläutert (55, 21). Gahmuret gibt zum einen an, dass ihn das Fernweh wegziehe und zu anderen deutet er an, dass seine Frau ihn eventuell zum Bleiben bewegen könne, wenn diese sich taufen lassen würde (55, 25-26):

Waer dîn ordn in mîner ê, Wenn Du meinen Glauben hättest,
Sô waer mir immer nach dir wê: So käm ich nie mehr von Dir los-

Die Tatsache, dass seine Frau nicht christlichen Glaubens ist, spielt somit eine Rolle in Gahmurets Entscheidung, sie zu verlassen. Würde sie seiner Religion angehören, wäre die Liebe Gahmurets für sie möglicherweise stärker gewesen und er wäre nicht fortgegangen. Im Hinblick auf die Hautfarbe seiner Gattin äußert Belakanes Mann jedoch später, dass dies kein Beweggrund gewesen wäre, sie zu verlassen (91, 4-7). Einige Zeit später bringt diese den gemeinsamen Sohn Fairefis von Anjou zur Welt (55, 15-16). Gahmuret indes ist weiter auf Reisen und mittlerweile seit einem Jahr von seiner Frau fort (57, 29), während diese in der Zwischenzeit an Liebeskummer stirbt (81, 3-4). Nach deren Tod quält ihn der Liebeskummer und die Sehnsucht nach ihr. Allerdings hält er seine Entscheidung, sie zu verlassen um auf Turniere zu gehen, weiterhin für richtig und wirft ihr sogar weiter vor, dass es zu seiner Nachteil war, als sie ihm nicht erlaubt habe, auf Ritterkämpfe zu gehen (90, 29-30).

Gahmuret und Herzeloyde

Durch einen Urteilsspruch bindet Herzeloyde Gahmuret an sich. Herzeloyde erhofft sich, ihren Ehemann über seine Trauer wegen Belakane hinwegtrösten zu können. Obwohl Gahmuret immer noch Liebeskummer wegen seiner früheren Frau hat, erachtet er es als seine ehehliche Pflicht , Herzeloyde lieben zu "müssen" (96, 21):

Muose minnen oder minne gern. Er mußte lieben, Liebe wünschen-

Als Bedingung für das Zusammenleben fordert Gahmuret, dass seine Frau im Freiraum lassen und auf Turniere fahren lassen solle. Er handelt mit ihr aus, jeden Monat auf ein Turnier fahren zu dürfen. Er deutet darauf hin, dass Belakanes Verhalten, ihm die âventiure-Fahrt zu untersagen dazu geführt habe, sie zu verlassen (96, 29-97, 4):

Lât ir niht turnieren mich, Laßt ihr mich nicht auf Turniere,
Sô kann noch den alten slich, so kenn ich doch den alten Schlich,
Als dô ich mînem wîbe entran, mit dem ich meiner Frau entflohen,
Die ich ouch mit rîterschaft gewan. Die ich im Ritterkampf gewonnen.
Dô si mich ûf von strîte a´bant, Als sie mein Kämpfen unterband,
Ich leiz ir liute unde lant.“ Verließ ich Leut und Land.“

Diese Aussage Gahmurets ist nicht nur eine Forderung seinerseits, sondern zugleich eine Art Warnung an Herzeloyde was geschehen könne, wenn sie ihren Ehemann nicht auf Ritterkämpfe gehen lässt. Auch wenn nach der gemeinsamen Liebesnacht der Kummer über Belakane verfliegt und sich Liebe zwischen den beiden Frischvermählten entwickelt (100, 8-13), begibt Gahmuret sich auf âventiure, wo er schließlich in einem Kampf den Tod findet (106, 14) und somit nicht erfährt, dass seine Frau schwanger ist (109, 2-3). Hier wiederholt sich Gahmurets Schicksal zum zweiten Mal: Er reitet aus, um âventiure zu suchen, während er seine schwangeren Frauen zurücklässt und es durch deren Tod letzenendes zu keinem Wiedersehen kommt, was auch auf seine beiden Söhne zutrifft, die er nie kennenlernt.


Parzival und Condwiramurs

Die Ehe von Parzival und Condwiramurs ist gekennzeichnet durch gegenseitige Liebe der beiden zueinander (223, 1-7). Dennoch entschließt sich auch Parzival dazu, seine Gattin zu verlassen. Eines Morgens eröffnet er seiner Frau, dass er aufbrechen möchte, um seine Mutter zu suchen (223, 18-19). Allerdings wolle er danach nicht zurückkommen, sondern auf âventiure-Fahrt gehen (223, 22-25):

Dar will ich zeiner kurzen stunt, Ich will zu ihr für kurze Zeit
Und ouch durch âventiure zil. Und suche dann die aventure.
Mag ich iu gedienen vil, Wenn ich euch Waffendienst leiste,
Daz giltet iwer minne wert. Belohnt mir das mit eurer Liebe.“

Die Tatsache, dass Parzival sich durch âventiure Gunst erwerben will, verdeutlicht, dass das Ausziehen, um sich im Kampf zu beweisen, hoch angesehen ist und er sich dadurch Liebesdienst von seiner Frau erhofft. Condwiramurs lässt ihren Mann schließlich ziehen (223, 27-28). Auch wenn Parzival mittlerweile schon einige Jahre auf Gralssuche ist, ist er in Gedanken immer noch bei seiner Frau. Dies wird deutlich, als ihn die „Liebessehnsucht“ nach seiner Gattin quält und ihm dadurch jegliche Lebensfreude geraubt wird (223, 15-16):

got will mîner feuden niht. Gott will nicht, dass ich glücklich bin.
Diu mich twinget minnen gir, Sie zwingt mir Liebessehnsucht auf.

Kurze Zeit später erfährt der Leser, dass Condwiramurs mit den beiden Kindern Gardais und Lohengrin schwanger war, als Parzival sie verlassen hatte. Allerdings ist nicht ersichtlich, ob Parzival von seiner bevorstehenden Vaterschaft weiß (743, 14-20). Letztenendes ist es Parzival, anders als seinem Vater vegönnt, seine Frau nach fünf Jahren wieder sehen zu können und seine beiden Söhne kennenzulernen, um schließlich mit ihnen die Gralsherrschaft anzutreten.


Quellen

<references>

  1. Sämtliche Zitate folgen der Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann, übertragen von Dieter Kühn, Hrsg. Eberhard Nellmann, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1994.