Die Darstellung des Orients (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Allgemein

Bekanntermaßen bildet der Conte du Graal von Chrétien de Troyes die Hauptquelle für Wolfram von Eschenbachs Parzival. Allerdings können zahlreiche Ausweitungen und Neuerungen des Erzählstoffs ausfindig gemacht werden. So ist der Artusroman des französischen Autors einzig im „westlichen, im arthurisch-bretonischen Bereich“ [Kunitzsch 1984: S. 79] zu verorten, wohingegen Wolfram an mehreren Stellen Bezüge zur orientalischen Welt herstellt. Diese Einbettung von Orientmotiven in die eigentliche Parzival- und Gralerzählung gilt als eine besonders wichtige Erneuerung gegenüber dem als Basis fundierenden Conte du Graal. [Kunitzsch 1984: Vgl. S. 79] Durch welche Figuren, Ereignisse und Objekte die Orientthematik im Parzival hervortritt sowie welches Bild Wolfram vom Orient aufzeigt, wird im Folgenden dargestellt.

Orientbezüge im Parzivaltext

Figuren

Ereignisse

Umrahmung der Haupthandlung durch Orient-Passagen

Durch die Gahmuret-Passage, die als einleitende Erzählung der Haupterzählung vorangestellt ist sowie durch die Feirefiz-Erzählung am Ende des Romans wird eine „stark orientbestimmte Umrahmung“[Kunitzsch 1984: S. 79] erschaffen. Denn die Dichtung hat ihren Anfang im Orient (da lediglich Gahmurtes Auszug aus Anschouwe der Orient-Passage vorgeschoben ist) und ebenso endet sie im Orient, indem Feirefiz gemeinsam mit Repanse in Indien das Herrschergeschlecht der Priester-Könige gründet (822, 25–823, 9). [Bumke 2004: Vgl. S. 191]

Gegenstände aus dem Orient

Die Wundersäule

Clinschor hat die Säule aus den Ländern des Feirefiz mitgebracht (ûz Feirefîzes landen 589, 10). Sie scheint wie von Zauberhand gemacht und sie wurde nur das edelste Material wie etwa Rubin und Smaragd. Zudem kommt es Gawan als er diese Wundersäule betrachtet so vor, als ob die ganze Welt in dieser zu sehen sei und als ob die Länder wie auf einer kreisförmigen Bahn vorüberziehen würden (590, 7–9).


Der Gral

Bei Wolfram ist der Gral ein Edelstein, womit Assoziationen zu Steinen aus dem Orient, denen heilende und Wunder vollbringende Wirkung zugesprochen werden, entstehen. Jedoch ist es nicht gelungen, einen bestimmten Edelstein ausfindig zu machen, der Wolframs Gral Vorbild gestanden hat. [Bumke 2004, Vgl. S. 191]


Orientalische Astronomie

Wissenschaftliche Schriften über die Lehren der Astronomie und Astrologie, die aus dem Arabischen stammen und übersetzt werden, gewinnen im 12. Jahrhundert in Westeuropa zunehmend an Bedeutung.[Kunitzsch 1984: Vgl. S. 110] Auch der Autor des Parzival interessiert sich für diese Schriften und verstrickt diese Kenntnisse in seinen Roman. So kann etwa die Fähigkeit Flegetanis, den Namen des Grals im Sternenhimmel auszumachen, auf dieses Wissen zurückgeführt werden.

er jach, ez hiez ein dinc der grâl: Er sagt nämlich, es gebe da ein Ding, das heiße Der Grâl;
des namen las er sunder twâl diesen Namen konnte er ganz leicht lesen in den Sternen,
imme gestirne, wie der hiez. da stand es geschrieben, dass er so heiße.

V. 454,21–23

Außerdem erwähnt Cundrie in ihrer Rede zur Berufung Parzivals die arabischen Namen der sieben Planeten (782, 1–21).

Wolframs Kenntnisse über den Orient

Es ist davon auszugehen, dass Wolframs Wissen über den Orient auf den europäischen Kenntnissen über den Orient zu seiner Zeit und seiner Umgebung basiert. Es lässt sich vermuten, dass der Wolfram nicht direkt mit der orientalischen Welt in Berührung gekommen ist. Seine Orientkenntnisse basieren wahrscheinlich auf drei verschiedenen Quellen: Zum einen sind das die Kenntnisse seiner Zeit über Welt- und Erdkunde zum anderen geben ihm Reiseberichte, wie etwa von Pilgern und Kaufleuten, Auskunft. Hinzukommt die lateinische Übersetzungsliteratur aus dem Arabischen. Somit speist Wolfram sein Wissen über die orientalische Welt aus sehr unterschiedlichen Quellen und baut es auf verschiedene Weise in seinen Erzähltext ein. Von einer „einheitlichen arabischen Quelle, aus der Wolfram den gesamten Orientteil des Parzival“ entnommen haben soll, kann nicht ausgegangen werden. Schließlich liegen zu Lebzeiten Wolframs keine Erzähltexte aus der arabischen Welt vor. Es können lediglich fachwissenschaftliche Texte ausgemacht werden. [Kunitzsch 1984: Vgl. S. 80]

Wie der Orientstoff in den Erzähltext eingebracht wird

Teilweise fügt sich die Orientthematik auf natürliche Weise in die Handlung ein, allerdings erscheint es an anderen Stellen, als ob der Orientstoff eher „rein äußerlich-schematisch für stereotype Aussagen“ [Kunituzsch 1984: S. 81] verwendet wird. So werden etwa die in großer Zahl vorkommenden orientalischen Ortsnamen lediglich in der Gahmurethandlung in den Erzähltext integriert, etwa in dem sie als Schauplätze hervortreten, wohingegen sie in dem übrigen Teil des Erzähltextes vielmehr stereotyp auftauchen. Denn zumeist stehen die orientalischen Ortsnamen für Herkunftsorte exotischer Waren, wie etwa edlen Stoff oder zur groben Skizzierung heidnischer Länder. So ist beispielsweise die Rede von einem Umhang von Tuch aus Sûrîn (Syrien). (ein failen tuoches von Sûrîn. 301, 28)[ Kunitzsch 1984: Vgl S. 81–87]

Quellenachweise

<HarvardReferences /> [*Kunitzsch 1984] Kunitzsch, Paul: Erneut: Der Orient in Wolframs ‘Parzival’. In: Ruh, Kurt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. 113. Bd. Kassel 1984. S. 79–111. <HarvardReferences /> [*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, Stuttgart/Weimar, 2004.