Gawan im Schastel marveile (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Gawans aventiure in Schastel marveil in Buch XI bildet die zentrale aventiure innerhalb der Gawanhandlung in Wolfram von Eschenbachs Roman Parzival. Durch den Sieg über Lît marveile erlöst Gawan vierhundert gefangene Frauen auf Schastel marveil und stellt die, durch den Zauberer Clinschor aufgehobene, geschellschaftliche Ordnung wieder her. Gawan selbst wird durch das Bestehen der aventiure zum Herrn von Schastel marveil.

Die Hinführung

Die Hinführung zur aventiure erfolgt schrittweise. Bereits im zweiten Buch erfährt der Leser, dass die Mutter von Artus vor drei Jahren von einem zauberkundigen Geistlichen gefangen genommen wurde und Artus auf der Suche nach ihr ist. (Vgl. 66,1-9)[1] Cundrîe berichtet in dem sechsten Buch von Schastel marveil, in welchem sich "vier küneginne und vier hundert juncfrouwen" (318,16f.) befinden, als einer Gewinn bringenden aventiure. (Vgl. 318,13-24) In 334,16-22 erfährt der Leser die Namen der Königinnen. Sie heißen: Itonjê, Cundrîê, Arnîve und Sangîve. Als Gawan in dem zehnten Buch eine Burg und die darin befindlichen vierhundert Frauen, worunter sich vier "von arde her" (534,30) befinden, erblickt, werden die Erzählstränge zum ersten Mal zusammengeführt. Der Leser ahnt, dass Gawans Weg ihn zu der aventiure führen wird, von der auch Cundrîie bereits im sechsten Buch gesprochen hat. Diese Vermutung bestätigt sich, als Gawan in dem elften Buch nicht davon abzubringen ist, den Fährmann zu fragen, was es mit der ominösen Burg und ihren Bewohnerinnen auf sich hat und dieser ihm die Namen Terre marveile, Lît marveile und Schastel marveil nennt. (Vgl.554,23-557,14) Trotz der Warnungen des Fährmanns und seiner Familie will Gawan sich aus ritterlichen Ehrgefühl der aventiure stellen. Erst nachdem Gawan die aventiure bestanden hat, wird die Vorgeschichte von Clinschor und dessen Burg Schastel marveil, welche für das Verständnis der aventiure ausschlaggebend ist, durch die Erzählung von Arnîve nachgeholt. (Vgl.656,3-659,22)

Die Vorgeschichte

Clinschor, der Herzog von Terre de Lâbûr, unterhält ein Liebesverhältnis mit Iblis, der Königin von Sizilien. Als ihr Ehemann die beiden in flagranti erwischt entmannt er Clinschor: "er wart mit küneges henden zwischenn beinn gemachet sleht." (657,20f.) Durch diese Schändung wächst in Clinschor ein unbändiger Hass heran, der sich gegen die Menschheit, gegen "die höfische Konvention des Minnedienstes und das Glück der erfüllten Liebe" [Sieverding 1985: S.256] richtet. Er reist nach Persidâ und erlernt dort die Zauberkunst. Er vergrößert seine Macht, errichtet Schastel marveil in Terre marveil und verzaubert es. Aus Hass hält er auf diesem Wunderschloss Edle, Mädchen, Frauen, Männer, Heiden und Heidinnen fest (Vgl. 659,11-16) und trennt die beiden Geschlechter so voneinander, dass keine zwischengeschlechtlichen Beziehungen mehr möglich sind.???? Demjenigen, welcher die aventiure Lît marveile besteht, verspricht er die Erlösung der Gefangenen und den Besitz der Burg Schastel marveil und des Landes Terre marveile. Die Erzählung der Vorgeschichte zeigt auf, welche fürchterlichen Folgen eine fehlgeleitete Liebe haben kann. [Heinzle 2011: Vgl. S.862]

Die aventiure

Dem Rat des Fährmanns entsprechend verpfändet Gawan vor dem Schloss sein Pferd an einen Händler und betritt zu Fuß und mit dem Schild des Fährmanns bewaffnet die Kemenate des menschenleeren Schastel marveils. In diesem, mit einem spiegelglatten Fußboden versehenen Raum erwartet Gawan seine aventiure, das Wunderbett Lît marveile. Dieses läuft auf Rädern hakenschlagend durch den Raum und macht dabei einen größeren Lärm als sämtliche Trompeten und alles Donnern vom Anbeginn der Welt zusammgenommen (Vgl. 567,20-25). Erst durch einen waghalsigen Sprung gelingt es Gawan sich in die Mitte des widerspenstigen Bettes zu manövrieren. Symbol: Bett Liebe/Boden/Vorgeschichte. Dort, von dem Lärm des Bettes gequält, legt er sein Schild über sich und überlässt sein Schicksal Gottes. Es ist Gawans Gottvertrauen, nicht seine Ritterkunst, welches ihn in dem elften Buch gegenüber Parzival auszeichnet und ihn die aventiure Lît marveile bestehen lässt. Sowohl der Fährmann als auch der Händler vor dem Tor des Schlosses weisen bereits einige Passagen zuvor auf die Bedeutung der Hilfe Gottes für das Bestehen der aventiure hin (Vgl. 561,20-30 und 564,3). Nachdem Lît marveile in der Mitte des Raumes zum Stehen kommt, rasen Geschosse, abgefeuert von fünfhundert verzauberten Stockschleudern, und daraufhin Pfeile aus fünfhundert Armbrüsten auf Gawan nieder. Der wiederholte Kommentar, dass die Waffen direkt auf das Bett und dorthin, wo er sich befand (Vgl.568,25 und 569,7) zielten, lässt darauf schließen, dass durch die Waffen die Gefahren der minne symbolisiert werden. Gawan selbst trägt einige blaue Flecken und Wunden von diesen Angriffen davon. (BEtt Minne/ Erfahrung in Liebe)

Quellennachweise

<HarvardReferences /> [*Sieverding 1985] Sieverding, Norbert: Der ritterliche Kampf bei Hartmann und Wolfram: seine Bewertung im "Erec" u. "Iwein" u. in d. Gahmuret- u. Gawan-Büchern des "Parzival", Heidelberg 1985. <HarvardReferences /> [*Heinzle 2011] Heinzle, Joachim (Hrsg.): Wolfram von Eschenbach. Ein Handbuch, ?????Berlin/New York 2011.

  1. Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.