Gahmurets Liebesbeziehungen (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Die beiden ersten Bücher des Parzival von Wolfram von Eschenbach behandeln den Werdegang von Parzivals Vater Gahmuret. Dieser ist grob räumlich zu gliedern in den Aufbruch aus dem Königreichs seines Vaters, den Aufenthalt in Zazamanc bei der Königin Belacane und den in Wâleis bei der Königin Herzeloyde. Die Liebesbeziehungen zu den beiden Königinnen laufen sehr unterschiedlich ab, was im Folgenden behandelt werden soll.

Die Liebesbeziehung zu Belacane

Die Beziehung zwischen Gahmuret und Belacane wurde bereits detailliert beschrieben. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Beziehung der beiden seit ihrem Beginn auf Gegenseitigkeit beruht. Als die beiden sich kennenlernen, wird sowohl Belacane in den höchsten Tönen geschildert (28, 10-20)[1], als auch Belacanes Augen sagen ihr, dass Gahmuret ein schöner Mann sei (ir ougen dem herzen sân, daz er wære wol getân. (29,1f)). Beide sind sich in ihrem "Einverständnis und Begehren" (29,6ff) einig. Auch der weitere Handlungverlauf, verdeutlicht die Liebe zwischen Gahmuret und Belacane. Zwar verlässt Gahmuret die Königin, sogar ohne richtigen Abschied, doch diese Tat wird er später bereuen. Obwohl er in der Ferne ist und von zwei Frauen gleichzeitig begehrt wird (Vgl.: Gahmuret und Herzeloyde), steht er noch zu Belacane, versichert seine Liebe zu ihr und versucht ihr treu zu bleiben. (dô sprach er ´frouwe, ich hân ein wîp: diu ist mir lieber danne der lîp. , "Da sprach er: Meine Dame, ich habe schon eine Frau, die habe ich mehr lieb als meinen eigenen Leib." (94, 5f)). Gleichzeitig macht ihm die Trennung von Belacane schwer zu schaffen: "Wahrhaft edel in ihrem keuschen Wesen zwingt sie doch meinen Leib, nach ihrer Liebe zu weinen. [...] Die Königin Belakâne nimmt mir das Glück, das ich mit Mannesmut gewann- und doch ist es erst richtig mannhaft, wenn einer sich schämen kann über seinen Verrat an der Liebe." (90, 22ff) ("ir werdiu kiusche mir den lîp, nâch ir minne jâmers mant. [...] mich tuot frô Belakâne, manlîcher freuden âne: ez ist doch vil manlich, swer minnen wankes schamet sich.") Er macht sich Vorwürfe wegen der Lüge, die er zum Vorwand seines Verlassens gemacht hat und man könnte deuten, dass Gahmurets letzte Fahrt zurück in den Orient auch eine Fahrt zurück zu Balacane sein sollte (Vgl.: [Dallapiazza 2009: S. 117]).
Er versucht auch aus seinem Fehler zu lernen und trifft mit Herzeloyde ein Abkommen, das ihm erlauben soll seine Rittertaten mit seiner Ehe zu vereinbaren.

Die Liebesbeziehung zu Herzeloyde

Gahmuret und Herzeloyde führen eine Liebesbeziehung, in der es deutliche Parallelen zu seiner ersten Ehe gibt, aber auch einige Unterschiede.

Gemeinsamkeiten

Obwohl sich beide Frauen sich in Wesen, Charakter, Hautfarbe und Religion sehr unterscheiden, bemüht sich der Erzähler um klare Parallelen zwischen beiden Ehen. Das Kennenlernen beider Frauen verläuft ähnlich. Gahmuret kommt in ihm fremde Länder und trifft auf eine Frau, deren früherer Liebhaber oder Mann verstorben ist und die deshalb Schutz und Hilfe benötigt. Durch Kämpfe, die Gahmuret keineswegs scheut, und viele Siege gewinnt er auf Anhieb die Bewunderung und Liebe beider Frauen. Nach ritterlichem Ideal erkämpft er sich Ruhm und "hant und lant" einer schönen, keuschen und tugenhaften Dame. Beide Frauen werden von Gahmuret schnell wieder verlassen, um Rittertaten zu vollbringen und jeder hinterlässt er einen Sohn. (Vgl.: [Bumke 2004: S. 49]).
Beide Frauen leiden sehr unter diesem Verlust, Belacane überlebt ihn nicht und Herzeloyde bringt sich nur um ihres Sohnes willen nicht um. Trotz dieser Gemeinsamkeiten lassen sich beide Liebesbeziehungen dennoch "auf keine einheitliche Botschaft reduzieren [Dallapiazza 2009: S. 117]
Diese These bestätigt sich an den folgenden Unterschieden.

Unterschiede

Beginn der Beziehungen

Die Beziehung zwischen Gahmuret und Belakane entwickelt sich, wie bereits beschrieben, mit beiderseitigem Einverständnis und Zutun. Nach den Konventionen der Zeit erkämpft sich Gahmuret das Herz der Dame. Obwohl Belacane ein großes Interesse an der Ehe mit Gahmuret hat und deshalb die Annäherung auch größtenteils von ihr ausgeht, ist es nicht vergleichbar mit Herzeloydes Eingreifen. Die Handlungen, die zur Ehe führen gehen von ihr allein aus. Herzeloyde kämpft sehr engagiert und sicher um Gahmurets Liebe, handelt dabei aber auch rücksichtlos. Einerseits sticht sie seine ehemalige Frau Belacane mit harten Worten aus dem Rennen und beachtet auch Gahmurets Neigung zu Ampflise nicht. Obwohl Gahmuret sie bittet, auf seine Gefühle und sein Unglück Rücksicht zu nehmen, zieht sie vor Gericht. Das radikale Vorgehen der Herzeloyde steht im starken Gegensatz zu dem nun fast schon romantischen Bündnis zwischen Belacane und Gahmuret. Für mittelalterliches Denken muss dieses egoistische Verlangen der Herzeloyde krotesk gewirkt haben. Nachdem Gahmuret nun zu dieser neuen Ehe gezwungen wurde, gibt es keine Beschreibung von wirklicher Liebe, die Gahmuret Herzeloyde entgegenbringt. Es wird von Glück in der Ehe gesprochen, das Gahmurets Traurigkeit vertreibt, und das Hemd auf seinem Schild verdeutlicht, dass er durchaus bereit ist, sich zu seiner neuen Herrin zu bekennen. Die große Liebe und Vergötterung, die Herzeloyde für ihren Gatten empfindet, scheint allerdings auf Gahmurets Seite keine Entsprechung zu haben.

Religion

Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Ehen ist die Religion der beiden Frauen. Bei der Beschreibung der Belacane durch den Erzähler und auch bei den Empfindungen des Gahmuret scheint die Tatsache, dass Belacane eine Heidin ist, kaum eine Rolle zu spielen. Im Gegenteil, sie wird in Schönheit und Charakter einer getauften Frau gleichgesetzt. Gahmurets Abschiedsbrief, mag der Vorwand auch vorgetäuscht sein, rückt Belacanes Religion allerdings wieder in den Vordergrund. Dem mittelalterlichen Leser muss die Verbindung zwischen Herzloyde und Gahmuret allein schon wegen der religiösen Gründe besser erschienen sein.

Fazit

Aus den beiden einerseits ähnlichen und andererseits sehr unterschiedlichen Ehen, lässt sich einiges über Gahmurets Verhalten in seiner Liebesbeziehung sagen. Gahmuret ist bereit für seine Frau zu kämpfen, sie zu beschützen und bei ihr zu stehen. Für seine erste Frau Belacane hat er auch große Gefühle. Seine beiden Frauen zeichnen sich durch eine grenzenlose Liebe zu ihm aus, die enttäuscht wird und letzten Endes zu beider Tod führt. Teilweise ungewollt bringt Gahmuret Tod und Unglück über die Frauen. Sein großer Wille zu Rittertaten, der in der Beziehung mit Belacane unterdrückt blieb und den er bei Herzeloyde zwar ausleben kann, aber auch nicht überlebt, treibt sich als Keil zwischen ihn und seine Bereitschaft für seine Ehefrauen da zu sein.

Quellennachweise

  1. Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.

<HarvardReferences /> Forschungsliteratur:

[*Bumke 2004] Joachim Bumke: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004.

[*Dallapiazza 2009] Michael Dallapiazza: Wolfram von Eschenbach: Parzival, Berlin 2009.