Das Leid im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

In Wolframs von Eschenbach Parzival ist das Leid des Menschen in der Welt und die Überwindung des Leids ein entscheidendes Thema und in vielerlei Hinsicht präsent. Es scheint ein Grundgedanke des Romans zu sein, dass Leid auf jeden Menschen fällt in unterschiedlichster Art und auf individuelle Weise getragen oder überwunden wird. Bereits der Prolog thematisiert neben Liebe und Glück auch das Leid:

nu hoert dirre âventiure site. Hört lieber, was es mit der Geschichte auf sich hat:
diu lât iuch wizzen beide Sie wird euch
von liebe und von leide: Glück und Leiden zeigen,

[1] (Pz. 3,28-30)


Das Leid im Parzival

Durch den Weg Parzivals stellt Wolfram dar, dass in der Welt zu leben heißt, Leid zu erfahren und es zu überwinden. Der Protagonist Parzival scheint fast schicksalhaft in Leid zu verfallen und bringt ebenso sich selbst und seinen Mitmenschen tiefes Leid. Das Leid kann nach Wolfram in triuwe getragen werden und zum Tod führen. Jedoch kann es auch überwunden und durch das Leid in der Überwindung höchste Freude und Ehre erlangt werden. Wolfram stellt dar wie die Auflehnung gegen das Leid falsche Reaktionen hervorruft und der Mensch nur langsam zur richtigen Erkenntnis gelangt. Präzise beschreibt er wie der Mensch durch das Leid wächst und was das Leid für die seelische Existenz bedeutet. Das langsame Reifen des Helden ist begleitet von leidvollem Erleben in der Welt. Es scheint als verfalle er schicksalhaft in Leid. Das Leiden ist im Parzival ständig präsent, im menschlichen Dasein allgemein, welches hilflos dem Leiden ausgesetzt ist und durch Begegnungen mit anderen Menschen scheinbar zwangsweise in das Leid verstrickt ist. Immer wieder bringt der Mensch Leid über andere oder sich selbst und muss Leid erdulden. Auch werden Menschen dargestellt, die, da sie Schuld auf sich geladen haben, in Leid geraten aber häufig auch solche, die schuldlos in Leid geraten. Wolfram stellt da wie der Mensch Leid für sich oder für andere verschuldet und herbeiführt, sei es durch falsches Verhalten, unbewusst, ungewollt oder bloß durch die eigene Art. Im Folgenden soll speziell Parzivals Leid und seine Entwicklung durch das Leid analysiert werden. Auch werden einzelne Figuren, die während der Handlung in Leid verfallen aufgezeigt. Hierbei ist besonders dauraufinzuweisen, dass es meist Parzival ist, welcher das Leid auslöst.


Gahmuret

In der Vorgeschichte wird Gahmurets Leid dargestellt. Durch den Tod seines Vaters wird er seines Landes sowie seiner Herrschaft beraubt und vertrieben. In der Ferne versucht er sich in ritterlichen Kämpfen zu bewähren, findet dort jedoch den Tod. Dies stürzt seinen Bruder in Leid, da er ihn zurückhalten wollte. Auch den Frauen Belancane und Herzeloyde bringt er Leid, das Leid der Minne und der Trauer, da er beide verlässt.

Herzeloyde

Herzeloydes Leid beginnt mit dem Tod ihres geliebten Mannes Gahmurets. In Kummer und Klage versunken zieht sie sich zusammen mit ihrem Sohn in die Waldeinsamkeit zurück. Als Parzival jedoch loszieht um Ritter zu werden, wird das Leid für sie unerträglich. Sie stirbt wie es scheint an ihrem gebrochenen Herzen.

Sigune

Sigune leidet ebenfalls unter dem Tod ihres Geliebten Schionatulanders. Er starb in einr Tjost, welche sie von ihm als Minnedienst forderte. Ihr Leid erhält einen Sinn, da sie ihre Forderung als maßlos ansieht und die Schuld für den Tod ihre Geliebten auf sich läd. Sie begiebt sich in Buße, Läuterung und Sühne, verliert ihre Schönheit, lebt in Askese fernab der Gesellschaft in tiefem Jammer und Leid versunken. Ihr Leid und ihre Klage werden im neunten Buch religiös konnotiert, da sie ihr Leid und Leben sukzessive an den Toten angleicht. In der Vereinigung mit dem Geliebten wird ihr Leid schließlich vollendet, sie findet Ruhe im Tod. [Mertens Fleury Katharina 2006]

Jeschute

Parzival treibt Jeschute ins Unglück, da er aus tumpheit den Auftrag seiner Mutter ausführt. Er beraubt sie ihres Ringes, ihrer Brosche uns eines Kusses und ist somit Auslöser der Demütigung durch ihren Ehemann Orilus. Diesem ist allerdings nicht bewusst, dass seine Gattin nicht willentlich Ehebruch beging, sondern von Parzival genötigt wurde. Wolfram beschreibt, dass Jeschute ihr Leid demütig trägt, somit von Gott wieder aufgenommen wird und sich ihr Leid in große Freunde umwandelt. Jeschutes Leidensweg ist einer der Belege dafür, dass für Wolfram das Leid nicht auswegslos ist. Der Mensch kann durch den Glauben an Gott durch Gottes Gnade von seinem Leid erlöst werden. Er stellt immer wieder eine christliche Lösung für das Leid dar.

Gurnemanz

In der Figur Gurnemanz stellt Wolfram eine Form des leidvollen menschlichen Daseins dar [Maurer Friedrich 1969]. Sein Leiden ist begründet in der Trauer um seine drei verstorbenen Söhne, sowie seine Gattin, welche der Verlust der Söhne selbst zum Tode führte. Jedoch bringt auch Parzival Leid über Gurnemanz, da er seine Tochter Lianze nicht zur Frau nimmt und dadurch kein neuer Sohn für Gurnemanz wird.

Condwinamur

Auch hier ist es Parzival, der Leid über Condwinamur bringt. Er stürzt sie in tiefe Trauer, da er sie verlässt. Bereits kurz nachdem er sie von ihrem Leid durch die Belagerung befreite und mit ihr die Ehe einging.

Anfortas

Anfortas leidet aus Sünde. Er verbrachte sein Leben nicht in kiusche, obwohl gerade er als Gralsskönig zur Befolgeung dieser ethischen Forderung in höchstem Maße verpflichtet gewesen wäre. Darus folgt Anfortas immenses Leid:

ez was worden wette Die beiden waren fertig miteinander:
zwischen im und der vröude: er und das Glück.
er lebte niht wan töude. Sein Leben war nur mehr ein Sterben.

(Pz. 230,18-20)

Sein Leid ist so groß, dass es sogar auf die ganze Gralsgesellschaft übergreift. Als Parzival auf Munsalvaesche gelangt, bietet sich ihm ein Bild von nôt und jâmer.


Parzival und das Leid

Seit seiner Geburt ist Parzival mit dem Leiden konfrontiert. Auf seinem Weg  begegnet er dem Leid, verursacht und behebt es.

In seiner Kindheit begegnet der dem Leid mit der tiefen Trauer Herzeloydes um ihren Gatten Gahmuret und wird bis zum Schluss der Handlung vom Leid begleitet. Sein Rittertum ist ebenfalls gezeichnet von Begegnungen mit dem Leid. Als er auf Jeschute trifft, fügt er ihr Leid zu, indem er sie durch den Raub ihres Ringes und einen Kuss entehrt. Und somit trägt er Verantwortung für das Leid, welches ihr daraufhin durch ihren Gatten Orilus angetan wird. Dies führt wiederum dazu, dass sie durch ihren Gatten Orilus körperliche Entbehrungen erfahren muss und öffentlich erniedrigt wird. Hier verursacht Parzival ein weiteres Mal, jedoch nun indirekt Leid. Durch den Mord an seinem Verwandten Ither bringt er wiederum Leid in die Welt. Er fügt nicht nur Ihter Leid zu, sondern löst auch tiefe Trauer bei Frauen auf dem Artushof aus. Auch hier beschreibt Wolfram wie Parzival zuerst Leid direkt verursacht und da seine Tat Trauer und Klage hervorruft, ein weiteres Mal, doch nun indirekt Leid herbeiführt. In den folgenden Begegnungen wird ihm Leid vorgeführt. Zuerst durch seine Cousine Sigune, welche unter tiefem Jammer und Trauer um ihren Geliebten Schionatulander leidet und ein weiteres Mal durch Gurnemanz, welcher tiefen Schmerz aufgrund des Todes seiner drei Söhne und seiner Frau leidet. Parzival wiederum bringt auch Gurnemanz neues Leid, da er seine Tochter Lianze nicht zur Frau nimmt und somit nicht der von Gurnemanz ersehnte neue Sohn für ihn wird. Einen entscheidenden Einschnitt in Parzivals Entwicklung stellt, so Maurer [Maurer Friedrich, Leid..], die Begegnung mit Anfortas Leid dar. Auf der Burg Munsalvaesche erlebt er verschiedenste Ausdrucksformen des Leids. Auf der Burg herrscht allgemein eine drückende, stumme Trauer und weitverbreitet ist der Kummer unter den Rittern und der Gralsgesellschaft. Der Kummer ist Ausdruck des Mitleids gegenüber Anfortas, welcher sich aufgrund seiner Süne in tiefem Leid befindet. Zum diesem Leid schweigt Parzival, jedoch wie Maurer anmerkt, nicht ohne Mitleid zu empfinden, sondern weil er an Gurnemanz´ Lehre denkt und enterlässt somit die Frage nach Anfortas Leid, welche den Gralskönig und die Gralsgesellschaft erlöst hätte: (239,10)

Quellennachweise

  1. Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.

<HarvardReferences />

Forschungsliteratur

[*Mertens Fleury Katharina 2006] Mertens Fleury Katharina, Leiden lesen, Bedeutungen von compassio um 1200 und die Poetik des Mit-Leidens im ,Parzival` Wolframs von Eschenbach, Berlin 2006

[*Maurer Friedrich 1969] Maurer Friedrich, Leid, Studien zur Bedeutungs- und Problemgeschichte besonders in den großen Epen der Staufischen Zeit, München, 1969