Moral und Unmoral am Artushof (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Der Artushof im Parzival
Der Artushof stellt neben der Gralsburg die zweitwichtigste Instanz im Parzival dar, er ist "Ausgangs- und Bezugspunkt für das Rittertums." [Wolfram von Eschenbach 2011: S. 373] Dies wird sogleich im III. Buch deutlich, als Parzival auf den Ritter Karnahkarnanz trifft (V. 123,3-13) [1] Karnahkarnanz empfiehlt König Artûs mit den Worten:
123,8 | junchêrre, komt ir in des hûs | Junger Herr, wo der daheim ist, dahin müßt Ihr kommen, |
der bringet iuch an ritters namn, | dann hilft Euch der zu Ritters Namen, | |
daz irs iuch nimmers durftet schamn. | und zwar so, daß daß Ihr Euch nicht dafür zu schämen braucht. |
Der Parzival Kenner Joachim Bumke bemerkt dazu: "Wer nun erwartet, in König Artus den großen Repräsentanten höfischen Rittertums zu finden, wird enttäuscht." [Bumke 2004: S. 59] König Artus und seine Tafelrunde zeichnen sich vielmehr durch heterogene Charaktere aus, die sich nicht immer den gängigen moralischen Prinzipien entsprechend verhalten.
Der Artushof im III. Buch
Als Parzival als junger, "tumber" Knabe mit dem Wunsch, ein Ritter zu werden, am Artushof eintrifft "herrschen geradezu chaotische Zustände". [Bumke 2004: S. 59] Dies wird schon angekündigt, als Parzival auf Ither trifft und dieser von einer antriebslosen Tafelrunde erzählt: "aldâ die werden sâzen, die rehter wer vergâzen." (V. 147,3f) Die Artusgesellschaft empfängt Parzival jedoch mit einer großen Herzlichkeit und sie erkennen sofort an seiner "süezen zuht", dass er ein besonderer Mensch sein muss. Parzivals Wunsch, die Rüstung des Ither zu bekommen, schlägt König Artus zunächst ab, lässt sich aber dann von Ithers Vorschlag, den Knaben "ûf den plan" (V. 150,14) zu lassen, überzeugen. "Artus` Einwilligung zu diesem unwürdigen Spiel wirft einen düsteren Schatten auf das Bild des Königs", [Bumke 2004: S. 59] bemerkt Joachim Bumke richtigerweise. Die Konsequenz dieses "unwürdigen Spiels" ist der Tod Ithers, den König Artus durch eine wohlüberlegte Entscheidung verhindern hätte können. Er schickt keinen Ritter anstatt Parzival in den Kampf, da es niemanden gibt, "der tjostierens gerte" (V. 153, 27). Ithers Tod "spricht der Idee des Rittertums Hohn" [Bumke 2004: S. 59] und damit gleichzeitig der Tafelrunde um König Artus. König Artus gibt im III. Buch seine Autorität an den bösartigen Keye ab, der diese willkürlich ausübt. Als Cunnewâre beim Anblick von Parzival ein Lachen über die Lippen huscht, fügt dieser ihr Prügel zu (Vgl. V. 151,21-30). Die Verwandten zeigen zwar "klage", setzen sich aber nicht zu Wehr. Einzig Parzival scheint eingreifen zu wollen, da er mehrmals zu seinem "gabilôte" greift. Keye verkörpert geradezu die Unmoral, als er in der Folge den tauben Antanor verprügelt. Dieser beginnt zu sprechen, als er Parzival sieht (Vgl. V. 152,26-153,6). Ithers Tod wird von der Hofgesellschaft zutiefst bedauert. Die Königin Ginovêr rühmt den, "der ob der tavelrunder den hoehsten prîs solde tragn" (V. 160,4f). Die zuvor offenbarte Gleichgültigkeit und Wut gegenüber der Person Ithers schwankt hier völlig um. Im III. Buch existiert eine große Diskrepanz zwischen dem, was am Artushof tatsächlich geschieht und der Funktion, die er eigentlich zu erfüllen hat. Entgegen der Behauptung Friedrich Wolfzettels,"[ü]berall wo Artus ist, ist Mitte", [Wolfzettel 2010: S. 16] scheint im III. Buch eher das Chaos zu dominieren.
Der Artushof im VI. Buch
Der Artushof im XIV. Buch
Quellenverzeichnis
<HarvardReferences/> [*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36). <HarvardReferences/> [*Wolfram von Eschenbach 2011] Wolfram von Eschenbach. Ein Handbuch, hg. von Joachim Heinzle, Berlin/New York 2011. <HarvardReferences/> [*Wolfzettel 2010] Wolfzettel, Friedrich: Der Artushof: ideale Mitte oder problematische Idealität?, in: Artushof und Artusliteratur, hg. von Matthias Däumer u.a., Berlin/New York 2010, S. 3-19.
- ↑ Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.