Intertextualität im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Im Parzival befinden sich zahlreiche Hinweise auf andere Texte und deren Autoren. Dieser Artikel soll auf verschiedene Funktionen von Intertextualität eingehen und diese jeweils an einem Beispiel verdeutlichen. Der Artikel bietet jedoch nur einen kleinen Ausschnitt an Intertextualität im Parzival.
Definition Intertextualität
"Intertextualität beschäftigt sich mit der Bezugnahme eines Textes auf einen einzelnen oder eine Gruppe von vorangegangenen Texten." [Homscheid 2007: S.79]
Formen der Markierung von Intertextualität nach Ulrich Broich
- markierte und nicht-markierte Intertextualität:
Laut Broich liegt Intertextualität vor, wenn der Autor sich darüber bewusst ist, andere Texte in seinem eigenen verwendet zu haben und diese Absicht vom Leser erkannt wird. [Broich/Pfister 1985: 31] Allerdings kann der Grad der Markierung der Intertextualität unterschiedlich sein. [Broich/Pfister 1985: 32] Wenn der Autor davon ausgeht, dass er in seinem Text auf einen Text verweist, der dem Publikum bekannt ist, kann gar ganz auf eine Markierung verzichtet werden. [Broich/Pfister 1985: 32] Auch hier spielt die Belesenheit des Lesers eine Rolle: ein belesener Leser wird Intertextualität wohl eher erkennen als dies bei einem Gelegenheitsleser der Fall ist. [Broich/Pfister 1985: 33]
Im Parzival tauchen viele Figuren des "arthurischen Erzählens" wie etwas Artus, Ginover, Keye oder Gawan auf, die mit den Charakteren im Parzival Zeit und Handlungsraum teilen [Draesner 1993: 195]. Artusfiguren: Draesner S.193-195
- Markierung in Nebentexten:
Wenn ein Autor sich in seinem Werk auf einen anderen Text bezieht, hat er die Möglichkeit, dies in einem Nebentext, wie etwa einer Fußnote, zu identifizieren. [Broich/Pfister 1985: 35] Zudem können bereits Titel oder Untertitel die Bezugnahme auf einen anderen Text verdeutlichen, was beispielsweise in Joyces Ulysses der Fall ist, wo bereits im Titel auf den Protagonisten des Bezugtextes verwiesen wird. [Broich/Pfister 1985: 36]
- Markierung im inneren Kommunikationssystem:
Bei Markierungen im inneren Kommunikationssystem können verschiedene Formen vorliegen:
- Nur der Leser, nicht aber die Figuren, ist sich darüber bewusst, dass die Charaktere dem Schema von Figuren aus anderen Texten folgen.
- Charaktere selbst können zu einem Text Stellung beziehen und sich entweder damit identifizieren oder distanzieren.
- Der Autor führt den Text, auf den er sich beziehen will, als physischen Gegenstand ein.
- Der Autor lässt Figuren aus anderen Texten auftreten.
Ein Beispiel für den ersten Typ kann an der Stelle gefunden werden, als Gawan auf dem Weg zu einem Zweikampf ist, und er unterwegs an der Burg Schanpfanzun vorbeikommt, die von außerordentlicher Schönheit ist. Um diese herauszustreichen, verweist der Erzähler auf die römische Mythologie (399,11-14):
disiu burc was gehêret sô, | Diese Burg war derart schön - |
daz Enêas Kartâgô | dem Äneas schien Karthago |
nie sô hêrrenliche vant, | längst nicht derart majestätisch; |
dâ froun Dîdôn tôt was minnen pfant. | Dido starb dort, Pfand der Venus… |
Äneas zog einst in Karthago ein und verliebte sich in die Herrscherin Karthagos, Dido, welche später den Liebestod starb [Draesner 1993: 313-315]. So, wie einst die Stadt Karthago vor dem Helden Äneas lag, erscheint nun auch die Burg Schanpfazun vor Gawan. [Draesner 1993: 314f.] Zwar hat dieser Vergleich den Effekt, die Schönheit außerordentliche Schönheit der Burg Schanpfanzun zu unterstreichen, letztendlich dient es aber mehr dazu, Gawan als "zweiten Äneas" darzustellen. [Draesner 1993: 315] So, wie einst Äneas in Karthago freundlich empfangen wurde, wird nun auch Gawan auf der Burg Schanpfanzun empfangen werden. [Draesner 1993: 315]. Bisher steht Gawans Ankunft auf der Burg im Zeichen des Kampfes, zugleich soll aber die Erwähnung Didos, die den Liebestod wegen Äneas gestorben ist, auf die bevorstehende Begegnung mit Antikonie und damit auf ein "'tragisches' Liebesabenteuer" hinweisen. [Draesner 1993: 315-316]
- Markierung im äußeren Kommunikationssystem:
Auch hier können wieder verschiedene Typen vorliegen:
- Markierung von Intertextualität erfolgt innerhalb des Textes, von der aber nur die Leser und nicht etwa die Figuren Kenntnis haben.
- Markierung der Intertextualität durch Anführungszeichen, andere Druck- oder Schrifttypen
- Stilkontrast
Bsp. zu Typ 1: Sigune-Szene
Literaturangaben
<HarvardReferences /> [*Draesner 1993] Draesner, Ulrike: Wege durch erzählte Welten. Verlag Peter Lang GmbH, Frankfurt a.M. 1993.
<HarvardReferences /> [*Broich/Pfister 1985] Broich, Ulrich, Manfred Pfister (Hrsg.): Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, Tübingen 1985.
<HarvardReferences /> [Homscheid 2007] Homscheid, Thomas; Intertextualität. Ein Beitrag zur Literaturtheorie der Neomoderne, Würzburg 2007. <references>