Das Zauberhündchen Petitcreiu (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Das Zauberhündchen Petitcreiu in Gottfrieds von Straßburg Tristan taucht an drei Stellen der Dichtung auf, die jeweils eine logische Einheit darstellen. Zum ersten Mal begegnet Tristan dem Hündchen am Hofe Gilans, des Herzogs von Swales, wo er seit seiner Flucht aus Cornwall lebt (Vers 15.796 bis 15.914). Von der wundersamen Wirkung des Tieres fasziniert, beschließt er, es Gilan mittels einer List abzugewinnen und Isolde zukommen zu lassen. Er kämpft daraufhin mit dem Riesen Urgan und fordert nach erfolgreichem Kampf das Zauberhündchen als rechtmäßige Belohnung ein. Mithilfe eines als Boten fungierenden Spielmanns sendet er das Tier schließlich zu Isolde nach Tintajol (16.225 bis 16.300). Diese wiederum gibt vor, das Hündchen von ihrer Mutter aus Irland geschenkt bekommen zu haben. Im weiteren Verlauf nimmt Isolde Petitcreiu sorgsam bei sich auf und führt es fortan immer mit sich. (16.333 bis 16.402)



Herkunft

Gilan hatte Petitcreiu als Geschenk einer Göttin aus dem Feenreich Avalon erhalten:

und wart dem herzogen gesant
ûz Avalûn, der feinen lant,
von einer gottinne
durch liebe und durch minne
(V. 15.807-15.810)

Seine Zugehörigkeit zur magischen Welt, also zur Welt der Ideen, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Petitcreiu seine Bedeutung auf der Symbolebene der Erzählung entfalten wird.

Eigenschaften

Schon sein Name Petit Creiu, kleine Kreatur, deutet die Unbeschreiblichkeit dieses Geschöpfs an. Silke Philipowski schreibt dazu:

"Die fabelhaften Eigenschaften des Zauberhundes entziehen sich menschlicher Beschreibungskraft und Weisheit. Er ist nicht darstellbar und namenlos: der Name >Petit-Criu< - >kleine Kreatur< - ist nur eine Umschreibung (...).[1]"

Gottfried greift in seiner Darstellung aus diesen Gründen auf den Unsagbarkeitstopos zurück, wenn er schreibt

daz zunge nie so redehaft,
noch herze nie so wise wart,
daz sine schoene und sin art
künde beschriben oder gesagen
(V. 15.814-15.817)

Nachdem er jedoch dieses vorausgestellt hat, wagt Gottfried doch den Versuch einer Beschreibung


Aussehen und Attribute

Wirkung

Bedeutung

Silke Philipowski stellt die These auf, die Petitcreiu-Episode sei ein Vorgriff auf das Scheitern der minne Tristans und Isoldes, wenn Tristan sich am Ende das Vergessen wählt und Isolde Weißhand heiratet.
Für sie ist das Zauberhündchen mit der Zauberglocke, dessen Erscheinung alle Sinne anspricht "in seiner magischen Präsenz die Ikone einer haptisch-sensorischen Unmittelbarkeit, die alle Abstraktion (und die abstrakteste aller mentalen Leistungen ist Erinnerung) zu verdrängen vermag, also keinen Raum läßt für Ungegenwärtiges, Vermitteltes."[2]
Tristan ist bereit, sich diesem von Petitcreiu an ihn herangetragenen Vergessen hinzugeben, Isolde dagegen zerstört das Zauberglöckchen, um gegen das Vergessen anzukämpfen. Diese "Diskrepanz der Wahrnehmung" ist nach Philipowski "Indikator einer Brechung in der Tristanminne" und nicht "Zeichen von unverbrüchlicher Zweisamkeit"[3] , als welches das Geschenk Tristans an Isolde an anderen Stellen in der Forschung gedeutet wurde.

Wahrnehmung Petitcreius durch die Protagonisten

Ausführliche Hinweise finden sich ebenfalls im Philipowski-Aufsatz; zugänglich mit Uni-Lizenz über VPN "e-journals"

Tristan

Isolde

  1. Philipowski, Katharina-Silke (1998): Mittelbare und unmittelbare Gegenwärtigkeit oder: Erinnern und Vergessen in der Petitcriu-Episode des Tristan Gottfrieds von Straßburg. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (120), S. 29–35, dort S. 31.
  2. Philipowski, S.32.
  3. alle Philipowski, S.29.