719-759: Das Chronicon Anianense zu Beginn und Ende muslimischer Herrschaft über Septimanien: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kursivierung Latein, nowiki-Befehl eliminiert
(Die Seite wurde neu angelegt: „{{Kapitel LAT-DE TAB-5|Till Kalkbrenner|Walter Kettemann, ''Subsidia Anianense. Überlieferungs- und textgeschichtliche Untersuchungen zur Geschichte Witiza-Be…“)
 
(Kursivierung Latein, nowiki-Befehl eliminiert)
Zeile 27: Zeile 27:
Im Rahmen eines Vertrags mit dem weströmischen Kaisers wurden die Westgoten 418 als ''foederati'' im Südwesten Galliens angesiedelt, wo sie ein auf die Stadt Toulouse zentriertes Königreich (''regnum Tolosanum'') aufbauten und in römischem Auftrag gegen Gruppen auf der Iberischen Halbinsel vorgingen, die die Herrschaft Roms in Frage stellten.<ref name="ftn29">Wolfram, ''Die Goten'', S. 158-185. </ref> Der Bischofssitz Narbonne gelangte 476-477 unter westgotische Kontrolle.<ref name="ftn30">Riess, ''Narbonne'', S. 131-132.</ref> Nach der Niederlage gegen die Franken und Burgunder in der Schlacht bei Vouillé von 507 verlagerte sich der Schwerpunkt westgotischer Herrschaft auf die Iberische Halbinsel. Nur Septimanien verblieb als einziges gallisches Gebiet unter westgotischer Kontrolle.<ref name="ftn31">Riess, ''Narbonne'', S. 131-132.</ref> Im Laufe des sechsten und siebten Jahrhunderts demonstrierte der auf Narbonne zentrierte Nordosten des Westgotenreiches immer wieder eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem seit dem Ende des 6. Jahrhunderts auf Toledo zentrierten iberischen Herrschaftsgebiet. Dies kulminierte 673 in der Königserhebung eines gewissen Paulus, der von Narbonne aus die Herrschaft König Wambas (regn. 672-680) anfocht.<ref name="ftn32">Riess, ''Narbonne'', S. 203-204; de Jong, Adding Insult to Injury, S. 381-387.</ref>
Im Rahmen eines Vertrags mit dem weströmischen Kaisers wurden die Westgoten 418 als ''foederati'' im Südwesten Galliens angesiedelt, wo sie ein auf die Stadt Toulouse zentriertes Königreich (''regnum Tolosanum'') aufbauten und in römischem Auftrag gegen Gruppen auf der Iberischen Halbinsel vorgingen, die die Herrschaft Roms in Frage stellten.<ref name="ftn29">Wolfram, ''Die Goten'', S. 158-185. </ref> Der Bischofssitz Narbonne gelangte 476-477 unter westgotische Kontrolle.<ref name="ftn30">Riess, ''Narbonne'', S. 131-132.</ref> Nach der Niederlage gegen die Franken und Burgunder in der Schlacht bei Vouillé von 507 verlagerte sich der Schwerpunkt westgotischer Herrschaft auf die Iberische Halbinsel. Nur Septimanien verblieb als einziges gallisches Gebiet unter westgotischer Kontrolle.<ref name="ftn31">Riess, ''Narbonne'', S. 131-132.</ref> Im Laufe des sechsten und siebten Jahrhunderts demonstrierte der auf Narbonne zentrierte Nordosten des Westgotenreiches immer wieder eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem seit dem Ende des 6. Jahrhunderts auf Toledo zentrierten iberischen Herrschaftsgebiet. Dies kulminierte 673 in der Königserhebung eines gewissen Paulus, der von Narbonne aus die Herrschaft König Wambas (regn. 672-680) anfocht.<ref name="ftn32">Riess, ''Narbonne'', S. 203-204; de Jong, Adding Insult to Injury, S. 381-387.</ref>


Am Vorabend der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel war nach dem Tod von Witiza (regn. 702-710) ein Kampf um dessen Nachfolge ausgebrochen. Im Südwesten hatte sich Roderich (regn. 710-711) etabliert, welcher 711 den muslimischen Invasoren unterlag.<ref name="ftn33">Vgl. hierzu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711:_Ibn_%CA%BFAbd_al-%E1%B8%A4akam_zur_Kollaboration_Julians_bei_der_muslimischen_Invasion_der_Iberischen_Halbinsel 711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel]<nowiki>; </nowiki>[https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711-745:_Ibn_al-Q%C5%AB%E1%B9%ADiyya_zur_Kooperation_seiner_westgotischen_Vorfahren_mit_den_muslimischen_Eroberern 711-745: Ibn al-Qūṭiyya zur Kooperation seiner westgotischen Vorfahren mit den muslimischen Eroberern]<nowiki>; </nowiki>[https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/713:_Der_Vertrag_von_Tudm%C4%ABr_als_Zeugnis_der_muslimischen_Unterwerfung_der_Iberischen_Halbinsel 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel], jeweils mit weiterführender Literatur zur muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel.</ref> Im Nordosten jedoch hatte der bereits oben erwähnte Achila (regn. 710-713/714) mit Unterstützung der lokalen Eliten die Herrschaft übernommen.<ref name="ftn34">Riess, ''Narbonne'', S. 221.</ref> Anders als Roderich konnte er sich länger gegen die muslimischen Invasoren halten. Ihm folgte Ardo (regn. 713/714-720)<ref name="ftn35">Riess, ''Narbonne'', S.227.</ref> welcher über Septimanien herrschte und vermutlich bis zu dessen Eroberung in Narbonne residierte. Noch 719 scheinen gotische Münzen in Narbonne geprägt worden zu sein.<ref name="ftn36">Riess, ''Narbonne'', S.223.</ref> Die Existenz eines separaten Königtums im eigenständigen Nordosten des Westgotenreiches ist als bedeutender Faktor für die Verzögerung der muslimischen Eroberung Septimaniens zu sehen. Das westgotische Heer trat nur in Kriegszeiten zusammen und bestand hauptsächlich aus den Gefolgsleuten der großen Adelsfamilien.<ref name="ftn37">Collins, ''Visigothic Spain'', S. 141.</ref> Der Schlachtentod Roderichs führte augenscheinlich zu einem Zerfall des westgotischen Heeres, dessen Adelsfamilien daraufhin ihre eigenen Partikularinteressen verfolgten. Die königliche Führung im Nordosten dagegen erlaubte es, die Kräfte des Adels noch für einige Jahre zu bündeln und effektiv zu führen. Zu bedenken ist auch, dass der verlustreiche muslimische Angriff auf Toulouse die militärische Handlungsfähigkeit der muslimischen Statthalter zumindest für eine Weile einschränkte und Narbonne somit eine Ruhepause gewährte. Es gibt auch Indizien dafür, dass Teile Septimaniens, so zum Beispiel Carcassonne, zeitweise unter aquitanischer Kontrolle gestanden haben könnten.<ref name="ftn38">Riess, ''Narbonne'', S. 197.</ref> Somit scheinen die muslimischen Eroberer, nachdem sie in der Hispania auf unkoordinierten und folglich leicht zu bezwingenden Widerstand getroffen waren, in Septimanien sowohl mit koordiniertem westgotischen Widerstand als auch mit aquitanischen Truppen konfrontiert gewesen zu sein.
Am Vorabend der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel war nach dem Tod von Witiza (regn. 702-710) ein Kampf um dessen Nachfolge ausgebrochen. Im Südwesten hatte sich Roderich (regn. 710-711) etabliert, welcher 711 den muslimischen Invasoren unterlag.<ref name="ftn33">Vgl. hierzu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711:_Ibn_%CA%BFAbd_al-%E1%B8%A4akam_zur_Kollaboration_Julians_bei_der_muslimischen_Invasion_der_Iberischen_Halbinsel 711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711-745:_Ibn_al-Q%C5%AB%E1%B9%ADiyya_zur_Kooperation_seiner_westgotischen_Vorfahren_mit_den_muslimischen_Eroberern 711-745: Ibn al-Qūṭiyya zur Kooperation seiner westgotischen Vorfahren mit den muslimischen Eroberern]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/713:_Der_Vertrag_von_Tudm%C4%ABr_als_Zeugnis_der_muslimischen_Unterwerfung_der_Iberischen_Halbinsel 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel], jeweils mit weiterführender Literatur zur muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel.</ref> Im Nordosten jedoch hatte der bereits oben erwähnte Achila (regn. 710-713/714) mit Unterstützung der lokalen Eliten die Herrschaft übernommen.<ref name="ftn34">Riess, ''Narbonne'', S. 221.</ref> Anders als Roderich konnte er sich länger gegen die muslimischen Invasoren halten. Ihm folgte Ardo (regn. 713/714-720)<ref name="ftn35">Riess, ''Narbonne'', S.227.</ref> welcher über Septimanien herrschte und vermutlich bis zu dessen Eroberung in Narbonne residierte. Noch 719 scheinen gotische Münzen in Narbonne geprägt worden zu sein.<ref name="ftn36">Riess, ''Narbonne'', S.223.</ref> Die Existenz eines separaten Königtums im eigenständigen Nordosten des Westgotenreiches ist als bedeutender Faktor für die Verzögerung der muslimischen Eroberung Septimaniens zu sehen. Das westgotische Heer trat nur in Kriegszeiten zusammen und bestand hauptsächlich aus den Gefolgsleuten der großen Adelsfamilien.<ref name="ftn37">Collins, ''Visigothic Spain'', S. 141.</ref> Der Schlachtentod Roderichs führte augenscheinlich zu einem Zerfall des westgotischen Heeres, dessen Adelsfamilien daraufhin ihre eigenen Partikularinteressen verfolgten. Die königliche Führung im Nordosten dagegen erlaubte es, die Kräfte des Adels noch für einige Jahre zu bündeln und effektiv zu führen. Zu bedenken ist auch, dass der verlustreiche muslimische Angriff auf Toulouse die militärische Handlungsfähigkeit der muslimischen Statthalter zumindest für eine Weile einschränkte und Narbonne somit eine Ruhepause gewährte. Es gibt auch Indizien dafür, dass Teile Septimaniens, so zum Beispiel Carcassonne, zeitweise unter aquitanischer Kontrolle gestanden haben könnten.<ref name="ftn38">Riess, ''Narbonne'', S. 197.</ref> Somit scheinen die muslimischen Eroberer, nachdem sie in der Hispania auf unkoordinierten und folglich leicht zu bezwingenden Widerstand getroffen waren, in Septimanien sowohl mit koordiniertem westgotischen Widerstand als auch mit aquitanischen Truppen konfrontiert gewesen zu sein.


Dennoch geriet Septimanien spätestens 725 vollständig unter muslimische Kontrolle, als nämlich Nîmes und Carcassonne eingenommen wurden, welche die natürlichen Grenzen Septimaniens bildeten. Dies dürfte u. a. den Bedingungen geschuldet sein, zu denen sich lokale Eliten den Eroberern unterwerfen konnten. Bereits für das Jahr 713 lässt sich ein Unterwerfungsvertrag zwischen lokalen gotischen Eliten und den Muslimen um das hispanische Orihuela belegen, in dem gegen moderate Abgaben weitgehende politische Autonomie, Sicherheitsgarantien und eine freie Ausübung der Religion gewährt wurden.<ref name="ftn39">Vgl. dazu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/713:_Der_Vertrag_von_Tudm%C4%ABr_als_Zeugnis_der_muslimischen_Unterwerfung_der_Iberischen_Halbinsel 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel]. </ref> Der Bericht der ''Continuatio Hispana'' bzw. ''Chronica muzarabica'', dass al-Ḥurr zwischen 716 und 719 versucht hatte, Septimanien (''Galllia Narbonensis'') sowohl „kämpfend als auch befriedend“ (''debellando et pacificando'') zu gewinnen, spricht dafür, dass eine ähnliche Vorgehensweise auch im Nordosten des Westgotenreiches versucht wurde.<ref name="ftn40">''Continuatia Hispana'', ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 80, S. 356; bzw. ''Chronica muzarabica'', ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 52, S. 36. Vgl. Codera, Narbona, S. 184-185.</ref>Auch der Bericht der hier behandelten ''Chronik von Aniane'' zur Eroberung Nîmes durch ʿAnbasa 725 spricht für die Anwendung ähnlicher Unterwerfungsmethoden, soll die Stadt ja durch einen Friedensvertrag eingenommen worden sein (''nemauso pace conquisiuit''). Somit dürften zumindest einige Angehörige der lokalen Eliten in der Lage gewesen sein, sich ein gewisses Maß an Autonomie zu bewahren. Dies dürfte erklären, warum Pippin knapp dreißig Jahre nach der Eroberung Septimaniens durch die Muslime noch mit einer handlungsfähigen gotischen Elite zusammenarbeiten konnte. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Eliten Septimaniens unter muslimischer Herrschaft keinen signifikanten Wandel durchlebten. Es gibt keine wirklich deutlichen Indizien dafür, dass sich hier wie in der Hispania eine neue arabisch-berberische Elite festgesetzt hätte: Zwar kennen wir den Namen mehrerer Gouverneure<ref name="ftn41">Vgl. z. B. Ibn al-Qūṭiyya (gest. 367/977), ''Tariḫ iftitaḥ al-Andalus'', ed. Ibrāhīm al-Ibyārī, Beirut und Kairo: Dār al-kitāb al-lubnānī, 1989, S. 41, erwähnt ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama als Gouverneur im Auftrag des andalusischen Statthalters ʿAbd al-Malik b. Qaṭan al-Fihri (regn. 114-116/732-734). Bearman et al., Arbūna, behaupten, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī, später Gouverneur von al-Andalus (regn. 129-138/746-756), habe 116/734 die Kontrolle über Narbonne gehabt, was vom ''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, a. 734, S. 26, bestätigt wird. („his temporibus iussephibin abderaman narbona perficitur“). Die Chronik berichtet ferner a. 739, S. 28, dass der andalusische Statthalter ʿUqba b. al-Ḥaǧǧāǧ al-Salūlī (regn. 116-123/734-741) einen gewissen ʿAmr oder ʿUmar b. Ḫālid in einer Verteidigungssituation zum Gouverneur über Narbonne eingesetzt habe („Ocupa rex sarracenorum ex spania amoribinailet cum exercitu magno sarracenorum ad presidium narbona transmittit“). Ibn ʿIḏārī (gest. nach 712/1312-1313), Al-Bayān al-muġrib fī aḫbār al-Andalus wa-l-Maġrib, ed. George S. Colin und Évariste Lévi-Provençal, 3 Bde., Beirut: Dār al-ṯaqāfa, 1980-1983, Bd. 2, S. 28, erwähnt ferner einen 133/753 von Narbonne ausgehenden Aufstand von ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama al-Laḫmī gegen den regierenden Gouverneur von al-Andalus, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī.</ref>, erfahren von der Ansiedlung eines Berberstammes in Narbonne<ref name="ftn42">Vgl. Codera, Narbona, S. 183, auf der Basis von Ibn Ḥazm (gest. 456/1064). Letzterer erwähnt die Banū Baǧīla und behauptet, „ihre Wohnstätte in al-Andalus liegt in der Gegend von Narbonne“ (''wa-dāruhum bi-l-Andalus bi-ǧihat Arbūna'').</ref> und können vielleicht ein von Tarazona oder Tarragona aus organisiertes Steuersystem für die „arabische Provinz Narbonne“ vermuten.<ref name="ftn43">'Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 17, optiert auf der Basis der Rekonstruktion einer Beschreibung des Historiographen Aḥmad b. al-Rāzī (gest. 344/955) durch Évariste Lévi-Provençal, für Tarragona. Vgl. Évariste Lévi-Provençal, La “description de l’Espagne”, S. 77: „La ville de Tarazona fut la résidence des gouverneurs et des généraux dans la zone des Marches. Abū ʿUṯmān ʿUbayd Allāh ibn ʿUṯmān, connu sous le surnom de ‚Seigneur de la [Grande] Terre‘ (''ṣāḥib al-arḍ''), la choisit pour résidence, en la préférant aux autres villes des Marches. C’est à lui que parvenaient les dimes payées par les villes de Narbonne et de Barcelone.“ Vgl. ibid., S. 77 FN 1, zur potenziellen Verwechselung von Tarazona und Tarragona. Problematisch erscheint, dass der erwähnte ʿUbayd Allāh b. ʿUṯmān wohl eher gegen Ende des 2./8. Jh., also nach Pippins Rückeroberung von Narbonne im Amt war und nach Ibn Ḥayyān im Jahre 186/802 starb, vgl. Jiménez, ''La dawla'', S. 162, mit Quellenangaben. Clément, La province arabe, S. 21, liefert dennoch folgende Einschätzung: „La Narbonnaise musulmane est parfois qualifiée de marche (''ṯaġr'') (Province frontière d’un Etat, jouant le rôle de zone de protection militaire), mais il est difficile de déterminer si ce terme doit s’entendre dans signification administrative ou simplement géographique. Il est difficile de savoir, également, si la région fut dotée d’une compétence administrative propre. Fiscalement, elle relevait de ce qui allait devenir la marche supérieure, puisque la dîme (''ʿušr'') était collectée par le responsable de la terre (''ṣāḥib al-arḍ'') de Tarazona. Cependant, elle disposait d’un gouverneur (''wālī'') nommé par celui de Cordoue. On sait que ce poste était important puisque plusieurs gouverneurs de Cordoue y ont débuté leur carrière. L’étendue de la province arabe correspondait à peu près à celle des anciens diocèses d’Elne, Narbonne, Carcassonne, Béziers, Maguelonne; Nîmes et peut-être Lodève; c’est-à-dire aux actuels départements des Pyrénées-Orientales, de l’Aude, de l’Hérault et du Gard.“</ref> Die archäologischen Reste sind aber wenig aussagekräftig.<ref name="ftn44">Vgl. Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 39-40.</ref> Auch die hier behandelte Chronik von Aniane suggeriert eher, die lokale Elite sei im Grunde weiterhin gotisch und christlich geblieben, während die Muslime in der Region vorwiegend militärische Garnisonen stellten. In der vorliegenden Quellenstelle zur Eroberung Narbonnes ist nur die Rede von einer muslimischen Garnison, welche der Stadt vorstand (''in presidio illius erant''). Andere Muslime in Narbonne oder dem weiteren Septimanien werden nicht erwähnt. Vor diesem Hintergrund erscheint plausibel, dass Verwaltung und Wirtschaft der Region weiterhin primär in der Hand der gotischen Eliten lagen.<ref name="ftn45">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 38: „Il n’est pas inutile de souligner que contrairement aux traditions postérieures, les musulmans respectèrent le culte chrétien et qu’une partie importante de la population de Narbonne conserva ses lois et ses traditions sous domination musulmane.“ Bearman et al., Arbūna, behaupten ohne Quellenangabe, dass auch Juden eine gewisse Rolle für den Handel mit al-Andalus zugekommen sei, legen diesen allerdings in die umayyadische Periode, d.h. also nach 756: „Narbonne and its region still maintained relations with the Umayyad court, Jewish merchants being particularly active in this respect.“</ref>
Dennoch geriet Septimanien spätestens 725 vollständig unter muslimische Kontrolle, als nämlich Nîmes und Carcassonne eingenommen wurden, welche die natürlichen Grenzen Septimaniens bildeten. Dies dürfte u. a. den Bedingungen geschuldet sein, zu denen sich lokale Eliten den Eroberern unterwerfen konnten. Bereits für das Jahr 713 lässt sich ein Unterwerfungsvertrag zwischen lokalen gotischen Eliten und den Muslimen um das hispanische Orihuela belegen, in dem gegen moderate Abgaben weitgehende politische Autonomie, Sicherheitsgarantien und eine freie Ausübung der Religion gewährt wurden.<ref name="ftn39">Vgl. dazu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/713:_Der_Vertrag_von_Tudm%C4%ABr_als_Zeugnis_der_muslimischen_Unterwerfung_der_Iberischen_Halbinsel 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel]. </ref> Der Bericht der ''Continuatio Hispana'' bzw. ''Chronica muzarabica'', dass al-Ḥurr zwischen 716 und 719 versucht hatte, Septimanien (''Galllia Narbonensis'') sowohl „kämpfend als auch befriedend“ (''debellando et pacificando'') zu gewinnen, spricht dafür, dass eine ähnliche Vorgehensweise auch im Nordosten des Westgotenreiches versucht wurde.<ref name="ftn40">''Continuatia Hispana'', ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 80, S. 356; bzw. ''Chronica muzarabica'', ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 52, S. 36. Vgl. Codera, Narbona, S. 184-185.</ref>Auch der Bericht der hier behandelten ''Chronik von Aniane'' zur Eroberung Nîmes durch ʿAnbasa 725 spricht für die Anwendung ähnlicher Unterwerfungsmethoden, soll die Stadt ja durch einen Friedensvertrag eingenommen worden sein (''nemauso pace conquisiuit''). Somit dürften zumindest einige Angehörige der lokalen Eliten in der Lage gewesen sein, sich ein gewisses Maß an Autonomie zu bewahren. Dies dürfte erklären, warum Pippin knapp dreißig Jahre nach der Eroberung Septimaniens durch die Muslime noch mit einer handlungsfähigen gotischen Elite zusammenarbeiten konnte. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Eliten Septimaniens unter muslimischer Herrschaft keinen signifikanten Wandel durchlebten. Es gibt keine wirklich deutlichen Indizien dafür, dass sich hier wie in der Hispania eine neue arabisch-berberische Elite festgesetzt hätte: Zwar kennen wir den Namen mehrerer Gouverneure<ref name="ftn41">Vgl. z. B. Ibn al-Qūṭiyya (gest. 367/977), ''Tariḫ iftitaḥ al-Andalus'', ed. Ibrāhīm al-Ibyārī, Beirut und Kairo: Dār al-kitāb al-lubnānī, 1989, S. 41, erwähnt ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama als Gouverneur im Auftrag des andalusischen Statthalters ʿAbd al-Malik b. Qaṭan al-Fihri (regn. 114-116/732-734). Bearman et al., Arbūna, behaupten, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī, später Gouverneur von al-Andalus (regn. 129-138/746-756), habe 116/734 die Kontrolle über Narbonne gehabt, was vom ''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, a. 734, S. 26, bestätigt wird. („his temporibus iussephibin abderaman narbona perficitur“). Die Chronik berichtet ferner a. 739, S. 28, dass der andalusische Statthalter ʿUqba b. al-Ḥaǧǧāǧ al-Salūlī (regn. 116-123/734-741) einen gewissen ʿAmr oder ʿUmar b. Ḫālid in einer Verteidigungssituation zum Gouverneur über Narbonne eingesetzt habe („Ocupa rex sarracenorum ex spania amoribinailet cum exercitu magno sarracenorum ad presidium narbona transmittit“). Ibn ʿIḏārī (gest. nach 712/1312-1313), Al-Bayān al-muġrib fī aḫbār al-Andalus wa-l-Maġrib, ed. George S. Colin und Évariste Lévi-Provençal, 3 Bde., Beirut: Dār al-ṯaqāfa, 1980-1983, Bd. 2, S. 28, erwähnt ferner einen 133/753 von Narbonne ausgehenden Aufstand von ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama al-Laḫmī gegen den regierenden Gouverneur von al-Andalus, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī.</ref>, erfahren von der Ansiedlung eines Berberstammes in Narbonne<ref name="ftn42">Vgl. Codera, Narbona, S. 183, auf der Basis von Ibn Ḥazm (gest. 456/1064). Letzterer erwähnt die Banū Baǧīla und behauptet, „ihre Wohnstätte in al-Andalus liegt in der Gegend von Narbonne“ (''wa-dāruhum bi-l-Andalus bi-ǧihat Arbūna'').</ref> und können vielleicht ein von Tarazona oder Tarragona aus organisiertes Steuersystem für die „arabische Provinz Narbonne“ vermuten.<ref name="ftn43">'Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 17, optiert auf der Basis der Rekonstruktion einer Beschreibung des Historiographen Aḥmad b. al-Rāzī (gest. 344/955) durch Évariste Lévi-Provençal, für Tarragona. Vgl. Évariste Lévi-Provençal, La “description de l’Espagne”, S. 77: „La ville de Tarazona fut la résidence des gouverneurs et des généraux dans la zone des Marches. Abū ʿUṯmān ʿUbayd Allāh ibn ʿUṯmān, connu sous le surnom de ‚Seigneur de la [Grande] Terre‘ (''ṣāḥib al-arḍ''), la choisit pour résidence, en la préférant aux autres villes des Marches. C’est à lui que parvenaient les dimes payées par les villes de Narbonne et de Barcelone.“ Vgl. ibid., S. 77 FN 1, zur potenziellen Verwechselung von Tarazona und Tarragona. Problematisch erscheint, dass der erwähnte ʿUbayd Allāh b. ʿUṯmān wohl eher gegen Ende des 2./8. Jh., also nach Pippins Rückeroberung von Narbonne im Amt war und nach Ibn Ḥayyān im Jahre 186/802 starb, vgl. Jiménez, ''La dawla'', S. 162, mit Quellenangaben. Clément, La province arabe, S. 21, liefert dennoch folgende Einschätzung: „La Narbonnaise musulmane est parfois qualifiée de marche (''ṯaġr'') (Province frontière d’un Etat, jouant le rôle de zone de protection militaire), mais il est difficile de déterminer si ce terme doit s’entendre dans signification administrative ou simplement géographique. Il est difficile de savoir, également, si la région fut dotée d’une compétence administrative propre. Fiscalement, elle relevait de ce qui allait devenir la marche supérieure, puisque la dîme (''ʿušr'') était collectée par le responsable de la terre (''ṣāḥib al-arḍ'') de Tarazona. Cependant, elle disposait d’un gouverneur (''wālī'') nommé par celui de Cordoue. On sait que ce poste était important puisque plusieurs gouverneurs de Cordoue y ont débuté leur carrière. L’étendue de la province arabe correspondait à peu près à celle des anciens diocèses d’Elne, Narbonne, Carcassonne, Béziers, Maguelonne; Nîmes et peut-être Lodève; c’est-à-dire aux actuels départements des Pyrénées-Orientales, de l’Aude, de l’Hérault et du Gard.“</ref> Die archäologischen Reste sind aber wenig aussagekräftig.<ref name="ftn44">Vgl. Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 39-40.</ref> Auch die hier behandelte Chronik von Aniane suggeriert eher, die lokale Elite sei im Grunde weiterhin gotisch und christlich geblieben, während die Muslime in der Region vorwiegend militärische Garnisonen stellten. In der vorliegenden Quellenstelle zur Eroberung Narbonnes ist nur die Rede von einer muslimischen Garnison, welche der Stadt vorstand (''in presidio illius erant''). Andere Muslime in Narbonne oder dem weiteren Septimanien werden nicht erwähnt. Vor diesem Hintergrund erscheint plausibel, dass Verwaltung und Wirtschaft der Region weiterhin primär in der Hand der gotischen Eliten lagen.<ref name="ftn45">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 38: „Il n’est pas inutile de souligner que contrairement aux traditions postérieures, les musulmans respectèrent le culte chrétien et qu’une partie importante de la population de Narbonne conserva ses lois et ses traditions sous domination musulmane.“ Bearman et al., Arbūna, behaupten ohne Quellenangabe, dass auch Juden eine gewisse Rolle für den Handel mit al-Andalus zugekommen sei, legen diesen allerdings in die umayyadische Periode, d.h. also nach 756: „Narbonne and its region still maintained relations with the Umayyad court, Jewish merchants being particularly active in this respect.“</ref>
Zeile 39: Zeile 39:
Archibald Lewis betrachtet das fränkische Engagement in Septimanien und die schlussendliche Eroberungen diese Territoriums als Teil eines größeren Konfliktes zwischen den Karolingern und den ''principes'' Aquitaniens.<ref name="ftn57">Lewis, ''Development'', S. 20-33.</ref> Aquitanien war seit der Zeit Chlodwigs I. Teil des Frankenreiches gewesen, hatte jedoch zu Beginn des 8. Jahrhunderts einen hohen Grad an Autonomie erlangt.<ref name="ftn58">Lewis, ''Development'', S. 3-4.</ref> Dies hatte unter Karl Martell immer wieder zu Konflikten zwischen den karolingischen Hausmeiern und den ''principes'' geführt. Unter Pippin mündete dieser schwelende Konflikt endgültig in einen offenen Krieg. Direkt nach der Eroberung Narbonnes marschierte Pippins Heer weiter nach Aquitanien und besetzte den Südosten des Landes.<ref name="ftn59">Lewis, ''Development'', S. 26.</ref> Die nächsten neun Jahre scheint Pippin kontinuierlich einen äußerst destruktiven Krieg gegen Aquitanien geführt zu haben, der 768 zugunsten des karolingischen Frankenreiches endete.<ref name="ftn60">Lewis, ''Development'', S. 26-27.</ref> Lewis folgend erscheint es durchaus einleuchtend, die fränkische Eroberung Septimaniens als einen Baustein im Prozess der Durchsetzung eines karolingischen Herrschaftsanspruches im Süden des Frankenreiches zu betrachten: Wie Pippins Offensive im direkten Anschluss an die Eroberung Narbonnes zeigt, stellte Septimanien ein geeignetes Einfallstor in den Süden Aquitaniens dar.
Archibald Lewis betrachtet das fränkische Engagement in Septimanien und die schlussendliche Eroberungen diese Territoriums als Teil eines größeren Konfliktes zwischen den Karolingern und den ''principes'' Aquitaniens.<ref name="ftn57">Lewis, ''Development'', S. 20-33.</ref> Aquitanien war seit der Zeit Chlodwigs I. Teil des Frankenreiches gewesen, hatte jedoch zu Beginn des 8. Jahrhunderts einen hohen Grad an Autonomie erlangt.<ref name="ftn58">Lewis, ''Development'', S. 3-4.</ref> Dies hatte unter Karl Martell immer wieder zu Konflikten zwischen den karolingischen Hausmeiern und den ''principes'' geführt. Unter Pippin mündete dieser schwelende Konflikt endgültig in einen offenen Krieg. Direkt nach der Eroberung Narbonnes marschierte Pippins Heer weiter nach Aquitanien und besetzte den Südosten des Landes.<ref name="ftn59">Lewis, ''Development'', S. 26.</ref> Die nächsten neun Jahre scheint Pippin kontinuierlich einen äußerst destruktiven Krieg gegen Aquitanien geführt zu haben, der 768 zugunsten des karolingischen Frankenreiches endete.<ref name="ftn60">Lewis, ''Development'', S. 26-27.</ref> Lewis folgend erscheint es durchaus einleuchtend, die fränkische Eroberung Septimaniens als einen Baustein im Prozess der Durchsetzung eines karolingischen Herrschaftsanspruches im Süden des Frankenreiches zu betrachten: Wie Pippins Offensive im direkten Anschluss an die Eroberung Narbonnes zeigt, stellte Septimanien ein geeignetes Einfallstor in den Süden Aquitaniens dar.


Die vorliegenden Ausschnitte aus der ''Chronik von Aniane'' geben uns einen gewissen Einblick in die Eroberungspraxis der arabisch-islamischen Expansion. Sie zeigen uns, dass die Muslime es anscheinend verstanden, Gebiete durch eine Kombination aus Diplomatie und Krieg recht effektiv zu erobern. Indem sie unter bestimmten Bedingungen eine gewisse politische Autonomie gewährten, erleichterten sie es lokalen Eliten, sich den Eroberern anzuschließen, weil sie so den Blutzoll gering halten und gleichzeitig ihren Status unter der neuen Herrschaft erhalten konnten. Diese Praxis scheint jedoch auch Möglichkeiten zur Kooperation mit äußeren Kräften eröffnet zu haben – gerade in der umkämpften Grenzzone zwischen arabisch-islamischem und fränkischem Herrschaftsbereich, wo der Gote Ansemund und ein Teil des septimanischen Adels zu Pippin überliefen. Welche Motivationen dahinter standen, lässt sich angesichts der spärlichen Quellenaussagen ebensowenig rekonstruieren wie die Frage, welche Bedeutung neben politischen auch kulturellen oder religiösen Faktoren für diesen Schritt zukommt. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass für die hier geschilderten Ereignisse keine der angeführten Quellen eine grundsätzlich religiös begründete Feindschaft zwischen karolingischen Franken und Muslimen beschreibt, auch wenn die ''Annales Mettenses priores'' behaupten, Pippin habe „die Christen von der Knechtschaft der Sarazenen befreit“ (''Christianos de servitio Sarracenorum liberavit'').<ref name="ftn61">''Annales Mettenses Priores'', ed. Simson, a. 752, S. 43.</ref> Die hier beschriebenen Kämpfe zwischen Franken und Muslimen scheinen eher aus der Konfrontation zweier Expansionssphären zu resultieren – dem muslimischen Versuch, von al-Andalus aus einen Brückenkopf jenseits der Pyrenäen zu erhalten, und dem karolingischen Versuch, Vorherrschaft über den bisher relativ unabhängigen Südwesten des Frankenreiches zu gewinnen.<ref name="ftn62">Vgl. hierzu auch Collins, Deception, S. 227-247; Staudte-Lauber, Carlus princeps, S. 79-100.</ref> Pippin handelte nicht als „Verteidiger des Abendlandes“, der die Muslime als „Ungläubige“ bekämpfte: Nach der Eroberung Narbonnes zog er nach Aquitanien und bekämpfte dort Glaubensbrüder, deren Autonomiestreben eine Gefahr für den Herrschaftsanspruch eines Mannes darstellte, der gerade erst 751 die herrschende merowingische Dynastie abgesetzt und sich selbst zum König erhoben hatte und damit zum Begründer karolingischer Königsherrschaft geworden war: Septimanien stellte somit nur einen Trittstein auf seinem Weg nach Aquitanien und schließlich in die so genannte „spanische Mark“ dar<ref name="ftn63">Vgl. hierzu: [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/812:_Eine_Anweisung_Karls_des_Gro%C3%9Fen_bez%C3%BCglich_immigrierter_Hispani 812: Eine Anweisung Karls des Großen bezüglich immigrierter Hispani]<nowiki>; </nowiki>[https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/815:_Eine_Constitutio_Ludwigs_des_Frommen_zu_angesiedelten_Hispani_im_Frankenreich 815: Eine Constitutio Ludwigs des Frommen zu angesiedelten Hispani im Frankenreich].</ref>, nicht den Austragungsort eines Kampfes zweier Kulturen.|6=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">''Chronicon Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 1), Hannover: Hahn, 1826, S. 280-313.</div>
Die vorliegenden Ausschnitte aus der ''Chronik von Aniane'' geben uns einen gewissen Einblick in die Eroberungspraxis der arabisch-islamischen Expansion. Sie zeigen uns, dass die Muslime es anscheinend verstanden, Gebiete durch eine Kombination aus Diplomatie und Krieg recht effektiv zu erobern. Indem sie unter bestimmten Bedingungen eine gewisse politische Autonomie gewährten, erleichterten sie es lokalen Eliten, sich den Eroberern anzuschließen, weil sie so den Blutzoll gering halten und gleichzeitig ihren Status unter der neuen Herrschaft erhalten konnten. Diese Praxis scheint jedoch auch Möglichkeiten zur Kooperation mit äußeren Kräften eröffnet zu haben – gerade in der umkämpften Grenzzone zwischen arabisch-islamischem und fränkischem Herrschaftsbereich, wo der Gote Ansemund und ein Teil des septimanischen Adels zu Pippin überliefen. Welche Motivationen dahinter standen, lässt sich angesichts der spärlichen Quellenaussagen ebensowenig rekonstruieren wie die Frage, welche Bedeutung neben politischen auch kulturellen oder religiösen Faktoren für diesen Schritt zukommt. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass für die hier geschilderten Ereignisse keine der angeführten Quellen eine grundsätzlich religiös begründete Feindschaft zwischen karolingischen Franken und Muslimen beschreibt, auch wenn die ''Annales Mettenses priores'' behaupten, Pippin habe „die Christen von der Knechtschaft der Sarazenen befreit“ (''Christianos de servitio Sarracenorum liberavit'').<ref name="ftn61">''Annales Mettenses Priores'', ed. Simson, a. 752, S. 43.</ref> Die hier beschriebenen Kämpfe zwischen Franken und Muslimen scheinen eher aus der Konfrontation zweier Expansionssphären zu resultieren – dem muslimischen Versuch, von al-Andalus aus einen Brückenkopf jenseits der Pyrenäen zu erhalten, und dem karolingischen Versuch, Vorherrschaft über den bisher relativ unabhängigen Südwesten des Frankenreiches zu gewinnen.<ref name="ftn62">Vgl. hierzu auch Collins, Deception, S. 227-247; Staudte-Lauber, Carlus princeps, S. 79-100.</ref> Pippin handelte nicht als „Verteidiger des Abendlandes“, der die Muslime als „Ungläubige“ bekämpfte: Nach der Eroberung Narbonnes zog er nach Aquitanien und bekämpfte dort Glaubensbrüder, deren Autonomiestreben eine Gefahr für den Herrschaftsanspruch eines Mannes darstellte, der gerade erst 751 die herrschende merowingische Dynastie abgesetzt und sich selbst zum König erhoben hatte und damit zum Begründer karolingischer Königsherrschaft geworden war: Septimanien stellte somit nur einen Trittstein auf seinem Weg nach Aquitanien und schließlich in die so genannte „spanische Mark“ dar<ref name="ftn63">Vgl. hierzu: [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/812:_Eine_Anweisung_Karls_des_Gro%C3%9Fen_bez%C3%BCglich_immigrierter_Hispani 812: Eine Anweisung Karls des Großen bezüglich immigrierter Hispani]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/815:_Eine_Constitutio_Ludwigs_des_Frommen_zu_angesiedelten_Hispani_im_Frankenreich 815: Eine Constitutio Ludwigs des Frommen zu angesiedelten Hispani im Frankenreich].</ref>, nicht den Austragungsort eines Kampfes zweier Kulturen.|6=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">''Chronicon Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 1), Hannover: Hahn, 1826, S. 280-313.</div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">''Ex Chronico Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 2), Hannover: Hahn, 1829, S. 257-259.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">''Ex Chronico Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 2), Hannover: Hahn, 1829, S. 257-259.</div>
Zeile 71: Zeile 71:
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Lévi-Provençal, Évariste: La “description de l’Espagne” d’Aḥmad al-Rāzī. Essai de reconstitution de l’original arabe et traduction française, in'': al-Andalus'' 18 (1953), S. 51-108.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Lévi-Provençal, Évariste: La “description de l’Espagne” d’Aḥmad al-Rāzī. Essai de reconstitution de l’original arabe et traduction française, in'': al-Andalus'' 18 (1953), S. 51-108.</div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Lewicki, T., Ibn ʿAbd al-Munʿim {{anchor|Hlk27737536}} al-Ḥimyarī, in: ''Encyclopaedia of Islam'', [http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_SIM_3030 http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_SIM_3030] (Zugriff 20.12.2019).</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Lewicki, T.: Ibn ʿAbd al-Munʿim al-Ḥimyarī, in: ''Encyclopaedia of Islam'', [http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_SIM_3030 http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_SIM_3030] (Zugriff 20.12.2019).</div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Lewis, Archibald Ross: ''The Development of Southern French and Catalan Society (718-1050)'', Austin: University of Texas Press, 1965.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Lewis, Archibald Ross: ''The Development of Southern French and Catalan Society (718-1050)'', Austin: University of Texas Press, 1965.</div>
Zeile 81: Zeile 81:
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Rouche, Michel: ''L’Aquitaine des Wisigoths aux Arabes (418-781). Naissance d’une Région'', Paris: École des Hautes Études en Science Sociales, 1979.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Rouche, Michel: ''L’Aquitaine des Wisigoths aux Arabes (418-781). Naissance d’une Région'', Paris: École des Hautes Études en Science Sociales, 1979.</div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Sénac, Philippe: {{anchor|Hlk12191977}} ''Les Carolingiens et al-Andalus (VIII<sup>e</sup>-IX<sup>e</sup> siècles)'', Paris: Maisonneuve et Larose, 2002.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Sénac, Philippe: ''Les Carolingiens et al-Andalus (VIII<sup>e</sup>-IX<sup>e</sup> siècles)'', Paris: Maisonneuve et Larose, 2002.</div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Sénac, Philippe: ''Musulmans et Sarrasins dans le sud de la Gaule (VIII. - XI. siècle)'', Paris: Le Sycomore, 1980.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Sénac, Philippe: ''Musulmans et Sarrasins dans le sud de la Gaule (VIII. - XI. siècle)'', Paris: Le Sycomore, 1980.</div>
Zeile 87: Zeile 87:
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Staudte-Lauber, Annalena: Carlus princeps regionem Burgundie sagaciter penetravit: Zur Schlacht von Tours und Poities und dem Eingreifen Karl Martells in Burgund, in: Jörg Jarnut, Ulrich Nonn, Michael Richter (Hrsg.), ''Karl Martell in seiner Zeit'', Sigmaringen: Thorbecke, 1994, S. 79-100.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Staudte-Lauber, Annalena: Carlus princeps regionem Burgundie sagaciter penetravit: Zur Schlacht von Tours und Poities und dem Eingreifen Karl Martells in Burgund, in: Jörg Jarnut, Ulrich Nonn, Michael Richter (Hrsg.), ''Karl Martell in seiner Zeit'', Sigmaringen: Thorbecke, 1994, S. 79-100.</div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Wolfram, Herwig: ''Die Goten von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie'', München: C.H. Beck, 2001.</div>|8=al-Andalus, Aquitanien, Benedikt von Aniane, ḏimma / dhimma, Eroberung, Franken, fränkisch-gotische Beziehungen, Friedensvertrag, Garnisonen, Goten, Karolinger, Konflikt, Militär, muslimische Herrschaft, Narbonne, Razzien, Sarazenen, Schlacht, Septimanien, Statthalter, Südfrankreich, Westgoten, Westgotenreich|3a=Sema rex sarracenorum post VIIII anno quam in Spania ingressi sunt sarraceni; narbonam obsidet obsessamque capit; uirosque ciuitatis illius gladio perimi iussit; mulieres uero vel paruulos captiuos in spaniam ducunt.|3b=Et in ipso anno mense tercio ad obsidendam tolosam pergunt. Quam dum obsiderent; exiit obuiam eis eudo princebs aquitanie; cum exercitu aquitaniorum uel franchorum. Et comisit cum eis proelium. Et dum preliare cepissent terga uersus est exercitus sarracenorum maximaque pars ibi cecidit gladio.|3c=Ambisa rex sarracenorum cum ingenti exercitu post V anno gallias aggreditur carcassonam expugnat et capit; et usque nemauso pace conquisiuit et obsides eorum barchinona transmittit. (…)|3d=Anno DCCLII Ansemundus gotus nemauso ciuitatem magdalonam; Agathen Biterris pipino regi franchorum tradidit ex eo die franci narbonam infestant Vuaifarium principem aquitanie Pipinus persequitur; eo quod nollet se dicioni illius dare sicut eudo fecerat karolo patri eius.|3e=Anno DCCLVIIII franci narbonam obsident datoque sacramento gotis qui ibi erant ut si ciuitatem partibus traderent pipini regis franchorum; permitterent eos legem suam habere; quo facto; ipsi goti sarracenos qui in presidio illius erant occidunt ipsamque ciuitatem partibus franchorum tradunt.|4a=Al-Samḥ, der König der Sarazenen, belagerte neun Jahre, nachdem die Sarazenen in Spanien eingefallen waren, Narbonne und eroberte die belagerte Stadt. Er befahl, die Männer dieser Stadt mit dem Schwert zu erschlagen. Die Frauen und die Kleinkinder aber führten sie nach Spanien in die Gefangenschaft.|4b=Im selben Jahr, im dritten Monat, rückten sie nach Toulouse vor, um es zu belagern. Während sie die Stadt belagerten zog Eudo, der Fürst Aquitaniens, mit einem Heer von Aquitaniern und auch Franken gegen sie aus. Er suchte mit ihnen die Schlacht. Und als sie angefangen hatten zu kämpfen, wandte sich das Heer der Sarazenen zur Flucht und der größte Teil starb durch das Schwert.|4c=ʿAnbasa, der König der Sarazenen, griff nach fünf Jahren [725] Gallien mit einem gewaltigen Heer an, erstürmte und eroberte Carcassonne, erwarb Nîmes durch einen Friedensvertrag und schickte deren Geiseln nach Barcelona. (…)|4d=Im Jahre 752 übergab der Gote Ansemund die Stadt Nîmes, Maguelone, Agde und Béziers an Pippin, den König der Franken. Von diesem Tag an bedrängten die Franken Narbonne. Pippin stellte Waifar, dem Fürsten von Aquitanien, nach, da sich dieser nicht seiner Befehlsgewalt unterstellen wollte, so wie dies schon Eudo gegenüber seinem Vater Karl getan hatte.|4e=Im Jahre 759 belagerten die Franken Narbonne, nachdem er [Pippin] den Goten, welche dort waren einen Eid geschworen hatte, wonach dieser ihnen erlauben würde, ihre Gesetze zu behalten, wenn sie die Stadt den Herrschaftsgebieten (partibus) Pippins, des Königs der Franken, übergeben würden. Dieselben Goten erschlugen die Sarazenen, die ihr [der Stadt] vorstanden (''in presidio illius erant''), und übergaben die Stadt den Herrschaftsgebieten der Franken.}}
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Wolfram, Herwig: ''Die Goten von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie'', München: C.H. Beck, 2001.</div>|8=al-Andalus, Aquitanien, Benedikt von Aniane, ḏimma / dhimma, Eroberung, Franken, fränkisch-gotische Beziehungen, Friedensvertrag, Garnisonen, Goten, Karolinger, Konflikt, Militär, muslimische Herrschaft, Narbonne, Razzien, Sarazenen, Schlacht, Septimanien, Statthalter, Südfrankreich, Westgoten, Westgotenreich|3a=''Sema rex sarracenorum post VIIII anno quam in Spania ingressi sunt sarraceni; narbonam obsidet obsessamque capit; uirosque ciuitatis illius gladio perimi iussit; mulieres uero vel paruulos captiuos in spaniam ducunt.''|3b=''Et in ipso anno mense tercio ad obsidendam tolosam pergunt. Quam dum obsiderent; exiit obuiam eis eudo princebs aquitanie; cum exercitu aquitaniorum uel franchorum. Et comisit cum eis proelium. Et dum preliare cepissent terga uersus est exercitus sarracenorum maximaque pars ibi cecidit gladio.''|3c=''Ambisa rex sarracenorum cum ingenti exercitu post V anno gallias aggreditur carcassonam expugnat et capit; et usque nemauso pace conquisiuit et obsides eorum barchinona transmittit. (…)''|3d=''Anno DCCLII Ansemundus gotus nemauso ciuitatem magdalonam; Agathen Biterris pipino regi franchorum tradidit ex eo die franci narbonam infestant Vuaifarium principem aquitanie Pipinus persequitur; eo quod nollet se dicioni illius dare sicut eudo fecerat karolo patri eius.''|3e=''Anno DCCLVIIII franci narbonam obsident datoque sacramento gotis qui ibi erant ut si ciuitatem partibus traderent pipini regis franchorum; permitterent eos legem suam habere; quo facto; ipsi goti sarracenos qui in presidio illius erant occidunt ipsamque ciuitatem partibus franchorum tradunt.''|4a=Al-Samḥ, der König der Sarazenen, belagerte neun Jahre, nachdem die Sarazenen in Spanien eingefallen waren, Narbonne und eroberte die belagerte Stadt. Er befahl, die Männer dieser Stadt mit dem Schwert zu erschlagen. Die Frauen und die Kleinkinder aber führten sie nach Spanien in die Gefangenschaft.|4b=Im selben Jahr, im dritten Monat, rückten sie nach Toulouse vor, um es zu belagern. Während sie die Stadt belagerten zog Eudo, der Fürst Aquitaniens, mit einem Heer von Aquitaniern und auch Franken gegen sie aus. Er suchte mit ihnen die Schlacht. Und als sie angefangen hatten zu kämpfen, wandte sich das Heer der Sarazenen zur Flucht und der größte Teil starb durch das Schwert.|4c=ʿAnbasa, der König der Sarazenen, griff nach fünf Jahren [725] Gallien mit einem gewaltigen Heer an, erstürmte und eroberte Carcassonne, erwarb Nîmes durch einen Friedensvertrag und schickte deren Geiseln nach Barcelona. (…)|4d=Im Jahre 752 übergab der Gote Ansemund die Stadt Nîmes, Maguelone, Agde und Béziers an Pippin, den König der Franken. Von diesem Tag an bedrängten die Franken Narbonne. Pippin stellte Waifar, dem Fürsten von Aquitanien, nach, da sich dieser nicht seiner Befehlsgewalt unterstellen wollte, so wie dies schon Eudo gegenüber seinem Vater Karl getan hatte.|4e=Im Jahre 759 belagerten die Franken Narbonne, nachdem er [Pippin] den Goten, welche dort waren einen Eid geschworen hatte, wonach dieser ihnen erlauben würde, ihre Gesetze zu behalten, wenn sie die Stadt den Herrschaftsgebieten (partibus) Pippins, des Königs der Franken, übergeben würden. Dieselben Goten erschlugen die Sarazenen, die ihr [der Stadt] vorstanden (''in presidio illius erant''), und übergaben die Stadt den Herrschaftsgebieten der Franken.}}
Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von Transmed Wiki. Durch die Nutzung von Transmed Wiki erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.

Navigationsmenü