719-759: Das Chronicon Anianense zu Beginn und Ende muslimischer Herrschaft über Septimanien: Unterschied zwischen den Versionen

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[§1] Die vorliegenden Auszüge stammen aus dem ''Chronicon Anianense'' bzw. der ''Chronik von Aniane'', einem Geschichtswerk aus dem Südwesten des heutigen Frankreich, dessen überliefertes Manuskript (Paris BN lat. 5941) auf das 12. Jahrhundert datiert wird.
[§1] Die vorliegenden Auszüge stammen aus dem ''Chronicon Anianense'' bzw. der ''Chronik von Aniane'', einem Geschichtswerk aus dem Südwesten des heutigen Frankreich, dessen überliefertes Manuskript (Paris BN lat. 5941) auf das 12. Jahrhundert datiert wird.


Lange wurde davon ausgegangen, dass die ''Chronik von Aniane'' in weiten Teilen eine Kopie der bekannteren ''Chronik von Moissac'' (''Chronicon Moissiacense'') aus dem frühen 9. Jahrhundert darstelle. Deshalb wurde sie in der Regel nur herangezogen, wenn es galt, die durch Blattverlust entstandenen Lücken der ''Chronik von Moissac'' zu füllen, so geschehen u. a. in der lange autoritativen Edition von Georg Heinrich Pertz im ersten Band der ''Monumenta Germaniae Historica''.<ref name="ftn1">''Chronicon Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 1), Hannover: Hahn’sche Hofbuchhandlung, 1826, S. 280-313.</ref> Beide Chroniken sind jeweils nur in einem Manuskript erhalten und zeichnen sich durch eine besondere Fülle an Informationen aus dem Südwesten des Frankenreiches aus. Viele der in ihnen verzeichneten Nachrichten aus Aquitanien, Septimanien und der sogenannten Spanischen Mark lassen sich nur dort finden.<ref name="ftn2">Kettemann, ''Subsidia'', S. 33, Anm. 1.</ref>
[§2] Lange wurde davon ausgegangen, dass die ''Chronik von Aniane'' in weiten Teilen eine Kopie der bekannteren ''Chronik von Moissac'' (''Chronicon Moissiacense'') aus dem frühen 9. Jahrhundert darstelle. Deshalb wurde sie in der Regel nur herangezogen, wenn es galt, die durch Blattverlust entstandenen Lücken der ''Chronik von Moissac'' zu füllen, so geschehen u. a. in der lange autoritativen Edition von Georg Heinrich Pertz im ersten Band der ''Monumenta Germaniae Historica''.<ref name="ftn1">''Chronicon Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 1), Hannover: Hahn’sche Hofbuchhandlung, 1826, S. 280-313.</ref> Beide Chroniken sind jeweils nur in einem Manuskript erhalten und zeichnen sich durch eine besondere Fülle an Informationen aus dem Südwesten des Frankenreiches aus. Viele der in ihnen verzeichneten Nachrichten aus Aquitanien, Septimanien und der sogenannten Spanischen Mark lassen sich nur dort finden.<ref name="ftn2">Kettemann, ''Subsidia'', S. 33, Anm. 1.</ref>


In seiner im Jahre 2000 erschienen Dissertation über Benedikt von Aniane (um 750-821) und die sogenannte anianische Reform hat Walter Kettemann eine synoptische Edition der beiden Chroniken auf Basis der Originalmanuskripte erstellt.<ref name="ftn3">Kettemann, ''Subsidia'', Beilage 2.</ref> Auf der Grundlage seiner vergleichenden Textanalyse stellt er die These auf, dass beide Chroniken auf derselben Vorlage basieren.<ref name="ftn4">Ebenda, S. 485.</ref> Dieser Vorlage gab Kettemann nach Benedikt von Aniane (um 750-821) den Namen ''Annales Benedicti Anianenses''. Er geht davon aus, dass der Auftrag zur Erstellung dieser hypothetischen Chronik von Benedikt selbst oder zumindest aus seinem Umkreis stammte, und nennt hierfür eine Reihe von Argumenten. Unter anderem zeigt er auf, dass beide Chroniken zwar üblicherweise nur sehr spärlich über Vorgänge im restlichen Reich berichten, während die Passagen zu Benedikts Aufenthalt im Norden über Vorgänge in Sachsen aber sehr gut informiert zu sein scheinen.<ref name="ftn5">Ebenda, S. 485-486.</ref> Erachtet man die These von Kettemann für plausibel, hätte dies gewichtige Konsequenzen für den Wert der Nachrichten in der Chronik. Benedikt, dessen ursprünglicher Name Witiza (lat. ''Euticius'') lautete, war nämlich als Sohn des westgotischen Grafen von Maguelone in Septimanien geboren worden.<ref name="ftn6">Bacht und Semmler, Benedikt, Sp. 1864-1867.</ref> Somit war Benedikt der Sohn eines der Magnaten um den Goten Ansemund, die mit König Pippin kooperiert und damit einen Beitrag zur Beendigung der muslimischen Herrschaft in Septimanien geleistet hatten.<ref name="ftn7">Riess, ''Narbonne'', S. 227.</ref> Damit hätte der Verfasser potenziell die Möglichkeit gehabt, mit Personen aus dem Umkreis derjenigen Eliten zu sprechen, welche zuerst mit den Muslimen und dann mit den Franken kooperiert hatten. Damit würde es sich bei der Vorlage zu den Chroniken von Moissac und Aniane um eine sehr zeitnah entstandene und glaubwürdige Quelle zur Eroberung Septimaniens durch die Franken handeln.
[§3] In seiner im Jahre 2000 erschienen Dissertation über Benedikt von Aniane (um 750-821) und die sogenannte anianische Reform hat Walter Kettemann eine synoptische Edition der beiden Chroniken auf Basis der Originalmanuskripte erstellt.<ref name="ftn3">Kettemann, ''Subsidia'', Beilage 2.</ref> Auf der Grundlage seiner vergleichenden Textanalyse stellt er die These auf, dass beide Chroniken auf derselben Vorlage basieren.<ref name="ftn4">Ebenda, S. 485.</ref> Dieser Vorlage gab Kettemann nach Benedikt von Aniane (um 750-821) den Namen ''Annales Benedicti Anianenses''. Er geht davon aus, dass der Auftrag zur Erstellung dieser hypothetischen Chronik von Benedikt selbst oder zumindest aus seinem Umkreis stammte, und nennt hierfür eine Reihe von Argumenten. Unter anderem zeigt er auf, dass beide Chroniken zwar üblicherweise nur sehr spärlich über Vorgänge im restlichen Reich berichten, während die Passagen zu Benedikts Aufenthalt im Norden über Vorgänge in Sachsen aber sehr gut informiert zu sein scheinen.<ref name="ftn5">Ebenda, S. 485-486.</ref> Erachtet man die These von Kettemann für plausibel, hätte dies gewichtige Konsequenzen für den Wert der Nachrichten in der Chronik. Benedikt, dessen ursprünglicher Name Witiza (lat. ''Euticius'') lautete, war nämlich als Sohn des westgotischen Grafen von Maguelone in Septimanien geboren worden.<ref name="ftn6">Bacht und Semmler, Benedikt, Sp. 1864-1867.</ref> Somit war Benedikt der Sohn eines der Magnaten um den Goten Ansemund, die mit König Pippin kooperiert und damit einen Beitrag zur Beendigung der muslimischen Herrschaft in Septimanien geleistet hatten.<ref name="ftn7">Riess, ''Narbonne'', S. 227.</ref> Damit hätte der Verfasser potenziell die Möglichkeit gehabt, mit Personen aus dem Umkreis derjenigen Eliten zu sprechen, welche zuerst mit den Muslimen und dann mit den Franken kooperiert hatten. Damit würde es sich bei der Vorlage zu den Chroniken von Moissac und Aniane um eine sehr zeitnah entstandene und glaubwürdige Quelle zur Eroberung Septimaniens durch die Franken handeln.


==Inhalt & Quellenkontext==
==Inhalt & Quellenkontext==
Bis zur muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel im Jahre 92/711 hatte Narbonne, das Zentrum Septimaniens, als Teil des Westgotenreiches gegolten und war vielleicht von einigen westgotischen Adligen als Rückzugsort genutzt worden. Noch in den ersten zwei Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts stand es unter der Herrschaft eines gewissen Achila II. (regn. 710-713/ 714) und seines Nachfolgers Ardo (regn. 713/ 714-720).<ref name="ftn8">Collins, ''Visigothic Spain'', S. 139-140; Claude, ''Geschichte'', S. 84.</ref>
[§4] Bis zur muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel im Jahre 92/711 hatte Narbonne, das Zentrum Septimaniens, als Teil des Westgotenreiches gegolten und war vielleicht von einigen westgotischen Adligen als Rückzugsort genutzt worden. Noch in den ersten zwei Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts stand es unter der Herrschaft eines gewissen Achila II. (regn. 710-713/ 714) und seines Nachfolgers Ardo (regn. 713/ 714-720).<ref name="ftn8">Collins, ''Visigothic Spain'', S. 139-140; Claude, ''Geschichte'', S. 84.</ref>


Über die Ereignisse auf der Iberischen Halbinsel und in Septimanien zwischen 711 und 720 gibt die ''Chronik von Aniane'' keine Auskunft. Die Muslime treten mit der hier zitierten Passage in die Erzählung ein. Sie beginnt mit dem Bericht von der Eroberung Narbonnes durch den Statthalter von al-Andalus, al-Samḥ (regn. 100-102/719-721), der hier als ''Sema rex sarracenorum'' bezeichnet wird.<ref name="ftn9">Die Titulierung des jeweiligen Statthalters als einen ''rex sarracenorum'' ist in den zeitgenössischen Quellen üblich, so auch in der ''Continuatia Hispana a. DCCLIV'', ed. Theodor Mommsen (MGH AA 11), Berlin: Weidmann, 1894, S. 323-369; vgl. ''Chronica muzarabica'', ed. Juan Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), Madrid: 1973, S. 15-54.</ref> Die Eroberung wird auf das Jahr 720 datiert. Die Frauen und Kinder werden versklavt, die Männer hingegen erschlagen. Über die anderen Städte Septimaniens wird in diesem Zusammenhang nichts berichtet. Im Anschluss rücken die Muslime auf Toulouse in Aquitanien vor und belagern es. Dort werden sie jedoch von Eudo, dem ''princeps'' von Aquitanien, mit einem Heer aus Aquitaniern und Franken vernichtend geschlagen.<ref name="ftn10">Vgl. hierzu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/731:_Die_Chronica_muzarabica_zur_Ehe_des_Berbers_Munnuz_mit_der_Tochter_von_Eudo,_dux_von_Aquitanien#cite_ref-ftn4_4-0 731: Die Chronica muzarabica zur Ehe des Berbers Munnuz mit der Tochter von Eudo, dux von Aquitanien].</ref> Die Quelle berichtet weiterhin von der Eroberung Carcassonnes und von Nîmes im Jahre 725 durch den Statthalter ʿAnbasa (''Ambisa rex sarracenorum'', regn. 102-107/ 721-726). Carcassonne wird mit Gewalt erobert, Nîmes hingegen kann im Rahmen einer friedlichen Kapitulation gewonnen werden. Vermutlich um die Loyalität der Bewohner von Nîmes zu garantieren, werden diese verpflichtet, Geiseln nach Barcelona zu schicken. Direkt im Anschluss soll ʿAnbasa mehrere Razzien in die umliegenden Regionen durchgeführt haben, von denen eine ihn sogar bis nach Autun im Herzen Burgunds geführt haben soll.<ref name="ftn11">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 24. Dazu auch: Lewis, ''Development'', S. 21.</ref>
[§5] Über die Ereignisse auf der Iberischen Halbinsel und in Septimanien zwischen 711 und 720 gibt die ''Chronik von Aniane'' keine Auskunft. Die Muslime treten mit der hier zitierten Passage in die Erzählung ein. Sie beginnt mit dem Bericht von der Eroberung Narbonnes durch den Statthalter von al-Andalus, al-Samḥ (regn. 100-102/719-721), der hier als ''Sema rex sarracenorum'' bezeichnet wird.<ref name="ftn9">Die Titulierung des jeweiligen Statthalters als einen ''rex sarracenorum'' ist in den zeitgenössischen Quellen üblich, so auch in der ''Continuatia Hispana a. DCCLIV'', ed. Theodor Mommsen (MGH AA 11), Berlin: Weidmann, 1894, S. 323-369; vgl. ''Chronica muzarabica'', ed. Juan Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), Madrid: 1973, S. 15-54.</ref> Die Eroberung wird auf das Jahr 720 datiert. Die Frauen und Kinder werden versklavt, die Männer hingegen erschlagen. Über die anderen Städte Septimaniens wird in diesem Zusammenhang nichts berichtet. Im Anschluss rücken die Muslime auf Toulouse in Aquitanien vor und belagern es. Dort werden sie jedoch von Eudo, dem ''princeps'' von Aquitanien, mit einem Heer aus Aquitaniern und Franken vernichtend geschlagen.<ref name="ftn10">Vgl. hierzu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/731:_Die_Chronica_muzarabica_zur_Ehe_des_Berbers_Munnuz_mit_der_Tochter_von_Eudo,_dux_von_Aquitanien#cite_ref-ftn4_4-0 731: Die Chronica muzarabica zur Ehe des Berbers Munnuz mit der Tochter von Eudo, dux von Aquitanien].</ref> Die Quelle berichtet weiterhin von der Eroberung Carcassonnes und von Nîmes im Jahre 725 durch den Statthalter ʿAnbasa (''Ambisa rex sarracenorum'', regn. 102-107/ 721-726). Carcassonne wird mit Gewalt erobert, Nîmes hingegen kann im Rahmen einer friedlichen Kapitulation gewonnen werden. Vermutlich um die Loyalität der Bewohner von Nîmes zu garantieren, werden diese verpflichtet, Geiseln nach Barcelona zu schicken. Direkt im Anschluss soll ʿAnbasa mehrere Razzien in die umliegenden Regionen durchgeführt haben, von denen eine ihn sogar bis nach Autun im Herzen Burgunds geführt haben soll.<ref name="ftn11">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 24. Dazu auch: Lewis, ''Development'', S. 21.</ref>


Im Anschluss berichtet uns die ''Chronik von Aniane'' über den Herrschaftsantritt von ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAbd Allāh al-Ġāfiqī (regn. 112-14/730-732) als Statthalter von al-Andalus und seine Razzia gegen Eudo. Auch die daraus resultierende Schlacht von Poitiers gegen Karl Martell (regn. 719-741) und der Schlachtentod des Statthalters finden in der Quelle Erwähnung.<ref name="ftn12">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 25.</ref> Für das Jahr 735 berichtet die Chronik von der Überquerung der Rhone durch ein muslimisches Heer und der Verwüstung der Provence in den darauffolgenden vier Jahren.<ref name="ftn13">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 26. In der Quelle ist von der ''arelatensem prouinciam'' die Rede. Damit ist das Gebiet rechts der Rhone gemeint.</ref> Nachdem er diese Nachricht vernommen hat, so wird weiter berichtet, bricht Karl Martell mit einem Heer auf, vertreibt die Muslime aus der Provence und beginnt, Narbonne zu belagern. Ihm marschiert jedoch ein Entsatzheer aus al-Andalus entgegen, welches er jedoch zu besiegen vermag. Er zieht sich daraufhin aus Septimanien zurück, jedoch nicht ohne große Beute zu machen und Verwüstungen anzurichten.<ref name="ftn14">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 28.</ref>
[§6] Im Anschluss berichtet uns die ''Chronik von Aniane'' über den Herrschaftsantritt von ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAbd Allāh al-Ġāfiqī (regn. 112-14/730-732) als Statthalter von al-Andalus und seine Razzia gegen Eudo. Auch die daraus resultierende Schlacht von Poitiers gegen Karl Martell (regn. 719-741) und der Schlachtentod des Statthalters finden in der Quelle Erwähnung.<ref name="ftn12">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 25.</ref> Für das Jahr 735 berichtet die Chronik von der Überquerung der Rhone durch ein muslimisches Heer und der Verwüstung der Provence in den darauffolgenden vier Jahren.<ref name="ftn13">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 26. In der Quelle ist von der ''arelatensem prouinciam'' die Rede. Damit ist das Gebiet rechts der Rhone gemeint.</ref> Nachdem er diese Nachricht vernommen hat, so wird weiter berichtet, bricht Karl Martell mit einem Heer auf, vertreibt die Muslime aus der Provence und beginnt, Narbonne zu belagern. Ihm marschiert jedoch ein Entsatzheer aus al-Andalus entgegen, welches er jedoch zu besiegen vermag. Er zieht sich daraufhin aus Septimanien zurück, jedoch nicht ohne große Beute zu machen und Verwüstungen anzurichten.<ref name="ftn14">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 28.</ref>


Die beiden Einträge der ''Chronik von Aniane ''für die Jahre 752 und 759 berichten ausführlich davon, wie Pippin dem Jüngeren (regn. 741-751 als ''maior domus'', 751-768 als ''rex'') die Eroberung Septimaniens angeht.<ref name="ftn15">Der einzige Parallelbericht findet sich in den weniger detaillierten ''Annales Mettenses Priores'', ed. Bernhard von Simson (MGH SS rer. Germ. 10), Hannover: Hahn, 1905, S. 43-44, a. 752.</ref> Der Chronik zufolge übergibt ein Gote namens Ansemund (''Ansemundus gotus'') König Pippin mehrere Städte (Nîmes, Maguelone, Agde, Béziers, alle im Nordosten Septimaniens). Auch Pippins Konflikt mit ''princeps'' Waifar von Aquitanien (regn. 745-768) findet Erwähnung. Die endgültige Eroberung Septimaniens zieht sich jedoch bis 759 hin. Narbonne kann erst eingenommen werden, nachdem Pippin den Goten innerhalb der Stadt durch Eid garantiert hat, dass er im Falle einer Übergabe ihre Rechte und Autonomie respektieren würde. Daraufhin wird die sarazenische Besatzung von den Goten getötet. Im Anschluss berichtet die Chronik nur noch sehr knapp über Pippins Sieg über Waifar sowie über Pippins Tod.<ref name="ftn16">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 37.</ref>
[§7] Die beiden Einträge der ''Chronik von Aniane ''für die Jahre 752 und 759 berichten ausführlich davon, wie Pippin dem Jüngeren (regn. 741-751 als ''maior domus'', 751-768 als ''rex'') die Eroberung Septimaniens angeht.<ref name="ftn15">Der einzige Parallelbericht findet sich in den weniger detaillierten ''Annales Mettenses Priores'', ed. Bernhard von Simson (MGH SS rer. Germ. 10), Hannover: Hahn, 1905, S. 43-44, a. 752.</ref> Der Chronik zufolge übergibt ein Gote namens Ansemund (''Ansemundus gotus'') König Pippin mehrere Städte (Nîmes, Maguelone, Agde, Béziers, alle im Nordosten Septimaniens). Auch Pippins Konflikt mit ''princeps'' Waifar von Aquitanien (regn. 745-768) findet Erwähnung. Die endgültige Eroberung Septimaniens zieht sich jedoch bis 759 hin. Narbonne kann erst eingenommen werden, nachdem Pippin den Goten innerhalb der Stadt durch Eid garantiert hat, dass er im Falle einer Übergabe ihre Rechte und Autonomie respektieren würde. Daraufhin wird die sarazenische Besatzung von den Goten getötet. Im Anschluss berichtet die Chronik nur noch sehr knapp über Pippins Sieg über Waifar sowie über Pippins Tod.<ref name="ftn16">''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, S. 37.</ref>


Die ''Chronik von Aniane'' datiert die Eroberung Narbonnes auf das Jahr 720, während die Forschung gute Gründe dafür anführt, sie in die Mitte des Jahres 719 zu legen.<ref name="ftn17">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 16.</ref> In einigen arabischen Quellen wird behauptet, die Eroberung Narbonnes sei schon früher, nämlich durch Mūsā b. Nuṣayr, den ersten Statthalter von al-Andalus (regn. 93-95/712-714) erfolgt. Bei allen Berichten über die Eroberung Narbonnes oder anderer Städte nördlich der Pyrenäen durch Mūsā handelt es sich allerdings um sehr viel spätere und legendenhafte Berichte, welche dazu neigen, die Taten Mūsās auszuschmücken.<ref name="ftn18">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalu'', S. 14, nennt in diesem Kontext die Autoren Ibn Ḥayyān (gest. 469/1076) und al-Ḥimyarī, dessen Werk vermutlich spätestens im 7./13. Jahrhundert verfasst wurden.</ref> Einer weit verbreiteten Erzählung zufolge erreichten Mūsā und sein Heer nördlich von Narbonne einen Tempel mit einer Inschrift in arabischer Sprache und Schrift. Sie habe den „Söhnen Ismaels“ Unheil prophezeit, würden sie nicht umkehren.<ref name="ftn19">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 15. Eine ausführliche Diskussion bei Codera, Narbona, S. 182-183.</ref> Ferner gibt es Berichte, denen zufolge Mūsās Sohn ʿAbd al-ʿAzīz Narbonne erobert habe bzw. ein gewisser ʿUmar b. ʿAbd al-ʿAzīz, vielleicht ein Sohn des Letzteren, mit einer Schwadron die Stadt erreicht habe.<ref name="ftn20">Vgl. hierzu Bearman et al., Arbūna, zu ʿAbd al-ʿAzīz. Siehe Ibn ʿAbd al-Ḥakam (gest. 257/871), Futūḥ Miṣr wa-aḫbāruhā, ed. Charles Torrey, Kairo: Madbūlī, 1999, S. 208, zur Schwadron des ʿUmar b. ʿAbd al-ʿAzīz. Ibn ʿAbd al-Ḥakam berichtet auch, dass erzählt werde, Mūsās General, Ṭāriq b. Ziyād, habe in Narbonne den legendären Tisch Salomos erhalten, der in vielen Eroberungslegenden der Iberischen Halbinsel erwähnt wird. Siehe auch Codera, Narbona, S. 183-184.</ref> Tatsächlich ist die Chronologie der muslimischen Kampagnen nach Mūsās Eroberung Saragossas im Frühling 95/714 im Grunde ungeklärt.<ref name="ftn21">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 14.</ref> Die Operationen ʿAnbasas in den 720ern und jene ʿAbd al-Raḥmāns in den 730ern finden in der arabischen Tradition allerdings deutlichen Widerhall.<ref name="ftn22">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 14.</ref> Festhalten lässt sich ebenso, dass Narbonne in allen bedeutenden Werken der arabisch-islamischen Geographie als Ort erwähnt war, der einmal unter muslimischer Herrschaft stand.<ref name="ftn23">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 17.</ref>
[§8] Die ''Chronik von Aniane'' datiert die Eroberung Narbonnes auf das Jahr 720, während die Forschung gute Gründe dafür anführt, sie in die Mitte des Jahres 719 zu legen.<ref name="ftn17">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 16.</ref> In einigen arabischen Quellen wird behauptet, die Eroberung Narbonnes sei schon früher, nämlich durch Mūsā b. Nuṣayr, den ersten Statthalter von al-Andalus (regn. 93-95/712-714) erfolgt. Bei allen Berichten über die Eroberung Narbonnes oder anderer Städte nördlich der Pyrenäen durch Mūsā handelt es sich allerdings um sehr viel spätere und legendenhafte Berichte, welche dazu neigen, die Taten Mūsās auszuschmücken.<ref name="ftn18">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalu'', S. 14, nennt in diesem Kontext die Autoren Ibn Ḥayyān (gest. 469/1076) und al-Ḥimyarī, dessen Werk vermutlich spätestens im 7./13. Jahrhundert verfasst wurden.</ref> Einer weit verbreiteten Erzählung zufolge erreichten Mūsā und sein Heer nördlich von Narbonne einen Tempel mit einer Inschrift in arabischer Sprache und Schrift. Sie habe den „Söhnen Ismaels“ Unheil prophezeit, würden sie nicht umkehren.<ref name="ftn19">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 15. Eine ausführliche Diskussion bei Codera, Narbona, S. 182-183.</ref> Ferner gibt es Berichte, denen zufolge Mūsās Sohn ʿAbd al-ʿAzīz Narbonne erobert habe bzw. ein gewisser ʿUmar b. ʿAbd al-ʿAzīz, vielleicht ein Sohn des Letzteren, mit einer Schwadron die Stadt erreicht habe.<ref name="ftn20">Vgl. hierzu Bearman et al., Arbūna, zu ʿAbd al-ʿAzīz. Siehe Ibn ʿAbd al-Ḥakam (gest. 257/871), Futūḥ Miṣr wa-aḫbāruhā, ed. Charles Torrey, Kairo: Madbūlī, 1999, S. 208, zur Schwadron des ʿUmar b. ʿAbd al-ʿAzīz. Ibn ʿAbd al-Ḥakam berichtet auch, dass erzählt werde, Mūsās General, Ṭāriq b. Ziyād, habe in Narbonne den legendären Tisch Salomos erhalten, der in vielen Eroberungslegenden der Iberischen Halbinsel erwähnt wird. Siehe auch Codera, Narbona, S. 183-184.</ref> Tatsächlich ist die Chronologie der muslimischen Kampagnen nach Mūsās Eroberung Saragossas im Frühling 95/714 im Grunde ungeklärt.<ref name="ftn21">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 14.</ref> Die Operationen ʿAnbasas in den 720ern und jene ʿAbd al-Raḥmāns in den 730ern finden in der arabischen Tradition allerdings deutlichen Widerhall.<ref name="ftn22">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 14.</ref> Festhalten lässt sich ebenso, dass Narbonne in allen bedeutenden Werken der arabisch-islamischen Geographie als Ort erwähnt war, der einmal unter muslimischer Herrschaft stand.<ref name="ftn23">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 17.</ref>


Lateinische Parallelquellen berichten nur spärlich über die Eroberung Narbonnes und Septimaniens durch die Muslime. Die auch als ''Chronik von 754'' oder ''Chronica muzarabica'' bekannte ''Continuatia hispana'' berichtet, der Statthalter al-Ḥurr (regn. 97-100/716-719) habe in ganz Spanien für Ordnung gesorgt und sei beinahe drei Jahre lang damit beschäftigt gewesen, die ''Gallia Narbonensis'' durch Verhandlungen und militärische Operationen zu gewinnen.<ref name="ftn24">''Continuatia Hispana'', ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 80, S. 356; bzw. ''Chronica muzarabica'', ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 52, S. 36: „Alaor [= al-Ḥurr] per Spaniam lacertos iudicum mittit, atque debellando et pacificando pene tres annos Galliam Narbonensem petit.“ Vgl. Codera, Narbona, S. 184-185.</ref> Auch der Eroberung Narbonnes durch al-Samḥ widmet sie einige Zeilen.<ref name="ftn25">''Continuatia Hispana'', ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 86, S. 358; ''Chronica muzarabica'', ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 57, S. 37-38, zu al-Samḥ (''Zama''): „Postremo Narbonensem Galliam suam facit gentemque Francorum frequentibus bellis stimulat et seditas Saracenorum in predictum Narbonensem oppidum ad presidia tuenda decenter conlocat. Adque inconcurrenti uirtute iam dictus dux Tolosam usque preliando peruenit eamque obsidione cingens fundis et diuersis generum macinis expugnare conauit.“</ref> Zu den Kämpfen Karl Martells im Südwesten des Frankenreiches liegen dann allerdings weit mehr und auch ausführlichere Quellen vor.<ref name="ftn26">So zum Beispiel ''Chronicarum quae dicuntur Fredegarii scholastici continuationes'', ed. Bruno Krusch (MGH SS rer. Merov. 2), Hannover: Hahn, 1888, cap. 20, S. 177-178.</ref> Selbiges gilt für die Eroberung Narbonnes durch Pippin, wobei hier jedoch die ''Chronik von Aniane'' den größten Detailreichtum aufweist.
[§9] Lateinische Parallelquellen berichten nur spärlich über die Eroberung Narbonnes und Septimaniens durch die Muslime. Die auch als ''Chronik von 754'' oder ''Chronica muzarabica'' bekannte ''Continuatia hispana'' berichtet, der Statthalter al-Ḥurr (regn. 97-100/716-719) habe in ganz Spanien für Ordnung gesorgt und sei beinahe drei Jahre lang damit beschäftigt gewesen, die ''Gallia Narbonensis'' durch Verhandlungen und militärische Operationen zu gewinnen.<ref name="ftn24">''Continuatia Hispana'', ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 80, S. 356; bzw. ''Chronica muzarabica'', ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 52, S. 36: „Alaor [= al-Ḥurr] per Spaniam lacertos iudicum mittit, atque debellando et pacificando pene tres annos Galliam Narbonensem petit.“ Vgl. Codera, Narbona, S. 184-185.</ref> Auch der Eroberung Narbonnes durch al-Samḥ widmet sie einige Zeilen.<ref name="ftn25">''Continuatia Hispana'', ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 86, S. 358; ''Chronica muzarabica'', ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 57, S. 37-38, zu al-Samḥ (''Zama''): „Postremo Narbonensem Galliam suam facit gentemque Francorum frequentibus bellis stimulat et seditas Saracenorum in predictum Narbonensem oppidum ad presidia tuenda decenter conlocat. Adque inconcurrenti uirtute iam dictus dux Tolosam usque preliando peruenit eamque obsidione cingens fundis et diuersis generum macinis expugnare conauit.“</ref> Zu den Kämpfen Karl Martells im Südwesten des Frankenreiches liegen dann allerdings weit mehr und auch ausführlichere Quellen vor.<ref name="ftn26">So zum Beispiel ''Chronicarum quae dicuntur Fredegarii scholastici continuationes'', ed. Bruno Krusch (MGH SS rer. Merov. 2), Hannover: Hahn, 1888, cap. 20, S. 177-178.</ref> Selbiges gilt für die Eroberung Narbonnes durch Pippin, wobei hier jedoch die ''Chronik von Aniane'' den größten Detailreichtum aufweist.


Abschließend lässt sich festhalten, dass die lateinische Überlieferung zur Geschichte Narbonnes unter muslimischer Herrschaft dichter sowie zeitlich und räumlich näher an den Geschehnissen entstanden ist als die arabische. Eine frühe Eroberung durch Mūsā oder seinen Sohn ʿAbd al-ʿAzīz, welche durch Verlust oder Aufgabe der Stadt wieder rückgängig gemacht wurde, ist durchaus denkbar. Bei der durch die Chronik von Aniane belegten Eroberung der Stadt durch al-Samḥ hätte es sich in diesem Fall um eine erneute Eroberung der Stadt gehandelt.<ref name="ftn27">Dieser Argumentation folgen auch Bearman et al., Arbūna, im Artikel der Encyclopaedia of Islam zu Narbonne.</ref> Fest steht allerdings nur, dass Narbonne zwischen 719 und 720 erobert wurde und für mehrere Jahrzehnte unter muslimische Herrschaft geriet. Unter ʿAnbasa wurden dann bis 725 weitere Teile Septimaniens unter muslimische Kontrolle gebracht. Ab 732 wurde Karl Martell aktiv, um aus den nominell zum Frankenreich gehörenden Fürstentümern Aquitanien und Provence muslimische Eindringlinge zu vertreiben. Dies kulminierte 739 in einer siegreichen Schlacht gegen ein Entsatzheer aus al-Andalus. Die folgenden dreizehn Jahre scheinen ruhig gewesen zu sein, bis Pippin 752 mit Hilfe lokaler gotischer Eliten in Septimanien eindrang. Nach weiteren sieben Jahren wurde Narbonne dann 759 durch die Franken erobert. Trotz eines massiven Angriffes durch Truppen des seit 756 etablierten Emirats von Cordoba im Jahre 793 verblieb Septimanien ab seiner Eroberung durch Pippin 759 langfristig unter Kontrolle des Frankenreiches.<ref name="ftn28">Lewis, ''Development'', S. 40. Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 40; Sénac, ''Les Carolingiens et al-Andalus'', S. 37-40. Sénac weist S. 39 daraufhin, dass (ungenannte) arabische Quellen ebenso wie die Annales Mettenses die Eroberung Narbonnes durch Pippin auf das Jahr 133/752 datieren. Die Angabe in den Annales Mettenses Priores, ed. Simson, a. 752, S. 43, lautet allerdings folgendermaßen (Unterstreichungen durch den Autor dieses Beitrags): „Anno dominicae incarnationis DCCLII. Hoc anno Pippinus rex exercitum duxit in Gotiam, Narbonam civitatem, in qua adhuc Sarraceni latitabant, obsedit. Temptatis itaque plurimis argumentis illam munitissimam <u>civitatem capere non potuit</u>. Custodia tamen ibi derelicta, cotidianis irruptionibus illos cives afflixit et <u>per triennium bellum Narbonam obtinuit</u>, expulsisque de tota Gotia homines illos, Christianos de servitio Sarracenorum liberavit.“ Der Editor von Simson datiert die Eroberung Narbonnes folglich auf die Jahre 757-759.</ref>
[§10] Abschließend lässt sich festhalten, dass die lateinische Überlieferung zur Geschichte Narbonnes unter muslimischer Herrschaft dichter sowie zeitlich und räumlich näher an den Geschehnissen entstanden ist als die arabische. Eine frühe Eroberung durch Mūsā oder seinen Sohn ʿAbd al-ʿAzīz, welche durch Verlust oder Aufgabe der Stadt wieder rückgängig gemacht wurde, ist durchaus denkbar. Bei der durch die Chronik von Aniane belegten Eroberung der Stadt durch al-Samḥ hätte es sich in diesem Fall um eine erneute Eroberung der Stadt gehandelt.<ref name="ftn27">Dieser Argumentation folgen auch Bearman et al., Arbūna, im Artikel der Encyclopaedia of Islam zu Narbonne.</ref> Fest steht allerdings nur, dass Narbonne zwischen 719 und 720 erobert wurde und für mehrere Jahrzehnte unter muslimische Herrschaft geriet. Unter ʿAnbasa wurden dann bis 725 weitere Teile Septimaniens unter muslimische Kontrolle gebracht. Ab 732 wurde Karl Martell aktiv, um aus den nominell zum Frankenreich gehörenden Fürstentümern Aquitanien und Provence muslimische Eindringlinge zu vertreiben. Dies kulminierte 739 in einer siegreichen Schlacht gegen ein Entsatzheer aus al-Andalus. Die folgenden dreizehn Jahre scheinen ruhig gewesen zu sein, bis Pippin 752 mit Hilfe lokaler gotischer Eliten in Septimanien eindrang. Nach weiteren sieben Jahren wurde Narbonne dann 759 durch die Franken erobert. Trotz eines massiven Angriffes durch Truppen des seit 756 etablierten Emirats von Cordoba im Jahre 793 verblieb Septimanien ab seiner Eroberung durch Pippin 759 langfristig unter Kontrolle des Frankenreiches.<ref name="ftn28">Lewis, ''Development'', S. 40. Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 40; Sénac, ''Les Carolingiens et al-Andalus'', S. 37-40. Sénac weist S. 39 daraufhin, dass (ungenannte) arabische Quellen ebenso wie die Annales Mettenses die Eroberung Narbonnes durch Pippin auf das Jahr 133/752 datieren. Die Angabe in den Annales Mettenses Priores, ed. Simson, a. 752, S. 43, lautet allerdings folgendermaßen (Unterstreichungen durch den Autor dieses Beitrags): „Anno dominicae incarnationis DCCLII. Hoc anno Pippinus rex exercitum duxit in Gotiam, Narbonam civitatem, in qua adhuc Sarraceni latitabant, obsedit. Temptatis itaque plurimis argumentis illam munitissimam <u>civitatem capere non potuit</u>. Custodia tamen ibi derelicta, cotidianis irruptionibus illos cives afflixit et <u>per triennium bellum Narbonam obtinuit</u>, expulsisque de tota Gotia homines illos, Christianos de servitio Sarracenorum liberavit.“ Der Editor von Simson datiert die Eroberung Narbonnes folglich auf die Jahre 757-759.</ref>


==Kontextualisierung, Analyse & Interpretation==
==Kontextualisierung, Analyse & Interpretation==


Im Folgenden sollen zunächst die Faktoren erörtert werden, die die Eroberung Septimaniens durch die Muslime verzögerten. Daraufhin soll kurz skizziert werden, bis zum welchem Grade es zu einer Etablierung muslimischer Herrschaft in Septimanien kam. Abschließend wird diskutiert, warum sich die Eroberung Septimaniens durch die karolingischen Franken so lange hinzog. Hierzu müssen zuerst einige Facetten der gotischen Vorgeschichte Septimaniens erläutert werden.
[§11] Im Folgenden sollen zunächst die Faktoren erörtert werden, die die Eroberung Septimaniens durch die Muslime verzögerten. Daraufhin soll kurz skizziert werden, bis zum welchem Grade es zu einer Etablierung muslimischer Herrschaft in Septimanien kam. Abschließend wird diskutiert, warum sich die Eroberung Septimaniens durch die karolingischen Franken so lange hinzog. Hierzu müssen zuerst einige Facetten der gotischen Vorgeschichte Septimaniens erläutert werden.


Im Rahmen eines Vertrags mit dem weströmischen Kaisers wurden die Westgoten 418 als ''foederati'' im Südwesten Galliens angesiedelt, wo sie ein auf die Stadt Toulouse zentriertes Königreich (''regnum Tolosanum'') aufbauten und in römischem Auftrag gegen Gruppen auf der Iberischen Halbinsel vorgingen, die die Herrschaft Roms in Frage stellten.<ref name="ftn29">Wolfram, ''Die Goten'', S. 158-185. </ref> Der Bischofssitz Narbonne gelangte 476-477 unter westgotische Kontrolle.<ref name="ftn30">Riess, ''Narbonne'', S. 131-132.</ref> Nach der Niederlage gegen die Franken und Burgunder in der Schlacht bei Vouillé von 507 verlagerte sich der Schwerpunkt westgotischer Herrschaft auf die Iberische Halbinsel. Nur Septimanien verblieb als einziges gallisches Gebiet unter westgotischer Kontrolle.<ref name="ftn31">Riess, ''Narbonne'', S. 131-132.</ref> Im Laufe des sechsten und siebten Jahrhunderts demonstrierte der auf Narbonne zentrierte Nordosten des Westgotenreiches immer wieder eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem seit dem Ende des 6. Jahrhunderts auf Toledo zentrierten iberischen Herrschaftsgebiet. Dies kulminierte 673 in der Königserhebung eines gewissen Paulus, der von Narbonne aus die Herrschaft König Wambas (regn. 672-680) anfocht.<ref name="ftn32">Riess, ''Narbonne'', S. 203-204; de Jong, Adding Insult to Injury, S. 381-387.</ref>
[§12] Im Rahmen eines Vertrags mit dem weströmischen Kaisers wurden die Westgoten 418 als ''foederati'' im Südwesten Galliens angesiedelt, wo sie ein auf die Stadt Toulouse zentriertes Königreich (''regnum Tolosanum'') aufbauten und in römischem Auftrag gegen Gruppen auf der Iberischen Halbinsel vorgingen, die die Herrschaft Roms in Frage stellten.<ref name="ftn29">Wolfram, ''Die Goten'', S. 158-185. </ref> Der Bischofssitz Narbonne gelangte 476-477 unter westgotische Kontrolle.<ref name="ftn30">Riess, ''Narbonne'', S. 131-132.</ref> Nach der Niederlage gegen die Franken und Burgunder in der Schlacht bei Vouillé von 507 verlagerte sich der Schwerpunkt westgotischer Herrschaft auf die Iberische Halbinsel. Nur Septimanien verblieb als einziges gallisches Gebiet unter westgotischer Kontrolle.<ref name="ftn31">Riess, ''Narbonne'', S. 131-132.</ref> Im Laufe des sechsten und siebten Jahrhunderts demonstrierte der auf Narbonne zentrierte Nordosten des Westgotenreiches immer wieder eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem seit dem Ende des 6. Jahrhunderts auf Toledo zentrierten iberischen Herrschaftsgebiet. Dies kulminierte 673 in der Königserhebung eines gewissen Paulus, der von Narbonne aus die Herrschaft König Wambas (regn. 672-680) anfocht.<ref name="ftn32">Riess, ''Narbonne'', S. 203-204; de Jong, Adding Insult to Injury, S. 381-387.</ref>


Am Vorabend der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel war nach dem Tod von Witiza (regn. 702-710) ein Kampf um dessen Nachfolge ausgebrochen. Im Südwesten hatte sich Roderich (regn. 710-711) etabliert, welcher 711 den muslimischen Invasoren unterlag.<ref name="ftn33">Vgl. hierzu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711:_Ibn_%CA%BFAbd_al-%E1%B8%A4akam_zur_Kollaboration_Julians_bei_der_muslimischen_Invasion_der_Iberischen_Halbinsel 711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711-745:_Ibn_al-Q%C5%AB%E1%B9%ADiyya_zur_Kooperation_seiner_westgotischen_Vorfahren_mit_den_muslimischen_Eroberern 711-745: Ibn al-Qūṭiyya zur Kooperation seiner westgotischen Vorfahren mit den muslimischen Eroberern]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/713:_Der_Vertrag_von_Tudm%C4%ABr_als_Zeugnis_der_muslimischen_Unterwerfung_der_Iberischen_Halbinsel 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel], jeweils mit weiterführender Literatur zur muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel.</ref> Im Nordosten jedoch hatte der bereits oben erwähnte Achila (regn. 710-713/714) mit Unterstützung der lokalen Eliten die Herrschaft übernommen.<ref name="ftn34">Riess, ''Narbonne'', S. 221.</ref> Anders als Roderich konnte er sich länger gegen die muslimischen Invasoren halten. Ihm folgte Ardo (regn. 713/714-720)<ref name="ftn35">Riess, ''Narbonne'', S.227.</ref> welcher über Septimanien herrschte und vermutlich bis zu dessen Eroberung in Narbonne residierte. Noch 719 scheinen gotische Münzen in Narbonne geprägt worden zu sein.<ref name="ftn36">Riess, ''Narbonne'', S.223.</ref> Die Existenz eines separaten Königtums im eigenständigen Nordosten des Westgotenreiches ist als bedeutender Faktor für die Verzögerung der muslimischen Eroberung Septimaniens zu sehen. Das westgotische Heer trat nur in Kriegszeiten zusammen und bestand hauptsächlich aus den Gefolgsleuten der großen Adelsfamilien.<ref name="ftn37">Collins, ''Visigothic Spain'', S. 141.</ref> Der Schlachtentod Roderichs führte augenscheinlich zu einem Zerfall des westgotischen Heeres, dessen Adelsfamilien daraufhin ihre eigenen Partikularinteressen verfolgten. Die königliche Führung im Nordosten dagegen erlaubte es, die Kräfte des Adels noch für einige Jahre zu bündeln und effektiv zu führen. Zu bedenken ist auch, dass der verlustreiche muslimische Angriff auf Toulouse die militärische Handlungsfähigkeit der muslimischen Statthalter zumindest für eine Weile einschränkte und Narbonne somit eine Ruhepause gewährte. Es gibt auch Indizien dafür, dass Teile Septimaniens, so zum Beispiel Carcassonne, zeitweise unter aquitanischer Kontrolle gestanden haben könnten.<ref name="ftn38">Riess, ''Narbonne'', S. 197.</ref> Somit scheinen die muslimischen Eroberer, nachdem sie in der Hispania auf unkoordinierten und folglich leicht zu bezwingenden Widerstand getroffen waren, in Septimanien sowohl mit koordiniertem westgotischen Widerstand als auch mit aquitanischen Truppen konfrontiert gewesen zu sein.
[§13] Am Vorabend der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel war nach dem Tod von Witiza (regn. 702-710) ein Kampf um dessen Nachfolge ausgebrochen. Im Südwesten hatte sich Roderich (regn. 710-711) etabliert, welcher 711 den muslimischen Invasoren unterlag.<ref name="ftn33">Vgl. hierzu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711:_Ibn_%CA%BFAbd_al-%E1%B8%A4akam_zur_Kollaboration_Julians_bei_der_muslimischen_Invasion_der_Iberischen_Halbinsel 711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711-745:_Ibn_al-Q%C5%AB%E1%B9%ADiyya_zur_Kooperation_seiner_westgotischen_Vorfahren_mit_den_muslimischen_Eroberern 711-745: Ibn al-Qūṭiyya zur Kooperation seiner westgotischen Vorfahren mit den muslimischen Eroberern]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/713:_Der_Vertrag_von_Tudm%C4%ABr_als_Zeugnis_der_muslimischen_Unterwerfung_der_Iberischen_Halbinsel 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel], jeweils mit weiterführender Literatur zur muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel.</ref> Im Nordosten jedoch hatte der bereits oben erwähnte Achila (regn. 710-713/714) mit Unterstützung der lokalen Eliten die Herrschaft übernommen.<ref name="ftn34">Riess, ''Narbonne'', S. 221.</ref> Anders als Roderich konnte er sich länger gegen die muslimischen Invasoren halten. Ihm folgte Ardo (regn. 713/714-720)<ref name="ftn35">Riess, ''Narbonne'', S.227.</ref> welcher über Septimanien herrschte und vermutlich bis zu dessen Eroberung in Narbonne residierte. Noch 719 scheinen gotische Münzen in Narbonne geprägt worden zu sein.<ref name="ftn36">Riess, ''Narbonne'', S.223.</ref> Die Existenz eines separaten Königtums im eigenständigen Nordosten des Westgotenreiches ist als bedeutender Faktor für die Verzögerung der muslimischen Eroberung Septimaniens zu sehen. Das westgotische Heer trat nur in Kriegszeiten zusammen und bestand hauptsächlich aus den Gefolgsleuten der großen Adelsfamilien.<ref name="ftn37">Collins, ''Visigothic Spain'', S. 141.</ref> Der Schlachtentod Roderichs führte augenscheinlich zu einem Zerfall des westgotischen Heeres, dessen Adelsfamilien daraufhin ihre eigenen Partikularinteressen verfolgten. Die königliche Führung im Nordosten dagegen erlaubte es, die Kräfte des Adels noch für einige Jahre zu bündeln und effektiv zu führen. Zu bedenken ist auch, dass der verlustreiche muslimische Angriff auf Toulouse die militärische Handlungsfähigkeit der muslimischen Statthalter zumindest für eine Weile einschränkte und Narbonne somit eine Ruhepause gewährte. Es gibt auch Indizien dafür, dass Teile Septimaniens, so zum Beispiel Carcassonne, zeitweise unter aquitanischer Kontrolle gestanden haben könnten.<ref name="ftn38">Riess, ''Narbonne'', S. 197.</ref> Somit scheinen die muslimischen Eroberer, nachdem sie in der Hispania auf unkoordinierten und folglich leicht zu bezwingenden Widerstand getroffen waren, in Septimanien sowohl mit koordiniertem westgotischen Widerstand als auch mit aquitanischen Truppen konfrontiert gewesen zu sein.


Dennoch geriet Septimanien spätestens 725 vollständig unter muslimische Kontrolle, als nämlich Nîmes und Carcassonne eingenommen wurden, welche die natürlichen Grenzen Septimaniens bildeten. Dies dürfte u. a. den Bedingungen geschuldet sein, zu denen sich lokale Eliten den Eroberern unterwerfen konnten. Bereits für das Jahr 713 lässt sich ein Unterwerfungsvertrag zwischen lokalen gotischen Eliten und den Muslimen um das hispanische Orihuela belegen, in dem gegen moderate Abgaben weitgehende politische Autonomie, Sicherheitsgarantien und eine freie Ausübung der Religion gewährt wurden.<ref name="ftn39">Vgl. dazu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/713:_Der_Vertrag_von_Tudm%C4%ABr_als_Zeugnis_der_muslimischen_Unterwerfung_der_Iberischen_Halbinsel 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel]. </ref> Der Bericht der ''Continuatio Hispana'' bzw. ''Chronica muzarabica'', dass al-Ḥurr zwischen 716 und 719 versucht hatte, Septimanien (''Galllia Narbonensis'') sowohl „kämpfend als auch befriedend“ (''debellando et pacificando'') zu gewinnen, spricht dafür, dass eine ähnliche Vorgehensweise auch im Nordosten des Westgotenreiches versucht wurde.<ref name="ftn40">''Continuatia Hispana'', ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 80, S. 356; bzw. ''Chronica muzarabica'', ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 52, S. 36. Vgl. Codera, Narbona, S. 184-185.</ref>Auch der Bericht der hier behandelten ''Chronik von Aniane'' zur Eroberung Nîmes durch ʿAnbasa 725 spricht für die Anwendung ähnlicher Unterwerfungsmethoden, soll die Stadt ja durch einen Friedensvertrag eingenommen worden sein (''nemauso pace conquisiuit''). Somit dürften zumindest einige Angehörige der lokalen Eliten in der Lage gewesen sein, sich ein gewisses Maß an Autonomie zu bewahren. Dies dürfte erklären, warum Pippin knapp dreißig Jahre nach der Eroberung Septimaniens durch die Muslime noch mit einer handlungsfähigen gotischen Elite zusammenarbeiten konnte. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Eliten Septimaniens unter muslimischer Herrschaft keinen signifikanten Wandel durchlebten. Es gibt keine wirklich deutlichen Indizien dafür, dass sich hier wie in der Hispania eine neue arabisch-berberische Elite festgesetzt hätte: Zwar kennen wir den Namen mehrerer Gouverneure<ref name="ftn41">Vgl. z. B. Ibn al-Qūṭiyya (gest. 367/977), ''Tariḫ iftitaḥ al-Andalus'', ed. Ibrāhīm al-Ibyārī, Beirut und Kairo: Dār al-kitāb al-lubnānī, 1989, S. 41, erwähnt ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama als Gouverneur im Auftrag des andalusischen Statthalters ʿAbd al-Malik b. Qaṭan al-Fihri (regn. 114-116/732-734). Bearman et al., Arbūna, behaupten, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī, später Gouverneur von al-Andalus (regn. 129-138/746-756), habe 116/734 die Kontrolle über Narbonne gehabt, was vom ''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, a. 734, S. 26, bestätigt wird. („his temporibus iussephibin abderaman narbona perficitur“). Die Chronik berichtet ferner a. 739, S. 28, dass der andalusische Statthalter ʿUqba b. al-Ḥaǧǧāǧ al-Salūlī (regn. 116-123/734-741) einen gewissen ʿAmr oder ʿUmar b. Ḫālid in einer Verteidigungssituation zum Gouverneur über Narbonne eingesetzt habe („Ocupa rex sarracenorum ex spania amoribinailet cum exercitu magno sarracenorum ad presidium narbona transmittit“). Ibn ʿIḏārī (gest. nach 712/1312-1313), Al-Bayān al-muġrib fī aḫbār al-Andalus wa-l-Maġrib, ed. George S. Colin und Évariste Lévi-Provençal, 3 Bde., Beirut: Dār al-ṯaqāfa, 1980-1983, Bd. 2, S. 28, erwähnt ferner einen 133/753 von Narbonne ausgehenden Aufstand von ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama al-Laḫmī gegen den regierenden Gouverneur von al-Andalus, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī.</ref>, erfahren von der Ansiedlung eines Berberstammes in Narbonne<ref name="ftn42">Vgl. Codera, Narbona, S. 183, auf der Basis von Ibn Ḥazm (gest. 456/1064). Letzterer erwähnt die Banū Baǧīla und behauptet, „ihre Wohnstätte in al-Andalus liegt in der Gegend von Narbonne“ (''wa-dāruhum bi-l-Andalus bi-ǧihat Arbūna'').</ref> und können vielleicht ein von Tarazona oder Tarragona aus organisiertes Steuersystem für die „arabische Provinz Narbonne“ vermuten.<ref name="ftn43">'Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 17, optiert auf der Basis der Rekonstruktion einer Beschreibung des Historiographen Aḥmad b. al-Rāzī (gest. 344/955) durch Évariste Lévi-Provençal, für Tarragona. Vgl. Évariste Lévi-Provençal, La “description de l’Espagne”, S. 77: „La ville de Tarazona fut la résidence des gouverneurs et des généraux dans la zone des Marches. Abū ʿUṯmān ʿUbayd Allāh ibn ʿUṯmān, connu sous le surnom de ‚Seigneur de la [Grande] Terre‘ (''ṣāḥib al-arḍ''), la choisit pour résidence, en la préférant aux autres villes des Marches. C’est à lui que parvenaient les dimes payées par les villes de Narbonne et de Barcelone.“ Vgl. ibid., S. 77 FN 1, zur potenziellen Verwechselung von Tarazona und Tarragona. Problematisch erscheint, dass der erwähnte ʿUbayd Allāh b. ʿUṯmān wohl eher gegen Ende des 2./8. Jh., also nach Pippins Rückeroberung von Narbonne im Amt war und nach Ibn Ḥayyān im Jahre 186/802 starb, vgl. Jiménez, ''La dawla'', S. 162, mit Quellenangaben. Clément, La province arabe, S. 21, liefert dennoch folgende Einschätzung: „La Narbonnaise musulmane est parfois qualifiée de marche (''ṯaġr'') (Province frontière d’un Etat, jouant le rôle de zone de protection militaire), mais il est difficile de déterminer si ce terme doit s’entendre dans signification administrative ou simplement géographique. Il est difficile de savoir, également, si la région fut dotée d’une compétence administrative propre. Fiscalement, elle relevait de ce qui allait devenir la marche supérieure, puisque la dîme (''ʿušr'') était collectée par le responsable de la terre (''ṣāḥib al-arḍ'') de Tarazona. Cependant, elle disposait d’un gouverneur (''wālī'') nommé par celui de Cordoue. On sait que ce poste était important puisque plusieurs gouverneurs de Cordoue y ont débuté leur carrière. L’étendue de la province arabe correspondait à peu près à celle des anciens diocèses d’Elne, Narbonne, Carcassonne, Béziers, Maguelonne; Nîmes et peut-être Lodève; c’est-à-dire aux actuels départements des Pyrénées-Orientales, de l’Aude, de l’Hérault et du Gard.“</ref> Die archäologischen Reste sind aber wenig aussagekräftig.<ref name="ftn44">Vgl. Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 39-40.</ref> Auch die hier behandelte Chronik von Aniane suggeriert eher, die lokale Elite sei im Grunde weiterhin gotisch und christlich geblieben, während die Muslime in der Region vorwiegend militärische Garnisonen stellten. In der vorliegenden Quellenstelle zur Eroberung Narbonnes ist nur die Rede von einer muslimischen Garnison, welche der Stadt vorstand (''in presidio illius erant''). Andere Muslime in Narbonne oder dem weiteren Septimanien werden nicht erwähnt. Vor diesem Hintergrund erscheint plausibel, dass Verwaltung und Wirtschaft der Region weiterhin primär in der Hand der gotischen Eliten lagen.<ref name="ftn45">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 38: „Il n’est pas inutile de souligner que contrairement aux traditions postérieures, les musulmans respectèrent le culte chrétien et qu’une partie importante de la population de Narbonne conserva ses lois et ses traditions sous domination musulmane.“ Bearman et al., Arbūna, behaupten ohne Quellenangabe, dass auch Juden eine gewisse Rolle für den Handel mit al-Andalus zugekommen sei, legen diesen allerdings in die umayyadische Periode, d.h. also nach 756: „Narbonne and its region still maintained relations with the Umayyad court, Jewish merchants being particularly active in this respect.“</ref>
[§14] Dennoch geriet Septimanien spätestens 725 vollständig unter muslimische Kontrolle, als nämlich Nîmes und Carcassonne eingenommen wurden, welche die natürlichen Grenzen Septimaniens bildeten. Dies dürfte u. a. den Bedingungen geschuldet sein, zu denen sich lokale Eliten den Eroberern unterwerfen konnten. Bereits für das Jahr 713 lässt sich ein Unterwerfungsvertrag zwischen lokalen gotischen Eliten und den Muslimen um das hispanische Orihuela belegen, in dem gegen moderate Abgaben weitgehende politische Autonomie, Sicherheitsgarantien und eine freie Ausübung der Religion gewährt wurden.<ref name="ftn39">Vgl. dazu [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/713:_Der_Vertrag_von_Tudm%C4%ABr_als_Zeugnis_der_muslimischen_Unterwerfung_der_Iberischen_Halbinsel 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel]. </ref> Der Bericht der ''Continuatio Hispana'' bzw. ''Chronica muzarabica'', dass al-Ḥurr zwischen 716 und 719 versucht hatte, Septimanien (''Galllia Narbonensis'') sowohl „kämpfend als auch befriedend“ (''debellando et pacificando'') zu gewinnen, spricht dafür, dass eine ähnliche Vorgehensweise auch im Nordosten des Westgotenreiches versucht wurde.<ref name="ftn40">''Continuatia Hispana'', ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 80, S. 356; bzw. ''Chronica muzarabica'', ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 52, S. 36. Vgl. Codera, Narbona, S. 184-185.</ref>Auch der Bericht der hier behandelten ''Chronik von Aniane'' zur Eroberung Nîmes durch ʿAnbasa 725 spricht für die Anwendung ähnlicher Unterwerfungsmethoden, soll die Stadt ja durch einen Friedensvertrag eingenommen worden sein (''nemauso pace conquisiuit''). Somit dürften zumindest einige Angehörige der lokalen Eliten in der Lage gewesen sein, sich ein gewisses Maß an Autonomie zu bewahren. Dies dürfte erklären, warum Pippin knapp dreißig Jahre nach der Eroberung Septimaniens durch die Muslime noch mit einer handlungsfähigen gotischen Elite zusammenarbeiten konnte. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Eliten Septimaniens unter muslimischer Herrschaft keinen signifikanten Wandel durchlebten. Es gibt keine wirklich deutlichen Indizien dafür, dass sich hier wie in der Hispania eine neue arabisch-berberische Elite festgesetzt hätte: Zwar kennen wir den Namen mehrerer Gouverneure<ref name="ftn41">Vgl. z. B. Ibn al-Qūṭiyya (gest. 367/977), ''Tariḫ iftitaḥ al-Andalus'', ed. Ibrāhīm al-Ibyārī, Beirut und Kairo: Dār al-kitāb al-lubnānī, 1989, S. 41, erwähnt ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama als Gouverneur im Auftrag des andalusischen Statthalters ʿAbd al-Malik b. Qaṭan al-Fihri (regn. 114-116/732-734). Bearman et al., Arbūna, behaupten, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī, später Gouverneur von al-Andalus (regn. 129-138/746-756), habe 116/734 die Kontrolle über Narbonne gehabt, was vom ''Chronicon Anianense'', ed. Kettemann, a. 734, S. 26, bestätigt wird. („his temporibus iussephibin abderaman narbona perficitur“). Die Chronik berichtet ferner a. 739, S. 28, dass der andalusische Statthalter ʿUqba b. al-Ḥaǧǧāǧ al-Salūlī (regn. 116-123/734-741) einen gewissen ʿAmr oder ʿUmar b. Ḫālid in einer Verteidigungssituation zum Gouverneur über Narbonne eingesetzt habe („Ocupa rex sarracenorum ex spania amoribinailet cum exercitu magno sarracenorum ad presidium narbona transmittit“). Ibn ʿIḏārī (gest. nach 712/1312-1313), Al-Bayān al-muġrib fī aḫbār al-Andalus wa-l-Maġrib, ed. George S. Colin und Évariste Lévi-Provençal, 3 Bde., Beirut: Dār al-ṯaqāfa, 1980-1983, Bd. 2, S. 28, erwähnt ferner einen 133/753 von Narbonne ausgehenden Aufstand von ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama al-Laḫmī gegen den regierenden Gouverneur von al-Andalus, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī.</ref>, erfahren von der Ansiedlung eines Berberstammes in Narbonne<ref name="ftn42">Vgl. Codera, Narbona, S. 183, auf der Basis von Ibn Ḥazm (gest. 456/1064). Letzterer erwähnt die Banū Baǧīla und behauptet, „ihre Wohnstätte in al-Andalus liegt in der Gegend von Narbonne“ (''wa-dāruhum bi-l-Andalus bi-ǧihat Arbūna'').</ref> und können vielleicht ein von Tarazona oder Tarragona aus organisiertes Steuersystem für die „arabische Provinz Narbonne“ vermuten.<ref name="ftn43">'Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 17, optiert auf der Basis der Rekonstruktion einer Beschreibung des Historiographen Aḥmad b. al-Rāzī (gest. 344/955) durch Évariste Lévi-Provençal, für Tarragona. Vgl. Évariste Lévi-Provençal, La “description de l’Espagne”, S. 77: „La ville de Tarazona fut la résidence des gouverneurs et des généraux dans la zone des Marches. Abū ʿUṯmān ʿUbayd Allāh ibn ʿUṯmān, connu sous le surnom de ‚Seigneur de la [Grande] Terre‘ (''ṣāḥib al-arḍ''), la choisit pour résidence, en la préférant aux autres villes des Marches. C’est à lui que parvenaient les dimes payées par les villes de Narbonne et de Barcelone.“ Vgl. ibid., S. 77 FN 1, zur potenziellen Verwechselung von Tarazona und Tarragona. Problematisch erscheint, dass der erwähnte ʿUbayd Allāh b. ʿUṯmān wohl eher gegen Ende des 2./8. Jh., also nach Pippins Rückeroberung von Narbonne im Amt war und nach Ibn Ḥayyān im Jahre 186/802 starb, vgl. Jiménez, ''La dawla'', S. 162, mit Quellenangaben. Clément, La province arabe, S. 21, liefert dennoch folgende Einschätzung: „La Narbonnaise musulmane est parfois qualifiée de marche (''ṯaġr'') (Province frontière d’un Etat, jouant le rôle de zone de protection militaire), mais il est difficile de déterminer si ce terme doit s’entendre dans signification administrative ou simplement géographique. Il est difficile de savoir, également, si la région fut dotée d’une compétence administrative propre. Fiscalement, elle relevait de ce qui allait devenir la marche supérieure, puisque la dîme (''ʿušr'') était collectée par le responsable de la terre (''ṣāḥib al-arḍ'') de Tarazona. Cependant, elle disposait d’un gouverneur (''wālī'') nommé par celui de Cordoue. On sait que ce poste était important puisque plusieurs gouverneurs de Cordoue y ont débuté leur carrière. L’étendue de la province arabe correspondait à peu près à celle des anciens diocèses d’Elne, Narbonne, Carcassonne, Béziers, Maguelonne; Nîmes et peut-être Lodève; c’est-à-dire aux actuels départements des Pyrénées-Orientales, de l’Aude, de l’Hérault et du Gard.“</ref> Die archäologischen Reste sind aber wenig aussagekräftig.<ref name="ftn44">Vgl. Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 39-40.</ref> Auch die hier behandelte Chronik von Aniane suggeriert eher, die lokale Elite sei im Grunde weiterhin gotisch und christlich geblieben, während die Muslime in der Region vorwiegend militärische Garnisonen stellten. In der vorliegenden Quellenstelle zur Eroberung Narbonnes ist nur die Rede von einer muslimischen Garnison, welche der Stadt vorstand (''in presidio illius erant''). Andere Muslime in Narbonne oder dem weiteren Septimanien werden nicht erwähnt. Vor diesem Hintergrund erscheint plausibel, dass Verwaltung und Wirtschaft der Region weiterhin primär in der Hand der gotischen Eliten lagen.<ref name="ftn45">Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 38: „Il n’est pas inutile de souligner que contrairement aux traditions postérieures, les musulmans respectèrent le culte chrétien et qu’une partie importante de la population de Narbonne conserva ses lois et ses traditions sous domination musulmane.“ Bearman et al., Arbūna, behaupten ohne Quellenangabe, dass auch Juden eine gewisse Rolle für den Handel mit al-Andalus zugekommen sei, legen diesen allerdings in die umayyadische Periode, d.h. also nach 756: „Narbonne and its region still maintained relations with the Umayyad court, Jewish merchants being particularly active in this respect.“</ref>


Abschließend soll die Frage geklärt werden, weshalb die karolingischen Franken Septimanien erst nach knapp 27 Jahren immer wiederkehrender militärischer Aktivitäten in der Region eroberten. Die Karolinger traten zum ersten Mal um 732 auf den Plan, als der ''maior domus'' Karl Martell (regn. 717/718-741) in Reaktion auf den Hilferuf Herzog Eudos von Aquitanien bei Tours bzw. Poitiers das Heer des Statthalters von al-Andalus vernichtend schlug und damit direkt in die Angelegenheiten des Herzogtums eingriff. Danach übergab er das Herzogtum jedoch wieder seinem langjährige Rivalen Eudo und zog sich zurück. Karl Martell wurde erst ab 737 wieder im Süden aktiv: Laut dem ''Continuator'' des Fredegar soll ein gewisser Maurontus die Sarazenen ins Land gerufen und ihnen bei der Besetzung Avignons geholfen haben.<ref name="ftn46"> ''Chronicarum Fredegarii continuationes'', ed. Krusch (MGH SS rer. Merov. 2), cap. 20, S. 177.</ref> Bei diesem handelte es sich vermutlich um den ''patricius'' der Provence, schließlich berichten die ''Annales Mettenses Priores'', ein namentlich nicht erwähnter ''comes'' der Provence habe die Sarazenen ins Land gelassen.<ref name="ftn47">''Annales Mettenses Priores'', ed. Simson, a. 737, S. 29-30. </ref> Unklar ist, ob die Allianz zwischen Maurontus und den Muslimen von Karl als Bedrohung der von ihm kürzlich gesicherten Region Burgund gesehen wurde und somit seinen Eingriff provozierte<ref name="ftn48">Lewis, ''Development'', S. 22.</ref> oder ob die Muslime in Reaktion auf einen Angriff Karls ins Land gerufen worden waren.<ref name="ftn49">Lewis, ''Development'', S. 23.</ref> In jedem Fall wurden so die Weichen für ein Eingreifen in Septimanien gelegt: Sowohl der ''Continuator'' des Fredegar als auch die ''Annales Mettenses Priores'' berichten, dass Karl nach der Eroberung Avignons die Rhone überquerte und von Osten her nach Septimanien vordrang. Die östlichen Städte unterwarfen sich ihm, Narbonne und die übrigen Städte konnte er jedoch nicht einnehmen. Ein Entsatzheer aus al-Andalus schlug er vernichtend bei Berre, in der Nähe von Narbonne. Lewis datiert diese Schlacht, die mit dem von der ''Chronik von Aniane'' berichteten Sieg Karl Martells übereinstimmen dürfte<ref name="ftn50">Kettemann, ''Subsidia'', Beilage 2, S. 28.</ref>, auf 739.<ref name="ftn51">Lewis, ''Development'', S. 23.</ref> Im Anschluss scheint sich Karl jedoch ohne weitere Vorkehrungen aus Septimanien zurückgezogen zu haben. Vermutlich waren seine langen Nachschublinien durch den feindlich gesinnten neuen ''princeps'' von Aquitanien Hunald (regn. 735-745) und den in Marseille eingeschlossenen Maurontus zu stark gefährdet, als dass er eine langwierige und kostspielige Belagerung der Städte Septimaniens hätte riskieren können.<ref name="ftn52">Lewis, ''Development'', S. 23-24.</ref>
[§15] Abschließend soll die Frage geklärt werden, weshalb die karolingischen Franken Septimanien erst nach knapp 27 Jahren immer wiederkehrender militärischer Aktivitäten in der Region eroberten. Die Karolinger traten zum ersten Mal um 732 auf den Plan, als der ''maior domus'' Karl Martell (regn. 717/718-741) in Reaktion auf den Hilferuf Herzog Eudos von Aquitanien bei Tours bzw. Poitiers das Heer des Statthalters von al-Andalus vernichtend schlug und damit direkt in die Angelegenheiten des Herzogtums eingriff. Danach übergab er das Herzogtum jedoch wieder seinem langjährige Rivalen Eudo und zog sich zurück. Karl Martell wurde erst ab 737 wieder im Süden aktiv: Laut dem ''Continuator'' des Fredegar soll ein gewisser Maurontus die Sarazenen ins Land gerufen und ihnen bei der Besetzung Avignons geholfen haben.<ref name="ftn46"> ''Chronicarum Fredegarii continuationes'', ed. Krusch (MGH SS rer. Merov. 2), cap. 20, S. 177.</ref> Bei diesem handelte es sich vermutlich um den ''patricius'' der Provence, schließlich berichten die ''Annales Mettenses Priores'', ein namentlich nicht erwähnter ''comes'' der Provence habe die Sarazenen ins Land gelassen.<ref name="ftn47">''Annales Mettenses Priores'', ed. Simson, a. 737, S. 29-30. </ref> Unklar ist, ob die Allianz zwischen Maurontus und den Muslimen von Karl als Bedrohung der von ihm kürzlich gesicherten Region Burgund gesehen wurde und somit seinen Eingriff provozierte<ref name="ftn48">Lewis, ''Development'', S. 22.</ref> oder ob die Muslime in Reaktion auf einen Angriff Karls ins Land gerufen worden waren.<ref name="ftn49">Lewis, ''Development'', S. 23.</ref> In jedem Fall wurden so die Weichen für ein Eingreifen in Septimanien gelegt: Sowohl der ''Continuator'' des Fredegar als auch die ''Annales Mettenses Priores'' berichten, dass Karl nach der Eroberung Avignons die Rhone überquerte und von Osten her nach Septimanien vordrang. Die östlichen Städte unterwarfen sich ihm, Narbonne und die übrigen Städte konnte er jedoch nicht einnehmen. Ein Entsatzheer aus al-Andalus schlug er vernichtend bei Berre, in der Nähe von Narbonne. Lewis datiert diese Schlacht, die mit dem von der ''Chronik von Aniane'' berichteten Sieg Karl Martells übereinstimmen dürfte<ref name="ftn50">Kettemann, ''Subsidia'', Beilage 2, S. 28.</ref>, auf 739.<ref name="ftn51">Lewis, ''Development'', S. 23.</ref> Im Anschluss scheint sich Karl jedoch ohne weitere Vorkehrungen aus Septimanien zurückgezogen zu haben. Vermutlich waren seine langen Nachschublinien durch den feindlich gesinnten neuen ''princeps'' von Aquitanien Hunald (regn. 735-745) und den in Marseille eingeschlossenen Maurontus zu stark gefährdet, als dass er eine langwierige und kostspielige Belagerung der Städte Septimaniens hätte riskieren können.<ref name="ftn52">Lewis, ''Development'', S. 23-24.</ref>


Dreizehn Jahre später trat 752 wieder ein karolingisches Heer unter der Führung Pippins in Erscheinung. Pippin hatte anscheinend die Unterstützung zumindest eines Teiles der gotischen Elite Septimaniens unter Führung Ansemunds auf seiner Seite. Anders als sein Vater musste er sich offensichtlich auch keines Entsatzheeres erwehren. Die Muslime von al-Andalus waren zu Pippins Zeit wohl zu sehr mit internen Konflikten beschäftigt, als dass sie sich um Kämpfe in einem für sie wenig bedeutenden Grenzgebiet hätten kümmern können. Bereits 729-731 hatte es einen Berberaufstand in al-Andalus gegeben, der nach einem Bündnis eines gewissen Munuz mit dem damaligen ''princeps'' Eudo von Aquitanien zur Schlacht von Tours bzw. Poitiers geführt hatte. Anfang der 740er folgte jedoch ein weiterer Aufstand, der die Vorherrschaft der Araber in al-Andalus sehr viel deutlicher in Frage stellte.<ref name="ftn53">Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 24-25.</ref> Die daraus resultierenden Wirren wurden ab 750 vom Sturz der von Damaskus aus herrschenden Umayyadendynastie im Rahmen des so genannten abbasidischen Revolution überschattet, die in al-Andalus 756 zum Coup eines umayyadischen Flüchtlings führte, der als ʿAbd al-Raḥmān I. (regn. 138-172/756-788) zum Begründer eines vom Kalifat letztlich unabhängigen Emirats von Córdoba wurde. Die mit diesen Geschehnissen verbundenen Auseinandersetzungen und Kämpfe dürften dafür gesorgt haben, dass 752 an die Entsendung eines Entsatzheeres für Narbonne nicht zu denken war.<ref name="ftn54">Lewis, ''Development'', S. 26; Collins, ''Arab Conquest, ''S. 112; Clément, La province arabe, S. 20.</ref>
[§16] Dreizehn Jahre später trat 752 wieder ein karolingisches Heer unter der Führung Pippins in Erscheinung. Pippin hatte anscheinend die Unterstützung zumindest eines Teiles der gotischen Elite Septimaniens unter Führung Ansemunds auf seiner Seite. Anders als sein Vater musste er sich offensichtlich auch keines Entsatzheeres erwehren. Die Muslime von al-Andalus waren zu Pippins Zeit wohl zu sehr mit internen Konflikten beschäftigt, als dass sie sich um Kämpfe in einem für sie wenig bedeutenden Grenzgebiet hätten kümmern können. Bereits 729-731 hatte es einen Berberaufstand in al-Andalus gegeben, der nach einem Bündnis eines gewissen Munuz mit dem damaligen ''princeps'' Eudo von Aquitanien zur Schlacht von Tours bzw. Poitiers geführt hatte. Anfang der 740er folgte jedoch ein weiterer Aufstand, der die Vorherrschaft der Araber in al-Andalus sehr viel deutlicher in Frage stellte.<ref name="ftn53">Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 24-25.</ref> Die daraus resultierenden Wirren wurden ab 750 vom Sturz der von Damaskus aus herrschenden Umayyadendynastie im Rahmen des so genannten abbasidischen Revolution überschattet, die in al-Andalus 756 zum Coup eines umayyadischen Flüchtlings führte, der als ʿAbd al-Raḥmān I. (regn. 138-172/756-788) zum Begründer eines vom Kalifat letztlich unabhängigen Emirats von Córdoba wurde. Die mit diesen Geschehnissen verbundenen Auseinandersetzungen und Kämpfe dürften dafür gesorgt haben, dass 752 an die Entsendung eines Entsatzheeres für Narbonne nicht zu denken war.<ref name="ftn54">Lewis, ''Development'', S. 26; Collins, ''Arab Conquest, ''S. 112; Clément, La province arabe, S. 20.</ref>


Trotz Ausbleiben eines muslimischen Entsatzheeres gelang Pippin die Einnahme Narbonnes erst nach sieben Jahren. Um diese Verzögerung zu verstehen, ist es zunächst notwendig, sich ein wenig näher mit den gotischen Eliten zu beschäftigen, die auch noch unter muslimischer Herrschaft Teil der politischen Landschaft Septimaniens waren. Der ''Chronik von Aniane'' zufolge übergab ein gewisser Ansemund die im Nordosten Septimaniens gelegenen Städte Nîmes, Maguelone, Agde und Béziers 752 an Pippin. Er agierte dabei wohl als Anführer einer den Franken gegenüber freundlich eingestellten Gruppe gotischer Großer. Ansemunds Verhandlungen mit Pippin deuten darauf hin, dass diese Goten ein vergleichsweise großes Maß an Autonomie genossen: Nîmes, das urbane Zentrum im Nordosten Septimaniens, war schließlich per Friedensvertrag von den Muslimen unterworfen worden, während Carcassonne, das urbane Zentrum im Westen Septimaniens, wie auch Narbonne militärisch erobert worden war. Da militärisch erobertes Land üblicherweise in den Besitz der muslimischen Eroberer überging und nur den durch Vertrag unterworfenen Gebieten Autonomie gewährt wurde<ref name="ftn55">Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 12.</ref>, ist es wahrscheinlich, dass der al-Andalus näher gelegene Südwesten Septimaniens unter sehr viel direkterer muslimischer Kontrolle stand als der näher zum Frankenreich gelegene Nordosten. Jenseits der von Ansemund an Pippin übergebenen Orte ist davon auszugehen, dass die gotische Unterstützung für die Franken eher gering war, hatte man Letztere ja als expansive Kraft kennen gelernt. Diese Unterstützung scheint mit dem Tod Ansemunds im Jahr 753 weiter geschwächt worden zu sein, als es wohl in Nîmes zu einer Revolte kam und die Stadt einem fränkischen Grafen unterstellt wurde.<ref name="ftn56">Lewis, ''Development'', S. 25.</ref> Die gotischen Eliten Septimaniens werden befürchtet haben, im Rahmen einer fränkischen Herrschaftsübernahme die ihnen anscheinend auch unter muslimischer Herrschaft gewährte Autonomie und damit verbundene Rechte zu verlieren. Nur vor einem solchen Hintergrund ist zu erklären, warum Pippin den Goten in Narbonne einen Eid schwören musste (''datoque sacramento gotis''), dass er ihre Rechte und Autonomie achten würde, bevor sie bereit waren, ihn gegen die Muslime zu unterstützen und ihm die Herrschaft über die Stadt zu übertragen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nicht nur die zögernde Unterstützung der Goten Pippins Fortschritt verlangsamte. Auch das Verhalten der aquitanischen Eliten bremste sein Vorgehen: Der ''Chronik von Aniane'' zufolge kam es schließlich zu militärischen Auseinandersetzungen mit dem ''princeps ''Waifar von Aquitanien, während fränkische Truppen Städte in Septimanien belagerten. Auch wenn dem Quellenmaterial keine weiteren Details zu entnehmen sind, dürften die Aktivitäten Waifars die Eroberung Septimaniens entscheidend verlangsamt haben. Immerhin mussten die Franken damit rechnen, dass Waifar den belagerten Städten Septimaniens zu Hilfe kommen oder das fränkische Heer vom Nachschub abschneiden konnte.
[§17] Trotz Ausbleiben eines muslimischen Entsatzheeres gelang Pippin die Einnahme Narbonnes erst nach sieben Jahren. Um diese Verzögerung zu verstehen, ist es zunächst notwendig, sich ein wenig näher mit den gotischen Eliten zu beschäftigen, die auch noch unter muslimischer Herrschaft Teil der politischen Landschaft Septimaniens waren. Der ''Chronik von Aniane'' zufolge übergab ein gewisser Ansemund die im Nordosten Septimaniens gelegenen Städte Nîmes, Maguelone, Agde und Béziers 752 an Pippin. Er agierte dabei wohl als Anführer einer den Franken gegenüber freundlich eingestellten Gruppe gotischer Großer. Ansemunds Verhandlungen mit Pippin deuten darauf hin, dass diese Goten ein vergleichsweise großes Maß an Autonomie genossen: Nîmes, das urbane Zentrum im Nordosten Septimaniens, war schließlich per Friedensvertrag von den Muslimen unterworfen worden, während Carcassonne, das urbane Zentrum im Westen Septimaniens, wie auch Narbonne militärisch erobert worden war. Da militärisch erobertes Land üblicherweise in den Besitz der muslimischen Eroberer überging und nur den durch Vertrag unterworfenen Gebieten Autonomie gewährt wurde<ref name="ftn55">Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 12.</ref>, ist es wahrscheinlich, dass der al-Andalus näher gelegene Südwesten Septimaniens unter sehr viel direkterer muslimischer Kontrolle stand als der näher zum Frankenreich gelegene Nordosten. Jenseits der von Ansemund an Pippin übergebenen Orte ist davon auszugehen, dass die gotische Unterstützung für die Franken eher gering war, hatte man Letztere ja als expansive Kraft kennen gelernt. Diese Unterstützung scheint mit dem Tod Ansemunds im Jahr 753 weiter geschwächt worden zu sein, als es wohl in Nîmes zu einer Revolte kam und die Stadt einem fränkischen Grafen unterstellt wurde.<ref name="ftn56">Lewis, ''Development'', S. 25.</ref> Die gotischen Eliten Septimaniens werden befürchtet haben, im Rahmen einer fränkischen Herrschaftsübernahme die ihnen anscheinend auch unter muslimischer Herrschaft gewährte Autonomie und damit verbundene Rechte zu verlieren. Nur vor einem solchen Hintergrund ist zu erklären, warum Pippin den Goten in Narbonne einen Eid schwören musste (''datoque sacramento gotis''), dass er ihre Rechte und Autonomie achten würde, bevor sie bereit waren, ihn gegen die Muslime zu unterstützen und ihm die Herrschaft über die Stadt zu übertragen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nicht nur die zögernde Unterstützung der Goten Pippins Fortschritt verlangsamte. Auch das Verhalten der aquitanischen Eliten bremste sein Vorgehen: Der ''Chronik von Aniane'' zufolge kam es schließlich zu militärischen Auseinandersetzungen mit dem ''princeps ''Waifar von Aquitanien, während fränkische Truppen Städte in Septimanien belagerten. Auch wenn dem Quellenmaterial keine weiteren Details zu entnehmen sind, dürften die Aktivitäten Waifars die Eroberung Septimaniens entscheidend verlangsamt haben. Immerhin mussten die Franken damit rechnen, dass Waifar den belagerten Städten Septimaniens zu Hilfe kommen oder das fränkische Heer vom Nachschub abschneiden konnte.


Archibald Lewis betrachtet das fränkische Engagement in Septimanien und die schlussendliche Eroberungen diese Territoriums als Teil eines größeren Konfliktes zwischen den Karolingern und den ''principes'' Aquitaniens.<ref name="ftn57">Lewis, ''Development'', S. 20-33.</ref> Aquitanien war seit der Zeit Chlodwigs I. Teil des Frankenreiches gewesen, hatte jedoch zu Beginn des 8. Jahrhunderts einen hohen Grad an Autonomie erlangt.<ref name="ftn58">Lewis, ''Development'', S. 3-4.</ref> Dies hatte unter Karl Martell immer wieder zu Konflikten zwischen den karolingischen Hausmeiern und den ''principes'' geführt. Unter Pippin mündete dieser schwelende Konflikt endgültig in einen offenen Krieg. Direkt nach der Eroberung Narbonnes marschierte Pippins Heer weiter nach Aquitanien und besetzte den Südosten des Landes.<ref name="ftn59">Lewis, ''Development'', S. 26.</ref> Die nächsten neun Jahre scheint Pippin kontinuierlich einen äußerst destruktiven Krieg gegen Aquitanien geführt zu haben, der 768 zugunsten des karolingischen Frankenreiches endete.<ref name="ftn60">Lewis, ''Development'', S. 26-27.</ref> Lewis folgend erscheint es durchaus einleuchtend, die fränkische Eroberung Septimaniens als einen Baustein im Prozess der Durchsetzung eines karolingischen Herrschaftsanspruches im Süden des Frankenreiches zu betrachten: Wie Pippins Offensive im direkten Anschluss an die Eroberung Narbonnes zeigt, stellte Septimanien ein geeignetes Einfallstor in den Süden Aquitaniens dar.
[§18] Archibald Lewis betrachtet das fränkische Engagement in Septimanien und die schlussendliche Eroberungen diese Territoriums als Teil eines größeren Konfliktes zwischen den Karolingern und den ''principes'' Aquitaniens.<ref name="ftn57">Lewis, ''Development'', S. 20-33.</ref> Aquitanien war seit der Zeit Chlodwigs I. Teil des Frankenreiches gewesen, hatte jedoch zu Beginn des 8. Jahrhunderts einen hohen Grad an Autonomie erlangt.<ref name="ftn58">Lewis, ''Development'', S. 3-4.</ref> Dies hatte unter Karl Martell immer wieder zu Konflikten zwischen den karolingischen Hausmeiern und den ''principes'' geführt. Unter Pippin mündete dieser schwelende Konflikt endgültig in einen offenen Krieg. Direkt nach der Eroberung Narbonnes marschierte Pippins Heer weiter nach Aquitanien und besetzte den Südosten des Landes.<ref name="ftn59">Lewis, ''Development'', S. 26.</ref> Die nächsten neun Jahre scheint Pippin kontinuierlich einen äußerst destruktiven Krieg gegen Aquitanien geführt zu haben, der 768 zugunsten des karolingischen Frankenreiches endete.<ref name="ftn60">Lewis, ''Development'', S. 26-27.</ref> Lewis folgend erscheint es durchaus einleuchtend, die fränkische Eroberung Septimaniens als einen Baustein im Prozess der Durchsetzung eines karolingischen Herrschaftsanspruches im Süden des Frankenreiches zu betrachten: Wie Pippins Offensive im direkten Anschluss an die Eroberung Narbonnes zeigt, stellte Septimanien ein geeignetes Einfallstor in den Süden Aquitaniens dar.


Die vorliegenden Ausschnitte aus der ''Chronik von Aniane'' geben uns einen gewissen Einblick in die Eroberungspraxis der arabisch-islamischen Expansion. Sie zeigen uns, dass die Muslime es anscheinend verstanden, Gebiete durch eine Kombination aus Diplomatie und Krieg recht effektiv zu erobern. Indem sie unter bestimmten Bedingungen eine gewisse politische Autonomie gewährten, erleichterten sie es lokalen Eliten, sich den Eroberern anzuschließen, weil sie so den Blutzoll gering halten und gleichzeitig ihren Status unter der neuen Herrschaft erhalten konnten. Diese Praxis scheint jedoch auch Möglichkeiten zur Kooperation mit äußeren Kräften eröffnet zu haben – gerade in der umkämpften Grenzzone zwischen arabisch-islamischem und fränkischem Herrschaftsbereich, wo der Gote Ansemund und ein Teil des septimanischen Adels zu Pippin überliefen. Welche Motivationen dahinter standen, lässt sich angesichts der spärlichen Quellenaussagen ebensowenig rekonstruieren wie die Frage, welche Bedeutung neben politischen auch kulturellen oder religiösen Faktoren für diesen Schritt zukommt. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass für die hier geschilderten Ereignisse keine der angeführten Quellen eine grundsätzlich religiös begründete Feindschaft zwischen karolingischen Franken und Muslimen beschreibt, auch wenn die ''Annales Mettenses priores'' behaupten, Pippin habe „die Christen von der Knechtschaft der Sarazenen befreit“ (''Christianos de servitio Sarracenorum liberavit'').<ref name="ftn61">''Annales Mettenses Priores'', ed. Simson, a. 752, S. 43.</ref> Die hier beschriebenen Kämpfe zwischen Franken und Muslimen scheinen eher aus der Konfrontation zweier Expansionssphären zu resultieren – dem muslimischen Versuch, von al-Andalus aus einen Brückenkopf jenseits der Pyrenäen zu erhalten, und dem karolingischen Versuch, Vorherrschaft über den bisher relativ unabhängigen Südwesten des Frankenreiches zu gewinnen.<ref name="ftn62">Vgl. hierzu auch Collins, Deception, S. 227-247; Staudte-Lauber, Carlus princeps, S. 79-100.</ref> Pippin handelte nicht als „Verteidiger des Abendlandes“, der die Muslime als „Ungläubige“ bekämpfte: Nach der Eroberung Narbonnes zog er nach Aquitanien und bekämpfte dort Glaubensbrüder, deren Autonomiestreben eine Gefahr für den Herrschaftsanspruch eines Mannes darstellte, der gerade erst 751 die herrschende merowingische Dynastie abgesetzt und sich selbst zum König erhoben hatte und damit zum Begründer karolingischer Königsherrschaft geworden war: Septimanien stellte somit nur einen Trittstein auf seinem Weg nach Aquitanien und schließlich in die so genannte „spanische Mark“ dar<ref name="ftn63">Vgl. hierzu: [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/812:_Eine_Anweisung_Karls_des_Gro%C3%9Fen_bez%C3%BCglich_immigrierter_Hispani 812: Eine Anweisung Karls des Großen bezüglich immigrierter Hispani]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/815:_Eine_Constitutio_Ludwigs_des_Frommen_zu_angesiedelten_Hispani_im_Frankenreich 815: Eine Constitutio Ludwigs des Frommen zu angesiedelten Hispani im Frankenreich].</ref>, nicht den Austragungsort eines Kampfes zweier Kulturen.|6=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">''Chronicon Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 1), Hannover: Hahn, 1826, S. 280-313.</div>
[§19] Die vorliegenden Ausschnitte aus der ''Chronik von Aniane'' geben uns einen gewissen Einblick in die Eroberungspraxis der arabisch-islamischen Expansion. Sie zeigen uns, dass die Muslime es anscheinend verstanden, Gebiete durch eine Kombination aus Diplomatie und Krieg recht effektiv zu erobern. Indem sie unter bestimmten Bedingungen eine gewisse politische Autonomie gewährten, erleichterten sie es lokalen Eliten, sich den Eroberern anzuschließen, weil sie so den Blutzoll gering halten und gleichzeitig ihren Status unter der neuen Herrschaft erhalten konnten. Diese Praxis scheint jedoch auch Möglichkeiten zur Kooperation mit äußeren Kräften eröffnet zu haben – gerade in der umkämpften Grenzzone zwischen arabisch-islamischem und fränkischem Herrschaftsbereich, wo der Gote Ansemund und ein Teil des septimanischen Adels zu Pippin überliefen. Welche Motivationen dahinter standen, lässt sich angesichts der spärlichen Quellenaussagen ebensowenig rekonstruieren wie die Frage, welche Bedeutung neben politischen auch kulturellen oder religiösen Faktoren für diesen Schritt zukommt. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass für die hier geschilderten Ereignisse keine der angeführten Quellen eine grundsätzlich religiös begründete Feindschaft zwischen karolingischen Franken und Muslimen beschreibt, auch wenn die ''Annales Mettenses priores'' behaupten, Pippin habe „die Christen von der Knechtschaft der Sarazenen befreit“ (''Christianos de servitio Sarracenorum liberavit'').<ref name="ftn61">''Annales Mettenses Priores'', ed. Simson, a. 752, S. 43.</ref> Die hier beschriebenen Kämpfe zwischen Franken und Muslimen scheinen eher aus der Konfrontation zweier Expansionssphären zu resultieren – dem muslimischen Versuch, von al-Andalus aus einen Brückenkopf jenseits der Pyrenäen zu erhalten, und dem karolingischen Versuch, Vorherrschaft über den bisher relativ unabhängigen Südwesten des Frankenreiches zu gewinnen.<ref name="ftn62">Vgl. hierzu auch Collins, Deception, S. 227-247; Staudte-Lauber, Carlus princeps, S. 79-100.</ref> Pippin handelte nicht als „Verteidiger des Abendlandes“, der die Muslime als „Ungläubige“ bekämpfte: Nach der Eroberung Narbonnes zog er nach Aquitanien und bekämpfte dort Glaubensbrüder, deren Autonomiestreben eine Gefahr für den Herrschaftsanspruch eines Mannes darstellte, der gerade erst 751 die herrschende merowingische Dynastie abgesetzt und sich selbst zum König erhoben hatte und damit zum Begründer karolingischer Königsherrschaft geworden war: Septimanien stellte somit nur einen Trittstein auf seinem Weg nach Aquitanien und schließlich in die so genannte „spanische Mark“ dar<ref name="ftn63">Vgl. hierzu: [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/812:_Eine_Anweisung_Karls_des_Gro%C3%9Fen_bez%C3%BCglich_immigrierter_Hispani 812: Eine Anweisung Karls des Großen bezüglich immigrierter Hispani]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/815:_Eine_Constitutio_Ludwigs_des_Frommen_zu_angesiedelten_Hispani_im_Frankenreich 815: Eine Constitutio Ludwigs des Frommen zu angesiedelten Hispani im Frankenreich].</ref>, nicht den Austragungsort eines Kampfes zweier Kulturen.|6=<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">''Chronicon Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 1), Hannover: Hahn, 1826, S. 280-313.</div>


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">''Ex Chronico Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 2), Hannover: Hahn, 1829, S. 257-259.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">''Ex Chronico Moissiacense'', ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 2), Hannover: Hahn, 1829, S. 257-259.</div>

Aktuelle Version vom 16. Juli 2021, 12:44 Uhr

Verfasser/in: Till Kalkbrenner

Quelle

Walter Kettemann, Subsidia Anianense. Überlieferungs- und textgeschichtliche Untersuchungen zur Geschichte Witiza-Benedikts, seines Klosters Aniane und zur sogenannten anianische Reform.Mit kommentierenden Editionen der Vita Benedicti Anianensis, Notitia de servitio monasteriorum, des Chronicon Moissiacense/ Anianense sowie zweier Lokaltraditionen aus Aniane, Diss., Universität Duisburg, 2000, Beilage 2, S. 17, S. 36 (Paris BN lat. 5941). Übersetzung: Till Kalkbrenner.
Sema rex sarracenorum post VIIII anno quam in Spania ingressi sunt sarraceni; narbonam obsidet obsessamque capit; uirosque ciuitatis illius gladio perimi iussit; mulieres uero vel paruulos captiuos in spaniam ducunt. Al-Samḥ, der König der Sarazenen, belagerte neun Jahre, nachdem die Sarazenen in Spanien eingefallen waren, Narbonne und eroberte die belagerte Stadt. Er befahl, die Männer dieser Stadt mit dem Schwert zu erschlagen. Die Frauen und die Kleinkinder aber führten sie nach Spanien in die Gefangenschaft.
Et in ipso anno mense tercio ad obsidendam tolosam pergunt. Quam dum obsiderent; exiit obuiam eis eudo princebs aquitanie; cum exercitu aquitaniorum uel franchorum. Et comisit cum eis proelium. Et dum preliare cepissent terga uersus est exercitus sarracenorum maximaque pars ibi cecidit gladio. Im selben Jahr, im dritten Monat, rückten sie nach Toulouse vor, um es zu belagern. Während sie die Stadt belagerten, zog Eudo, der Fürst Aquitaniens, mit einem Heer von Aquitaniern und auch Franken gegen sie aus. Er suchte mit ihnen die Schlacht. Und als sie angefangen hatten zu kämpfen, wandte sich das Heer der Sarazenen zur Flucht, und der größte Teil starb durch das Schwert.
Ambisa rex sarracenorum cum ingenti exercitu post V anno gallias aggreditur carcassonam expugnat et capit; et usque nemauso pace conquisiuit et obsides eorum barchinona transmittit. (…) ʿAnbasa, der König der Sarazenen, griff nach fünf Jahren [725] Gallien mit einem gewaltigen Heer an, erstürmte und eroberte Carcassonne, erwarb Nîmes durch einen Friedensvertrag und schickte deren Geiseln nach Barcelona. (…)
Anno DCCLII Ansemundus gotus nemauso ciuitatem magdalonam; Agathen Biterris pipino regi franchorum tradidit ex eo die franci narbonam infestant Vuaifarium principem aquitanie Pipinus persequitur; eo quod nollet se dicioni illius dare sicut eudo fecerat karolo patri eius. Im Jahre 752 übergab der Gote Ansemund die Stadt Nîmes, Maguelone, Agde und Béziers an Pippin, den König der Franken. Von diesem Tag an bedrängten die Franken Narbonne. Pippin stellte Waifar, dem Fürsten von Aquitanien, nach, da sich dieser nicht seiner Befehlsgewalt unterstellen wollte, so wie dies schon Eudo gegenüber seinem Vater Karl getan hatte.
Anno DCCLVIIII franci narbonam obsident datoque sacramento gotis qui ibi erant ut si ciuitatem partibus traderent pipini regis franchorum; permitterent eos legem suam habere; quo facto; ipsi goti sarracenos qui in presidio illius erant occidunt ipsamque ciuitatem partibus franchorum tradunt. Im Jahre 759 belagerten die Franken Narbonne, nachdem er [Pippin] den Goten, welche dort waren, einen Eid geschworen hatte, wonach dieser ihnen erlauben würde, ihre Gesetze zu behalten, wenn sie die Stadt den Herrschaftsgebieten (partibus) Pippins, des Königs der Franken, übergeben würden. Dieselben Goten erschlugen die Sarazenen, die ihr [der Stadt] vorstanden (in presidio illius erant), und übergaben die Stadt den Herrschaftsgebieten der Franken.

Autor/in & Werk

[§1] Die vorliegenden Auszüge stammen aus dem Chronicon Anianense bzw. der Chronik von Aniane, einem Geschichtswerk aus dem Südwesten des heutigen Frankreich, dessen überliefertes Manuskript (Paris BN lat. 5941) auf das 12. Jahrhundert datiert wird.

[§2] Lange wurde davon ausgegangen, dass die Chronik von Aniane in weiten Teilen eine Kopie der bekannteren Chronik von Moissac (Chronicon Moissiacense) aus dem frühen 9. Jahrhundert darstelle. Deshalb wurde sie in der Regel nur herangezogen, wenn es galt, die durch Blattverlust entstandenen Lücken der Chronik von Moissac zu füllen, so geschehen u. a. in der lange autoritativen Edition von Georg Heinrich Pertz im ersten Band der Monumenta Germaniae Historica.[1] Beide Chroniken sind jeweils nur in einem Manuskript erhalten und zeichnen sich durch eine besondere Fülle an Informationen aus dem Südwesten des Frankenreiches aus. Viele der in ihnen verzeichneten Nachrichten aus Aquitanien, Septimanien und der sogenannten Spanischen Mark lassen sich nur dort finden.[2]

[§3] In seiner im Jahre 2000 erschienen Dissertation über Benedikt von Aniane (um 750-821) und die sogenannte anianische Reform hat Walter Kettemann eine synoptische Edition der beiden Chroniken auf Basis der Originalmanuskripte erstellt.[3] Auf der Grundlage seiner vergleichenden Textanalyse stellt er die These auf, dass beide Chroniken auf derselben Vorlage basieren.[4] Dieser Vorlage gab Kettemann nach Benedikt von Aniane (um 750-821) den Namen Annales Benedicti Anianenses. Er geht davon aus, dass der Auftrag zur Erstellung dieser hypothetischen Chronik von Benedikt selbst oder zumindest aus seinem Umkreis stammte, und nennt hierfür eine Reihe von Argumenten. Unter anderem zeigt er auf, dass beide Chroniken zwar üblicherweise nur sehr spärlich über Vorgänge im restlichen Reich berichten, während die Passagen zu Benedikts Aufenthalt im Norden über Vorgänge in Sachsen aber sehr gut informiert zu sein scheinen.[5] Erachtet man die These von Kettemann für plausibel, hätte dies gewichtige Konsequenzen für den Wert der Nachrichten in der Chronik. Benedikt, dessen ursprünglicher Name Witiza (lat. Euticius) lautete, war nämlich als Sohn des westgotischen Grafen von Maguelone in Septimanien geboren worden.[6] Somit war Benedikt der Sohn eines der Magnaten um den Goten Ansemund, die mit König Pippin kooperiert und damit einen Beitrag zur Beendigung der muslimischen Herrschaft in Septimanien geleistet hatten.[7] Damit hätte der Verfasser potenziell die Möglichkeit gehabt, mit Personen aus dem Umkreis derjenigen Eliten zu sprechen, welche zuerst mit den Muslimen und dann mit den Franken kooperiert hatten. Damit würde es sich bei der Vorlage zu den Chroniken von Moissac und Aniane um eine sehr zeitnah entstandene und glaubwürdige Quelle zur Eroberung Septimaniens durch die Franken handeln.

Inhalt & Quellenkontext

[§4] Bis zur muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel im Jahre 92/711 hatte Narbonne, das Zentrum Septimaniens, als Teil des Westgotenreiches gegolten und war vielleicht von einigen westgotischen Adligen als Rückzugsort genutzt worden. Noch in den ersten zwei Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts stand es unter der Herrschaft eines gewissen Achila II. (regn. 710-713/ 714) und seines Nachfolgers Ardo (regn. 713/ 714-720).[8]

[§5] Über die Ereignisse auf der Iberischen Halbinsel und in Septimanien zwischen 711 und 720 gibt die Chronik von Aniane keine Auskunft. Die Muslime treten mit der hier zitierten Passage in die Erzählung ein. Sie beginnt mit dem Bericht von der Eroberung Narbonnes durch den Statthalter von al-Andalus, al-Samḥ (regn. 100-102/719-721), der hier als Sema rex sarracenorum bezeichnet wird.[9] Die Eroberung wird auf das Jahr 720 datiert. Die Frauen und Kinder werden versklavt, die Männer hingegen erschlagen. Über die anderen Städte Septimaniens wird in diesem Zusammenhang nichts berichtet. Im Anschluss rücken die Muslime auf Toulouse in Aquitanien vor und belagern es. Dort werden sie jedoch von Eudo, dem princeps von Aquitanien, mit einem Heer aus Aquitaniern und Franken vernichtend geschlagen.[10] Die Quelle berichtet weiterhin von der Eroberung Carcassonnes und von Nîmes im Jahre 725 durch den Statthalter ʿAnbasa (Ambisa rex sarracenorum, regn. 102-107/ 721-726). Carcassonne wird mit Gewalt erobert, Nîmes hingegen kann im Rahmen einer friedlichen Kapitulation gewonnen werden. Vermutlich um die Loyalität der Bewohner von Nîmes zu garantieren, werden diese verpflichtet, Geiseln nach Barcelona zu schicken. Direkt im Anschluss soll ʿAnbasa mehrere Razzien in die umliegenden Regionen durchgeführt haben, von denen eine ihn sogar bis nach Autun im Herzen Burgunds geführt haben soll.[11]

[§6] Im Anschluss berichtet uns die Chronik von Aniane über den Herrschaftsantritt von ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAbd Allāh al-Ġāfiqī (regn. 112-14/730-732) als Statthalter von al-Andalus und seine Razzia gegen Eudo. Auch die daraus resultierende Schlacht von Poitiers gegen Karl Martell (regn. 719-741) und der Schlachtentod des Statthalters finden in der Quelle Erwähnung.[12] Für das Jahr 735 berichtet die Chronik von der Überquerung der Rhone durch ein muslimisches Heer und der Verwüstung der Provence in den darauffolgenden vier Jahren.[13] Nachdem er diese Nachricht vernommen hat, so wird weiter berichtet, bricht Karl Martell mit einem Heer auf, vertreibt die Muslime aus der Provence und beginnt, Narbonne zu belagern. Ihm marschiert jedoch ein Entsatzheer aus al-Andalus entgegen, welches er jedoch zu besiegen vermag. Er zieht sich daraufhin aus Septimanien zurück, jedoch nicht ohne große Beute zu machen und Verwüstungen anzurichten.[14]

[§7] Die beiden Einträge der Chronik von Aniane für die Jahre 752 und 759 berichten ausführlich davon, wie Pippin dem Jüngeren (regn. 741-751 als maior domus, 751-768 als rex) die Eroberung Septimaniens angeht.[15] Der Chronik zufolge übergibt ein Gote namens Ansemund (Ansemundus gotus) König Pippin mehrere Städte (Nîmes, Maguelone, Agde, Béziers, alle im Nordosten Septimaniens). Auch Pippins Konflikt mit princeps Waifar von Aquitanien (regn. 745-768) findet Erwähnung. Die endgültige Eroberung Septimaniens zieht sich jedoch bis 759 hin. Narbonne kann erst eingenommen werden, nachdem Pippin den Goten innerhalb der Stadt durch Eid garantiert hat, dass er im Falle einer Übergabe ihre Rechte und Autonomie respektieren würde. Daraufhin wird die sarazenische Besatzung von den Goten getötet. Im Anschluss berichtet die Chronik nur noch sehr knapp über Pippins Sieg über Waifar sowie über Pippins Tod.[16]

[§8] Die Chronik von Aniane datiert die Eroberung Narbonnes auf das Jahr 720, während die Forschung gute Gründe dafür anführt, sie in die Mitte des Jahres 719 zu legen.[17] In einigen arabischen Quellen wird behauptet, die Eroberung Narbonnes sei schon früher, nämlich durch Mūsā b. Nuṣayr, den ersten Statthalter von al-Andalus (regn. 93-95/712-714) erfolgt. Bei allen Berichten über die Eroberung Narbonnes oder anderer Städte nördlich der Pyrenäen durch Mūsā handelt es sich allerdings um sehr viel spätere und legendenhafte Berichte, welche dazu neigen, die Taten Mūsās auszuschmücken.[18] Einer weit verbreiteten Erzählung zufolge erreichten Mūsā und sein Heer nördlich von Narbonne einen Tempel mit einer Inschrift in arabischer Sprache und Schrift. Sie habe den „Söhnen Ismaels“ Unheil prophezeit, würden sie nicht umkehren.[19] Ferner gibt es Berichte, denen zufolge Mūsās Sohn ʿAbd al-ʿAzīz Narbonne erobert habe bzw. ein gewisser ʿUmar b. ʿAbd al-ʿAzīz, vielleicht ein Sohn des Letzteren, mit einer Schwadron die Stadt erreicht habe.[20] Tatsächlich ist die Chronologie der muslimischen Kampagnen nach Mūsās Eroberung Saragossas im Frühling 95/714 im Grunde ungeklärt.[21] Die Operationen ʿAnbasas in den 720ern und jene ʿAbd al-Raḥmāns in den 730ern finden in der arabischen Tradition allerdings deutlichen Widerhall.[22] Festhalten lässt sich ebenso, dass Narbonne in allen bedeutenden Werken der arabisch-islamischen Geographie als Ort erwähnt war, der einmal unter muslimischer Herrschaft stand.[23]

[§9] Lateinische Parallelquellen berichten nur spärlich über die Eroberung Narbonnes und Septimaniens durch die Muslime. Die auch als Chronik von 754 oder Chronica muzarabica bekannte Continuatia hispana berichtet, der Statthalter al-Ḥurr (regn. 97-100/716-719) habe in ganz Spanien für Ordnung gesorgt und sei beinahe drei Jahre lang damit beschäftigt gewesen, die Gallia Narbonensis durch Verhandlungen und militärische Operationen zu gewinnen.[24] Auch der Eroberung Narbonnes durch al-Samḥ widmet sie einige Zeilen.[25] Zu den Kämpfen Karl Martells im Südwesten des Frankenreiches liegen dann allerdings weit mehr und auch ausführlichere Quellen vor.[26] Selbiges gilt für die Eroberung Narbonnes durch Pippin, wobei hier jedoch die Chronik von Aniane den größten Detailreichtum aufweist.

[§10] Abschließend lässt sich festhalten, dass die lateinische Überlieferung zur Geschichte Narbonnes unter muslimischer Herrschaft dichter sowie zeitlich und räumlich näher an den Geschehnissen entstanden ist als die arabische. Eine frühe Eroberung durch Mūsā oder seinen Sohn ʿAbd al-ʿAzīz, welche durch Verlust oder Aufgabe der Stadt wieder rückgängig gemacht wurde, ist durchaus denkbar. Bei der durch die Chronik von Aniane belegten Eroberung der Stadt durch al-Samḥ hätte es sich in diesem Fall um eine erneute Eroberung der Stadt gehandelt.[27] Fest steht allerdings nur, dass Narbonne zwischen 719 und 720 erobert wurde und für mehrere Jahrzehnte unter muslimische Herrschaft geriet. Unter ʿAnbasa wurden dann bis 725 weitere Teile Septimaniens unter muslimische Kontrolle gebracht. Ab 732 wurde Karl Martell aktiv, um aus den nominell zum Frankenreich gehörenden Fürstentümern Aquitanien und Provence muslimische Eindringlinge zu vertreiben. Dies kulminierte 739 in einer siegreichen Schlacht gegen ein Entsatzheer aus al-Andalus. Die folgenden dreizehn Jahre scheinen ruhig gewesen zu sein, bis Pippin 752 mit Hilfe lokaler gotischer Eliten in Septimanien eindrang. Nach weiteren sieben Jahren wurde Narbonne dann 759 durch die Franken erobert. Trotz eines massiven Angriffes durch Truppen des seit 756 etablierten Emirats von Cordoba im Jahre 793 verblieb Septimanien ab seiner Eroberung durch Pippin 759 langfristig unter Kontrolle des Frankenreiches.[28]

Kontextualisierung, Analyse & Interpretation

[§11] Im Folgenden sollen zunächst die Faktoren erörtert werden, die die Eroberung Septimaniens durch die Muslime verzögerten. Daraufhin soll kurz skizziert werden, bis zum welchem Grade es zu einer Etablierung muslimischer Herrschaft in Septimanien kam. Abschließend wird diskutiert, warum sich die Eroberung Septimaniens durch die karolingischen Franken so lange hinzog. Hierzu müssen zuerst einige Facetten der gotischen Vorgeschichte Septimaniens erläutert werden.

[§12] Im Rahmen eines Vertrags mit dem weströmischen Kaisers wurden die Westgoten 418 als foederati im Südwesten Galliens angesiedelt, wo sie ein auf die Stadt Toulouse zentriertes Königreich (regnum Tolosanum) aufbauten und in römischem Auftrag gegen Gruppen auf der Iberischen Halbinsel vorgingen, die die Herrschaft Roms in Frage stellten.[29] Der Bischofssitz Narbonne gelangte 476-477 unter westgotische Kontrolle.[30] Nach der Niederlage gegen die Franken und Burgunder in der Schlacht bei Vouillé von 507 verlagerte sich der Schwerpunkt westgotischer Herrschaft auf die Iberische Halbinsel. Nur Septimanien verblieb als einziges gallisches Gebiet unter westgotischer Kontrolle.[31] Im Laufe des sechsten und siebten Jahrhunderts demonstrierte der auf Narbonne zentrierte Nordosten des Westgotenreiches immer wieder eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem seit dem Ende des 6. Jahrhunderts auf Toledo zentrierten iberischen Herrschaftsgebiet. Dies kulminierte 673 in der Königserhebung eines gewissen Paulus, der von Narbonne aus die Herrschaft König Wambas (regn. 672-680) anfocht.[32]

[§13] Am Vorabend der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel war nach dem Tod von Witiza (regn. 702-710) ein Kampf um dessen Nachfolge ausgebrochen. Im Südwesten hatte sich Roderich (regn. 710-711) etabliert, welcher 711 den muslimischen Invasoren unterlag.[33] Im Nordosten jedoch hatte der bereits oben erwähnte Achila (regn. 710-713/714) mit Unterstützung der lokalen Eliten die Herrschaft übernommen.[34] Anders als Roderich konnte er sich länger gegen die muslimischen Invasoren halten. Ihm folgte Ardo (regn. 713/714-720)[35] welcher über Septimanien herrschte und vermutlich bis zu dessen Eroberung in Narbonne residierte. Noch 719 scheinen gotische Münzen in Narbonne geprägt worden zu sein.[36] Die Existenz eines separaten Königtums im eigenständigen Nordosten des Westgotenreiches ist als bedeutender Faktor für die Verzögerung der muslimischen Eroberung Septimaniens zu sehen. Das westgotische Heer trat nur in Kriegszeiten zusammen und bestand hauptsächlich aus den Gefolgsleuten der großen Adelsfamilien.[37] Der Schlachtentod Roderichs führte augenscheinlich zu einem Zerfall des westgotischen Heeres, dessen Adelsfamilien daraufhin ihre eigenen Partikularinteressen verfolgten. Die königliche Führung im Nordosten dagegen erlaubte es, die Kräfte des Adels noch für einige Jahre zu bündeln und effektiv zu führen. Zu bedenken ist auch, dass der verlustreiche muslimische Angriff auf Toulouse die militärische Handlungsfähigkeit der muslimischen Statthalter zumindest für eine Weile einschränkte und Narbonne somit eine Ruhepause gewährte. Es gibt auch Indizien dafür, dass Teile Septimaniens, so zum Beispiel Carcassonne, zeitweise unter aquitanischer Kontrolle gestanden haben könnten.[38] Somit scheinen die muslimischen Eroberer, nachdem sie in der Hispania auf unkoordinierten und folglich leicht zu bezwingenden Widerstand getroffen waren, in Septimanien sowohl mit koordiniertem westgotischen Widerstand als auch mit aquitanischen Truppen konfrontiert gewesen zu sein.

[§14] Dennoch geriet Septimanien spätestens 725 vollständig unter muslimische Kontrolle, als nämlich Nîmes und Carcassonne eingenommen wurden, welche die natürlichen Grenzen Septimaniens bildeten. Dies dürfte u. a. den Bedingungen geschuldet sein, zu denen sich lokale Eliten den Eroberern unterwerfen konnten. Bereits für das Jahr 713 lässt sich ein Unterwerfungsvertrag zwischen lokalen gotischen Eliten und den Muslimen um das hispanische Orihuela belegen, in dem gegen moderate Abgaben weitgehende politische Autonomie, Sicherheitsgarantien und eine freie Ausübung der Religion gewährt wurden.[39] Der Bericht der Continuatio Hispana bzw. Chronica muzarabica, dass al-Ḥurr zwischen 716 und 719 versucht hatte, Septimanien (Galllia Narbonensis) sowohl „kämpfend als auch befriedend“ (debellando et pacificando) zu gewinnen, spricht dafür, dass eine ähnliche Vorgehensweise auch im Nordosten des Westgotenreiches versucht wurde.[40]Auch der Bericht der hier behandelten Chronik von Aniane zur Eroberung Nîmes durch ʿAnbasa 725 spricht für die Anwendung ähnlicher Unterwerfungsmethoden, soll die Stadt ja durch einen Friedensvertrag eingenommen worden sein (nemauso pace conquisiuit). Somit dürften zumindest einige Angehörige der lokalen Eliten in der Lage gewesen sein, sich ein gewisses Maß an Autonomie zu bewahren. Dies dürfte erklären, warum Pippin knapp dreißig Jahre nach der Eroberung Septimaniens durch die Muslime noch mit einer handlungsfähigen gotischen Elite zusammenarbeiten konnte. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Eliten Septimaniens unter muslimischer Herrschaft keinen signifikanten Wandel durchlebten. Es gibt keine wirklich deutlichen Indizien dafür, dass sich hier wie in der Hispania eine neue arabisch-berberische Elite festgesetzt hätte: Zwar kennen wir den Namen mehrerer Gouverneure[41], erfahren von der Ansiedlung eines Berberstammes in Narbonne[42] und können vielleicht ein von Tarazona oder Tarragona aus organisiertes Steuersystem für die „arabische Provinz Narbonne“ vermuten.[43] Die archäologischen Reste sind aber wenig aussagekräftig.[44] Auch die hier behandelte Chronik von Aniane suggeriert eher, die lokale Elite sei im Grunde weiterhin gotisch und christlich geblieben, während die Muslime in der Region vorwiegend militärische Garnisonen stellten. In der vorliegenden Quellenstelle zur Eroberung Narbonnes ist nur die Rede von einer muslimischen Garnison, welche der Stadt vorstand (in presidio illius erant). Andere Muslime in Narbonne oder dem weiteren Septimanien werden nicht erwähnt. Vor diesem Hintergrund erscheint plausibel, dass Verwaltung und Wirtschaft der Region weiterhin primär in der Hand der gotischen Eliten lagen.[45]

[§15] Abschließend soll die Frage geklärt werden, weshalb die karolingischen Franken Septimanien erst nach knapp 27 Jahren immer wiederkehrender militärischer Aktivitäten in der Region eroberten. Die Karolinger traten zum ersten Mal um 732 auf den Plan, als der maior domus Karl Martell (regn. 717/718-741) in Reaktion auf den Hilferuf Herzog Eudos von Aquitanien bei Tours bzw. Poitiers das Heer des Statthalters von al-Andalus vernichtend schlug und damit direkt in die Angelegenheiten des Herzogtums eingriff. Danach übergab er das Herzogtum jedoch wieder seinem langjährige Rivalen Eudo und zog sich zurück. Karl Martell wurde erst ab 737 wieder im Süden aktiv: Laut dem Continuator des Fredegar soll ein gewisser Maurontus die Sarazenen ins Land gerufen und ihnen bei der Besetzung Avignons geholfen haben.[46] Bei diesem handelte es sich vermutlich um den patricius der Provence, schließlich berichten die Annales Mettenses Priores, ein namentlich nicht erwähnter comes der Provence habe die Sarazenen ins Land gelassen.[47] Unklar ist, ob die Allianz zwischen Maurontus und den Muslimen von Karl als Bedrohung der von ihm kürzlich gesicherten Region Burgund gesehen wurde und somit seinen Eingriff provozierte[48] oder ob die Muslime in Reaktion auf einen Angriff Karls ins Land gerufen worden waren.[49] In jedem Fall wurden so die Weichen für ein Eingreifen in Septimanien gelegt: Sowohl der Continuator des Fredegar als auch die Annales Mettenses Priores berichten, dass Karl nach der Eroberung Avignons die Rhone überquerte und von Osten her nach Septimanien vordrang. Die östlichen Städte unterwarfen sich ihm, Narbonne und die übrigen Städte konnte er jedoch nicht einnehmen. Ein Entsatzheer aus al-Andalus schlug er vernichtend bei Berre, in der Nähe von Narbonne. Lewis datiert diese Schlacht, die mit dem von der Chronik von Aniane berichteten Sieg Karl Martells übereinstimmen dürfte[50], auf 739.[51] Im Anschluss scheint sich Karl jedoch ohne weitere Vorkehrungen aus Septimanien zurückgezogen zu haben. Vermutlich waren seine langen Nachschublinien durch den feindlich gesinnten neuen princeps von Aquitanien Hunald (regn. 735-745) und den in Marseille eingeschlossenen Maurontus zu stark gefährdet, als dass er eine langwierige und kostspielige Belagerung der Städte Septimaniens hätte riskieren können.[52]

[§16] Dreizehn Jahre später trat 752 wieder ein karolingisches Heer unter der Führung Pippins in Erscheinung. Pippin hatte anscheinend die Unterstützung zumindest eines Teiles der gotischen Elite Septimaniens unter Führung Ansemunds auf seiner Seite. Anders als sein Vater musste er sich offensichtlich auch keines Entsatzheeres erwehren. Die Muslime von al-Andalus waren zu Pippins Zeit wohl zu sehr mit internen Konflikten beschäftigt, als dass sie sich um Kämpfe in einem für sie wenig bedeutenden Grenzgebiet hätten kümmern können. Bereits 729-731 hatte es einen Berberaufstand in al-Andalus gegeben, der nach einem Bündnis eines gewissen Munuz mit dem damaligen princeps Eudo von Aquitanien zur Schlacht von Tours bzw. Poitiers geführt hatte. Anfang der 740er folgte jedoch ein weiterer Aufstand, der die Vorherrschaft der Araber in al-Andalus sehr viel deutlicher in Frage stellte.[53] Die daraus resultierenden Wirren wurden ab 750 vom Sturz der von Damaskus aus herrschenden Umayyadendynastie im Rahmen des so genannten abbasidischen Revolution überschattet, die in al-Andalus 756 zum Coup eines umayyadischen Flüchtlings führte, der als ʿAbd al-Raḥmān I. (regn. 138-172/756-788) zum Begründer eines vom Kalifat letztlich unabhängigen Emirats von Córdoba wurde. Die mit diesen Geschehnissen verbundenen Auseinandersetzungen und Kämpfe dürften dafür gesorgt haben, dass 752 an die Entsendung eines Entsatzheeres für Narbonne nicht zu denken war.[54]

[§17] Trotz Ausbleiben eines muslimischen Entsatzheeres gelang Pippin die Einnahme Narbonnes erst nach sieben Jahren. Um diese Verzögerung zu verstehen, ist es zunächst notwendig, sich ein wenig näher mit den gotischen Eliten zu beschäftigen, die auch noch unter muslimischer Herrschaft Teil der politischen Landschaft Septimaniens waren. Der Chronik von Aniane zufolge übergab ein gewisser Ansemund die im Nordosten Septimaniens gelegenen Städte Nîmes, Maguelone, Agde und Béziers 752 an Pippin. Er agierte dabei wohl als Anführer einer den Franken gegenüber freundlich eingestellten Gruppe gotischer Großer. Ansemunds Verhandlungen mit Pippin deuten darauf hin, dass diese Goten ein vergleichsweise großes Maß an Autonomie genossen: Nîmes, das urbane Zentrum im Nordosten Septimaniens, war schließlich per Friedensvertrag von den Muslimen unterworfen worden, während Carcassonne, das urbane Zentrum im Westen Septimaniens, wie auch Narbonne militärisch erobert worden war. Da militärisch erobertes Land üblicherweise in den Besitz der muslimischen Eroberer überging und nur den durch Vertrag unterworfenen Gebieten Autonomie gewährt wurde[55], ist es wahrscheinlich, dass der al-Andalus näher gelegene Südwesten Septimaniens unter sehr viel direkterer muslimischer Kontrolle stand als der näher zum Frankenreich gelegene Nordosten. Jenseits der von Ansemund an Pippin übergebenen Orte ist davon auszugehen, dass die gotische Unterstützung für die Franken eher gering war, hatte man Letztere ja als expansive Kraft kennen gelernt. Diese Unterstützung scheint mit dem Tod Ansemunds im Jahr 753 weiter geschwächt worden zu sein, als es wohl in Nîmes zu einer Revolte kam und die Stadt einem fränkischen Grafen unterstellt wurde.[56] Die gotischen Eliten Septimaniens werden befürchtet haben, im Rahmen einer fränkischen Herrschaftsübernahme die ihnen anscheinend auch unter muslimischer Herrschaft gewährte Autonomie und damit verbundene Rechte zu verlieren. Nur vor einem solchen Hintergrund ist zu erklären, warum Pippin den Goten in Narbonne einen Eid schwören musste (datoque sacramento gotis), dass er ihre Rechte und Autonomie achten würde, bevor sie bereit waren, ihn gegen die Muslime zu unterstützen und ihm die Herrschaft über die Stadt zu übertragen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nicht nur die zögernde Unterstützung der Goten Pippins Fortschritt verlangsamte. Auch das Verhalten der aquitanischen Eliten bremste sein Vorgehen: Der Chronik von Aniane zufolge kam es schließlich zu militärischen Auseinandersetzungen mit dem princeps Waifar von Aquitanien, während fränkische Truppen Städte in Septimanien belagerten. Auch wenn dem Quellenmaterial keine weiteren Details zu entnehmen sind, dürften die Aktivitäten Waifars die Eroberung Septimaniens entscheidend verlangsamt haben. Immerhin mussten die Franken damit rechnen, dass Waifar den belagerten Städten Septimaniens zu Hilfe kommen oder das fränkische Heer vom Nachschub abschneiden konnte.

[§18] Archibald Lewis betrachtet das fränkische Engagement in Septimanien und die schlussendliche Eroberungen diese Territoriums als Teil eines größeren Konfliktes zwischen den Karolingern und den principes Aquitaniens.[57] Aquitanien war seit der Zeit Chlodwigs I. Teil des Frankenreiches gewesen, hatte jedoch zu Beginn des 8. Jahrhunderts einen hohen Grad an Autonomie erlangt.[58] Dies hatte unter Karl Martell immer wieder zu Konflikten zwischen den karolingischen Hausmeiern und den principes geführt. Unter Pippin mündete dieser schwelende Konflikt endgültig in einen offenen Krieg. Direkt nach der Eroberung Narbonnes marschierte Pippins Heer weiter nach Aquitanien und besetzte den Südosten des Landes.[59] Die nächsten neun Jahre scheint Pippin kontinuierlich einen äußerst destruktiven Krieg gegen Aquitanien geführt zu haben, der 768 zugunsten des karolingischen Frankenreiches endete.[60] Lewis folgend erscheint es durchaus einleuchtend, die fränkische Eroberung Septimaniens als einen Baustein im Prozess der Durchsetzung eines karolingischen Herrschaftsanspruches im Süden des Frankenreiches zu betrachten: Wie Pippins Offensive im direkten Anschluss an die Eroberung Narbonnes zeigt, stellte Septimanien ein geeignetes Einfallstor in den Süden Aquitaniens dar.

[§19] Die vorliegenden Ausschnitte aus der Chronik von Aniane geben uns einen gewissen Einblick in die Eroberungspraxis der arabisch-islamischen Expansion. Sie zeigen uns, dass die Muslime es anscheinend verstanden, Gebiete durch eine Kombination aus Diplomatie und Krieg recht effektiv zu erobern. Indem sie unter bestimmten Bedingungen eine gewisse politische Autonomie gewährten, erleichterten sie es lokalen Eliten, sich den Eroberern anzuschließen, weil sie so den Blutzoll gering halten und gleichzeitig ihren Status unter der neuen Herrschaft erhalten konnten. Diese Praxis scheint jedoch auch Möglichkeiten zur Kooperation mit äußeren Kräften eröffnet zu haben – gerade in der umkämpften Grenzzone zwischen arabisch-islamischem und fränkischem Herrschaftsbereich, wo der Gote Ansemund und ein Teil des septimanischen Adels zu Pippin überliefen. Welche Motivationen dahinter standen, lässt sich angesichts der spärlichen Quellenaussagen ebensowenig rekonstruieren wie die Frage, welche Bedeutung neben politischen auch kulturellen oder religiösen Faktoren für diesen Schritt zukommt. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass für die hier geschilderten Ereignisse keine der angeführten Quellen eine grundsätzlich religiös begründete Feindschaft zwischen karolingischen Franken und Muslimen beschreibt, auch wenn die Annales Mettenses priores behaupten, Pippin habe „die Christen von der Knechtschaft der Sarazenen befreit“ (Christianos de servitio Sarracenorum liberavit).[61] Die hier beschriebenen Kämpfe zwischen Franken und Muslimen scheinen eher aus der Konfrontation zweier Expansionssphären zu resultieren – dem muslimischen Versuch, von al-Andalus aus einen Brückenkopf jenseits der Pyrenäen zu erhalten, und dem karolingischen Versuch, Vorherrschaft über den bisher relativ unabhängigen Südwesten des Frankenreiches zu gewinnen.[62] Pippin handelte nicht als „Verteidiger des Abendlandes“, der die Muslime als „Ungläubige“ bekämpfte: Nach der Eroberung Narbonnes zog er nach Aquitanien und bekämpfte dort Glaubensbrüder, deren Autonomiestreben eine Gefahr für den Herrschaftsanspruch eines Mannes darstellte, der gerade erst 751 die herrschende merowingische Dynastie abgesetzt und sich selbst zum König erhoben hatte und damit zum Begründer karolingischer Königsherrschaft geworden war: Septimanien stellte somit nur einen Trittstein auf seinem Weg nach Aquitanien und schließlich in die so genannte „spanische Mark“ dar[63], nicht den Austragungsort eines Kampfes zweier Kulturen.

Editionen & Übersetzungen

Chronicon Moissiacense, ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 1), Hannover: Hahn, 1826, S. 280-313.
Ex Chronico Moissiacense, ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 2), Hannover: Hahn, 1829, S. 257-259.
Kettemann, Walter: Subsidia Anianense. Überlieferungs- und textgeschichtliche Untersuchungen zur Geschichte Witiza-Benedikts, seines Klosters Aniane und zur sogenannten anianische Reform. Mit kommentierten Editionen der Vita Benedicti Anianensis, Notitia de servitio monasteriorum, des Chronicon Moissiacense/ Anianense sowie zweier Lokaltraditionen aus Aniane, Duisburg: Dissertation, 2000, Beilage 2, S. 1-197, URL: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:hbz:464-20080509-172902-8.

Zitierte & weiterführende Literatur

Bearman, P.; Bianquis, Th., Bosworth, C.E.; van Donzel, E.; Heinrichs, W.P.: Arbūna, in: Encyclopaedia of Islam 2, URL: http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_SIM_0707.
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Wolfram, Herwig: Die Goten von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie, München: C.H. Beck, 2001.

Zitierempfehlung

Till Kalkbrenner, "719-759: Das Chronicon Anianense zu Beginn und Ende muslimischer Herrschaft über Septimanien", in: Transmediterrane Geschichte. Kommentierte Quellenanthologie, ed. Daniel G. König, Theresa Jäckh, Eric Böhme, URL: https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/719-759:_Das_Chronicon_Anianense_zu_Beginn_und_Ende_muslimischer_Herrschaft_über_Septimanien. Letzte Änderung: 16.07.2021, Zugriff: 28.03.2024.

Schlagworte

al-Andalus, Aquitanien, Benedikt von Aniane, ḏimma / dhimma, Eroberung, Franken, fränkisch-gotische Beziehungen, Friedensvertrag, Garnisonen, Goten, Karolinger, Konflikt, Militär, muslimische Herrschaft, Narbonne, Razzien, Sarazenen, Schlacht, Septimanien, Statthalter, Südfrankreich, Westgoten, Westgotenreich


  1. Chronicon Moissiacense, ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 1), Hannover: Hahn’sche Hofbuchhandlung, 1826, S. 280-313.
  2. Kettemann, Subsidia, S. 33, Anm. 1.
  3. Kettemann, Subsidia, Beilage 2.
  4. Ebenda, S. 485.
  5. Ebenda, S. 485-486.
  6. Bacht und Semmler, Benedikt, Sp. 1864-1867.
  7. Riess, Narbonne, S. 227.
  8. Collins, Visigothic Spain, S. 139-140; Claude, Geschichte, S. 84.
  9. Die Titulierung des jeweiligen Statthalters als einen rex sarracenorum ist in den zeitgenössischen Quellen üblich, so auch in der Continuatia Hispana a. DCCLIV, ed. Theodor Mommsen (MGH AA 11), Berlin: Weidmann, 1894, S. 323-369; vgl. Chronica muzarabica, ed. Juan Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), Madrid: 1973, S. 15-54.
  10. Vgl. hierzu 731: Die Chronica muzarabica zur Ehe des Berbers Munnuz mit der Tochter von Eudo, dux von Aquitanien.
  11. Chronicon Anianense, ed. Kettemann, S. 24. Dazu auch: Lewis, Development, S. 21.
  12. Chronicon Anianense, ed. Kettemann, S. 25.
  13. Chronicon Anianense, ed. Kettemann, S. 26. In der Quelle ist von der arelatensem prouinciam die Rede. Damit ist das Gebiet rechts der Rhone gemeint.
  14. Chronicon Anianense, ed. Kettemann, S. 28.
  15. Der einzige Parallelbericht findet sich in den weniger detaillierten Annales Mettenses Priores, ed. Bernhard von Simson (MGH SS rer. Germ. 10), Hannover: Hahn, 1905, S. 43-44, a. 752.
  16. Chronicon Anianense, ed. Kettemann, S. 37.
  17. Sénac, Carolingiens et al-Andalus, S. 16.
  18. Sénac, Carolingiens et al-Andalu, S. 14, nennt in diesem Kontext die Autoren Ibn Ḥayyān (gest. 469/1076) und al-Ḥimyarī, dessen Werk vermutlich spätestens im 7./13. Jahrhundert verfasst wurden.
  19. Sénac, Carolingiens et al-Andalus, S. 15. Eine ausführliche Diskussion bei Codera, Narbona, S. 182-183.
  20. Vgl. hierzu Bearman et al., Arbūna, zu ʿAbd al-ʿAzīz. Siehe Ibn ʿAbd al-Ḥakam (gest. 257/871), Futūḥ Miṣr wa-aḫbāruhā, ed. Charles Torrey, Kairo: Madbūlī, 1999, S. 208, zur Schwadron des ʿUmar b. ʿAbd al-ʿAzīz. Ibn ʿAbd al-Ḥakam berichtet auch, dass erzählt werde, Mūsās General, Ṭāriq b. Ziyād, habe in Narbonne den legendären Tisch Salomos erhalten, der in vielen Eroberungslegenden der Iberischen Halbinsel erwähnt wird. Siehe auch Codera, Narbona, S. 183-184.
  21. Sénac, Carolingiens et al-Andalus, S. 14.
  22. Sénac, Carolingiens et al-Andalus, S. 14.
  23. Sénac, Carolingiens et al-Andalus, S. 17.
  24. Continuatia Hispana, ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 80, S. 356; bzw. Chronica muzarabica, ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 52, S. 36: „Alaor [= al-Ḥurr] per Spaniam lacertos iudicum mittit, atque debellando et pacificando pene tres annos Galliam Narbonensem petit.“ Vgl. Codera, Narbona, S. 184-185.
  25. Continuatia Hispana, ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 86, S. 358; Chronica muzarabica, ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 57, S. 37-38, zu al-Samḥ (Zama): „Postremo Narbonensem Galliam suam facit gentemque Francorum frequentibus bellis stimulat et seditas Saracenorum in predictum Narbonensem oppidum ad presidia tuenda decenter conlocat. Adque inconcurrenti uirtute iam dictus dux Tolosam usque preliando peruenit eamque obsidione cingens fundis et diuersis generum macinis expugnare conauit.“
  26. So zum Beispiel Chronicarum quae dicuntur Fredegarii scholastici continuationes, ed. Bruno Krusch (MGH SS rer. Merov. 2), Hannover: Hahn, 1888, cap. 20, S. 177-178.
  27. Dieser Argumentation folgen auch Bearman et al., Arbūna, im Artikel der Encyclopaedia of Islam zu Narbonne.
  28. Lewis, Development, S. 40. Kennedy, Muslim Spain, S. 40; Sénac, Les Carolingiens et al-Andalus, S. 37-40. Sénac weist S. 39 daraufhin, dass (ungenannte) arabische Quellen ebenso wie die Annales Mettenses die Eroberung Narbonnes durch Pippin auf das Jahr 133/752 datieren. Die Angabe in den Annales Mettenses Priores, ed. Simson, a. 752, S. 43, lautet allerdings folgendermaßen (Unterstreichungen durch den Autor dieses Beitrags): „Anno dominicae incarnationis DCCLII. Hoc anno Pippinus rex exercitum duxit in Gotiam, Narbonam civitatem, in qua adhuc Sarraceni latitabant, obsedit. Temptatis itaque plurimis argumentis illam munitissimam civitatem capere non potuit. Custodia tamen ibi derelicta, cotidianis irruptionibus illos cives afflixit et per triennium bellum Narbonam obtinuit, expulsisque de tota Gotia homines illos, Christianos de servitio Sarracenorum liberavit.“ Der Editor von Simson datiert die Eroberung Narbonnes folglich auf die Jahre 757-759.
  29. Wolfram, Die Goten, S. 158-185.
  30. Riess, Narbonne, S. 131-132.
  31. Riess, Narbonne, S. 131-132.
  32. Riess, Narbonne, S. 203-204; de Jong, Adding Insult to Injury, S. 381-387.
  33. Vgl. hierzu 711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel; 711-745: Ibn al-Qūṭiyya zur Kooperation seiner westgotischen Vorfahren mit den muslimischen Eroberern; 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel, jeweils mit weiterführender Literatur zur muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel.
  34. Riess, Narbonne, S. 221.
  35. Riess, Narbonne, S.227.
  36. Riess, Narbonne, S.223.
  37. Collins, Visigothic Spain, S. 141.
  38. Riess, Narbonne, S. 197.
  39. Vgl. dazu 713: Der Vertrag von Tudmīr als Zeugnis der muslimischen Unterwerfung der Iberischen Halbinsel.
  40. Continuatia Hispana, ed. Mommsen (MGH AA 11), cap. 80, S. 356; bzw. Chronica muzarabica, ed. Gil (Corpus scriptorum muzarabicorum, 1), § 52, S. 36. Vgl. Codera, Narbona, S. 184-185.
  41. Vgl. z. B. Ibn al-Qūṭiyya (gest. 367/977), Tariḫ iftitaḥ al-Andalus, ed. Ibrāhīm al-Ibyārī, Beirut und Kairo: Dār al-kitāb al-lubnānī, 1989, S. 41, erwähnt ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama als Gouverneur im Auftrag des andalusischen Statthalters ʿAbd al-Malik b. Qaṭan al-Fihri (regn. 114-116/732-734). Bearman et al., Arbūna, behaupten, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī, später Gouverneur von al-Andalus (regn. 129-138/746-756), habe 116/734 die Kontrolle über Narbonne gehabt, was vom Chronicon Anianense, ed. Kettemann, a. 734, S. 26, bestätigt wird. („his temporibus iussephibin abderaman narbona perficitur“). Die Chronik berichtet ferner a. 739, S. 28, dass der andalusische Statthalter ʿUqba b. al-Ḥaǧǧāǧ al-Salūlī (regn. 116-123/734-741) einen gewissen ʿAmr oder ʿUmar b. Ḫālid in einer Verteidigungssituation zum Gouverneur über Narbonne eingesetzt habe („Ocupa rex sarracenorum ex spania amoribinailet cum exercitu magno sarracenorum ad presidium narbona transmittit“). Ibn ʿIḏārī (gest. nach 712/1312-1313), Al-Bayān al-muġrib fī aḫbār al-Andalus wa-l-Maġrib, ed. George S. Colin und Évariste Lévi-Provençal, 3 Bde., Beirut: Dār al-ṯaqāfa, 1980-1983, Bd. 2, S. 28, erwähnt ferner einen 133/753 von Narbonne ausgehenden Aufstand von ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlqama al-Laḫmī gegen den regierenden Gouverneur von al-Andalus, Yūsuf b. ʿAbd al-Raḥmān al-Fihrī.
  42. Vgl. Codera, Narbona, S. 183, auf der Basis von Ibn Ḥazm (gest. 456/1064). Letzterer erwähnt die Banū Baǧīla und behauptet, „ihre Wohnstätte in al-Andalus liegt in der Gegend von Narbonne“ (wa-dāruhum bi-l-Andalus bi-ǧihat Arbūna).
  43. 'Sénac, Carolingiens et al-Andalus, S. 17, optiert auf der Basis der Rekonstruktion einer Beschreibung des Historiographen Aḥmad b. al-Rāzī (gest. 344/955) durch Évariste Lévi-Provençal, für Tarragona. Vgl. Évariste Lévi-Provençal, La “description de l’Espagne”, S. 77: „La ville de Tarazona fut la résidence des gouverneurs et des généraux dans la zone des Marches. Abū ʿUṯmān ʿUbayd Allāh ibn ʿUṯmān, connu sous le surnom de ‚Seigneur de la [Grande] Terre‘ (ṣāḥib al-arḍ), la choisit pour résidence, en la préférant aux autres villes des Marches. C’est à lui que parvenaient les dimes payées par les villes de Narbonne et de Barcelone.“ Vgl. ibid., S. 77 FN 1, zur potenziellen Verwechselung von Tarazona und Tarragona. Problematisch erscheint, dass der erwähnte ʿUbayd Allāh b. ʿUṯmān wohl eher gegen Ende des 2./8. Jh., also nach Pippins Rückeroberung von Narbonne im Amt war und nach Ibn Ḥayyān im Jahre 186/802 starb, vgl. Jiménez, La dawla, S. 162, mit Quellenangaben. Clément, La province arabe, S. 21, liefert dennoch folgende Einschätzung: „La Narbonnaise musulmane est parfois qualifiée de marche (ṯaġr) (Province frontière d’un Etat, jouant le rôle de zone de protection militaire), mais il est difficile de déterminer si ce terme doit s’entendre dans signification administrative ou simplement géographique. Il est difficile de savoir, également, si la région fut dotée d’une compétence administrative propre. Fiscalement, elle relevait de ce qui allait devenir la marche supérieure, puisque la dîme (ʿušr) était collectée par le responsable de la terre (ṣāḥib al-arḍ) de Tarazona. Cependant, elle disposait d’un gouverneur (wālī) nommé par celui de Cordoue. On sait que ce poste était important puisque plusieurs gouverneurs de Cordoue y ont débuté leur carrière. L’étendue de la province arabe correspondait à peu près à celle des anciens diocèses d’Elne, Narbonne, Carcassonne, Béziers, Maguelonne; Nîmes et peut-être Lodève; c’est-à-dire aux actuels départements des Pyrénées-Orientales, de l’Aude, de l’Hérault et du Gard.“
  44. Vgl. Sénac, Carolingiens et al-Andalus, S. 39-40.
  45. Sénac, Carolingiens et al-Andalus, S. 38: „Il n’est pas inutile de souligner que contrairement aux traditions postérieures, les musulmans respectèrent le culte chrétien et qu’une partie importante de la population de Narbonne conserva ses lois et ses traditions sous domination musulmane.“ Bearman et al., Arbūna, behaupten ohne Quellenangabe, dass auch Juden eine gewisse Rolle für den Handel mit al-Andalus zugekommen sei, legen diesen allerdings in die umayyadische Periode, d.h. also nach 756: „Narbonne and its region still maintained relations with the Umayyad court, Jewish merchants being particularly active in this respect.“
  46. Chronicarum Fredegarii continuationes, ed. Krusch (MGH SS rer. Merov. 2), cap. 20, S. 177.
  47. Annales Mettenses Priores, ed. Simson, a. 737, S. 29-30.
  48. Lewis, Development, S. 22.
  49. Lewis, Development, S. 23.
  50. Kettemann, Subsidia, Beilage 2, S. 28.
  51. Lewis, Development, S. 23.
  52. Lewis, Development, S. 23-24.
  53. Kennedy, Muslim Spain, S. 24-25.
  54. Lewis, Development, S. 26; Collins, Arab Conquest, S. 112; Clément, La province arabe, S. 20.
  55. Kennedy, Muslim Spain, S. 12.
  56. Lewis, Development, S. 25.
  57. Lewis, Development, S. 20-33.
  58. Lewis, Development, S. 3-4.
  59. Lewis, Development, S. 26.
  60. Lewis, Development, S. 26-27.
  61. Annales Mettenses Priores, ed. Simson, a. 752, S. 43.
  62. Vgl. hierzu auch Collins, Deception, S. 227-247; Staudte-Lauber, Carlus princeps, S. 79-100.
  63. Vgl. hierzu: 812: Eine Anweisung Karls des Großen bezüglich immigrierter Hispani; 815: Eine Constitutio Ludwigs des Frommen zu angesiedelten Hispani im Frankenreich.