812: Eine Anweisung Karls des Großen bezüglich immigrierter Hispani: Unterschied zwischen den Versionen

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== Kontextualisierung, Analyse, Interpretation  ==
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Das ''Praeceptum'' vom 2. April 812 ist nur vor dem Hintergrund verschiedener Ereignisse in und um die fränkisch-umayyadische Grenzzone der vorangegangenen einhundert Jahre zu verstehen. Am Anfang standen muslimische Razzien ins fränkische Gebiet, die nicht nur in der bekannten Schlacht von Tours und Poitiers gipfelten, sondern auch zu etwa vier Jahrzehnten muslimischer Herrschaft in Narbonne führten (ca. 719-759), die erst Karls Vater Pippin (regn. 751/752-768) im Jahre 759 beendete.<ref name="ftn10">Vgl. <span style="background-color:transparent;">720-759: Das Chronicon Anianense zu Beginn und Ende muslimischer Herrschaft über Septimanien</span>.</ref> Schon unter Pippin hatte sich ein karolingisches Ausgreifen auf die Iberische Halbinsel angedeutet, als ihm nach Aussage fränkischer Quellen der muslimische Gouverneur von Barcelona und Girona 752 beide Städte zur Herrschaft anbot.<ref name="ftn11">''Annales Mettenses priores'', ed. Bernhard von Simson (MGH SS rer. Germ. 10), Hannover: Hahn, 1905, a. 752, S. 43.</ref> Mit Karls Eingreifen auf der Iberischen Halbinsel im Jahre 778 wendete sich das Blatt dahingehend, dass nun tatsächlich karolingische Kräfte Gebiete im Nordosten der Iberischen Halbinsel in Beschlag nahmen und damit eine karolingisch beherrschte Pufferzone um die 801 eroberte Stadt Barcelona ins Leben riefen, die den Grundstein für das spätere Katalonien legte.<ref name="ftn12">Zu diesem ganzen Themenkomplex siehe Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 13-85, mit einer chronologischen Tafel S. 145-146. Zur Loslösung Kataloniens aus dem karolingischen Orbit dann Zimmermann, Datation, S. 345-375<nowiki>; Zimmermann, Origine</nowiki>, S. 237-255. </ref>
Das ''Praeceptum'' vom 2. April 812 ist nur vor dem Hintergrund verschiedener Ereignisse in und um die fränkisch-umayyadische Grenzzone der vorangegangenen einhundert Jahre zu verstehen. Am Anfang standen muslimische Razzien ins fränkische Gebiet, die nicht nur in der bekannten Schlacht von Tours und Poitiers gipfelten, sondern auch zu etwa vier Jahrzehnten muslimischer Herrschaft in Narbonne führten (ca. 719-759), die erst Karls Vater Pippin (regn. 751/752-768) im Jahre 759 beendete.<ref name="ftn10">Vgl. [[719-759: Das Chronicon Anianense zu Beginn und Ende muslimischer Herrschaft über Septimanien]].</ref> Schon unter Pippin hatte sich ein karolingisches Ausgreifen auf die Iberische Halbinsel angedeutet, als ihm nach Aussage fränkischer Quellen der muslimische Gouverneur von Barcelona und Girona 752 beide Städte zur Herrschaft anbot.<ref name="ftn11">''Annales Mettenses priores'', ed. Bernhard von Simson (MGH SS rer. Germ. 10), Hannover: Hahn, 1905, a. 752, S. 43.</ref> Mit Karls Eingreifen auf der Iberischen Halbinsel im Jahre 778 wendete sich das Blatt dahingehend, dass nun tatsächlich karolingische Kräfte Gebiete im Nordosten der Iberischen Halbinsel in Beschlag nahmen und damit eine karolingisch beherrschte Pufferzone um die 801 eroberte Stadt Barcelona ins Leben riefen, die den Grundstein für das spätere Katalonien legte.<ref name="ftn12">Zu diesem ganzen Themenkomplex siehe Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 13-85, mit einer chronologischen Tafel S. 145-146. Zur Loslösung Kataloniens aus dem karolingischen Orbit dann Zimmermann, Datation, S. 345-375<nowiki>; Zimmermann, Origine</nowiki>, S. 237-255. </ref>


Karl der Große war im Jahre 777 von zwei muslimischen Dissidenten – Ibn al-Aʿrābī und Ibn Yūsuf – in Paderborn aufgesucht worden. Fränkischen und arabischen Quellen zufolge sollen diese ihn animiert haben, in das Gebiet jenseits der Pyrenäen einzugreifen.<ref name="ftn13">''Annales Regni Francorum / Annales qui dicuntur Einhardi'', ed. Georg Heinrich Pertz und Friedrich Kurze (MGH SS rer. Germ. in us. schol. 6), Hannover: Hahn, 1895, a. 777-778, S. 48-51; ''Aḫbār maǧmūʿa'', ed./transl. Don Emilio Lafuente y Alcántara, Madrid: Rivadeneyra, 1867, S. 112–13 (AR), S. 103 (ES).</ref> Die dortigen instabilen Verhältnisse waren u. a. auch Folge einer Schwächung der Zentralgewalt in Córdoba beim Herrschaftsantritt Hišāms I. (regn. 172-180/788-796), der sich gegen seine Brüder Sulaymān und ʿAbd Allāh durchsetzen musste.<ref name="ftn14">Dunlop, Hi<u>sh</u>ām I.</ref> Als Karl mit Truppen aus verschiedenen Reichsteilen 778 über die Pyrenäen setzte, erhielt er von der muslimischen Führung Zaragozas einige Geiseln gestellt, geriet dann aber in Kämpfe mit den nichtmuslimischen Basken und Navarrern, die in Karls Zerstörung Pamplonas resultierten. Bei seiner Rückkehr wurde sein Heer von baskischen Gruppen aufgerieben.<ref name="ftn15">Zu den Ereignissen 777-778 vgl. ''Annales Regni Francorum / Annales qui dicuntur Einhardi'', ed. Pertz und Kurze (MGH SS rer. Germ. in us. schol. 6), S. 48-51; ''Annales Mettenses priores'', ed. von Simson (MGH SS rer. Germ. 10), ad 778, S. 66-67. Einblicke in die arabisch-islamische Quellenperspektive bei König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 192-194; Schilling, Karl der Große, S. 201-221. Zu den Ereignissen, vgl. Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 51-70; Collins, ''Arab Conquest,'' S. 210-217.'' ''Zu Pamplona, vgl. Leroy, Pamplona, Sp. 1649; Lévi-Provençal und Huici Miranda, Banbalūna, S. 1011-1012. Die Stadt wurde 121/739 unter dem Gouverneur ʿUqba b. al-Ḥaǧǧādī kurzfristig unter muslimische Kontrolle gebracht, die allerdings vor der fränkischen Zerstörung durch eine baskische Rebellion vertrieben wurde.</ref>
Karl der Große war im Jahre 777 von zwei muslimischen Dissidenten – Ibn al-Aʿrābī und Ibn Yūsuf – in Paderborn aufgesucht worden. Fränkischen und arabischen Quellen zufolge sollen diese ihn animiert haben, in das Gebiet jenseits der Pyrenäen einzugreifen.<ref name="ftn13">''Annales Regni Francorum / Annales qui dicuntur Einhardi'', ed. Georg Heinrich Pertz und Friedrich Kurze (MGH SS rer. Germ. in us. schol. 6), Hannover: Hahn, 1895, a. 777-778, S. 48-51; ''Aḫbār maǧmūʿa'', ed./transl. Don Emilio Lafuente y Alcántara, Madrid: Rivadeneyra, 1867, S. 112–13 (AR), S. 103 (ES).</ref> Die dortigen instabilen Verhältnisse waren u. a. auch Folge einer Schwächung der Zentralgewalt in Córdoba beim Herrschaftsantritt Hišāms I. (regn. 172-180/788-796), der sich gegen seine Brüder Sulaymān und ʿAbd Allāh durchsetzen musste.<ref name="ftn14">Dunlop, Hi<u>sh</u>ām I.</ref> Als Karl mit Truppen aus verschiedenen Reichsteilen 778 über die Pyrenäen setzte, erhielt er von der muslimischen Führung Zaragozas einige Geiseln gestellt, geriet dann aber in Kämpfe mit den nichtmuslimischen Basken und Navarrern, die in Karls Zerstörung Pamplonas resultierten. Bei seiner Rückkehr wurde sein Heer von baskischen Gruppen aufgerieben.<ref name="ftn15">Zu den Ereignissen 777-778 vgl. ''Annales Regni Francorum / Annales qui dicuntur Einhardi'', ed. Pertz und Kurze (MGH SS rer. Germ. in us. schol. 6), S. 48-51; ''Annales Mettenses priores'', ed. von Simson (MGH SS rer. Germ. 10), ad 778, S. 66-67. Einblicke in die arabisch-islamische Quellenperspektive bei König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 192-194; Schilling, Karl der Große, S. 201-221. Zu den Ereignissen, vgl. Sénac, ''Carolingiens et al-Andalus'', S. 51-70; Collins, ''Arab Conquest,'' S. 210-217.'' ''Zu Pamplona, vgl. Leroy, Pamplona, Sp. 1649; Lévi-Provençal und Huici Miranda, Banbalūna, S. 1011-1012. Die Stadt wurde 121/739 unter dem Gouverneur ʿUqba b. al-Ḥaǧǧādī kurzfristig unter muslimische Kontrolle gebracht, die allerdings vor der fränkischen Zerstörung durch eine baskische Rebellion vertrieben wurde.</ref>
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