"Under der Linden" (Walther von der Vogelweide , 16)
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Walther von der Vogelweide: "Under der Linden" [1]
I
- Under der Linden
- an der Heide,
- dâ unser zweier bette was
- dâ mugent ir vinden
- schône beide
- gebrochen bluomen unde gras.
- Vor dem walde in einem tal,
- tandaradei,
- schône sanc diu nahtegal.
II
- Ich kam gegangen
- zuo der ouwe,
- dô was mîn friedel komen ê.
- dâ wart ich enpfangen,
- hêre frowe,
- daz ich bin sælic iemer mê.
- Kuster mich? wol tûsentstunt,
- tandaradei,
- seht, wie rôt mir ist der munt.
III
- Dô hât er gemachet
- alsô rîche
- von bluomen eine bettestat.
- des wirt noch gelachet
- inneclîche,
- kumt iemen dan daz selbe pfat,
- Bî den rôsen er wol mac,
- tandaradei,
- merken, wâ mirz houbet lac.
IV
- Daz er bî mir læge,
- wessez iemen,
- nun welle got, sô schamt ich mich.
- wes er mit mir pflæge,
- niemer niemen
- bevinde daz, wan er und ich,
- Und ein kleines vogellîn,
- tandaradei,
- daz mac wol getriuwe sîn.
Ein Übersetzungsvorschlag zu "Under der Linden"
I
- Unter der Linde
- auf der Heide,
- wo unser gemeinsames Bett war,
- könnt ihr sorgsam gepflückte Blumen und Gras auffinden.
- Vor dem Wald in einem Tal
- Tandaradei,
- sang schön die Nachtigall.
II
- Als ich zu der Aue
- gelaufen kam,
- war mein Geliebter bereits dort angekommen.
- Dort wurde ich empfangen,
- Heilige Jungfrau, [oder: Dort wurde ich als "Werte Dame" empfangen]
- dass ich für immer glücklich sein werde.
- Ob er mich küsste? Wahrscheinlich tausendmal,
- tandaradei,
- seht, wie rot mein Mund ist.
III
- Dort hatte er ein herrliches Bett aus Blumen hergerichtet.
- Es wird noch herzlich gelacht,
- wenn jemand jenen Weg entlang kommt.
- An den Rosen könnte er wohl merken,
- tandaradei,
- wo mein Kopf lag.
IV
- Wüsste jemand,
- dass er bei mir gelegen ist-
- um Gottes Willen- würde ich mich schämen.
- Was er mit mir tat
- Soll niemals jemand erfahren,
- außer er und ich
- und ein kleines Vöglein,
- tandaradei,
- das wohl verschwiegen sein wird.
- ↑ Primärtext aus: Walther von der Vogelweide: Leich, Lieder, Sangsprüche. 14., völlig neubearb. Aufl. der Ausg. Karl Lachmanns mit Beiträgen von Thomas Bein und Horst Brunner, hg. von Christoph Cormeau, Berlin/New York 1996