Benutzer:Tamara Groß
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Winterlied 10
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung | ||
|---|---|---|---|
| Dô der liebe summer | Nachdem der schöne Sommer | ||
| ureloup genam, | sich verabschiedet hatte, | ||
| dô muose man der tänze | musste man auf die Tänze | ||
| ûfm anger gar verphlegen. | auf der Wiese verzichten. | ||
| des gewan sît kummer | Seitdem hatte auch | ||
| der herre Gunderam: | Herr Gunderam Kummer: | ||
| der muose ouch sîn gestränze | Er musste unterwegs auch seine Angeberei | ||
| dô lazzen under wegen. | auf der Strecke lassen. | ||
| der ist bickelmeister disen winder: | Er ist diesen Winter der Aufseher beim Würfelspiel: | ||
| oeder gouch ist in dem lande ninder, | Einen dummen Narren gibt es in diesem Land keinen. | ||
| sîn rûmegazze kaphet zallen zîten wol hin hinder. | Sein Gassenräumer gafft wohl immer zum Hintern. | ||
| Waz er an den meiden | Was er den Mädchen | ||
| wunders dâ begât, | schreckliches angetan hat, | ||
| ê daz mîn vrouwe Schelle | Noch bevor seine Dame Glocke | ||
| volender ir gebot! | aufgehört hat zu schlagen! | ||
| erst vil unbescheiden, | Er ist sehr rücksichtslos, | ||
| wan swelhe er bestât, | nur, wer sich dem Herrn nähert, | ||
| diu wirt von slegen helle | der wird ganz weiß von den Schlägen | ||
| und mîdende den spot; | und meidet jeden Spot; | ||
| dâ von lâzen alle ir smutzemunden, | Deshalb sollen alle mit dem Schmunzeln aufhören, | ||
| des die jungen niht verheln enkunden! | dass die Jungen nicht verbergen können! | ||
| des hât ir hant von solher meisterschefte dicke enphunden. | Darum hat ihre Hand durch diese Macht schon oft gelitten. | ||
| Immer, sô man vîret, | Immer wenn sie feiern, | ||
| sô hebent sî sich dar | brechen sie | ||
| mit einer samenunge, | zu einer Versammlung auf, | ||
| den ich wol schaden gan. | der ich von Herzen Unglück wünsche. | ||
| Werenbreht der lîret, | Werenbrecht spielt auf der Leier | ||
| sô sumbert Sigemâr. | und Sigemar spielt die Geige. | ||
| daz in dâ misselunge, | Dass ihm das misslingt, | ||
| daz laege et eben an! | das wäre sehr passend! | ||
| daz sich doch vil lîhte mac verrîden: | Das ließe sich sicherlich umkippen: | ||
| wellents ir getelse niht vermîden, | Wenn ihr mit dem Trubel nicht aufhören wollt, | ||
| sich mugen zwêne an mîner weibelruoten wol versnîden. | werden sich ein paar an meinem Schwert verletzen. | ||
| Koeme ich zeinem tanze, | Käme ich zu einem Tanz, | ||
| dâs alle giengen bî, | an dem alle teilnehmen, | ||
| dâ wurde ein spil von hende | dann gäbe es Heinen Wettkampf mit Händen | ||
| mit beiden ekken zuo. | und geschlossenen Schwertschneiden. | ||
| lîhte geviele ein schanze, | Leicht ergäbe sich die Chance, | ||
| daz vor mir laegen drî. | dass vor mir drei lägen. | ||
| ich hielte ez âne wende, | Ich hielt es sicher, | ||
| verbüte ez einer vruo. | unterbände es einer zur rechten Zeit. | ||
| sige und saelde hulfen mir gewinnen, | Übermacht und Glück verhalfen mir zum Sieg, | ||
| daz si halbe müesen dan entrinnen. | sodass sie fast hätten davonkommen müssen. | ||
| nu ziehen ûf und lâzen in ir gogelheit zerinnen! | Nun macht euch auf und hört mit der Ausgelassenheit auf! | ||
| Sîne weidegenge | Seine Jagdausflüge, | ||
| die verewent mich grâ, | machen mir graues Haar, | ||
| swenn er verwendeclîchen | wann auch immer er übermütig | ||
| vür mîne vrouwen gât. | zu meiner Herrin geht. | ||
| trîbet erz die lenge, | Treibt er es auf Dauer, | ||
| bestât er danne dâ, | und bleibt dabei, | ||
| man hilft im ûz der kîchen, | hilft man ihm aus seinem Keuchen, | ||
| daz er vil riuwic stât. | dass er mit Reue dasteht. | ||
| er und etelîcher sîn geselle, | Ihn und viele seiner Freunde, | ||
| den ich tanzent an ir hant ersnelle, | die ich tanzend an ihrer Hand erwische, | ||
| des sî gewis, ich slahe in, daz sîn offen stât ein elle! | das sei gewiss, die schlage ich, dass ihm der Arm offen klafft! | ||
| Im hilft niht sîn treie | Weder sein Wams | ||
| noch sîn hiubelhuot; | noch sein Helm werden ihm helfen; | ||
| ez wirt im in getrenket: | man wird sich an ihm rächen: | ||
| er zuhte ir einen bal. | Er entriss ihr einen Ball. | ||
| erst ein toerscher leie; | Er ist ein törichter Dummkopf; | ||
| sîn tumbelîcher muot | seine begriffsstutzige Gesinnung | ||
| der wirt im dâ bekrenket. | wird ihn dabei zu Fall bringen. | ||
| wil er vür Riuwental | Will er vor Reuental | ||
| hin und her sô vil gewentschelieren, | herumstreifen, | ||
| er wirt wol zeteiset under vieren. | wird er wohl, wie so viele, zerzaust. | ||
| her Werenbreht, waz mag ich des, wirt im der umberieren? | Herr Werenbrecht, was kann ich dafür, wird etwas für ihn übrig bleiben? | ||
| Die wîl ich die klingen | Solange ich die Klinge | ||
| um mîne sîten trage, | bei mir tragen, | ||
| sô darf mir durch mîn sumber | so kann mir niemand | ||
| niemen stechen nieht. | durch mein Geflecht stechen. | ||
| er mouz vil wîte springen: | Er sollte sehr weit springen: | ||
| begrîfe ichn mit dem slage, | erwische ich ihn mit dem Schlag, | ||
| ich slahe in, daz er tumber | ich schlage ihn, dass er | ||
| schouwet nimmer lieht. | kein Licht mehr sieht. | ||
| ich hilf im des lîbes in den aschen | Ich bringe ihn in den Schmutz | ||
| und slah im mit willen eine vlaschen, | und gebe ihm mit Absicht einen Hieb, | ||
| daz im die hunt daz hirne ab der erde müezen naschen. | dass ihm die Hunde das Gehirn von der Erde lecken können. | ||
| Her Nîthart hât gesungen, | Herr Neidhart hat so gesungen, | ||
| daz ich in hazzen wil | dass ich ihn hassen werde | ||
| durch mînes neven willen, | meinem Verwandten zuliebe, | ||
| des neven er beschallt. | dessen Verwandten er beleidigte. | ||
| lieze ers unbetwungen! | Es ließ in unbekümmert! | ||
| es ist im gar ze vil. | Es ist ihm zu viel. | ||
| enpflæge er sîner grillen | Er hat seine Marotten | ||
| und het ouch der gewalt! | und auch Macht! | ||
| ez ist ein schelten, daz mich freuden letzet. | Es ist ein Drohen, das mich der Freude beraubt. | ||
| wirt diu weibelroute mir gewetzet, | Wird mir das Gerichtsschwert gewetzt, | ||
| ich trenne in ûf, daz man wol einen sezzel in in setzet. | schlitze ich ihn auf, sodass man einen Sessel in ihn setzen könnte. |
Sommerlied 4
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| Heid, anger, walt in fröuden stât; | In Freuden stehen Feld, Wiese und Wald: |
| diu hânt sich bereitet mit ir besten wât. | Die Herrschaften kleiden sich in bestem Gewand. |
| die in der meie hât gesant. | Die ihnen der Mai gebracht hat. |
| sî wir alle | Wir alle sind froh |
| frô mit schalle! | und jubeln! |
| sumer ist komen in diu lant. | Der Sommer zieht ein ins Land. |
| Wol ûz der stuben, ir stolzen kint, | Kommt aus der Stube, ihr übermütigen Kinder, |
| lât iuch ûf der strâze sehen! hin ist der scherfe wint | lasst euch auf der Straße sehen! Vorüber ist der beißende Wind |
| unde ouch der vil kalte snê. | und der bitterkalte Schnee. |
| hebt iuch balde | Macht euch bald |
| zu dem walde! | zum Wald auf! |
| vogelîn singent, den was wê. | Die Vögelein singen wieder, ihnen ging es lange schlecht. |
| Diu sint ergetzet leides gar. | Sie sind von Leid erfüllt, |
| ir sult mirz gelouben! nemt sîn selbe war, | das müsst ihr mir glauben! Nehmt selbst wahr, |
| waz der sumer erzeiget hât! | was der Sommer geleistet hat! |
| er wil rîchen | Er wird uns sicher |
| sicherlîchen | glücklich machen |
| manegen boum mit loubes wât. | mit vielen Bäumen im Blättergewand. |
| Die nû vor grôzer huote megen, | Die, welche nun unter großer Beobachtung stehen wollen, |
| die suln balde ir bestez vîrtacgewant an legen, | sollen sich bald in ihrem prächtigsten Feiertagsgewand kleiden, |
| lâzen sich dar inne ersehen! | und sich darin sehen lassen! |
| wir suln schouwen | Lasst uns |
| vor der ouwen | bei der Wiese zusehen, |
| maneger hande bluomen brehen. | wie unzählige Hände Blumen von Hand pflücken. |
| Swie Riuwental mîn eigen sî, | Auch wenn Reuental mein Eigentum ist, |
| ich bin disen sumer aller sorgen frî, | ich habe diesen Sommer keine Sorgen, |
| sît der winter ist dâ hin. | seit der Winter vorüber ist. |
| ich wil lêren | Ich will die jungen Leute lehren |
| die jungen êren | die Freude zu verherrlichen: |
| freude: dar nâch stêt mîn sin. | Danach steht mir der Sinn. |
Sommerlied 18
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| "Uns wil ein sumer komen", | "Der Sommer ist auf dem Weg zu uns", |
| sprach ein magt: "jâ hân ich den von Riuwental vernomen | sprach ein Mädchen: "Ja ich habe den Riuwental vernommen |
| jâ wil ich in loben. | und ich will ihn preisen. |
| mîn herze spilt gein im vor vreuden, als ez welle toben. | Mein Herz hüpft ihm vor Freude entgegen, als sei es außer sich. |
| ich hœr in dort singen vor den kinden. | Ich höre ihn dort singen vor den jungen Leuten. |
| jâne will ich nimmer des erwinden, | Ich möchte nie mehr, dass es aufhört, |
| ich springe an sîner hende zuo der linden." | ich springe an seinen Händen zu der Linde." |
| Diu muoter rief ir nâch: | Die Mutter rief ihr nach: |
| sî sprach: "tohter, volge mir, niht lâ dir wesen gâch! | Sie sagte: Tochter, folge meinem Rat und beeile dich nicht! |
| weistû, wie geschach | Weißt du denn nicht, |
| dîner spilen Jiuten vert, alsam ir eide jach? | was deiner Gespielin Jiuten gleichsam passiert ist? |
| der wuohs von sînem reien ûf ir wempel, | Ihr Bäuchlein wuchs durch seine Tanzmusik |
| und gewan ein kint, daz hiez sie lempel. | und sie bekam ein Kind, das hieß Lempel. |
| alsô lêrte er sî den gimpelgempel." | So lehret er ihr den Gimpelgempel." |
| "Muoter, lât iz sîn! | "Mutter, hör auf damit!" |
| er sante mir ein rôsenschapel, daz het liehten schîn, | er hat mir einen Rosenkranz geschenkt, der so schön aussieht, |
| ûf daz houbet mîn, | und ihn mir auf den Kopf gesetzt, |
| und zwêne rôte golzen brâhte er her mir über Rîn: | und zwei rote Schuhe brachte er mir über den Rhein: |
| die trag ich noch hiwer an mînem beine. | Die trage ich noch immer an meinen Füßen. |
| wes er mich bat, daz weiz niwan ich eine. | Worum er mich gebeten hat, das weiß nur ich alleine. |
| jâ volge ich iuwer ræte harte kleine." | deshalb werde ich euren Rat auf keinen Fall befolgen." |
| Der muoter der wart leit, | Die Mutter war es leid, |
| daz diu tohter niht enhôrte, daz si ir vor geseit; | dass die Tochter ihre Warnungen nicht erhören wollte; |
| iz sprach diu stolze meit: | Das stolze Mädchen sprach: |
| "ich hân im gelobt: des hât er mîne sicherheit. | "Ich habe ihm versprochen: "Meine Treue ist immer sicher. |
| waz verliuse ich dâ mit mîner êren? | Warum sollte ich deshalb mein Ansehen verlieren? |
| jâne wil ich nimmer widerkêren, | Ich will nicht mehr heimkehren, |
| er muoz mich sîne geile sprünge lêren." | er muss mir seine fröhlichen Tänze beibringen." |
| Diu muoter sprach: "wol hin! | Die Mutter sprach: "Dann geh! |
| verstû übel oder wol, sich, daz ist dîn gewin. | Ob es dir gut oder schlecht geht, das liegt in deiner Hand. |
| dû hâst niht guoten sin. | Du bist nicht bei Verstand. |
| wil dû mit im gein Riuwental, dâ bringet er dich hin. | Willst du mit ihm ins Reuental, da wird er dich hinbringen. |
| alsô kan sîn treiros dich verkoufen. | So wird sein Lied dich aufkaufen. |
| er beginnt dich slahen, stôzen, roufen | Er wird dich schlagen, verletzen und prügeln |
| und müezen doch zwô wiegen bî dir loufen." | und dennoch müssen zwei Wiegen bei dir laufen." |
Winterlied 24
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| Sumer, dîner süezen weter müezen wir uns ânen; | Sommer, auf dein schönes Wetter müssen wir nun verzichten; |
| dirre kalte winder trûren unde senen gît. | Dieser kalte Winter weckt die Trauer und die Sehnsucht nach dir. |
| ich bin ungetroestet von der lieben wolgetânen. | Von der lieben Schönen erfahre ich keinen Trost. |
| wie sol ich vertrîben dise lange swaere zît, | Wie soll ich ich diese lange und schwere Zeit verbringen, |
| diu die heide velwet unde mange bluomen wolgetân? | in der die Wiesen und viele schöne Blumen verblassen? |
| dâ von sint die vogele in dem walde des betwungen, daz si ir singen müezen lân. | Die Vögel im Wald quält es, dass sie auf ihr Singen verzichten müssen. |
| Alsô hât diu vrouwe mîn daz herze mir betwungen, | So hat meine Dame mir das Herz gebrochen, |
| daz ich âne vröude muoz verswenden mîne tage. | sodass ich die Tage ohne Freude hinter mich bringen muss. |
| ez vervaehet niht, swaz ich ir lange hân gesungen; | Was auch immer ich ihr lange vorgesungen habe war erfolglos; |
| mir ist alsô maere, daz ich mêre stille dage. | Mir ist das egal, deshalb schweige ich besser für längere Zeit. |
| Ich geloube niht, das sî den mannen immer werde holt: | Ich glaube nicht, dass sie den Männern in Zukunft zugeneigt sein wird: |
| wir verliesen, swaz wir dar gesingen unde gerûnen, ich und jener Hildebolt. | Es ist umsonst, was auch immer wir singen und raunen, ich und jener Hildebolt. |
| Der ist nû der tumbist under geilen getelingen, | Er ist nun der Dümmste unter den fröhlichen Gesellen, |
| er und einer, nennet man den jungen Willegêr: | er und einer, den man den jungen Willegêr nennt: |
| den enkunde ich disen sumer nie von ir gedringen, | Den konnte ich diesen Sommer nie von ihr wegdrängen, |
| sô der tanz gein âbent an der strâze gie entwer. | So tanzten sie gegen Abend kreuz und quer. |
| mangen twerhen blic den wurfel sî mich mit den ougen an, | Manchen schiefen Blick warfen sie mir mit den Augen zu, |
| daz ich sunder mînes guoten willen vor in beiden ie ze sweime muose gân. | dass ich entgegen meinem Vorhaben das Weite suchen musste. |
| Wê, daz mich sô manger hât von lieber stat gedrungen | Wehe, dass mich so mancher von dem schönen Ort vertrieben hat |
| beidiu von der guoten unde ouch wîlent anderswâ! | sowohl von der Guten und auch anderswo! |
| oedelîchen wart von in ûf mînen tratz gesprungen. | Widerwärtig sprangen sie beim Tanz, was mich verärgert hat. |
| ir gewaltes bin ich vor in mînem schophe grâ. | Von ihren Gewalttaten werden meine Haare schon ganz grau. |
| doch sô neic diu guote mir ein lützel über schildes rant. | Doch so verneigte sich die Schöne ein wenig hinter ihrem Schild vor mir. |
| gerne mugt ir hoeren, wie die dörper sint gekleidet: üppiclîch ist ir gewant. | Ihr wollt bestimmt gerne hören, wie sich die Bauern kleiden: Übertrieben ist ihr Gewand. |
| Enge röcke tragent sî und smale schaperûne, | Sie tragen enge Westen und kurze Mäntel, |
| rôte hüete, rinkelohte schuohe, swarze hosen. | rote Helme, Schnallenschuhe und schwarze Hosen. |
| Engelmâr getet mir nie sô leide an Vriderûne, | Engelmar hat Friderun nie so Schlimmes angetan, |
| sam die zwêne tuont. ich nîde ir phellerîne phosen, | wie diese zwei es tun. Ich hasse ihre seidenen Güteltaschen, |
| die si tragent: dâ lît inne ein wurze, heizet ingewer. | die sie tragen: Mit einer Wurzel darin, die Ingwer genannt wird. |
| der gap Hildebolt der guoten eine bî dem tanze; die gezuhte ir Willegêr. | Davon gab Hildebolt der Schönen eine beim Tanze; doch Williger nahm sie ihr weg. |
| Gern west ich, wie es die torpper vnter einander trachten. | Ich wüsste zu gerne, wie sich die Bauern kleiden, wenn sie unter sich sind. |
| sie trugen peckkelhauben, darczu lange swert. | Sie trugen Eisenhauben und lange Schwerter dazu. |
| ir spottigkeit, ir laster sie gar zu laster brachten: | Ihr Spotten, ihre Beleidigungen brachten sie nur zu weiteren Vergehen: |
| des wurdens durch die goller mer denn halb gewert. | Sie wurden durch das Treiben ihrer Späße noch mehr verdorben. |
| sie stritten mit einander einen ganczen summer langen tag. | Sie stritten miteinander einen ganzen Sommertag lang. |
| das ir geläße sahe herre Neithart, do er in dem vas bey dem wein lag. | Herr Neidhart sah, wie sie sich verhielten, als er bei dem Fass Wein stand. |
| Sagte ich nû diu maere, wie siz mit ein ander schuofen, | Wenn ich euch erzählen soll, was sie miteinander taten, |
| des enweiz ich niht: ich schiet von danne sâ zehant. | so muss ich sagen, dass ich es nicht weiß: Denn ich eilte sofort davon. |
| manneglîch begunde sînen vriunden vaste ruofen; | Jeder fing an, laut nach seinen Freunden zu rufen; |
| einer der schrê lûte: „hilf, gevater Weregant!“ | Einer schrie laut: "Hilf, Gevatter Weregant!" |
| er was lîhte in grôzen noeten, dô er sô nâch helfe schrê. | Er war womöglich in großen Nöten, weshalb er so um Hilfe schrie. |
| Hildeboldes swester hôrte ich eines lûte schrîen: „wê mir mînes bruoder, wê!“ | Hildebolds Schwester hörte ich laut schreien: "Oh weh mir mein Bruder, oh weh!" |
| Dô kam schiere ein geteline geloufen von dem strîte: | Da kam bald ein Geselle vom Kampf zurück: |
| den frâgt ich der maere. "Willeher mit ellen streit. | Ich fragte ihn nach der Begebenheit. "Willeher verteidigt sich mit den Ellenbogen. |
| Hildeboltes schapperûn der ist zerzerret wîte | Hildebolts Kapuzenmantel ist überall zerrissen |
| und dar zuo sîn enger roc wol drîer spannen breit." | und nebenbei sein Obergewand gut drei Spannen groß. |
| daz geschach umb eine wurzen, die man ûz der hende ir brach. | All das geschah wegen einer Wurzel, die man der Schönen weggenommen hatte. |
| des engalt vil mangiu spaehiu hûbe, die man bî dem tanze zerzerret ligen sach. | Daher geht es um viele schöne Hauben, die man bei dem Tanz <dort> zerrissen liegen sah. |
| Wâ bî sol man mîn geplätze hinne vür erkennen? | Wodurch soll man mein Geschwätz künftig erkennen? |
| hie envor dô kande man iz wol bî Riuwental. | Früher erkannte man es wohl unter dem Namen Reuental. |
| dâ von solde man mich noch von allem rehte nennen: | So sollte man mich noch zu Recht nennen: |
| nust mir eigen unde lêhen dâ gemezzen smal. | Nur habe ich nicht viel an Eigentum und Lehen. |
| kint, ir heizet iu den singen, der sîn nû gewaltic sî! | Kinder, lasst den singen, der am stärksten ist! |
| ich bin sîn verstôzen âne schulde: mîne vriunt, nu lâzet mich des namen vrî! | Ich wurde unschuldig von dort verstoßen: Meine Freunde, hört auf mich so zu nennen! |
| Ich hân mînes herren hulde vloren âne schulde: | Ich habe die Gunst meines Herrn unschuldig verloren: |
| dâ von so ist mîn herze jâmers unde trûrens vol. | Mein Herz ist darum voll Kummer und Leid. |
| rîcher got, nu rihte mirz sô gar nâch dîner hulde, | Gott, bestrafe mich ganz nach deinen Wünschen, |
| manges werden friundes daz ich mich des ânen sol! | und wenn ich auf so manchen Freund verzichten soll! |
| des hân ich ze Beiern lâzen allez, daz ich ie gewan, | Alles was ich je errungen habe, habe ich in Bayern gelassen, |
| unde var dâ hin gein Ôsterrîche und wil mich dingen an den werden Ôsterman. | und fahre nach Österreich, wo ich ein neuer Mann werden will. |
| Mîner vînde wille ist niht ze wol an mir ergangen: | Die Absicht meiner Feinde bedeutete für mich nichts gutes: |
| wolde ez got, sîn mähte noch vil lîhte werden rât. | Wollte es Gott, so werden seine Mächte vielleicht noch einen Ausweg aufzeigen. |
| in dem lande ze OEsterrîche wart ich wol enphangen | In Österreich wurde ich freundlich |
| von dem edeln vürsten, der mich nû behûset hât. | von dem edlen Fürsten empfangen, der mich in den Hof aufgenommen hat. |
| hie ze Medelicke bin ich immer âne ir aller danc. | Hier in Melk bin ich dank ihnen allen. |
| mir ist leit, daz ich von Eppen und von Gumpen ie ze Riuwental sô vil gesanc. | Ich habe es satt, dass ich von Eppen und Gumpen je in Reuental so viel gesungen habe. |
| Her Nîthart hât uns hie verlâzen als diu krâ den stecken, | Herr Neidhart hat uns hier verlassen, wie die Krähe den Ast, |
| diu dâ hinne fliuget unde sitzet ûf ein sât. | die da hin fliegt und sich auf ein Saatfeld sitzt. |
| ez sol ein man mit fremden frouwen niht ze vil gezecken, | Ein Mann soll mit fremden Edelfrauen nicht zu viel herumnecken, |
| der der wâren schulde an sîner keine vunden hât. | wenn er keine Schuld an sich gefunden hat. |
| er niez sîn tegelîche spîse (der hât er dâ heime genouc), | Er genießt seine tägliche Speise (davon hat er Zuhause genug), |
| lâz Hildebolten mit gemache! ez was ein eichel, die er bî im in dem biutel truoc. | Lass Hildebolt mitmachen! Es war eine Eichel, die er im Beutel trug. |
| Rädelohte sporen treit mir Fridepreht ze leide, | Mir zum Ärger trägt Frideprecht runde Sporen |
| niuwen vezzel hât er baz dan zweier hende breit. | und einen neuen Schwertgurt, mehr als zwei Hände breit. |
| rucket er den afterreif hin wider ûf die scheide, | Wenn er den Schwertring wieder auf die Scheide zieht, |
| wizzet, mîne vriunde, daz is mir ein herzenleit! | wisst, meine Freunde, dass mir das im Herzen weh tut! |
| zwêne niuwe hantschuoh er unz ûf den ellenbogen zôch. | Er zog uns zwei neue Handschuhe bis zum Ellenbogen hinauf. |
| mugt ir hoeren, wie der selbe gemzinc von der lieben hiuwer ab dem tanze vlôch? | Wollt ihr hören, wie derselbe Gemsbock vor dem Tanz mit der Schönen floh? |
| Er gap versengelt wol, rehte als im waer an gebunden | Er gab wohl Fersengeld, gerade so, als ob er gefesselt worden wäre. |
| ein swînes blâse, alsô man den wilden hunden tuot. | Eine Schweinsblase, wie man sie den wilden Hunden gibt. |
| ofte brach er sînen zelt, als sî doch wol befunden, | Oft unterbrach er seinen Schritt, als sie ihn bemerkten, |
| Hatze und Pletze und jeniu ir gespile Hademuot. | Hatze und Pletze und jene ihrer Gespielinnen, Hademout. |
| frâget Engeltrûten, wiez laeg umbe ir bruoder Fridebreht! | Engeltrut fragte, wie es um ihren Bruder Friedebrecht stand! |
| "ach ach, er hât verrenket sich vor vorhte", alsô hât si mir geseit, "der toersche kneht." | "Ach, er hat sich vor Furcht verrenkt, der törichte Knecht", hat sie mir erzählt. |
| Sach ab ieman jenen mit der gickelvêhen täcken? | Sah jemand denjenigen mit der bunten Decke? |
| die treget er ûf der hende und klopfet ûf sîn niuwez swert: | Die trägt er in den Händen und klopft auf sein neues Schwert: |
| dâ mite er uns des nahtes ab der gazzen wil erschrecken. | Damit er uns bei Nacht auf der Straße erschrecken kann. |
| der selbe dünket sich noch mêr dan drîer bônen wert, | Derselbe meint, we sei mehr als drei Bohnen wert, |
| als er danne gerûzet unde gedraeset, der vil übele man, | als er dann ein Geräusch macht und schnaubt, der böse Mann, |
| und im sîn täcke ringeleht erklinget dem gelîche, als er trage ein goller an. | und ihm seine Decke erklingt , als ob er einen Halsschutz trüge. |
Winterlied 13
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| Wi überwinde ich beide | Wie soll ich beides überstehen, |
| mîn liep und die sûmerzît? | meine verlorene Liebe und Sommerzeit? |
| ine kan die wolgetânen schiere niht verklagen. | Ich kann die Schönen beinahe nicht verklagen. |
| von sô grôzem leide, | Von so großem Kummer, |
| mir riuwe âne vröude gît, | mir Reue ohne Freude gibt, |
| trûre ich wol von schulden nû ze disen trüeben tagen, | trauere ich nun in diesen trüben Tage, |
| di uns den winder kündent, der uns manger vröude roubet. | die uns der Winter verkündet und uns so manche Freude raubt, im Verborgenen. |
| sanges habent sich diu kleinen vogelîn geloubet: | Die Vögel haben gelobt zu singen: |
| alsô möhte ich wol mit mînem sange stille dagen. | So will ich nun mit meinem Gesang still schweigen. |
| Sol mich niht vervâhen | Wenn |
| mîn trôst und mîn wân, | meine Zuversicht und mein Glaube mich nicht ergreifen, |
| sô enweiz ich, was genâden ich mich trœsten mac. | weiß ich nicht, mit welchem Glück ich mich trösten kann. |
| wol mac ir versmâhen | Ihr mögt wohl meinen Dienst |
| mîn dienest, den ich ir hân | verschmähen, den ich ihr lange |
| lange her geleistet und des ie mit triuwen phlac. | und aufrichtig geleistet habe. |
| alsô phlæge ichs immer gerne, möhte ich des geniezen, | So tue ich es immer gerne und und möchte es mir zu nutze machen, |
| sô daz mich die dörper mînes lônes iht verstiezen. | damit die Bauern mir meinen Lohn nicht absprechen. |
| des ist Uoze grîfic und sîn rûher schavernac. | Danach lechzt Uoze und nach seiner rauen Pelzmütze. |
| Engelwân und Uoze | Engelwan und Uoze, |
| die zwênè sint mír geház | ich hasse die beiden |
| (schaden unde nídes muoz ich mich von in versehen) | (Vor Schaden und Eifersucht muss ich mich bei diesen beiden in Acht nehmen) |
| und der geile Ruoze: | und der übermütige Ruoze: |
| wie tíuwèr er sích vermáz, | Wie ungehörig vornehm er sich gab und glaubte, |
| der bestüende mich durch sí! die drîe widerwehen | sich gegen mich stellen zu können! Die drei stellen sich mir |
| râtent unde brüevent, daz ich ane lôn belîbe. | beratend und beweisend gegenüber, dass ich ohne Lohn zurück bleibe. |
| niht envolge ir lêre, vrouwe, liebist aller wîbe! | Folge nicht ihren Befehlen, Geliebte, liebste aller Frauen! |
| lone mîner jâre; lâz in leit an mir geschehen! | Belohne mich für meine Jahre; Lass mir kein Leid widerfahren! |
| Vrouwe, dîne güete | Geliebte, deine Güte |
| di erkénne ìch sô mánicvált, | zeigt sich mir auf so vielfältige Weise, |
| daz ich liebes lônes von dir noch gedingen hân. | dass ich auf deine Liebe als Lohn fest hoffe. |
| daz mich ie gemüete, | Da ich mich immer |
| die spränzlér und ír gewált, | um die Bauern und ihre Gewalt sorgte, |
| daz was mit den bluomen hin. nu wil mir Engelwân | war es mit den Blumen vorbei. Nun will Engelwan mich von deiner |
| dîne hulde verren: daz im müeze mísselingen, | Geneigtheit fern halten: Das muss ihm misslingen, |
| sô daz hundert swert ûf sînem kophe lûte erklingen! | mögen hundert Schwerter auf seinem Kopf laut klirren! |
| snîdent sî ze rehte, sî zerüttent im den spân. | Sie sollen ihm gehörig ins Kerbholz schneiden und es zerstören. |
| Seht an Engelwânen, | Seht Engelwan an, |
| wie hôhe ér sîn hóubet tréit! | wie hoch er sein Haupt trägt! |
| swanne er mit gespannem swerte bî dem tanze gât, | Wann immer er mit gespanntem Schwert zum Tanze geht, |
| sô ist er niht âne | fehlt es ihm nicht |
| der vlaemìschen höveschéit, | an flämischer Ritterlichkeit, |
| dâ sîn vater Batze wênic mit ze schaffen hât. | da sein Vater Batze wenig mit ihm zu tun hat. |
| nu ist sîn sun ein oeder gouch mit sîner rûhen hûben: | Nun ist sein Sohn ein törichter Narr mit seiner rauen Mütze: |
| ich gelîche sîn gephnaete ze einer saten tûben, | Ich vergleiche sein Schnauben mit dem einer gesättigten Taube, |
| diu mit vollem krophe ûf einem korenkasten stât. | die bis zum Kropf in einem Kornspeicher steckt. |
| Swer in siner tougen | Wer auch immer in seinem Inneren |
| ie liep ode leit gewan, | je Glück oder Leid erfahren hat, |
| dem sint mine sorgen und min kumber wol bekant. | der kennt meine Sorgen und meinen Kummer. |
| sit ich minen ougen | Seitdem ich meinen Augen |
| den stic niht verbieten kan, | den Stich nicht verhindern kann, |
| si enblicken hin, da Rouze tanzet an ir hant, | müssen sie mit ansehen, wie Route an ihrer Hand tanzt, |
| so verlaze ich kume, deich mich selben niht enroufe: | So gehe ich schweren Herzens, dass ich mich selbst nicht raufe: |
| solhen wehsel nement, die da minnent, an ir koufe. | Solch einen Rückschlag nehmen die, die lieben in Kauf. |
| Minne, la mich vri! mich twingent sere diniu bant. | Liebe, lass mich frei! Deine Fesseln bringen mich in Not. |
| Minne, dine snüere | Liebe, deine Schnüre |
| die twingent daz herze min, | erdrücken mein Herz, |
| daz ich han ze strite wider dich deheine wer. | mit dem ich gegen dich gekämpft habe. |
| swie verholne ich rüere | Wie leise ich auch |
| den zimbel der zelle din, | die Glocke zu deiner Kammer anstoße, |
| so bin ich betwungen des, daz ich dir hulde swer. | so bin ich gezwungen, mich mit dir zu versöhnen. |
| vrouwe Minne, din gewalt ist wider mich ze strenge; | Frau Minne, deine Macht ist zu stark für mich; |
| küneginne, diner ungenade niht verhenge, | Königin, verhänge nicht deine Ungnade über mich, |
| daz si mich verderbe! ja ist si über mich ein her. | dass sie mich womöglich zugrunde gehen lässt! Ja sie ist meine Gebieterin. |
Winterlied 1
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| Winder, uns wil dîn gewalt | Winter, deine Macht |
| in die stuben dringen | will uns von der großen Linde weg |
| von der linden breit: | in die Stube drängen: |
| dîne winde die sint kalt. | Denn deine Winde sind kalt. |
| lerche, lâ dîn singen! | Lerche, hör auf zu singen! |
| dir hât widerseit | Beide, der gefrorene Tau und auch der Schnee |
| beide rîfe und ouch der snê; | widersprechen dir; |
| dû muost stille swîgen: | Du musst still sein: |
| sô klag ich den grüenen klê. | Während ich mich nach dem grünen Klee sehne. |
| meie, ich wil dir nîgen; | Mai, ich will mich vor dir verneigen; |
| mir tuot der winder wê. | mir tut der Winter weh. |
| Tanzet, lachet, weset vrô! | Tanzt, lacht und seid froh! |
| daz zimt wol den jungen | Das gehört sich so für die Jungen |
| disen winder lanc. | diesen Winter lang. |
| iu ze stiuwer gibe ich sô | Um euch zu helfen, schenke ich euch |
| hiwer von mîner zungen | heuer von meiner Zunge |
| einen niuwen sanc, | ein neues Lied, |
| daz ir âne swæren muot | damit ihr ohne schmerzliches Empfinden |
| vreude mugt erbîten. | Freude erlangen mögt. |
| Engelmâr, dîn stube ist guot: | Engelmar, deine Stube ist gut: |
| küele ist an der lîten. | Kühl ist es am Bergabhang. |
| der winder schaden tuot. | Der Winter schadet uns allen. |
| Etzel, Ruoze und Adelber | Etzel, Ruoze und Adelber |
| und der geile Rüele | und der üppige Rüele |
| zesamen hânt gesworn | haben sich alle |
| alle ûf einen dörper hêr: | gegen einen Bauern verschworen: |
| derst von Wîtenbrüele | Der kommt aus Wîtenbrüele |
| und brüevet grôzen zorn. | und erwies sich als zornig. |
| daz enkunde ich ê noch sît | das erfuhr ich noch bevor |
| nie voltagedingen, | der Wettkampf begann, |
| Rüele enwolte enwiderstrît | Rüele fing beim Tanz |
| an dem reien springen: | an zu streiten: |
| daz was Lanzen nît. | Das wollte Lanzen nicht. |
| Lanze eine treien treit, | Lanze trägt einen Wamms, |
| diu ist von barchâne, | der aus einem dicken Baumwollstoff besteht, |
| grüene alsô der klê. | grüner als der Klee. |
| ze wîge hât er sich bereit: | Zur Weihe hält er sich bereit: |
| er lebet in dem wâne, | Er lebt in dem Glauben, |
| daz im niht widerstê. | dass ihm nichts und niemand Wiederstehen kann. |
| dar in er gesteppet hât | darin hater sich |
| ein guot îsnîn hemde. | ein gutes Eisenhemd genäht. |
| limmende als ein ber er gât; | Er knurrt wie ein Bär; |
| guot muot ist im vremde. | gute Stimmung ist ihm fremd. |
| erst kint, der in bestât. | nur die Kinder bestätigen ihn. |
| Lanze der hât noch die frünt, | Lanze der hat noch Freunde, |
| die in niht enlâzen, | die ihn nicht los lassen, |
| swie gar er sî ein kint. | als sei er ein Kind. |
| drî hân ich iu schiere gekünt, | Drei habe ich sogleich erkannt, |
| die im ûf der strâzen | die ihm auf der Straße |
| bîgestendic sint: | beigestanden haben: |
| Îsenbolt und Îsenhart | Îsenbolt und Îsenhart |
| und der junge Vrîte. | und der junge Vrîte. |
| Rüele der wart nie sô zart, | Rüele war nie so lieb, |
| er waer an dem strîte | der wurde von dem Streit |
| ze verhe wol bewart. | wohl verschont. |
| Sô lâz wirs vehten umb den lîp. | So lasst uns um unser Leben kämpfen. |
| und gê wir zuo dem tanze: | Wir gehen zum Tanze: |
| dâ spring wir schône enbor. | Da springen wir auf freundliche Weise in die Höhe. |
| nu wol ûf, meide und jungiu wîp, | Nun wohl auf, Mädchen und junge Frauen, |
| Afrâ, Englîn, Franze, | Afrâ, Englîn und Franze |
| diu will uns singen vor. | wollen uns vorsingen. |
| Metze beit ................. | Metze zögert... |
| und kumet Adelheite | und kommt Adelheit |
| und über ... Engellint | und über...Engellint |
| und Irmengart gmeite, | und die fröhliche Irmengart, |
| daz sint gar schoeniu kint. | das sind sehr schöne Töchter. |
Winterlied 27
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| Mirst von herzen leide, | Es tut mir im Herzen weh, |
| daz der küele winder | dass der kalte Winter |
| verderbet schœner bluomen vil: | die vielen schönen Blumen zu nichte macht: |
| sô verderbet mich ein senelîchiu arebeit. | So richtet mich eine leidvolle Not zugrunde. |
| dise sorge beide | Diese beiden Sorgen |
| dringent mich hin hinder | drängen mich derweil zurück |
| ze ende an mîner vreuden zil. | vom Grund meiner Freude. |
| owê, daz diu guote mit ir willen daz vertreit, | Oh weh, möge die Gute mit ihrem Willen mir das verwehren, |
| sît si wol geringen mac | womit sie später |
| alle mîne swaere! | mein ganzes Leid verringert! |
| hei, gelebte ich noch den tac, | Hei, wenn ich nur noch den Tag erleben könnte, |
| daz sî genaedic wære! | an dem sie ganz barmherzig ist. |
| Swenne ich mich vereine | Wann auch immer ich mich mit ihr vereine |
| unde an sî gedenke, | und an sie denke, |
| waer inder wîbes güete dâ, | wäre irgendeine Frau voller Güte, |
| diune haete sich sô lange bî ir niht verholn. | die eine hätte sich bei ihr nichts verdient. |
| sît si lônet kleine | Nachdem sie meine neuen Gesängen |
| mîner niuwen klenke, | nur zierlich Beachtung schenkt, |
| wan mag ich dienen anderswâ? | wo soll ich sonst anderswo meine Dienste leisten? |
| nein, ich wil mit willen disen kumber langer doln. | Nein, ich will diesen Schmerz nicht länger ertragen. |
| waz, ob noch ein saelic wîp | Was, wenn noch eine glückliche Frau |
| gar den muot verkêret? | gar den Mut verliert? |
| vreu mîn herze und troeste den lîp! | Erfreue mein Herz und tröste die Seele! |
| diu zwei diu sint gesêret. | Die beiden sind verwundet. |
| Zuo dem ungemache, | Zu allem Unglück, |
| den ich von ir lîde, | das ich von ihr erfahre, |
| sô twinget mich ein ander leit, | belastet mich ein anderer Schmerz, |
| daz vor allem leide mich sô sêre nie betwanc, | der mich von allem Kummer am meisten schmerzt, |
| swiech dar umbe lache | weshalb ich darum lache |
| und gebâre blîde: | und mich fröhlich verhalte: |
| mir hât ein dörper widerseit | Ein Bauer hat sich gegen mich aufgelehnt |
| umb anders niht wan umbe den mînen üppeclîchen sanc. | und meinen überflüssigen Gesang. |
| derst geheizen Adeltir, | Er hieß Adeltir, |
| bürtic her von Ense, | geboren in Ense, |
| zallen zîten drôt er mir | und er droht mir immer |
| als einer veizten gense. | wie einer gemästeten Gans. |
| Hiwer an einem tanze | In diesem Jahr bei einem Tanz |
| gie er umbe und umbe. | kam er von allen Seiten. |
| den wehsel het er al den tac: | Er wechselte die ganze Zeit: |
| glanziu schapel gap er umbe niuwiu krenzelîn. | Glänzende Kränze gab er als neuen Schmuck. |
| Etzel unde Lanze, | Etzel und Lanze, |
| zwêne knappen tumbe, | zwei törichte Jünglinge |
| die phlâgen ouch, des jener phlac. | die auch das taten, was alle zu tun pflegten. |
| Lanze der beswæret ein vil stolzez magedîn; | Lanze belästigte ein sehr prächtiges Mädchen; |
| eine kleine rîsen guot | Er zerrte ihr ein |
| zarte er ab ir houbet, | schlechtes Rohrgeflecht vom Kopf, |
| dar zou einen bluomenhuot: | und gab ihr einen Hut mit Blumen: |
| wer het im daz erloubet? | Wer hat ihm das erlaubt? |
| Owê sîner hende! | Oh seine Hände! |
| daz si sîn verwâzen! | Sie sollen ihm zugrunde gehen! |
| die vinger müezen werden vlorn, | Die Finger soll er verlieren, |
| dâ mit er gezerret hât den schedelîchen zar! | die für die schlimmen Tränen verantwortlich waren! |
| hiete er ir gebende | Hätte er ihre Haarschleife |
| ungezerret lâzen, | nicht zerrissen, |
| daz kränzel hiete ouch sî verkorn. | hätte das Kränzchen auch sie in seine Arme getrieben. |
| er ist ungevüeger danne wîlen Engelmâr, | Er ist viel unhöflicher als Engelmar, |
| der gewalticlîchen nam | der Friderun gewaltsam |
| den spiegel Vriderûne. | den Spiegel wegnahm. |
| des bin ich dem dörper gram, | deshalb hege ich Zorn gegen die Bauern, |
| den selben Walberûne. | genauso auf Walberun. |
| Dise alten schulde | Diese alte Schuld |
| wecket mir diu niuwe: | erweckt in mir eine neue: |
| ez hât ein geiler getelinc | Ein fröhlicher Geselle hat mich an all das |
| hiwer an mir erwecket, swaz mir leides ie geschach. | Leid erinnert, was mir je geschah. |
| ê ichz lange dulde, | Ehe ich das lange ertragen muss, |
| sêt des mîne triuwe, | nehmt meine Aufrichtigkeit wahr, |
| gespringe ich zuo zim in den rinc, | mit der ich im Ring auf ihn springe, |
| er bestât sîn buoze, daz er ir ze vrouwen jach, | er wird seine Strafe dafür erhalten, dass er zu der Frau eilt, |
| der ich lange gedienet hân | der ich lange meine Dienste erwiesen habe, |
| her mit ganzer staete! | mit ganzer Beständigkeit! |
| wolde er sî gerouwet lân, | Wenn er sie in Ruhe lassen würde, |
| wie rehte er danne taete! | würde er das richtige tun! |
| Wê, waz hât er muochen! | Oh, was hat er für einen Unsinn im Kopf! |
| si kumt im niht ze mâze. | Er kann ihr das Wasser nicht reichen. |
| zwiu sol sîn pîneclîch gebrech? | Was soll sein peinlicher Lärm? |
| im enmac gehelfen niht sîn hovelîch gewant. | Sein höfisches Gewand wird ihm dabei nicht helfen. |
| er sol im eine suochen, | Er soll ihm eine suchen, |
| diu in werben lâze. | die ihn um sich werben lässt. |
| diu sînen rôten buosemblech | Seine rot verzierte Brustbekleidung |
| diu sint ir ungenaeme gar, dar zuo sîn hiufelbant. | gefällt ihr ganz und gar nicht, dazu sein Hüftband. |
| enge ermel treit er lanc, | Die schmalen Ärmel trägt er lang, |
| die sint vor gebraemet, | sie sind |
| innen swarz und ûzen blanc. | innen schwarz und außen weiß eingefasst. |
| mit sîner rede er vlaemet. | Er spricht nach Art der Flamen. |
| Sîner snüere strangen | Seine Schnürstränge |
| tengelnt an den orten: | schlagen in den Orten ein: |
| dâ hanget wunder pfeffers an, | Da hängen Pfeffer, Muskat, Nelken |
| muscât, negele, pfâwenspiegel: dêst der dörper glanz. | und Pfauenkraut daran: Das ist der Glanz der Bauern. |
| er wil überdrangen | Er will ein Mädchen |
| ein meit mit süezen worten, | mit süßen Worten überwältigen, |
| des im doch niht gehelfen kan | doch dabei kann ihm sein übertriebenes Gewand nicht helfen |
| sîn üppiclîch gewant und dar zuo sîn vil waeher swanz. | und dazu seine schöne Schleppe. |
| ein vil guotez lînîn tuoch, | Aus sehr gutem Leinentuch, |
| sehzehn elen kleine, | 16 feine Ellen lang, |
| hât sîn hemde und ouch sîn bruoch: | ist sein Hemd und auch seine Hose: |
| der site ist ungemeine. | Seine Hüfte ist uneins. |
| Her Nîthart, mugt irz lâzen? | Herr Neidhart, werdet ihr es lassen? |
| iu mac misselingen. | Es soll euch misslingen. |
| nu habt ez ûf die triuwe mîn, | Nun habt ihr es bei meiner Treue, |
| und mag ich, ez muoz iu bî dem tanze werden leit! | und ich würde gerne sehen, wie es euch beim Tanze leid wird! |
| welt ir uf der strâzen | Wollt ihr euch |
| vil mit uns gedringen, | auf der Straße mit uns drängen, |
| swie breit ab iuwer multer sîn, | obwohl ihr gebogene Brustharnischplatten tragt, |
| dâ gelpfe schînet under iuwer ringelehte pfeit, | dort strahlt Glanz unter eurem geringelten Hemd, |
| und sult ir sîn der tiuvel gar | und solltet ihr gar der Teufel sein |
| mit iuwerm glitzeden huote, | mit eurem glänzenden Hut, |
| zwâre ich mache in bluotes var | richte ich mit meinem guten Schwert |
| mit mînem swerte guote. | wahrhaft ein Blutbad an. |
| "Nû dar, ziere gesellen, | "Wohlan, ihr kostbaren Freunde, |
| nu stât mir algelîche, | tut es mir gleich und |
| helfet, daz wir in bestân, | helft, ihm stand zu halten, |
| der uns bî dem tanze mit gemache niht enlât! | der uns beim Tanzen nicht in Ruhe lässt! |
| ich trûwe in wol ervellen", | ich hoffe das bringt ihn zu Fall", |
| sô sprach Amelrîche: | so sprach Amelrîche: |
| "die hant die muoz er mir hie lân, | "Die Hand muss er mir hier lassen, |
| dâ der spreckelehte vogel oben ûfe stât, | dort steht der gefleckte Vogel oben auf |
| und dar zuo dem zeswen fuoz, | und dazu erklingt am rechten Fuß |
| dar an der spore klinget. | der Sporn daran. |
| jâ geschaffe ich mir sîn buoz, | Ich werde ihn zur Buße bringen, |
| daz er von uns niht singet." | damit er nicht mehr von uns singt." |
c1
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| I | |
| Der swarcze dorn ist worden weis, | Der schwarze Dorn ist weiß geworden, |
| nun hat der maie seinen vleis | nun hat sich der Mai |
| geleget an den anger, | auf dem Ackerland bemerkbar gemacht, |
| gar zergangen ist der schne, | geschmolzen ist der Schnee, |
| man siht hewer aber als ee | man sieht jetzt wieder |
| die liechten plumblein swanger. | die leuchtenden Blümlein blühen. |
| der maie hat die veld gar schön beseczet | Der Mai hat die Felder mit |
| mit gamillen plúmlein fein, | schönen Kamillenblüten übersät, |
| fro so singen die vogelein, | vergnügt singen die Vögelchen, |
| irs laids sind sie ergeczet. | sie haben ihr Leid schon vergessen. |
| II | |
| Da fúr ich lob die rainen weib, | Dafür lobe ich die Frauen, die frei von Sünden sind, |
| der wolgetraut globter leib | der wohlgetraut gelobte Leib |
| kan pringen hoch gemúte. | kann ein edles Gemüt hervorbringen. |
| die sich vor valsche hand behút, | die, welche sich vor falschen Händen hütet, |
| die lob ich fur alles gut, | die werde ich für alles tüchtig loben, |
| so wol dir, weibes gute! | Wohl dir, gute Frau! |
| weib, behalt dein er, das will ich dir raten, | Frau, behalte deine Ehre, das rate ich dir! |
| durch dein frölich weiblich zucht | durch deine fröhliche weibliche Erziehung |
| weib, du auserwelte frucht, | Frau, du auserwählte Frucht, |
| la túme minner braten! | lass den törichten Liebhaber plaudern! |
| III | |
| Nun sung ich gern der frawen mein, | Nun singe ich gerne für meine Frauen, |
| so irret mich ein ander pein, | aber es stört mich etwas anderes, |
| ich sahe die dörper raien | ich sah die Bauern, wie sie sich |
| gar uppiglichen auf dem plan, | übertrieben auf dem freien Platz versammelten, |
| baide, frawen unde man, | alle, Frauen wie Männer, |
| die empfiengen schön den maien. | so empfingen sie den schönen Mai. |
| her langer Lancze, daz sult ir mir rechen, | Herr lange Lanze, das sollt ihr mir rechen, |
| darczu so clag ich euch, herr Pflug, | dazu werde ich euch anklagen, Herr Pflug, |
| ir rechet mir diesen ungefug, | ihr werdet diesen Unsinn rechen, |
| das in ir rúcken brechen. | dass ihnen ihre Rücken brechen. |
| IV | |
| Ich kam dohin gein Zeisselmaur, | Ich kam in Richtung Zeisselmaur, |
| die fart ward mir eins tails zu sawer, | auf der Fahrt wurde mir oft übel, |
| ich hört da fremde mere. | ich hörte dort seltsame Geschichten. |
| do fand ich einen lobetancz | Da sah ich einen Ehrentanz |
| und von rosen mangen krancz, | und so manche Rosenkränze, |
| zergangen was mein swere. | so vergaß ich meine Schmerzen. |
| ich zogt zu einem wirte, der was ziere, | Ich begab mich zu einem prächtigen Gastwirt, |
| des ward Engelmair gewar, | dem Engelmar schaden zugefügt hatte, |
| elen weit was im sein har, | Ellen lang war sein Haar, |
| da hin so eilt er schiere | da eilte er schnell davon |
| V | |
| zu vierczig gattelingen gut, | zu gut vierzig Gesellen, |
| uppiglich stund in ir mut, | Eitelkeit begleitete ihren Übermut, |
| die tanczten bei der linden. | sie tanzten um die Linde. |
| er sprach: "herr Neithart der ist hie, | Er sprach: "Herr Neidhart der ist hier, |
| der uns gespöttes nie erlie, | der uns mit seinem Spot nie in Ruhe gelassen hat, |
| wol auf, das wir in finden. | wohl auf, dass wir ihn finden. |
| ir solt euch keines argen nicht gedencken, | Ihr sollt euch keine sorgenvollen Gedanken machen, |
| ir get mir zúchtiglichen nach, | ihr geht folgt mir diszipliniert nach, |
| auch seit zu fechten nicht zu gache, | seit auch beim Fechten nicht zu schnell, |
| wir sond im frolich schencken." | wir werden ihm fröhlich einschenken." |
| VI | |
| Vierczig käntelin mit wein | Sie trugen vierzig Käntlein Wein |
| sie trungen in ein gertelein, | in ein Gärtchen, |
| gar gros was ir geraisse: | so groß war ihr Hass: |
| "seit got wilkum, herr Neithart, | "Seid Gott willkommen, Herr Neidhart, |
| euch sei geschenckt an diser fart." | euch sei eingeschenkt auf diesem Weg." |
| ich saß in einem swaisse, | ich kam ins Schwitzen |
| ich sprach:"ich pin dem Neidhart ungeleiche, | und sprach: "Ich bin dem Neidhart ungleich, |
| ich pin ein jeger, mir ist zorn, | ich bin ein Jäger und voller Zorn, |
| ich hab die hunde sein verlorn, | ich habe die Hunde des Fürsten |
| des fursten von Osterreiche." | von Österreich verloren." |
| VII | |
| Engelmair in da gepot | Engelmair bot ihm da |
| bei dem Leben an den todt, | bei dem Leben an den Tod, |
| das sie sich saczten alle. | dass sie sich alle setzten. |
| so zuhant da schankt man ein | Sogleich schenkte man |
| den vil klaren osterwein, | den sehr klaren österreichischen Wein ein, |
| den truncken sie mit schalle. | den sie mit Geräuschen tranken. |
| er sprach: "und wolt ir gogelfur erkennen, | Er sprach: "Und wenn ihr das Treiben von Torheiten erkennen werdet, |
| so siczt und seit ein frolich man, | so seid ruhig und seid ein fröhlicher Mann, |
| ich hilf euch mit gemach hin dan, | ich helfe euch mit Wohlbehagen dann aus, |
| wolt ir mich nimmer nennen." | dass ihr mich nicht mehr beim Namen rufen werdet." |
| VIII | |
| "Dir sei gelobet an die hant: | Dir sei auf die Hand versprochen: |
| du wirst von mir nicht mer genant, | du wirst von mir nicht mehr genannt, |
| was ich will furbas singen, | was ich weiter singen will, |
| und auch was gedichten kan, | und auch in meinen Gedichten, |
| du haist der ungenante man, | wirst du der namenlose Mann sein, |
| du solt frolichen springen, | du sollst fröhlich springen, |
| und hais die öden schaiden aus dem garten." | und befehle den öden ??? den Garten zu verlassen." |
| "wol auf, ir herrn, wir sollen gan | "Wohl auf, ihr Herren, wir sollen |
| gar zuchtiglichen auf den plan | züchtig auf den Platz gehen |
| und dienen frauen zarten." | und den lieben Frauen dienen." |
| IX | |
| Die verswunden so zuhant, | Sie verschwanden so eilig, |
| do bracht man mir ein gut gewant, | da brachte mir ein gutes Gewand. |
| das must ich dannen furen | dann musste ich von dannen fahren |
| darczu so gabns mir ein pfert, | dazu gaben sie mir ein Pferd, |
| das was wol dreissig pfunde werdt | das war wohl dreißig Pfund wert |
| und zeltet nach den schnúren. | und ging im Passgang an den Zügeln. |
| des danckt ich schon den manen und den frawen | Dafür dankte ich den Männern und den Frauen |
| und rait daczu in auf den plan, | und ritt zu ihnen auf den Platz, |
| da mochten siben hundert stan, | da standen gut siebenhundert Menschen, |
| die mich begunden schawen. | die mich anschauten. |
| X | |
| Auf die rais so was mir gah, | Auf der Reise war es mir so, |
| mir ward ein michel kaffen nach | als ob mir jemand hinterher gaffte, |
| von liechten augen schöne. | von leuchtend schönen Augen. |
| Friderunen näckelin, | Frideruns Nacken |
| das gab fur die andern schein, | das wurde für die anderen Sichtbar, |
| mit lob ichs imber kröne. | das kröne ich immer mit Lob, |
| ich rait gein Wien und sagt die abenteure, | Ich ritt nach Wien und erzählte von den Abenteuern, |
| wie sie mir alle trúgen has, | wie sie mir alle Hass entgegentrugen, |
| da ich in dem garten saß, | als ich dem Garten saß, |
| iedoch ward mir ir stewre. | jedoch hatte ich ihre ?Unterstützung?. |
| XI | |
| Der herczog sandt gein Zeisselmaur, | Der Herzog sandt gen Zeisselmaur, |
| er lie frei den selben pauer | er ließ den selben Bauern |
| und all sein hausgenossen. | und alle seine Hausgenossen frei. |
| des ward fro der Engelmar, | Darüber freute sich Engelmar, |
| der mir half frölich von der schar | der mir fröhlich aus der Schar half, |
| wol auf des reiches strassen. | auf die Straße zu kommen. |
| und Engelmair wil ich nimmer nennen, | Und Engelmair will ich nicht mehr erwähnen, |
| er haist der ungenante man, | er ist der ungenannte Mann, |
| der wol mit Friderúnen kan, | der wohl bei Friederun war, |
| ir múgt in wol erkennen. | ich glaube ihr kennt ihn. |
Sommerlied 22
| Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
|---|---|
| Der winter hât ein ende. | Der Winter ist vorüber. |
| komen ist uns der meie, | Der Mai ist nun gekommen |
| der uns bluomen bringet mager leie. | und bringt uns mancherlei Blumen. |
| ich hoer diu vogelîn singen. | Ich höre die Vögelein singen. |
| wir suln alle springen, | Wir sollen alle tanzen |
| sîn gemeit. | und fröhlich sein. |
| der walt ist wol geloubet, | Der Wald ist voller Laub, |
| diu linde guldîn tolden treit. | die Linde trägt goldene Baumkronen. |
| Der linden welnt ir tolden | Die Linde wählt ihre Kronen aus, |
| von niuwem loube rîchen; | die von neuem Laub besetzt werden; |
| da under lâzent nahtigal dar strîchen: | darunter macht sich die Nachtigall zurecht: |
| si singent wol ze prîse | Sie singt wohl, um |
| vremde süeze wîse, | die schöne Wiese aus der Ferne zu preisen, |
| doene vil. | viele Töne. |
| si vreunt sich gein dem meien: | Sie freut sich über den Mai: |
| sîn kunft diu ist ir herzen spil. | Seine Ankunft vergnügt ihr Herz. |
| Si sprechent, daz der winder | Sie sagen, dass der Winter |
| hiuwer sî gelenget. | dieses Jahr lange war. |
| nu ist diu wise mit bluomen wol gemenget, | Nun ist die Wiese mit schönen Blumen übersät, |
| mit liehter ougenweide | ein strahlender Anblick sind |
| rôsen ûf der heide | die Rosen auf der Heide, |
| durch ir glanz. | die durch und durch schimmernd. |
| der sante ich Vriderûnen | Davon sandte ich Friderun |
| einen wolgetânen kranz. | einen wohl beschaffenen Kranz. |
| Die vogele in dem walde | Die Vögel im Wald |
| singent wünneclîchen. | singen wonniglich. |
| stolze mägde, ir sult ein niuwez tîchen. | Ihr stolzrn Mädchen, ihr sollt Neues schaffen. |
| vreut iuch lieber maere! | Freut euch über diese gute Nachricht! |
| manedes herzen swaere | Die Schwere mancher Herzen |
| wil zergân. | wird vergehen. |
| tuot, als ich iuch lêre, | Tut, so wie ich es euch gelehrt habe |
| strîchet iuwer kleider an! | und pflegt eure Kleidung! |
| Ir brîset iuch zen lanken, | Schnürt euch die Hüften zu |
| stroufet ab die rîsen! | und streift den Schleier ab! |
| wir sulnz ûf dem anger wol wikîsen. | Wir sollen auf der Wiese tanzen. |
| Vriderûn als ein tocke | Friderun tanzte wie eine Puppe |
| spranc in ir reidem rocke | in ihrem Kleid |
| bî der schar: | um die Schar: |
| des nam anderthalben | Das nahm Engelmar auf der anderen Seite |
| Engelmâr vil tougen war. | ganz im Verborgenen wahr. |
| Dô sich aller liebes | Als sich alle Liebenden |
| gelîch begunde zweien, | gewährten, sich zu zweit aufzustellen, |
| dô sold ich gesungen haben den reien, | da sollte ich den Reigen singen, |
| wan daz ich der stunde | gleichwohl ich mich von diesem Moment |
| niht bescheiden kunde | nicht losreißen konnte |
| gegen der zît | gemäß der Jahreszeit |
| sô diu sumerwünne | gibt die Sommerwonne so |
| manegem herzen vreude gît. | manchem Herzen Freude. |
| Nu heizent sî mich singen; | Nun sollte ich also singen; |
| ich muoz ein hûs besorgen, | Ich muss ein Haus suchen, |
| daz mich sanges wendet manegen morgen. | an manchen Morgen am Gesang hindert. |
| wie sol ich gebâren? | Was soll ich tun? |
| mirst an Engelmâren | Engelmar scheint mir |
| ungemach, | unfreundlich zu sein, |
| daz er Vriderûnen | da er Friderun |
| ir spiegel von der sîten brach. | den Spiegel aus der Seite riss. |
| Sîner basen bruoder | Dem Bruder seiner Base |
| hiet sis wol erlâzen. | hätte sie es wohl erlassen. |
| er kan sich deheiner dinge mâzen; | Er kann sich nicht mäßigen, |
| er ist ein toerscher Beier. | er ist ein törichter Bayer. |
| er un der junge meier | Er und der junge Meier |
| tuont ir leit. | haben ihr Leid angetan. |
| noch hât sî den vriunt, | Noch hat sie den Freund, |
| der imz die lenge niht vertreit. | der ihr das lange Zeit nicht verwehrte. |
| Dar umbe wil sie aber | Darum will sie aber |
| ein Engelmâr vertrîben. | den Engelmar vertreiben. |
| er ist ein gemzinc under jungen wîben. | Er ist wie ein Gemsbock unter den jungen Weibern. |
| er ist ein ridewanzel, | er ist einer der den Ridewanzel tanzt, |
| in dem geu vortanzel. | ein Vortänzer in der Gegend. |
| sîn gewalt | Seine Gewalt |
| der ist an dem reien | ist beim Tanz |
| under den kinden manicvalt. | unter den Mädchen wohl bekannt. |
| Daz ist Friderûne | Das ist Friderune |
| ein lange werndiu swaere | die lange Zeit unter |
| von Engelmâre dem toerschen tanzprüevaere, | Engelmar, dem törichten Tanzleiter leiden musste, |
| daz er ir torste lâgen. | dass er ihr mutig nachstellte, |
| daz klagtes al ir mâgen. | beklagte die ganze Menge. |
| umbe den schal | Auf das Getöse |
| solt dû dich nu hüeten, | sollst du nicht achten, |
| Friderûn! fliuch gein Riuwental! | Friderun! Fliehe nach Reuental! |
| Der het ir genomen | Er hat ihr im Scherz |
| in schimphe ein tockenwiegel. | eine Puppenwiege weggenommen. |
| daz hiet wir verklagt, niewan den spiegel | Das hätten wir verkraftet, aber nicht den Spiegel |
| (der was von helfenbeine, | (Er war aus glänzendem Elfenbein |
| waehe, ergraben kleine), | und schön verziert), |
| den sîn hant | den seine Hand |
| ir nam gewalticlîche; | ihr gewaltsam entriss; |
| dâ von al mîn vreude swant. | Deshalb verschwand meine Freude. |
| Ir sult mirz wol gelouben, | Ihr könnt mir ruhig glauben, |
| ich sag iz niht gerne: | ich sage es nicht gerne: |
| diu spiegelsnuor diu kom her von Iberne | Die seidene Schnur des Spiegels kam aus Iberien |
| ez was ein waeher borte. | es war eine kunstreiche Einfassung. |
| niden an dem orte | unten im Ort |
| stuonden tier | standen Tiere |
| geworht von rôtem golde. | gewirkt in rotem Gold. |
| nie geschach sô leide mir. | Nie geschah mir ein solches Leid. |
| Daz ich niht froelîch singe, | Dass ich nicht fröhlich singe, |
| daz wendet mir ein swaere, | bereitet mir Schmerzen, |
| von der ich alsô gerne ledic waere. | von denen ich so gerne frei wäre. |
| diese dorfgebûwer | Für diese Dorfbauern |
| die nimt des gar untûwer; | ist das alles unbedeutend; |
| sie tragent mir haz. | sie sind mir verhasst. |
| ob si niht enwaeren, | Wenn sie es wahr machen, |
| sô sunge ich für wâr fürebaz. | so singe ich wahrlich weiter. |
| Erkenbreht und Uoze | Erkenbreht und Uoze |
| und der ungenante, | und der ungenannte, |
| Gôzbreht, der mich ofte sanges wante, | Gôzbreht, der mich oft vom Singen abgehalten hatte, |
| die sint nu gar gesweiget | die sind nun ganz verstummt |
| unde ihr freude seiget | und ihre Freude |
| hin und her. | wiegt hin und her. |
| ir schîbe, diu gienc ebene, | Ihr Kreis, der ging gleichmäßig, |
| diu ust gestrûchet nû entwer. | er kam wahrhaftig ins Straucheln. |
| Frou Hilde und getelinge, | Frau Hilde und Gesellen |
| die sprungen an ir hende, | tanzten an ihren Händen. |
| ir tanz der was dô âne missewende. | Ihr Tanz war nicht vergeblich. |
| nu habent sî erworben, | Nun haben sie erreicht, |
| daz er ist verdorben. | dass er zu Schaden kommt. |
| ir üppekeit | Ich vermute, ihre Übertriebenheit |
| ich waen diu hât geprüevet | ist für so manches |
| in manec gespötte unde leit. | Gespött und Leid verantwortlich. |