Das Liebesverhältnis zwischen Obîe und Meljanz (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Der Konflikt um das Liebesverhältnis zwischen Obie und dem König Meljanz von Liz ist das zentrale Thema des siebten Buches in Wolframs von Eschenbach Parzival. Obie ist die Tochter von Lippaut, Burgherr von Bearosche. Sie lehnt die Werbung des Königs Meljanz mit dem Argument ab, dass dieser erst Minnedienst leisten solle. Meljanz fühlt sich daraufhin beleidigt, erklärt Obies Vater den Krieg und belagert dessen Burg Bearosche. Das siebte Buch endet mit der Versöhnung der zwei Parteien und der Hochzeit Obiens und Meljanz. Die Geschichte um Obie und Meljanz ist in die erste Gawan-Partie eingebettet und erscheint als eine Darstellung eines in sich runden und abgeschlossenen Lebenszusammenhangs. Wolfgang Mohr charakterisiert die Schilderung der Beziehung zwischen Obie und Meljanz daher als eine "Geschichte in der Geschichte" [Mohr 1957: S. 280].


Handlung

Als Gawan auf dem Weg zu seinem Gerichtskampf in Schampfanzun ist, begegnet er einem militärischen Heer, das nach Bearosche zieht. Ein Knappe des Heeres informiert Gawan über den Grund des Aufmarsches: König Meljanz von Liz zieht mit einem Heer gegen seinen Vasallen, den Fürsten Lippaut, aus Zorn über die Zurückweisung seiner Liebeswerbung um Obie, die Tochter Lippauts. Meljanz erhält Unterstützung durch das Heer seines Onkels, König Poydiconjunz, und dessen Sohn Meljacanz. Der Fürst Lippaut wird unterstützt durch seinen Bruder Marangliez und den König Schirniel. Als Gawan am Hofe von Bearosche erscheint, wird er von Obie für einen Kaufmann oder gar für einen Betrüger gehalten. Obiens kleine Schwester Obilot hält Gawan jedoch für einen Ritter und zwischen den beiden entbrennt ein Streitgespräch, welche Absichten Gawan verfolgt. Obilot glaubt fest an das Gute in Gawan und ernennt ihn zu ihrem Minneritter. Gawan erinnert sich an Parzivals Aufforderung, für eine Dame zu kämpfen und zieht trotz seiner Terminverpflichtung in Schampfanzun als Ritter Obilots in den Kampf. Gawan kann Meljanz gefangen nehmen und dieser wird zu Obilot gebracht, die ihm rät, sich mit Obie zu versöhnen und sie zu heiraten. Durch die Hochzeit werden die Streitigkeiten beigelegt und die Belagerung beendet.

Die Liebe zwischen Obie und Meljanz

Trotz des Zerwürfnisses zwischen Obie und Meljanz werden die beiden Figuren als zwei sich einander Liebende dargestellt. Obie bekundet bereits bei ihrer Auseinandersetzung mit Meljanz ihre Liebe zu ihm (vgl. 346,15) und selbst als Meljanz gegen ihren Vater kämpft, bleibt er ihr Geliebter (vgl. 365,26-30). Auch der Erzähler lässt keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit der Liebe zwischen den beiden Figuren:

365,11 Obîe unt Meljanz, Obie und Meljanz,
ir zweier minne was sô ganz die Liebe dieser beiden war so vollkommen
und stuont mit solhen triuwen, und stand mit solcher Treue schön befestigt da,
sîn zorn iuh solde riuwen, dass sein Jähzorn damals, euch weh tun muss,
daz er mit zorne von ir reit. als er so wütend fortritt.

Darüber hinaus spricht der Erzähler von "wâriu liebe" (365,2: wahrhaftige Liebe) und "herzeminne" (365,2; 365,3; 365,9: Herzensliebe oder Liebe von Herzen). Diese Aussagen lassen den Schluss zu, dass es sich bei Obie und Meljanz um zwei Liebende handelt, die jedoch aufgrund ihrer Unerfahrenheit und Unreife ihrem eigenen Glück im Weg stehen [Emmerling 2003: vgl. S. 16].

Fehlverhalten

Obie und Meljanz haben eine gemeinsame Vorgeschichte. Sie sind zusammen aufgewachsen und als beide alt genug zum heiraten sind, kommt es zum Zerwürfnis, da vor allem Meljanz nicht bereit ist, die "Minne-Regeln" richtig anzuwenden. Obie lehnt die Bitte um ihre Minne, was wohl als Heiratsantrag zu verstehen ist, von Meljanz ab. Meljanz scheint davon auszugehen, dass er schon Minnedienst geleistet habe (vgl. 345,27-29)[1], was Obie anders sieht. Sie beschuldigt ihn, den Verstand verloren zu haben (vgl. 345,30-346,2) und erklärt ihm, was sie unter dem Minnedienst versteht, den er ihr gegenüber zu leisten habe (vgl. 346,3-14). Meljanz solle sich erst im Kampf bewähren, bevor sie ihn heiraten könne.
Meljanz pocht darauf, dass sich Obie allein schon aufgrund seines adligen Status' auf ihn einlassen muss. Obie denkt hier anders und versucht ihm klarzumachen, dass sie ihm als frei geborene Adlige ebenbürtig sei, auch wenn ihr Vater einen niedrigeren sozialen Status einnimmt. Da Obie noch nicht volljährig ist, muss sie zu einer Heirat die Einwilligung ihres Vaters einholen. Meljanz, der Lehensherr ihres Vaters Lippaut, versucht eben diese Karte des Lehensherrn auszuspielen und weist auf diese Position hin (vgl. 343,27). Lippaut, der bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen muss, dass seine Entscheidung nicht mit dem Treueverhältnis zu seinem Lehensherrn in Konflikt gerät, wird nun zum Ziel von Meljanz' Zorn.
Der persönliche Konflikt zwischen Mejanz und Obie weitet sich durch Meljanz' Zorn zu einem Krieg aus, der viele Unschuldige mit ins Unglück stürzt: "unschuldec Gawan des enkalt, und ander diez mit ir [Obie] da liten" (365,18f.: Unschuldig musste Gawan dafür büßen und auch die anderen, die dort zusammen mit ihr die Sache auszubaden hatten) [Mohr 1957: vgl. S. 268]. Neben Gawan ist es vorallem der Fürst Lippaut, der unter dem Konflikt zwischen Obie und Meljanz unschuldig leiden muss. Lippaut sieht sich vor die Tatsache gestellt, gegen seinen eigenen Lehnsherrn in den Kampf ziehen zu müssen (vgl. 354,30-355,8).

Deutung

Obie und Meljanz scheinen noch zu jung zu sein, um die Minneregeln richtig anwenden zu können. Scheinbar treffen "kranker sin" (348,6) und "tumbiu lôsheit" (386,17) aufeinander. Die Minne vernebelt ihnen die Sinne und aufgrund dessen sind sie nicht zu rationalem Denken bzw. Entscheidungen fähig. Ihre Liebe schlägt in Zorn um und wird deshalb zu "unrehtiu minne" (344,18).

Quellennachweise

  1. Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.

[*Emmerling 2003] Emmerling, Sonja: Geschlechterbeziehungen in den Gawan-Büchern des Parzival, Tübingen 2003.

[*Mohr 1957] Mohr, Wolfgang: Obie und Meljanz. Zum 7. Buch von Wolframs >Parzival<, Bonn 1957, in: Wolfram von Eschenbach, hg. Heinz Rupp, Darmstadt 1966, S. 261-286.