Die Brautwerbung (Nibelungenlied)

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Die Elemente des Brautwerbungsschemas

Was ist das Brautwerbungsschema?

Die Brautwerbungsdichtung zeichnet sich laut Cadalbert vor allem dadurch aus, dass die Ehe an den Einsatz des Werbers sowie seiner Helfer gebunden ist. Diese sind dazu aufgefordert, die Braut in der Ferne zu suchen und für sich zu gewinnen. Die Suche nach einer Braut in der Ferne ist nicht zuletzt auf die Exogamie zurückzuführen, also den Zwang, eine Frau außerhalb der eigenen Sippe und Verwandtschaft zu suchen. Sie müssen zahlreiche Hindernisse und Widerstände meistern, um ihren Plan, der Brautwerbung im Namen ihres Herrschers, zu erreichen. Häufig kommt es zu Kriegszügen und Heiden werden getötet oder getauft. [Schmid-Cadalbert 1985] (Lorena Amann)

Die Raumstruktur

Das mittelhochdeutsche Brautwerbungsschema ist durch eine dreiteilige Raumstruktur gekennzeichnet : Der Machtbereich des Werbers, der Machtbereich des Brautvaters, sowie ein Meer oder ein ähnlicher Zwischenort, welcher die beiden Bereiche voneinander trennt. Zum Machtbereich des Werbers zählen die Residenz des Werbers sowie der Einschiffungsort. Der Machtbereich des Brautvaters zeichnet sich durch die Residenz des Brautvaters mit der Kemenate sowie den Ort der heimlichen Landung aus. [Schmid-Cadalbert 1985] (Lorena Amann)

Handlungsrollen und Handlungsträger

Das Brautwerbungsschema ist durch typische Handlungsrollen gekennzeichnet:

1. Der Werber und ihm zugeordnete Handlungsrollen:

a. Der Werber

Der Werber, ein junger König auf der Suche nach einer Königin, befindet sich meist im heiratsfähigen Alter und sehnt sich nach einem Thronerben, der die Herrschaft weiterfuhren kann.

b. Der Nenner

Der Nenner, meist ein eng vertrauter des Werbers, berät den König bei der Wahl der Braut und rät meist zu einer sehr schwer greifbaren Braut in der Ferne.

c. Der Kundige

Der Kundige, meist an die Rolle des Nenners geknüpft, übernimmt eine Führungsrolle im Hinblick auf das Vorgehen, da er mit den Verhältnissen im Land der Braut vertraut ist.

d. Der außergewöhnliche Helfer

Der außergewöhnliche Helfer, meist mit wichtigen Fähigkeiten ausgestattet, entstammt nicht aus dem Machtbereich des Werbers und unterliegt der Aufgabe, die Braut zu gewinnen.

e. Der/ die Boten

Der Bote dient primär dazu, dem Brautvater die Werbungsbotschaft vorzutragen.

2. Die Braut und ihr zugeordnete Handlungsrollen

a. Die Braut

Die Braut, meist eine wohlbehütete Königstochter, verkörpert ein Schönheitsideal und entspricht damit den Vorstellungen des Werbers und erweist sich als ihm ebenbürtig. Die Braut willigt meist, gegen den Willen ihres Vaters, heimlich in die Werbung und damit in die Entführung ein. Da das Brautwerbungsschema im mittelhochdeutschen Raum meist von Seiten des Werbers aufgebaut wird, nimmt die Braut lediglich eine passive Rolle ein.

b. Der Brautvater

Der Brautvater ist dem Werber an Macht und Reichtum ebenbürtig und widersetzt sich der Werbung um seine Tochter.

c. Die Brautmutter

Die Brautmutter spielt lediglich eine fakultative Rolle, ihre Funktion besteht in der Vermittlung zwischen Brautwerber und Brautvater. [Schmid-Cadalbert 1985] (Lorena Amann)

Handlungsstruktur

Christian Schmid-Cadalbert spricht im Zusammenhang mit dem Brautwerbungsschema von sogenannten Fixpunkten, die im Verlauf einer Brautwerbung durchlaufen werden müssen. Ein Handlungsfixpunkt ist im weiteren Sinne ein Handlungselement, das sowohl an einen Handlungsort als auch an bestimmte Handlungsrollen und eine Raumstruktur gebunden ist, und somit einen Leitcharakter besitzt. Bei einer Nicht- Erfüllung dieser Handlungsfixpunkte spricht Cadalbert von sogenannten Schemabrüchen. Diese Handlungsfixpunkte werden im Folgenden aufgezählt:

1. Ratszene

2. Botenbestimmung und -fahrt

3. Hilfeverpflichtung der Dienstleute

4. Landung am heimlichen Ort

5. Gang des Werbers vom heimlichen Ort zur Residenz des Brautvaters

6. Kemenatenszene

7. Entführung der Braut

8. Kampf zwischen Werber und Brautvater

9. Heimführung der Braut

10. Hochzeit [Schmid-Cadalbert 1985] (Lorena Amann)


Beschreibung des Schemas

Auslösung und Vorbereitung der Brautwerbung

In der Herrscherbeschreibung wird der Werber und sein Machtbereich vorgestellt. Optional kann dieser Beschreibung noch eine Schilderung der Eltern oder der Jugendgeschichte des Werbers vorangehen. In der darauffolgenden Ratszene wird der Entschluss zur Werbung um eine dem Werber ebenbürtige, in einem fernen Land wohnende Braut gefasst. Dies erfolgt entweder auf Rat der Dienstleute und Angehörigen, oder durch den Werber selbst. Oft gründet dieser Rat auf der Sicherung eines Erben. Der Nenner kommt ins Spiel und nennt dem Werber eine den Ansprüchen des Werbers genügende Braut. Der Kundige klärt den Werber über die Schönheit der Braut, aber auch über die Gefahren auf, die aufgrund des Brautvaters mit einer Werbung um dessen Tochter einhergehen. Teilweiße geht er sogar so weit, aufgrund dessen von der Werbung abzuraten. Der Werber aber lässt sich davon nicht beirren. Zum einen wegen der unsagbaren Schönheit der Braut, meist einer Königstochter, zum anderen auch deshalb, um diese vor Inzestabsichten des Vaters zu bewahren. Die Dienstleute des Brautwerbers werden nach dessen Entschluss zur Unterstützung angehalten. Anschließend muss ein Bote bestimmt werden. Die Aufgabe des Boten muss von einem Kundigen übernommen werden, da dieser mit der Braut und die mit der Werbung verbundenen Gefahren vertraut ist. Die Aufgabe besteht nun darin, die Braut vom Vorhaben des Werbers zu unterrichten, oder sie sogleich ins Land des Werbers zu führen.[Schmid-Cadalbert 1985] (Anna Müller)

Die Werbungsfahrt

Die Botenfahrt führt den Boten in die Ländereien des Brautvaters. Die Fahrt kann auf dreierlei Weise ablaufen:

a) Der Bote kann den Vater der Braut überlisten und in der sogenannten Kemenatenszene die Einwilligung der Braut erlangen, die er anschließend entführt.

Die beiden weiteren Optionen bestehen darin, dass

b) der Bote, nachdem er die Werbungsabsichten verkündet, vom Vater der Braut gefangen genommen wird, die Braut den Boten aus dessen Gefangenschafft befreit, in der Kemenatenszene in die Werbung einwilligt und den Boten mit dieser guten Nachricht wieder zurückschickt.

c) der Bote nach der Verkündung vom Brautvater gefangen genommen wird und die Werbung scheitert.


Anschließend folgt die Fahrt des Brautwerbers selbst. Auch hier gibt es wieder drei mögliche Ausgänge: So kann der Werber

a) die Braut durch das Bestehen von Aufgaben für sich gewinnen.

b) den Vater der Braut überlisten und nachdem er die Einwilligung der Braut erlangt mit dieser fliehen, was eine Rückentführung oder einen Verfolgungskampf nötig macht.

c) sich nach der Überwindung des Brautvaters mit diesem versöhnen und die Braut anschließend, nach deren Einwilligung, heimführen. [Schmid-Cadalbert 1985] (Anna Müller)

Heimführung und Hochzeit

Bei der Heimführung der Braut, auf die die Hochzeit folgt, gibt es zwei Varianten:

a) Das einfache Schema, bei dem der Vater der Braut den Verfolgungskampf aufnimmt. Dieser endet entweder damit, dass der Brautvater getötet wird, oder sich mit dem Brautwerber versöhnt, woraufhin in beiden Fällen die Hochzeit folgen kann.

b) Beim doppelten Schema hingegen geht es darum, dass die Braut entweder vor oder nach Erfolgen der Hochzeit rückentführt wird. Nun muss der Brautwerber erneut aufbrechen, um die Braut durch ein Töten oder Versöhnen mit dem Brautvater zurückzugewinnen und zu heiraten. [Schmid-Cadalbert 1985] (Anna Müller)


Kritik

Letztlich sollte das Schema von Schmid-Cadalbert auch kritisch betrachtet werden. Das Brautwerbungsschema ist literaturwissenschaftlich nicht immer einwandfrei durchzuführen, da die Schemagenauigkeit nicht immer gegeben ist. Ein Problem stellt hierbei die Abweichung zahlreicher Brautwerbungen dar. Weiterhin beschränkt sich die Materialbasis von Schmid-Cadalbert auf einige wenige Werke. (Lorena Amann, Anna Müller)


Literaturverzeichnis

  • [*Schmid-Cadalbert 1985]Schmid-Cadalbert, Christian. Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Bern 1985. S. 80-92.