Diskussion:Parzival als Entwicklungsroman (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Anmerkung zur Pueritia:

Inwiefern entspricht die physiologische und geistige Entwicklung auf diesem Stand der Erzählung dem Modell der Pueritia? Parzival wird in Vers 118,22 als ‚kind‘ bezeichnet, hier beginnt die Beschreibung Parzivals pueritia in Soltane. Auffällig sind seine körperlichen Fähigkeiten, die so gar nicht zu der Vorstellung eines 6-12 jährigen Knaben passen wollen: Nicht nur ist er ein erfolgreicher Jäger, sondern auch in der Lage, die erlegte Beute heim zu transportieren: ‚des waere ein mûl geladengenuoc, als unserworht hin heim erz truoc.‘(120,9-10) Diese schon bei der Geburt angedeuteten starken, männlichen Glieder scheinen schon zu denen eines reifen Mannes herangewachsen. Das Erlegte bringt Parzival nach Hause, er scheint die Rolle des Versorgers, als einziger Mann adeliger Abstammung in Soltane, zu übernehmen.

Auf geistiger Ebene lassen sich dagegen Übereinstimmungen zu dem Modell finden: Parzival ist bereits der Sprache mächtig (119,8) und zur Erinnerung fähig. (120,21) Allerdings fällt er durch seine ‚tumpheit‘ (124,16) auf, sie scheint nicht zu seinem Äußeren, respektive seiner Schönheit (124,18), zu passen. ‚Tumpehit‘ lässt sich nicht mit Dummheit gleichsetzen, sondern deutet vielmehr auf die noch kindliche Art Parzivals hin, das scheint nicht verwunderlich, durch das Leben fernab. Seine Verstandskraft ist also eingeschränkt. Nichtsdestotrotz ist er höflich (124,2), was auf seine adelige ‚art‘ (118,28) verweist, dem aetas Bild eines ungestümen Kindes allerdings widerspricht. Auch scheinen seine moralischen Kräfte ausgereift, er weiß um richtig und falsch, und weißt seine Mutter darauf hin, dass es falsch sei, die Vögel allesamt zu töten. (119,9-11) Die Miss-interpretation der strahlenden Ritter als Gott nun kann auf Herzeloydes Rat rückbezogen werden, oder aber auf Parzivals noch vorhandene ‚tumpheit‘, er zieht den logischen Fehlschluss kausal von Licht auf Gott und gibt sich damit der Lächerlichkeit preis.

Das aetates Modell kann auf dieser Entwicklungsstufe nicht eins zu eins auf Parzival übertragen werden, vielmehr scheinen seine seiner ‚art‘ gemäßen Tugenden und seine physische Erscheinung der pueritia bereits entwachsen. Belacâne