Ecidemon

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Das Ecidemon[1] (mhd.: ecidemôn) ist ein Fabelwesen.

Das Ecidemon in der Fachliteratur

In der Fachliteratur wird das Ecidemon als "Wunderthier" [Gerhard 1868: 37] oder drachenähnliche Gestalt [Sussman 1995: xx] beschrieben. Laut Lewis kann es keinem real existierenden Tier zugeordnet werden.[Lewis 1974: 116] Neuere Fachliteratur führt das Ecidemon unter der Kategorie Echidna auf und beschreibt diese als "Urschlange, Mischwesen, halb Frau, halb Schlange". [Kern & Ebenbauer 2003: 235] Die Identität des Ecidemon ist daher nicht abschliessend geklärt. Wolfram von Eschenbach "reiht es im Parzival zunächst unter die Giftschlangen, bezeichnet es aber als deren Feind" [Kern & Ebenbauer 2003: 235]. Eine Übereinstimmung mit dem katzenartigen Raubtier Ichneumon ist denkbar, jedoch nicht belegt. In der Literatur des Mittelalters finden sich für das Ichneumon fast keine Belege. [Kern & Ebenbauer 2003: vgl. 235] Eine Verbindung mit der Schlupfwespe Ichneumon eumerus ist ausgeschlossen, da dieser wissenschaftliche Name erst seit 1857 besteht.
Das Ecidemon bei Hermann von Sachsenheim (Sp 1125) ebenfalls erwähnt. Dort wird es als Salamander bezeichnet. Laut Huschenbett ist dies jedoch die Folge einer Verwechslung innerhalb der Handlung. [Huschenbett 2007: vgl. 84] Groos vertritt die These, dass Wolfram aufgrund mangelnder Lateinkenntnisse den Begriff aspis ecidemon falsch zusammengesetzt oder interpretiert hat, was wiederum zu einer unklaren Abgrenzung zwischen Schlange (Aspisviper) und Ichneumon geführt haben könnte. [Groos 1995: vgl. 44][2]

Beschreibung im Parzival

Nachdem der Gralskönig Anfortas in einer Tjost mit einem vergifteten Speer verletzt wird, entfernt ein Arzt die Splitter aus der Wunde (479,5-480, 10). Im Roman wird in den Versen 481,6-18 detailliert beschrieben, mit welchem möglichen Gegenmittel die Medizin auf die Vergiftung reagieren könnte. Dabei wird das Ecidemon als böse Schlange bezeichnet. Wörtlich heisst es:

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsche Übersetzung nach Peter Knecht nach Peter Knecht
481, 6-18 gein aspîs, ecidemon
ehcontîus unt lisîs,
jêcîs und mêatrîs
(die argen slangenz eiter heiz tragent),
swaz iemen da für weiz,
unt für ander würm diez eiter tragent,
swaz die wîsen arzt dâ für bejagent
mit fisiken liste an würzen,
(lâ dir die rede kürzen)
der kein gehelfen kunde:
got selbe uns der verbunde.
Aspîs, ecidemon, ehcontiûs, lisîs, jêcîs und mêantrîs, das sind böse Schlangen, die haben heisses Gift; jedes Mittel, das man kennt dagegen und gegen andere Würmer, die giftig sin, alles, was gelehrte Ärzte als Medizin dafür aus Kräutern gewinnen wissen mit Klugheit und Chemie - ich kann es dir auch kürzer sagen, also: keins von alledem hat helfen können, Gott selber will es uns nicht gönnen. das hatte er auch zum Lohn für ruhmreiche Taten geschenkt bekommen. Dieses Tierlein hat an sich die Kraft, daß alle die giftigen Würmer es nur zu riechen brauchen, und haben dann keinen Tag mehr zu leben.


Feirefiz trägt auf seinem Helm ein totes Ecidemon, welches er geschenkt bekommen hat (736, 9-14). Ein weiterer Grund ist dass es ihm von der Königin Secundille befohlen wurde (768, 24-25). Das Fabeltier spendet ihm Stärke und beschützt ihn im Kampf.
Neben dem Parzival findet das Tier auch in Wolframs Willhelm (369, 26. 444, 8) und im Titurel Erwähnung (2959,3 - 2960, 2).

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsche Übersetzung nach Peter Knecht
736, 9-11 er truog ouch durch prîses lôn
ûf dem helme ein ecidemôn:
swelhe würm sint eiterhaft,
von des selben tierlînes kraft
hânt si lebens decheine vrist,
swenn ez von in ersmecket ist.
Auf dem Helm trug er ein Ecidemôn, das hatte er auch zum Lohn für ruhmreiche Taten geschenkt bekommen. Dieses Tierlein hat an sich die Kraft, dass alle die giftigen Würmer es nur zu riechen brauchen, und haben dann keinen Tag mehr zu leben.

Fremdbestimmung durch das Ecidemon

Durch die attribuierte Stärke kommt dem Ecidemon im Parzival eine einzigartige Funktion zu. Es hat übernatürliche Kräfte und erfüllt Aufgaben, die Gott den Menschen nicht zutraut. (461,18) Das Ecidemon ist derart mächtig, dass es die Herrschaft über Personen zu übernehmen scheint und dabei als gottähnliche Instanz agiert, welche Verantwortung übernimmt und Schutz bietet. Wenn alle Mittel zur Reinigung von Anfortas Wunde versagen, sucht die Medizin im Mittelalter nach übernatürlichen Wesen, wie dem Ecidemon. Der kräftige Ritter Feirefiz trägt auf seinem Helm ein Ecidemon, das ihm Glück bringen soll, obwohl er selbst als stark und im Kampf mit Parzival als mächtig beschrieben wird (737,19-745,1). Es scheint, als würde ihn das Tier auf dem Helm zu fast übernatürlichen Taten bewegen.

Anmerkungen

  1. Dieser Artikel verwendet durchgehend die neuhochdeutsche Schreibweise für Eigennamen aus dem Parzival. Dies dient der Leserlichkeit. In Mittelhochdeutschen Originalstellen wird natürlich die originale (mittelhochdeutsche) Schreibweise angegeben.
  2. Hoffmann geht auf die mögliche Verwechslung und die Giftschlangennamen vertieft ein


Literaturverzeichnis

Textausgabe

Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York, 2003.

Sekundärliteratur

<HarvardReferences/> [*Gerhard 1868] Gerhard, Eduard: Gesammelte akademische Abhandlungen und kleine Schriften. Berlin 1868.
[*Groos 1995] Groos, Arthur: Romancing the Grail: Genre, Science, and Quest in Wolfram's Parzival. New York 1995.
[*Hoffmann 1997] Hoffmann, Lothar (Hrsg.): Fachsprachen / Languages for Special Purposes. 1. Halbband. Berlin 1997.
[*Huschenbett 2007] Huschenbett, Dietrich: Hermann von Sachsenheim: Namen und Begriffe : Kommentar zum Verzeichnis aller Namen und ausgewählter Begriffe im Gesamtwerk. Würzburg 2007.
[*Kern & Ebenbauer 2003] Kern, Manfred & Ebenbauer, Alfred (Hrsg.): Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters. Berlin 2003.
[*Lewis 1974] Lewis, Gertrud J.: Das Tier und seine dichterische Funktion in Erec, Iwein, Parzival und Tristan. Bern und Frankfurt/M. 1974.
[*Sussman 1995] Sussman, Linda: The Speech of the Grail: A Journey Toward Speaking that Heals and Transforms. Hudson 1995.