Rache (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Dieser Artikel behandelt das Rachemotiv in Gottfrieds Tristan.

Gesellschaftliche Stellung der Frau im Bezug auf Rache

Nach mittelalterlichem Recht waren Frauen nicht zur Rache berechtigt. Sie besaßen weder Waffen- noch Fehderecht.[1]
Würde eine Frau trotzdem zu einer Waffe greifen und sich rächen, so verstieße sie gleich gegen zwei höfische Sitten, das Führen einer Waffe an sich und die Ausübung der Rachetat.

Isoldes Rachepläne gegen Tristan

Im Kampf gegen Morolt, den Bruder Isoldes, der Königin von Irland, wird Tristan von dessen vergiftetem Schwert verwundet. Nur Isolde kann die Vergiftung heilen. Tristan macht sich als Spielmann verkleidet unter dem falschen Namen Tantris auf den Weg nach Irland. Nachdem er von dem Gift geheilt wurde, beobachtet ihn die jüngere Isolde von Irland beim Baden und entdeckt sein Schwert. Tristans Schwert wurde beim Kampf gegen Morolt beschädigt, ein Splitter davon blieb im Kopf seines Widersachers stecken. Isolde erkennt das Schwert und entlarvt den verkleideten Tristan als Mörder ihres Onkels:


"â" sprach si "saeldelôse Îsôt,

ôwe mir unde wâfen!

wer hât diz veige wâfen

von Curnewâle her getragen?

hie wart mîn oeheim mite erslagen,

und der in sluoc hiez Tristan.

wer gab ez disem spilman?

der ist doch Tantris genant." (10092 - 10099)[2]


Sie erkennt Tristans List und findet durch Umstellen der Silben heraus, dass Tantris in Wahrheit Tristan ist. Isolde gerät in Rage und will sich auf der Stelle rächen:


diz swert daz muoz sîn ende wesen!

Nu île, rich dîn leit, Îsôt!

gelît er von dem swerte tôt,

dâ mite er dînen oeheim sluoc,

sô ist der râche genuoc!(10138 - 10142)


Tristan versucht sie davon abzuhalten, ihn zu erschlagen. Er spricht auf ihre gesellschaftliche Stellung als Frau an:


"nein süeziu juncfrouwe, nein!

durch gotes willen, waz tuot ir

gedenket iuwers namen an mir.

ir sît ein vrouwe unde ein maget.

swâ man den mort von iu gesaget,

dâ ist die wunneclîche Îsôt

iemer an den êren tôt"(10154 - 10160)


Tristan geht darauf ein, dass sie durch diese Tat auf immer ihre Ehre verlöre. Als nächstes betritt Isoldes Mutter die Szene und versucht ihre Tochter umzustimmen. Auch sie appelliert zunächst an Isoldes Benehmen, das einer Dame nicht geziemt ("sint diz schoene vrouwen site?" (10170)). Es entwickelt sich ein Streitgespräch zwischen Mutter und Tochter. Isolde ist weiterhin der Überzeugung, dass Tristan für den Mord an Morolt bezahlen muss. Die Mutter bedauert zwar, dass sie Tristan nicht früher erkannt hat, weist aber darauf hin, dass eine Rache unmöglich sei, da sie Tristan ihr Wort gegeben habe, ihn unter ihren Schutz zu stellen. Eine Durchführung der Rache käme einem doppelten Ehrverlust gleich: Zum einen durch das unsittliche Verhalten Isoldes als Frau, zum anderen durch die Verletzung des Gastrechtes.


"Nein tohter" sprach diu muoter dô

"ez enstât nû leider niht alsô,

daz wir uns mügen gerechen,

wir enwellen danne brechen

unser triuwe und unser êre.

engâhe niht ze sêre.

er ist in mîner huote

mit lîbe und mit guote (10207 - 10214)


Doch zunächst lässt sich Isolde auch nicht von der Verpflichtung durch die huote abschrecken und will weiterhin ihren Plan verfolgen und Tristan mit der Waffe erschlagen, mit der ihr Onkel getötet wurde. Gottfried schildert Isoldes inneren Konflikt zwischen Rachegedanken und ihrer Weiblichkeit. Letztendlich siegt Isoldes Weiblichkeit und sie ist nicht fähig, den Mord zu begehen:


die schoene warf daz swert dernider

und nam ez aber iesâ wider.

sine wiste in ir muote

unter übel un under guote,

ze wederem si solte:

si wolte und enwolte;

si wolte tuon unde lân.

sus lie der zwîvel umbe gân,

biz doch diu süeze wîpheit

an dem zorne sige gestreit,

sô daz der tôtvînt genas

und Môrolt ungerochen was. (10269 - 10280)

Literaturangaben

  1. Holzhauer, Antje; Rache und Fehde in der mittelhochdeutschen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts; Göppingen; 1997 S. 26
  2. Gottfried von Straßburg; Ranke, Friedrich (Übers.); Tristan, Band 1 und 2; Reclam; Stuttgart; 2007