Kryptogramm (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen
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*[*Scholte 1942] Scholte, Jan Hendrik: Gottfrieds von Straßburg Initialenspiel. In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (WdF, 320), S. 47-97. | *[*Scholte 1942] Scholte, Jan Hendrik: Gottfrieds von Straßburg Initialenspiel. In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (WdF, 320), S. 47-97. | ||
*[*Tomasek 2007] Tomasek, Thomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007. | *[*Tomasek 2007] Tomasek, Thomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007. | ||
*[*Wehrli 1997] Wehrli, Max: Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Stuttgart 1997. | *[*Wehrli 1997] Wehrli, Max: Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Stuttgart 1997. |
Version vom 18. Dezember 2010, 12:40 Uhr
"Die gesamte mittelalterliche Liebesdichtung verblaßt vor dem einen, unvollendeten Roman Gottfrieds von Straßburg, der [...] die unbegreifliche Erfüllung der mittelhochdeutschen Erzählkunst, den kurzen klassischen Moment des deutschen Hochmittelalters birgt."[Wehrli 1997: 262]
Zeichen der Kunst Gottfrieds ist unter anderem ein den Roman durchziehendes, kunstvolles und bis heute nicht ganz komplett gelöstes Kryptogramm, welches im Folgenden vorgestellt werden soll.
Definition Kryptogramm [1]
Ein Kryptogramm ist ein Text in welchem sich eine zweite Botschaft verbirgt, die erst nach einem bestimmten Verfahren entschlüsselt werden muss. Es gibt verschiedene Arten, die Botschaft zu verschlüsseln. Entweder werden Buchstaben (etwa beim Akrostichon, Mesostichon, Liptogramm), Silben (Retrogramm) oder Wörter (Palindrom) auf eine bestimmte Art und Weise gekennzeichnet. Im Tristan verwendet Gottfried das Akrostichon. Hierbei ergeben die ersten Buchstaben bestimmter Verse ein Wort, Name oder Satz.[Grimm 2007:9]
Probleme und Beschreibung des Kryptogramms im Tristan
Das Kryptogramm im Tristan ist seit dem Beginn der Gottfried-Philologie immer wieder Thema von Erörterungen. Einen Überblick dazu bietet B. Schirok in seiner 1984 erschienenen Aufsatz "Zu den Akrosticha in Gottfrieds Tristan".[Schirok 1984] Als erstes entdeckt und in seiner Deutung relativ unbestritten[2] ist das DIETERICH-Akrostichon im Prolog. [Schirok 1984: 189ff.] Wer Dieterich war, ist nicht sicher geklärt.[Schirok 1984: 191] Wahrscheinlich war er der Auftraggeber des Werkes. Die Initialen gleich zu Beginn des Romans würden damit eine Ehrung für ihn darstellen.[Huber 2000: 38]
Über die genaue Struktur der restlichen Initialen herrscht nach wie vor Unsicherheit. Im Laufe der Jahre wurden immer wieder verschiedene Vorschläge entwickelt, die jedoch alle zu keinem endgültigen Ergebnis führten.[3] Probleme bereiten vor allem eine ganze Reihe von Initialen, deren Zugehörigkeit unklar ist und vermutlich auch unklar bleiben wird.[4] Möglich wäre:
- Gottfried hat bewusst "sinnlose" Initialen platziert, um die Entschlüsselung seines Kryptogrammes zu erschweren und es geheimnisvoller scheinen zu lassen.
- Im Zuge der Überlieferung wurde die ursprüngliche Größe von Initialen geändert/ist verloren gegangen.
- Am Ende des Romans stehen Initialen, die das Rätsel lösen würden.
- Gottfried hat es nicht geschafft, das Kryptogramm zu vollenden.
Am Ende seiner Untersuchung schlägt Schirok eine Schema für das Kryptogramm vor, welches trotz einiger Schwachstellen [5] ein Großteil der jüngeren Forschung übernommen hat.[6]
Schema [7]
Schirok geht davon aus, dass das erste G im Roman nicht den Titel grâve Dieterichs bezeichnet sondern den Anfangsbuchstaben des Autorennames "Gottfried" darstellt. Damit die Symmetrie in der Initialenordnung aufgeht setzt er außerdem voraus, dass Isolde im Akkusativ Isolden steht. [Schirok 1984: 208ff.] Den im Vergleich zu Tristan und Isolden um einen Buchstaben verlängerten Namen Gottfried sieht er nicht als Wiederspruch für die Symmetrie, sondern vielmehr als Voraussetzung für diese.[Schirok 1984: 212] Um die Namen zu vervollständigen ergänzt Schirok Buchstaben (in Klammern stehend), die seiner Vermutung nach im nicht vorhandenen Romanschluss stehen. Sie ergeben sich auch durch die regelmäßigen Dreierrythmen, welche aus den Versangaben ersichtlich werden.[8].
Unter Einbezug aller Annahmen entwirft Schirok also folgendes Schema:
G TIIT O RSSR T IOOI E SLLS (F TDDT R AEEA I NNNN T) 1 1751 5069 12183 41 1791 5099 12431 45 1795 5103 12453 131 1865 5177 12503 135 1869 5181 12507 G O T E (F R I T) T R I S (T A N) I S O L (D E N) I S O L (D E N) T R I S (T A N)
Anhand der Versangaben ist zu sehen, dass die Buchstaben immer verschränkt angeordnet sind. Dadurch wird die Liebesbeziehung Tristans und Isoldes auch bildlich veranschaulicht.
Das Kryptogramm als Hinweis auf eine Handlungsgliederung?
Welche Funktion hat das Kryptogramm? Sicherlich ist es ästhetischer Ausdruck. Zumindest das erste Akrostichon dient sicherlich zum Dieterichs, unabhängig von der Frage ob dieser nun Auftraggeber des Werkes, Freund öder Förderer war.
Immer wieder wurde jedoch auch die Annahme diskutiert, ob das Kryptogramm nicht auch eine versteckte Gliederungsfunktion im Roman erfülle.
Karl Bertau
Karls Bertrau geht davon aus, dass Gottfried mit dem Initialenspiel die Struktur des Gedichtes bezeichnet: "Nicht von einem modernen Verständnis des epischen Vorgangs und seiner Einheiten her wäre der Tristan gliedern aufzufassen, sondern von diesem geheimen Muster aus." [Bertau 1972: 934] Unter Hinzunahme aller Initialen gliedert Bertau den Roman in vier Hauptsteile:[Bertau 1972: 953f.]
- Fortdauern des Vergänglichen
- Die Fortuna des jungen Tristan
- Hass und Liebe des jungen Tristan
- List, Schmerz und Tod durch die Liebe
Kurt Ruth
Gegen Karl Bertau wendet sich Kurt Ruth: "Diese kryptographische Struktur sollte nun nicht als Gliederungsprinzip mißverstanden werden, da sie keine Handlung strukturieren vermag. Sie gehört aber auch nicht zu einem Kommentarsystem."[Ruh 1980: 225]. Stattdessen, argumentiert Ruh, diene sie dazu, die Liebenden durch Zeichen zu preisen.[Ruh 1980: Ebd.]
Betrachtet man jedoch die Akrosticha tragenden Vierreimpartien nicht einzeln, sondern in Dreigruppen, dann bestätigen sie sogar die von Ruth vorgenommene Großgliederung des Tristan in "Jugend-,Helden-und Liebeslieben".[Bonath 1986: 101f.; 102 Anm. 2]
Gesa Bonath
Unter dem Eindruck Schiroks schlägt Bonath eine weitere Variante, die wiederrum für eine Gliederungsfunktion des Kryptogramms spricht. Im Gegensatz zu Bertau konzentriert sich Bonath nur auf die Kernbuchstaben des Schemas von Schirok und entwirft dabei folgende Gliederung:
1. Gruppe: G - T I I T V. 1 G eröffnet den Prolog. V. 41 T V. 45 I trennt den strophischen Prolog vom Reimpaarprolog. V. 131 I V. 135 T folgt unmittelbar auf die Nennung des Helden, trennt den Prologus prater rem vom Prologus ante rem. 2. Gruppe: O - R S S R V. 1751 O folgt unmittelbar auf Tristans Geburt, leitet über zur Klage über den Tod Riwalins und Blanscheflurs. V. 1791 R V. 1795 S leitet über zu Ruals Sorge für das verwaiste Kind und zum Begräbnis Blanscheflurs. V. 1865 S V. 1869 R leitet die entschiedene Zuwendung des Autors zur Geschichte der lebenden ein. 3. Gruppe: T - I O O I V. 5069 T folgt auf Tristans Schwertleite, leitet über zu seiner Verpflichtung, den toten Vater zu rächen. V. 5099 I V. 5103 O leitet Tristans Vorbereitungen zur Heimkehr ins Land des Vaters ein. V. 5177 O V. 5181 I folgt unmittelbar auf Tristans Ankunft in Parmenien, leitet über zur Huldigung der Vasallen 4. Gruppe: T - E S L S V. 12183 E folgt unmittelbar auf die erste Liebesnacht Tristans und Isoldes, leitet eine Minnerefelxion ein und über zur Schilderung von Glück und Sorge der Liebenden während der Überfahrt. V. 12431 S V. 12435 L leitet über zu den Präventivmaßnahmen, die für die Hochzeitsnacht geplant werden. V. 12503 L V. 12507 S folgt auf Tristans Bekenntnis zur seiner Liebe mit allen Konsequenzen, leitet über zur Ankunft im Land Markes.
In der Übersicht wird dargestellt, wie die Vierreime, an deren Anfang je ein hervorgehobener Buchstabe steht, jeweils eine Gruppe bilden. Sie stehen an "entscheidenden Wendepunkten der Handlungen, aber sie bezeichnen nicht [...] einen eindeutigen Punkt, an dem das neue Kapitel beginnen soll, sondern heben eine Übergangszone hervor, in der sich die Wende zu einem neuen Großabschnitt in der Handlung vollzieht."[Bonath 1986: 103] Laut Bonath sei dieses Vorgehen zwar ungewont, folge aber dme Prinzip vieler anderer Großromane.[Bonath 1986:103]
Anmerkungen
- ↑ Nach [Köhler 2007: 406f.] und [Kiermeier-Debre 2000: 349ff.]
- ↑ Einen Einwand fomuliert [Krohn 2008: 16]. Zur Erläuterung siehe auch Kapitel 3.
- ↑ Etwa [Scholte 1942];[Bertau 1972: 933ff.];[Fourquet 1973]. Vgl. dazu ausführlich [Schirok 1984: 189ff.]
- ↑ Vgl. dazu die Tabellen bei [Schirok 1984: 196f.].
- ↑ Etwa [Bonath 1986: 112ff.], die Einwände gegen die Argumentation, der Name Isoldes stehe im Kryptogramm im Akkusativ Isolden, bringt.
- ↑ Etwa [Huber 2000];[Tomasek 2007]
- ↑ Nach [Schirok 1984: 212]. Die Ergänzung der Versangaben richtet sich nach [Tomasek 2007: 93].
- ↑ Vgl. dazu auch [Tomasek 2007: 93]
Literatur
<HarvardReferences />
- [*Bertau 1972] Bertau, Karl: Deutsche Literatur im Mittelalter. 2 Bde. München 1972-1973.
- [*Bonath 1986] Bonath, Gesa: Nachtrag zu den Akrosticha in Gottfrieds 'Tristan'. In: ZfA 115 (1986), S. 101-116.
- [*Fourquet 1973] Fourquet, Jean: Das Kryptogramm des „Tristan“ und der Aufbau des Epos. In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (WdF, 320),S. 362-370.
- [*Grimm 2007] Grimm, Gunter E: Art.: Akostichon. In: Metzler Lexikon der Literatur. Stuttgart 2007, S.9.
- [*Huber 2000] Huber, Christoph: Gottfried von Straßburg. Tristan und Isolde. Eine Einführung. Berlin 2000.
- [*Kiermeier-Debre 2000] Kiermeier-Debre, Joseph: Art.: Kryptogramm. In: RLW Bd. 2. Berlin/ New York 2000, S. 349ff.
- [*Köhler 2007] Köhler, Peter: Art.: Kryptogramm. In: Metzler Lexikon der Literatur. Stuttgart 2007, S.406 f.
- [*Krohn 2008] Gottfried von Straßburg: Tristan. Band 3. Kommentar. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 2008.
- [*Ruh 1980] Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Bd. 2. 'Reinhart Fuch','Lanzelet', Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg. Berlin 1980 (Grundlagen der Germanisitik 25).
- [*Schirok 1984] Schirok, Bernd: Zu den Akrosticha in Gottfrieds Tristan. Versuch einer kritischen und weiterführenden Bestandsaufnahme. In: ZdA 113 (1984), S. 188-213.
- [*Scholte 1942] Scholte, Jan Hendrik: Gottfrieds von Straßburg Initialenspiel. In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (WdF, 320), S. 47-97.
- [*Tomasek 2007] Tomasek, Thomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007.
- [*Wehrli 1997] Wehrli, Max: Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Stuttgart 1997.