Das Zelt als Zeichen und Handlungsraum: Unterschied zwischen den Versionen
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Auch hier ist wie bei Orilus das Eindringen an den Zeltschnüren festgemacht worden. Die Zeltschnüre indizieren also eine Grenze für den ''rinc'' des Zeltlagers, welcher als verletzlicher und zu verteidigender Eigenraum gekennzeichnet ist.[Stock 2005: 70] Die Schande für die Ritter im Zeltlager liegt darin, dass ein scheinbar kampfbereiter Eindringling unbemerkt diesen durch die Zeltschnüre abgegrenzten ''rinc'' ungehindert eingedrungen ist.[Stock 2005: 70] Dass das Eindringen schwer wiegt zeigen auch die in der Szene[[ Die Blutstropfenszene (Wolfram von Eschenbach, Parzival)#Erster Kampf gegen Segramors|anschließenden Kämpfe]], die trotz eines vorher abgelegten | Auch hier ist wie bei Orilus das Eindringen an den Zeltschnüren festgemacht worden. Die Zeltschnüre indizieren also eine Grenze für den ''rinc'' des Zeltlagers, welcher als verletzlicher und zu verteidigender Eigenraum gekennzeichnet ist.[Stock 2005: 70] Die Schande für die Ritter im Zeltlager liegt darin, dass ein scheinbar kampfbereiter Eindringling unbemerkt diesen durch die Zeltschnüre abgegrenzten ''rinc'' ungehindert eingedrungen ist.[Stock 2005: 70] Dass das Eindringen schwer wiegt, zeigen auch die in der Szene[[ Die Blutstropfenszene (Wolfram von Eschenbach, Parzival)#Erster Kampf gegen Segramors|anschließenden Kämpfe]], die trotz eines vorher abgelegten Gelübtes an Artus von demselben zugelassen wurden: | ||
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==Das Zelt als Symbol für Macht== | ==Das Zelt als Symbol für Macht== |
Version vom 20. Juni 2015, 15:36 Uhr
Das Zelt in mittelalterlicher Literatur taucht immer wieder als Ort für die unterschiedlichsten Handlungen auf. Auch im Parzival finden Handlungen in Zelten oder im Kontext mit Zelten statt. Darüber hinaus wird das Zelt als Symbol für unterschiedliche Bedeutungen genutzt. Mit genau diesen Handlungen und der Symbolik des Zelts im Parzival befasst sich dieser Artikel.
Zelt als Handlungsraum
Höfische Interaktion
Minnehandlung
Einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf das Zelt als Ort der Minne und der Zweisamkeit. So finden in diesen Minnezelten die Minne zwischen der vrouwe und ihres "rîters" statt. Auch kann das Zelt für den Ritter als Ausgangsort auf der Suche nach Kämpfen dienen,welche oft, jedoch nicht zwingend, im Minnedienst stehen.[Stock 2005: 72] Die Minnezelte zeichnen sich hauptsächlich dadurch aus, dass sie isoliert von der Gesellschaft und und fern eines größeren Zeltlagers stehen.[Stock 2005: 72] Ein konkretes Beispiel für ein Minnezelt im Parzival ist das Zelt des Orilus und seiner Frau Jeschute, auf welches Parzival nach dem Verlassen seiner Mutter trifft. Das Zelt, welches allein auf einem weiten Feld(129,18) abseits von jeglicher Gesellschaft steht, beherbergt Jeschute. Das Zelt wird vorallem durch den Fokus auf seine Einrichtung und die äußerst eindeutig sexuelle Beschreibung der Jeschute als Minnezelt erkennbar.[Stock 2005: 72] So beeinhaltet das Zelt ein Bett, in der die schlafende Jeschute liegt, welche aufgrund der Hitze eine Zobeldecke bis zur Hüfte aufgeschlagen hat(130,3ff.). Das Zelt stellt also ein Minnezelt eines noblen Liebespaares dar.[Kaiser 1983: 84] Orilus ist in der Zeit des Eindrigens Parzivals ins Zelt mit anschließendem Übergriff auf Jeschute unterwegs. Wie sich später im Text herausstellt, hat Orilus zu diesem Zeitpunkt Schionatulander als Teil seines Minnedienstes getötet:[Kaiser 1983: 84]
141,8 | disen ritter unt den vetern dîn | diesen Ritter und deinen Vettern |
141,9 | ze tjostieren sluoc Orilus | im Tjost erschlug sie Orilus |
Die nach den Geschehnissen im Zelt gestörte Ehegemeinschaft wird später in einem poulûn(271,26), also in einem Zelt wiederhergestellt.
Ein weiteres Beispiel für die Minnehandlung in Zelten findet sich im XVI.Buch, als Parzival und Condwîrâmûrs sich wiedersehen. Parzival findet Condwîrâmûrs in einem Zeltlager. Zwar ist das Zelt, indem Parzival und Condwîrâmûrs die Minne vollziehen nicht wie oben beschrieben außerhalb eines größeren Zeltlagers, es ist jedoch durch einen "Herrenring" umschlossen und so durch die anderen Zelten abgeschirmt. Auch hier liegt der Fokus wieder auf einem speziellen Einrichtungsgegenstand, dem Bett.
Die Minnezelte dienen also ein Rückzugspunkt für sich liebende, die sich abseits ihrer Burg befinden.
Das Zelt als Symbol
Das Zelt dient jedoch nicht nur als Handlungsort, sondern hat darüber hinaus eine repräsentative Bedeutung. Es symbolisiert einen Herrschaftsbereich einerseits, und repräsentiert Macht andererseits. Schon im historischen Mittelalter war das Zelt mehr nur als ein Notbehelf, sondern wurde auch der herrscherlichen Repräsentation und der Selbstdarstellung dienstbar gemacht.[Balzer 1992: 225] Dies deckt sich mit dem Parzival, in dem das Zelt mehr als nur eine Behausung darstellt.
Das Zelt als Symbol eines Herrschaftsbereich
Ob bei einem Zeltlager für eine Belagerung oder einem Minnezelt wie bei Orilus und Jeschute, ein Zelt dient nicht nur der Behausung der Ritter und Damen. Vielmehr stellt das Zelt einen Bereich da, eine Grenze, deren Überschreitung ein Eingriff in den Herrschaftsbereich des Zeltbesitzers darstellt. Denn das Zelt stellt den temporären Lebensraum des Besitzers da, und jeder Eindringling in diesen Raum stellt somit aufgrund der Verletzlichkeit des Zeltes eine Bedrohung dar.[Stock 2005: 70] So bemerkt Orilus Parzivals Eindringen auch zuerst an den Spuren, die Parzival um und am Zelt hinterlässt:
132,28 | dô kom von dem ich sprechen wil. | Da kommt der, von dem ich sprechen will. |
132,29 | der spürte an dem touwe | Der erspähte an Spuren im Tau, |
132,30 | daz gesouchet was sîn frouwe. | dass seine Frau besucht worden ist. |
133,1 | der snüere ein teil was ûz geret: | Ein Teil der Zeltschnüre war niedergetreten: |
133,2 | dâ hete ein knappe dez gras gewet. | da ist ein Knabe durch das Gras gegangen. |
Orilus deutet die Zeichen der Verletzung des Zeltinnenraums als höfischen verletztlichen Raum, auch wenn er das Eindringen als Ehebruch missdeutet.[Stock 2005: 73-74]
Ein weiteres Beispiel im Parzival, bei dem das Eindringen in den Herrschaftsbereich eines Zeltes thematisiert wird, ist die Bluttropfensszene. Parzival, der durch die Blutstropfen im Schnee wie in Trance an seine Frau Condwîrârmûrs denkt, bedroht durch seinen aufgerichteten Speer unwissentlich den nicht unweit von ihm lagernden Artushof. Der aufgerichtete Speer deutet auf eine Tjostbereitschaft Parzivals hin, auch wenn dieser dies aktiv nicht wahrnimmt:
284,1 | Dâ hielt gezimiert ein degn, | Da hielt geschmückt ein Krieger |
284,2 | als er tjostierns wolde pflegn | als wollte er das Tjostieren pflegen, |
284,3 | gevart, mit ûf gerihtem sper. | mit aufgerichtetem Speer. |
Das unbemerkte Eindringen in den Herrschaftsbereichs von Parzival wiegt schwer, was sich auch deutlich durch den Ausruf des Pagen, welcher Parzival entdeckt hat, im Zeltlager des Artushofs ausruft:
284,20 | alsus rief der garzûn | So rief der Edelknabe: |
284,21 | "tavelrunder ist geschant: | "Die Tavelrunde ist geschändet: |
284,22 | ui ist durch die snuere allhie gerant." | euch ist einer eben hier durch die Schnüre gerannt." |
Auch hier ist wie bei Orilus das Eindringen an den Zeltschnüren festgemacht worden. Die Zeltschnüre indizieren also eine Grenze für den rinc des Zeltlagers, welcher als verletzlicher und zu verteidigender Eigenraum gekennzeichnet ist.[Stock 2005: 70] Die Schande für die Ritter im Zeltlager liegt darin, dass ein scheinbar kampfbereiter Eindringling unbemerkt diesen durch die Zeltschnüre abgegrenzten rinc ungehindert eingedrungen ist.[Stock 2005: 70] Dass das Eindringen schwer wiegt, zeigen auch die in der Szeneanschließenden Kämpfe, die trotz eines vorher abgelegten Gelübtes an Artus von demselben zugelassen wurden:
280,20 | beide arme und rîche, | Sowohl Arme als auch Reiche |
280,21 | die schildes ambet ane want, | die im Schilddienst waren, |
280,22 | lobten Artûses hant, | lobten dem Artus in die Hand, |
280,23 | swâ sie saehen rîterschaft, | wann auch imemr sie ritterlichen Kämpfe sehen sollten, |
280,24 | daz si durch ir gelübde kraft | dass sie kraft ihres Gelübtes |
280,25 | decheine tjost entaeten, | keine Tjost annehmen sollten, |
280,26 | ez enwaere op si in baeten | ehe sie ihn nicht(Artus) baten |
280,27 | daz er se lieze strîten. | dass er sie kämpfen ließe. |
Das Zelt als Symbol für Macht
Vers | mhd. | nhd. |
---|---|---|
27,16 | [...] daz als ein palas | das als eine Burg |
131,26 | dort stêt (daz ist ein hôch gezelt:) | dort steht, das ist ein großes Zelt |
Fazit
Literaturverzeichnis
<HarvardReferences />
[*Balzer 1992] Manfred Balzer:"Vom Wohnen im Zelt im Mittelalter", in: Frühmittealterliche Studien 1992(=Band 26), hg. von Hagen Keller und Joachim Wollasch, Berlin 1992, S. 208-229.
[*Kaiser 1983] Gert Kaiser:"Liebe außerhalb der Gesellschaft", in: Liebe als Literatur. Aufsätze zur erotischen Dichtung in Deutschland, hg. von Rüdiger Krohn, München 1983,S. 79-97.
[*Stock 2005] Markus Stock:" Das Zelt als Zeichen und Handlungsraum in der hochhöfischen deutschen Epik. Mit einer Studie zu Isenharts Zelt in Wolframs Parzival, in: Innenräume in der Literatur des deutschen Mittelalters, hg. u.a. von Burkhard Hasenbrink, Tübingen 2008, S. 67-85.