Musenanrufung (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 6: Zeile 6:


Gottfried spricht in diesem Abschnitt von den neun olympischen Musen, auch Mnemoiden genannt. Diese weiblichen mythologischen Gestalten gelten als die Töchter des Zeus und der Mnemosyne.
Gottfried spricht in diesem Abschnitt von den neun olympischen Musen, auch Mnemoiden genannt. Diese weiblichen mythologischen Gestalten gelten als die Töchter des Zeus und der Mnemosyne.
Sie sind die Schutzgöttinnen der Künste und treten in Mythen Helden gegenüber, denen sie mit ihrer jeweiligen Kunst zur Seite stehen.
Sie sind die Schutzgöttinnen der Künste und verbinden sich in den griechischen Mythen mit Helden, denen sie mit ihrer jeweiligen Kunst zur Seite stehen.
Im folgenden sind ihre Aufgaben und anbefohlenen Künste den Namen zugeordnet.
Im folgenden sind ihre Aufgaben und anbefohlenen Künste den Namen zugeordnet.



Version vom 27. November 2010, 14:39 Uhr

Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Erzähler::Exkurs von Vers 4.860 bis 4.974, in dem der Erzähler Apollo, die Musen, Vulkan und Kassandra anruft, und mit der Frage, inwiefern es überrascht oder auch nicht, dass in diesen mittelalterlichen Roman mythische Stoffe der Antike einfließen.

Mythologische Personen und ihre allegorische Bedeutung[1]

Apollo

Die neun Musen

Gottfried spricht in diesem Abschnitt von den neun olympischen Musen, auch Mnemoiden genannt. Diese weiblichen mythologischen Gestalten gelten als die Töchter des Zeus und der Mnemosyne. Sie sind die Schutzgöttinnen der Künste und verbinden sich in den griechischen Mythen mit Helden, denen sie mit ihrer jeweiligen Kunst zur Seite stehen. Im folgenden sind ihre Aufgaben und anbefohlenen Künste den Namen zugeordnet.


Klio - Geschichtsschreibung

Melpomene - Tragödie

Terpsichore - Chorlyrik und Tanz

Thalia - Komödie

Euterpe - Lyrik und Flötenspiel

Erato - Liebesdichtung

Urania - Sternkunde

Polyhymnia - Gesang und Leierspiel

Kalliope - epische Dichtung, Rhetorik und Philosophie


Diese Einteilung wird erstmals von Hesiod im 6. Jh. v. Chr. vorgenommen, auch legt er die Zahl der Musen auf neun fest. Die Musen zählen zum Gefolge Apolls und sind am Musenberg Helikon beheimatet, wo die Quelle Hippokrene entspringt, welche von Pegasus (das Musenpferd), einem geflügeltem Pferd (gr. hippo) durch einen Hufschlag freigelegt worden ist. Im Barock sind der Berg und die Musenquelle ein beliebtes Motiv der Dichtung.

Vulkan

Lat. vulcanos, ist der Gott des Feuers und der Schmiedekunst. Unter anderem fertigte er die Rüstung des Apoll, ebenso dessen Pfeile und das goldene Szepter des Jupiter. Von seiner Gemahlin Venus wird er aufgrund seiner Hässlichkeit und Behinderung (er hinkt) ständig betrogen, unter anderem mit Mars, dem Gott des Krieges.

Allegorische Bedeutung kommt nun insofern zuteil, dass Vulkan auch Tristans Rüstung und Waffen geschmiedet hat. Tristan trägt folglich göttliche Artefakte, die eine Niederlage und den Schwund seines Muts unmöglich machen. Gleichzeitig wird Tristan mit dem schönen Apoll gleichgesetzt, dem Vulkan wie chon erwähnt seine Rüstungsteile schmiedete. Tristan erstrahlt im Glanze eines großmächtigen Gottes, geschmückt durch Kühnheit und Stärke (Eber-Symbol auf dem Schild). Allerdings prangt ein Feuerstrahl zum Zeichen der Liebesqual. Hier lässt sich eine Parallele zu Vulkan erkennen: Der Feuerstrahl ist seine Insignie (er ist der Gott des Feuers) und die Liebesqual litt er genauso, wie Tristan sie leiden wird. Durch diese Symbolik werden der Siegeszug und die Qualen der Liebe Tristans vorweg genommen.

   und seite iu daz, wie Vulkân
   der wîse, der maere,
   der guote listmachaere
   Tristande sînen halsperc,
   swert unde hosen und ander werc,
   daz den ritter sol bestân,
   durch sîne hende lieze gân
   schône und nâch meisterlîchem site;
   wie er‘m entwürfe unde snite;
   den kuonheit nie bevilte,
   den eber an dem schilte;
   wie er‘m den helm betihte
   und oben dar ûf rihte
   al nâch der minne quâle
   die viurîne strâle; (V. 4932-4946)

Kassandra

Aus Liebe zu ihr, schenkte Apoll der Trojerin die Gabe der Vorhersehung. Ihr Verstand wurde von dem Gott geschärft. Im Krieg um Troja warnte Kassandra ihre Landsmänner vor der List, dem Trojanischen Pferd, welches die Angreifer der Stadt zum Geschenk machten. Kein Trojaner glaubte Kassandra, weil diese ihre Vorhersagen in Trance machte und deswegen für verrückt gehalten wurde. Kassandra überlebt den Brand Trojas und wird von Agamemnon als Sklavin nach Mykene geführt, wo sie dessen Tod voraussagt. Wieder wird ihr kein Glaube geschenkt. Agamemnon wird von seiner Frau Klytämnestra und ihrer Buhlschaft Aigistos (Bruder des Agamemon) im Bad erstochen. Aus Furcht vor Kassandras Gabe, bringt Klytämnestra auch diese durch Erdolchung ums Leben. Apolls Liebe bringt Kassandra am Ende kein Glück; sie wird gemieden und gefürchtet - ihre Erkenntnisfähigkeit wird ihr negativ angelastet.

Bei Gottfried ist Tristans Gewand von Kassandra gewoben worden. Dadurch trägt es die Attribute der mythologischen Gestalt. Es verleiht Tristan einen von den Göttern geschärften Verstand. Allerdings führt diese Gabe nicht wie bei Kassandra ins verderben, sonder hilft ihm alle Unternehmungen mit Hilfe des Verstands erfolgreich zu bestehen. Tristans politische Raffinesse trägt Früchte. Allerdings ist das Bild, Kassandra stelle das Gewand her, sehr konstruiert; denn in den antiken Texten wird Kassandra nicht mit der Gewandherstellung in Verbindung gebracht. Gottfried stellt diese Liaison her, um Tristans Brillianz zu begründen.

   und wie mîn vrou Cassander,
   diu wîse Troiaerinne,
   ir liste und alle ir sinne
   dar zuo haete gewant,
   daz sî Tristande sîn gewant
   berihte unde bereite
   nâch solher wîsheite,
   sô si‘z aller beste
   von ir sinnen weste,
   der geist ze himele, als ich‘z las,
   von den goten gefeinet was: (V. 4950-4960)

Sprachliche Auffälligkeiten

Bedeutung der Textstelle zur Selbstpositionierung des Erzählers

Fußnoten

  1. Zitationen dieses Kapitels aus: Gottfried von Straßburg; Ranke, Friedrich (Übers.); Tristan, Band 1 und 2; Reclam; Stuttgart; 2007

Literaturverzeichnis

  • Schwab, Gustav; Die schönsten Sagen des klassischen Altertums; Gondrom, Bindlach; 2006.